Ein Käfig aus Glas von sayomi ================================================================================ Kapitel 4: Schulstress und Ferienbeginn --------------------------------------- Kapitel 4 - Schulstress und Ferienbeginn Immer und immer wieder las Kai die vier Worte durch. Sollte er sich tatsächlich darauf einlassen? Würde das gut gehen wenn sie beide zusammen wären? Und vor allem, wie würde das aussehen? Es war eindeutig keine einfache Angelegenheit und vermutlich wäre ihre Beziehung durch ihre früheren Erlebnisse sehr Vorbelastet, davon abgesehen dass Ray auch noch taub war. Kai dachte angestrengt nach, doch schließlich fixierte er die goldgelben Augen Rays und nickte zaghaft. Er wollte es versuchen. Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Chinesen und er legte den Block beiseite. Zögernd sah er den Russen an und dieser hielt ihm die Hand entgegen. Ray erfasste sie und wurde langsam in die Arme des älteren gezogen. Er ließ es zu, ließ Kai ihm so nahe kommen, denn er vertraute ihm und wollte nicht mehr länger so abgeschottet von allen anderen leben. Der blau-grauhaarige fand es sehr schön den anderen im Arm zu halten und einfach nur bei sich zu haben und war froh, dass dieser es nicht ablehnte. Er legte sich schließlich hin, zog Ray mit sich und umarmte diesen immer noch. Ray war es anfangs zwar unangenehm und er spannte sich ein wenig an, ließ sich aber von Kais gleichmäßigem Atmen schnell wieder beruhigen. Erst als es Zeit zum Abendessen war ließen sie wieder von einander ab und gingen gemeinsam zum großen Speisesaal. Wie immer saßen sie dort nebeneinander, wurden jedoch von vielen Augenpaaren beobachtet. Links neben Kai saß eine kichernde Mädchengruppe die immer wieder zu den beiden Jungen hinüberschielte und immer auf ein Lächeln von ihnen hoffte. Sie wurden enttäuscht, den weder Kai noch Ray würdigten sie eines Blickes, viel zu sehr waren die beiden mit sich selbst beschäftigt. Sie sahen sich in die Augen, lächelten sich an und hielten heimlich unter dem Tisch Händchen. Nach dem Essen verschwanden die beiden sofort wieder in ihrem Zimmer und schlossen ab. Sie zogen sich um, und legten sich, nachdem sie im Badezimmer gewesen waren, gemeinsam in Kais Bett. Der Russe deckte sie beide zu und legte einen Arm um Ray. Der schwarzhaarige Junge kuschelte sich an den älteren, schloss genüsslich die Augen und lächelte zufrieden. „Gute Nacht…“, sagte Kai leise und gab dem anderen einen Kuss auf die Stirn. Er schaltete das Licht aus und schlief schon sehr bald ein. Auch Ray war kurz darauf ins Land der Träume versunken. Nicht lange hatten sie so viel Zeit für sich, denn nur wenig später begannen die Prüfungen. Als erstes waren Japanisch und Geographie dran, beide lernten eifrig denn sie wollten schließlich das Jahr nicht wiederholen müssen. In der Woche darauf hatten sie eine Mathematikarbeit, eine Geschichte- und eine Englischprüfung; für Kai hieß das viel Stress wegen Mathematik, bei Englisch hatte er wegen seinem großen Sprachentalent keine Probleme und da er Geschichte schon als kleiner Junge immer eifrig lernen hatte müssen war auch das für ihn ein Leichtes. Ray hingegen hatte mit der Geschichte schwer zu kämpfen, sprachlich war er jedoch eben so gut wie sein Freund. In dieser einen Woche hatten sie kaum eine ruhige Minute für einander und es kam ihnen nicht so vor, als ob sie zusammen wären. Lediglich das gemeinsame einschlafen und aufwachen im selben Bett erinnerte sie an ihre Beziehung, denn für traute Zweisamkeit war nur noch nachts Zeit. Doch auch diese stressige Phase neigte sich dem Ende zu. Zwei Wochen vor Schulschluss hatten sie ihre letzten Prüfungen: Kunst und Sport. Für diese Fächer mussten sie zum Glück nicht viel lernen und so konnten sie sich wieder einander zuwenden. Mittwochnachmittag, Kai kam eben aus dem Kunstsaal und wurde schon von Ray erwartet. Gemeinsam gingen sie nach draußen in den Garten, denn wie es für Juni üblich war, schien die Sonne und es hatte bereits sommerliche Temperaturen. Sie suchten sich ein ruhiges Plätzchen im Schatten und setzten sich dort in die Wiese. *War es schwer?* fragte Ray. Kai schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich habe alles richtig.“ Freitags wurde dann noch die Kunstprüfung abgehalten und dann waren sie schon so gut wie in den Ferien. Eigentlich hätte das so ziemlich jeden Schüler freuen müssen, doch aus irgendeinem Grund wurde Ray mit jedem Tag stiller und trauriger. Kai entging das natürlich nicht und so beschloss er ihn darauf anzusprechen. Als sie wieder einmal in der Sonne lagen und ihre Freizeit genossen stupste der Russe den jüngeren an. Ray drehte sich zur Seite und sah ihn fragend an. „Was ist los mit dir?“ Ray zuckte mit den Schultern, sah ihn aber weiter an. „Du kommst mir so traurig vor“, setzte Kai fort. Der Chinese seufzte, setzte sich auf und sah zum Himmel. Dann wandte er sich wieder seinem Freund zu und blickte ihn nachdenklich an. *Ich weiß nicht wo ich in den Ferien wohnen soll* Kai sah ihn einen Augenblick an und lächelte dann. „Du kannst doch zu mir kommen, mein Großvater hat mir vor einem Jahr ein Anwesen geschenkt. Es ist etwa 100 Kilometer von hier entfernt.“ Ray staunte nicht schlecht als er das hörte. Er wusste zwar, dass Kais Familie sehr reich war, doch überraschte es dennoch sehr dass Kai mit seinen siebzehn Jahren schon ein komplettes Anwesen besaß. Der Tag der Zeugnisvergabe war gekommen und gespannt saßen die Schüler auf ihren Stühlen. Einer nach dem anderen wurde nach draußen gerufen, der Klassenlehrer sprach ein paar Worte und drückte dann jedem das Stück Papier in die Hand. „Hiwatari, Kai“, sagte der junge Mann schließlich laut. Der Russe stand auf und blieb vor dem Lehrertisch stehen. „Also ich muss sagen, deine Noten haben mich ganz schön überrascht. Du passt ihm Unterricht so wenig auf und trotzdem hast du überall mit ‚sehr gut’ abgeschlossen. Wirklich gute Leistung. Ich hoffe, dass du im nächsten Jahr genauso gut arbeitest und vielleicht kannst du dich sogar dazu überwinden dich ein bisschen am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen.“ Kai grinste den Lehrer an und dieser lächelte ebenfalls. Sie schüttelten sich kurz die Hand und dann bekam der blau-grauhaarige endlich das Dokument überreicht. Ray sah sich gerade Kais Zeugnis an als der Lehrer zu seinem Namen kam. „Kon, Ray.“ Der Russe knuffte seinen Freund in die Seite, dieser blickte ihn verwirrt an und als Kai in Richtung Lehrer deutete ging Ray ein Licht auf. Er sprang auf und ging nach vorne. „Es freut mich, dass du mit lauter guten Noten abgeschlossen hast. In Geschichte hapert es zwar immer noch ein bisschen, aber solang das alles ist wollen wir uns daran nicht stören. Ich gratuliere auf jeden Fall zu dieser sehr guten Leistung.“ Ray lächelte, reichte dem Lehrer die Hand und nahm anschließend sein Zeugnis entgegen. Nachdem die letzten Zeugnisse verteilt und die Schlussworte für dieses Schuljahr gesprochen waren gingen alle auf ihre Zimmer um ihre Koffer zu packen. Ray und Kai mussten sich ein wenig beeilen, denn ihr Zug fuhr in zwei Stunden; zum Glück hatte die Schule einen eigenen Bahnhof der nur etwa hundert Meter von dem Gebäude entfernt war. Sie schleppten ihre Koffer und Taschen zu der Haltestelle und keine fünf Minuten später fuhr der Zug auch schon ein. Sie suchten sich ein leeres Abteil, verstauten ihr Gepäck und ließen sich schließlich erschöpft auf die weichen Sessel fallen. Glücklich lächelten sie sich an, immerhin waren sie nun die gesamten Ferien alleine; sie brauchten sich nach niemandem zu richten und auch die Schule konnten sie für die nächste Zeit komplett aus ihrem Kopf streichen, es zählten nur sie beide. Zwei Stunden lang ratterte der Zug über die Schienen und die Gegend wurde immer ländlicher, Ray schlief ein und Kai sah die gesamte Fahrt über aus dem Fenster. Lange schon war er nicht mehr da gewesen und bestimmt hatte das große Haus einen Frühjahrsputz nötig. Als er aus den Lautsprechern hörte dass die nächste Station die war, bei der sie aussteigen mussten weckte er seinen Freund und suchte ihre Sachen zusammen. Hand in Hand gingen sie durch die Straßen des kleinen Ortes und stoppten nach etwa zehn Minuten vor einem großen Tor. Ray starrte dieses beeindruckt an während Kai in seiner Tasche nach dem Schlüssel kramte. Auf einem eigenen Bund hatte er alle Schlüssel die zu dem Anwesen gehörten und musste nun nach dem für das Eingangstor suchen. Es dauerte ein wenig, doch dann war auch das geschafft. Sie traten ein und Kai schloss wieder ab, dann sahen sie sich erst einmal um. Der Garten war riesengroß und es befanden sich mehrere Springbrunnen darin, die jedoch sehr verschmutzt und ohne Wasser waren. Das Gras war hoch und in den Rosenbeten wucherte das Unkraut. Dann fiel ihr Blick auf das große Haus; es war in gutem Zustand, hatte zwar schmutzige Fenster aber ansonsten sah es wunderschön aus. Kai stellte seinen Koffer ab und zog Ray hinter sich her, auf die andere Seite des Gebäudes. Die Jungen stockten und konnten es kaum fassen; es war zwar ebenfalls alles ein wenig verwildert, aber dennoch war es mehr als nur beeindruckend was sie sahen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)