If I was a river von DhalaElenaAngel ================================================================================ Kapitel 2: Arbeit ----------------- Kurzerhand drückte Ran dem Pagen ein paar kleine Scheine in die Hand, bevor er sich erst einmal auf das Bett fallen ließ. Er fühlte sich, gelinde gesagt, beschissen. Allein das Wissen, dass Schuldig irgendwo in der Nähe war, nahm ihn mehr mit, als er es je für möglich gehalten hätte. Warum? Warum ließ er sich davon nur so fertig machen! Wütend auf sich selbst rappelte er sich auf, bevor er erneut zu heulen beginnen würde und klappte den Koffer auf. Mit einem fast schon liebevollen Streicheln hob er seine Waffe heraus und stellte sie neben das Bett. Seine einzige, große Liebe, die er sich von nun an noch erlauben würde. Sein Katana. Es konnte ihn wenigstens nicht derart verletzen...Er hatte nicht vor, zu viel auszupacken, wusste er doch nicht, wie lang er hier zu bleiben gezwungen sein würde. Wenn er schnell packen musste, wollte er erst gar nicht zu viel haben, dass er wieder in dem Koffer verstauen musste. Dann packte er hastig blind frische Wäsche aus und verschwand in dem Luxusbad. Ohne auf das Inventar zu achten, duschte er sich schnell, nicht gewillt, Zeit zu verschwenden. Nur der Auftrag zählte und die schnelle Erledigung Selbigen. Um so schneller konnte er das Land und den Anderen, der ihn auf einmal auf unheimliche Weise zu verfolgen schien, wieder hinter sich lassen. Wenn er hier fertig war, sollte er sich vielleicht wirklich einmal zwei, drei Tage frei nehmen und in die Berge fahren. Trainieren, von früh bis spät, damit er endlich mal so erschöpft war, dass er wieder schlafen konnte und außerdem würde die Umgebung ihm helfen, wieder zu seiner Eismaske zu finden, innerlich Ruhe zu finden. Als er fertig war, betrachtete er sich im Spiegel. Ein fast schon krankhaft bleiches Gesicht, selbst für seine Verhältnisse, sah ihm aus einem edlen, schwarzen Hemd entgegen, dass einen bäuerlichen Schnitt von vor 200 Jahren hatte und am Hals geschnürt wurde. Die weiten Ärmel endeten in eng anliegenden Manschetten, die seine Gelenke ungewöhnlich fragil wirken ließen. Gut, das Hemd betonte seinen schlechten Zustand noch, aber um sich umzuziehen fehlte ihm einfach der Nerv. Dazu trug er eine extrem eng sitzende Jeans, die nur zu deutlich zeigte, dass er in der letzten Zeit abgenommen hatte, an der das Markenschild sicher das Teuerste gewesen war. Aber gut, für ein Abendessen in diesem Luxusschuppen hatte es zu reichen. Er hatte keine Lust, sich umzustylen oder größere Mühe auf sein Aussehen zu verwenden. Kurz verweilte seine Hand an dem länglichen Ohrring, den er nun schon so lange trug. Er hatte ihn an dem Tag im Park Schuldig geben wollen, denn für ihn gab es keinen anderen, mit dem er je zusammensein wollte. Wütend riss er ihn aus dem Ohr, nicht darauf achtend, dass es zu bluten begann. Er brauchte dieses Schmuckstück nicht mehr. Der einzige Mensch, den er akzeptiert hätte, wollte ihn offensichtlich nicht. Kurz spielte er sogar mit dem Gedanken, das Ding wegzuwerfen, doch das brachte er dann doch nicht übers Herz, war es doch neben einigen Fotos das Letzte, was er von seiner toten Schwester hatte! Aber tragen konnte und wollte er ihn nicht mehr. Stattdessen warf er ihn im Vorbeigehen einfach in seinen Koffer und verließ das Zimmer. Auf dem Flur sah er sich unwillig um. Überall protzte ihm Gold entgegen, von den Wänden, die eh mit kitschiger Stuckarbeit übersät waren, bis hin zu den Säulen, die im Licht der Kronleuchter blinkten. Boa! Konnte es wirklich Leute geben, die sich hier wohlfühlen würden? Sicher. Schuldig. Das müsste doch den Geschmack des Deutschen auf den Kopf treffen, stellte Ran verbittert fest, bevor er zum nächsten Aufzug lief und sich nach unten in den Speisesaal bringen ließ. „Mr. Fujimia?“ „Yes", gab Ran kurz angebunden zurück. Er stellte entsetzt fest, dass er sich so gut wie gar nicht mehr im Griff zu haben schien, wenn er schon nicht einmal mehr eine notwendige Freundlichkeit zur Schau tragen konnte! „Your table has been ordered, you’ll sit by another businessman. Will this be acceptable?” Ran antwortete nur mit einem Nicken und folgte der Frau – nur um erneut ins Stocken zu geraten. Nur, dass es diesmal keine Möglichkeit geben würde, sich zu drücken, denn die smaragdenen Augen hatten sich bereits auf ihn geheftet. Verdammt! Von all den beschissenen Edelschuppen in diesem Lande hatte Schuldig sich ausgerechnet diesen hier aussuchen müssen?! Das... war ein einziger Alptraum. Automatisch zerrte er die Barrieren hoch, in exakt dem Moment, in dem er die Fühler des Anderen bemerkte. Was nun? Was sollte er tun?? Raus! Das war sein einziger Gedanke. Hunger hatte er ohnehin nicht und seine Ermittlungen hatten bis zum nächsten Tag Zeit. Vielleicht stellte das Ganze sich bis dahin ja als dummer Alptraum heraus... Genießerisch nahm Schuldig einen weiteren Löffel des sündhaft teuren Desserts und schlug sich selbst zu seinem Glück, hier gelandet zu sein, auf die Schulter. Das war doch mal was anderes, als Bestellessen oder Nagis kläglich scheiternde Kochversuche! Aber im Moment war ohnehin alles besser, als Japan! Wo er nur Ärger hatte! Nein, nein, er würde diesen Auftrag mit Freuden ein wenig in die Länge ziehen... Und das Beste war, es ging alles auf die Spesenkasse. Schließlich gehörte es zu diesem lächerlichen Auftrag! Egal, um den wollte er sich nicht vor morgen kümmern. Er wollte nur aufessen und dann losziehen, durch die australische Nachtwelt, die hier in der Großstadt ja wohl so einiges zu bieten haben musste! Es handelte sich immerhin um Melbourne und nicht um irgendeine Kleinstadt! Er wusste selbst nicht, warum er auf einmal aufsah, aber was er sah, ließ ihn stocken. Er merkte nicht, wie der Löffel ihm entglitt, auf dem Sorbet aufschlug. Das Einzige, was er sah, war rot. Nicht das übliche Ich-bin-unendlich-wütend-und-du-bist-Schuld-daran-Rot, sondern das vertraute, leuchtende Rot von Rans Haaren. Was..? Was...? Verdattert blinzelte Schuldig, versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was er da sah, doch sein Hirn schien zu streiken. Aber er irrte sich nicht, definitiv nicht! Das da WAR Ran! Das hier war der Anführer von Weiß! Zweifel ausgeschlossen! So helle Haut, in Verbindung mit der für einen Japaner mehr als ungewöhnlichen Haarfarbe und der generell seltenen Augenfarbe, in der Kombi, konnte es nur einmal geben! Und er wurde von der Platzanweiserin direkt auf ihn zugeführt! Da! Jetzt hatte auch der Andere ihn erkannt. Schuldig merkte, wie Ran stockte, wie seine mentalen Fühler, die er gerade tastend ausgestreckt hatte, von einer schier unüberwindlichen Mauer abgehalten wurden. Einer Mauer, die fast noch heftiger und abweisender wirkte, als die zur Zeit vor ihrer Beziehung. Violette Augen sahen ihn mit einer eigentümlichen Mischung aus Unglaube, Verzweiflung und Trauer an, bevor der Körper eine elegante, wenn auch abrupte Schraube vollführte. „Stop!", schrie Schuldig in dem Moment, sprang auf, raste los, hinter dem Anderen her, ohne auf seine Umgebung zu achten. Es war ihm egal, dass er einen reichen Fatzke über den Haufen rannte und die Kellnerin mit einem voll beladenen Tablett aus dem Weg stieß, es zählte nur der rote Schopf vor ihm. „Bleib gefälligst stehen!", rief Schuldig unwillig, während er langsam, aber stetig aufholte. Irrte er sich, oder war Ran heute nicht gar so schnell, wie sonst immer? Wurde er langsamer, nach einem Lauf von wenigen Metern? Egal. Umso besser für ihn. Ach ne, oder? Das konnte es doch wohl nicht sein! Gerade, als er gedacht hatte, den Jüngeren erreicht zu haben, sprang dieser in einen bereits halb geschlossenen Aufzug, der sich nur Sekunden später in Bewegung setzte. Mist! Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Dieser Arsch! Er musste ihn gehört haben! Schuldig hatte mehr, als deutlich gerufen! Und nun das! Wie sollte er Ran nun finden? Dieser verfluchte Schuppen hatte mehr als fünfhundert Zimmer, die er kaum einzeln abklappern konnte. Aber... warum eigentlich? Es konnte ihm doch vollkommen gleichgültig sein, zum Henker noch mal! Der Jüngere war ja wohl mehr als eindeutig nicht an einem klärenden Gespräch interessiert, also, warum war er ihm überhaupt hinterher gerannt, anstatt aufzuspringen und seinen Nachtisch einfach stehen zu lassen! Was ging ihn denn diese beleidigte Leberwurst an! Wütend über sich selbst wandte er sich abrupt ab und lief zurück zu der Eingangshalle, die er eben durchquert hatte, löschte auf dem Weg dahin schnell bei den armen Kellnern seinen Ausflipper und ließ sich seinen Wagen vorfahren. Er brauchte Ran nicht! Er würde sich jetzt einen absolut geilen Abend machen, ohne die arrogante Spaßbremse! Kurz fragte Schuldig sich, was der Andere hier überhaupt zu suchen hatte, denn er kannte Ran gut genug, um zu wissen, dass das hier für ihn sicher kein Urlaub war. Dieser Spaßverderber verstand unter Urlaub eine primitive Hütte, am Besten noch ohne Strom und fließendes Wasser, irgendwo mitten in den Bergen! Pah! Ran hasste aufgedroschene Klamotten und teure Hotels mit Rundumservice. Na, ihm konnte es egal sein! Er wollte die Nacht genießen! Abrupt riss Schuldig den Wagen um eine Kurve, als er das Schild einer Edeldiskothek sah. Sein Spaß konnte beginnen! Und wenn es das Letzte war, was er zu tun gedachte! Er würde es allen, sich selbst und vor allem dem Weiß beweisen – er brauchte den Anderen nicht! „Wa... wa... wa...?“, japste Omi entsetzt auf, starrte Manx mit ungläubig aufgerissenen Augen an. „Das... das... das...“ „Ist ihr Ernst", vollendete Yohji den Satz des Jüngsten, wenn auch etwas anders, als der es sicher gern gehabt hätte. Doch er erkannte in den Augen der Rothaarigen, dass diese jedes Wort ernst meinte, auch, wenn es ihm dabei selbst eiskalt den Rücken herab lief. Diese Vorstellung kam ihm absurd vor, unmöglich und vollkommen irrig. „Ab....aber warum!! Wir sind auch so...!“ „Als Verstärkung natürlich. Seid doch froh, das bedeutet schließlich, dass ihr künftig vier doch recht penetrante Feinde weniger haben werdet. Schließlich verlangt niemand, dass ihr beste Freunde werden sollt!", lenkte Manx ein. „Es geht um eine rein geschäftliche Zusammenarbeit, die schon bereits verbrieft und versiegelt ist. Es ist zu unser aller Besten.“ „Ach?", knurrte Yohji ungehalten. „Und wer soll DAS bitteschön Aya erklären? Ich häng an meinem Leben, ich werde es SICHER nicht tun!! Und eins könnt ihr alle glauben – der wird unangespitzt durch die Decke gehen!“ „Last ihn erst einmal seinen Auftrag erledigen und behelligt ihn in der Zeit nicht damit. Um den Rest werde wohl ich mich kümmern dürfen.“ Das waren zumindest in etwa die Worte von Bradley Crawford gewesen, nur hatte der gemeint, dass, wenn der Rotschopf zurückkehren würde, sich die Dinge bereits geklärt haben dürften und Aya keinen Ärger machen würde – er am Allerwenigsten. Was Manx für etwa so wahrscheinlich hielt, wie Schnee im August. Und selbst das könnte in ihren Augen noch eher geschehen. „Was haben... Schwarz gesagt?", fragte Ken schließlich in die drückende Stille hinein. „Bradley Crawford hat uns diesen Vorschlag erst unterbreitet, da wir ohnehin recht häufig dieselben Ziele haben.“ Unglaublich, aber wahr. Als Kritiker sie von dem Anruf unterrichtet hatte, hätte nicht mehr viel gefehlt und sie wäre umgekippt vor Schreck. „Ach? Und wie soll das künftig laufen?", bohrte Yohji weiter. „Wir haben Zweiergruppen gebildet, die künftig zusammen arbeiten werden, um eure Effizienz während der Einsätze zu erhöhen.“ „Und welche?", fragte Omi leise, immer noch nicht glauben könnend, was hier gerade besprochen wurde. Sie sollten mit Schwarz zusammenarbeiten? Ihren schlimmsten Feinden, die sie so oft angegriffen hatten? Einfach mal eben so, aufgrund eines Anrufes? „Farfarello und Yohji, Omi und Crawford, Schuldig und Aya und Nagi und Ken.“ „Waaaaaaas?", japste Yohji entsetzt. „Wa... warum ich und...?!“ „Weil Oracle das als die besten Teams erkannt hat.“ „Und wie das??“ „Durch seine Visionen .“ Sekundenlang herrschte eine gespenstische Stille. „Vergesst es", warf Ken leise ein. Gut, im Grunde fand er die Idee nicht schlecht. Das bedeutete wenigstens, dass ihn aus dem Hinterhalt keine fliegenden Trümmerteile mehr angreifen konnten, aber da gab es ein Problem, an das hier alle nicht zu denken schienen. „Ken?“ „Sobald wir in den letzten zwei Wochen das Wort Schuldig in welchem Zusammenhang auch immer erwähnt haben, ist Aya fast an die Decke gegangen. Vergesst es, der arbeitet nicht mit dem Deutschen zusammen!“ „Das wird er. Er ist Profi genug, um über seinen Schatten zu springen, wenn es um einen Job geht", gab Manx zurück, ihre eigenen Zweifel über gerade diese Zusammenstellung nur mühsam verbergend. Dass sie selbst dachte wie Ken, brauchte hier niemand zu wissen, denn irgendwie hatte Bradley Crawford es geschafft, gerade Kritiker von diesen beiden als aussichtsreichstes Team vollkommen zu überzeugen. Also, entweder war da mehr, als ihr Auftraggeber ihr selbst zu wissen erlaubt hatte, oder Bradley war ein verdammt guter Lügner... „So, damit wisst ihr jetzt Bescheid und euer erster, gemeinsamer Auftrag beginnt in", sie blickte auf die Designeruhr an ihrem Handgelenk, „...etwa vier Stunden am Tokio Tower. Haltet euch also bereit.“ Erschrocken zuckte Ran zusammen, als sein kleiner, unauffälliger Reisewecker zu klingeln begann. Nicht, dass er wirklich geschlafen hätte, weit gefehlt, aber das plötzliche Geräusch in der undurchdringlichen, von seinen Gedanken angefüllten Stille hatte ihn tatsächlich erschreckt. Er fühlte sich wie erschlagen, wusste nur noch dunkel, dass er wohl einige Male während der Nacht tatsächlich eingenickt sein musste, aber meist nur Minuten später wieder zusammengeschreckt und aufgewacht war – jedes Mal, wenn das penetrante Bild seines ehemaligen Geliebten sich in seinen Geist geschlichen hatte, um es präzise auszudrücken. Verdammt! Warum immer er?! Australien war ein riesiger Kontinent und es verkehrten so viele Flugzeuge, aber nein, erst saß er mit Schuldig im selben Flieger und dann waren sie auch noch im selben verdammten Hotel gelandet! Warum hatte er diesen Auftrag, der eigentlich doch viel besser zu Yohji gepasst hätte, nur angenommen? Um Abstand zu gewinnen, von Schuldig, von Japan, um zu seiner Maske zurück zu finden, wieder richtig Aya werden zu können! Und stattdessen wurde er ausgerechnet mit SCHULDIG konfrontiert! Alles... alles hatte sich drastisch verschlimmert, vor allem, nachdem der Deutsche ihn gestern auch noch gesehen hatte, ihm nachgerannt war! Er würde dem Telepathen nicht mehr wirklich aus dem Weg gehen können, wenn der das nicht zulassen wollte und er wusste aus eigener Erfahrung, wie penetrant der sein konnte... °~°~°Flashback°~°~° Nervös sortierte Ran die Blumen in dem Topf vor sich schon zum vierten oder fünften Mal um, sich des irritierten Blickes des Playboys mit jeder weiteren Bewegung bewusst. Aber er konnte nicht anders, denn im Gegensatz zu den Anderen wusste er etwas. Etwas, dass seine Kollegen mit Sicherheit zum Ausrasten gebracht hätte. Etwas, dass er selbst nicht wirklich fassen konnte. ‚Noch mal, Kitten: du hast die Wahl: Du bewegst deinen knackigen Hintern jetzt hier rüber oder ich marschier bei euch rein und nehme dich einfach mit.’ ‚Das geht nicht!’, gab er entsetzt zurück. ‚Ich.. ich habe Schicht!’ ‚Es ist nichts, aber auch rein gar nichts los, Kitty, die Ausrede zieht nicht.’ ‚Nenn mich nicht so!’ ‚Ich hab dir schon mal gesagt, ich rede dich sicher nicht mit einem Weibernamen an. Komm.’ Aus den Augenwinkeln konnte Ran erkennen, wie die Person an der Haltestelle, die dort schon drei Busse hatte vorüberfahren lassen, sich langsam in Bewegung setzte, um zu beweisen, wie ernst sie es meinte. Verdammt! „Kudoh, ich habe etwas zu erledigen", knurrte er in den Laden, band die Schürze ab, warf sie dem reichlich seltsam dreinsehenden Playboy zu, und lief los, auf den Mann zu, der nun langsam auf eine Gasse zulief, sich dort an die Wand lehnte. Als er näher kam, schob der Deutsche seine Sonnenbrille über sein übliches Bandana in seine Haare, grinste ihn unverschämt frech an: „Ich bekomme immer, was ich will", meinte der Telepath in dem Moment auch schon. „Was willst du von mir?", fragte Ran nur möglichst kühl zurück, versucht, das leichte Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bekommen und unendlich froh, dass Schuldig durch seine Schilde seine Gedanken nicht erreichen konnte. „Meinen Spaß", grinste Schuldig, während er den Jüngeren an dessen Hüfte näher zu sich zog. „Dich", präzisierte er, als er die Härte bemerkte, die kurz über die amethystenen Augen huschte. „Warum?“ „Weil du eine Herausforderung bist.“ „Wieso?“ „Du bist der Einzige, der es schafft, mich sogar beim Sex aus dem Kopf zu halten. Das hat noch nicht mal Braddy-boy hinbekommen.“ „Mit dem hast du also auch schon gevögelt", knurrte Ran, versuchte sich zu befreien. „Sicher. Irgendwie muss man sich ja beschäftigen. Aber – wenn es das ist – du warst besser, Kitten.“ „Nenn_mich_nicht_so!“ „Tu ich aber. Und weißt du was, ich werd dich noch dazu kriegen, deine Schilde fallen zu lassen.“ „Vergiss es...“ °~°~°Flashback Ende°~°~° Nein! Er tat es schon wieder! Das durfte nicht geschehen! Keine Erinnerungen an die Vergangenheit! Diese Zeit musste für ihn aufhören, zu existieren! Sonst würde er zerbrechen! Obwohl – war das auf gewisse Weise nicht auch schon längst geschehen? Ja, er war innerlich zerbrochen. Dort, wo sein Herz sitzen sollte, befand sich nur noch ein riesiger Haufen scharfkantiger Splitter, der sich Erinnerung schimpfte und ihn weiter piesackte. Verzweifelt legte Ran seine Hand auf die Augen, bevor er sich am Riemen riss und sich mühsam aufrichtete. Er hatte das Gefühl, an seinem Körper würden Gewichte hängen, die ihn nach unten drücken wollten, zurück in die eigentlich viel zu weichen Kissen, auf denen er die gesamte Nacht gelegen und sich herumgewälzt hatte. Aber schließlich stand er dann doch auf, blickte an sich herab, seufzte leise und griff in den Koffer nach der bereitgelegten Wäsche. Ein helleres Shirt, damit er nicht gar so krank aussah – aus dem Fehler vom Vorabend hatte er doch gelernt – und wieder eine Jeans, nur diesmal nicht so eine enge. Sein Verstand befahl ihm, frühstücken zu gehen. Es war erst früher Morgen, das Buffet hatte gerade erst eröffnet, also hatte er gute Chancen, fertig zu werden, bevor Schuldig auch nur aus den Federn kriechen würde, dann konnte er mit seiner Arbeit beginnen – und sie so schnell wie möglich beenden, um von hier wegzukommen, bevor er durchdrehen würde. Nachdem er sich auch noch die Haare ordentlich gerichtet hatte – niemand musste ihm sofort ansehen, wie dreckig es ihm ging, dafür hatte er sogar etwas Make-up aufgelegt, um seine Blässe und die Augenringe zu vertuschen – trat er aus der Tür. Und versuchte nur den Bruchteil einer Sekunde, durch selbige wieder zu entkommen, doch es blieb bei dem Versuch. Zwar schaffte er es zurück in sein Zimmer, doch bevor er die Tür ins Schloss werfen konnte, hatte sich ein Fuß dazwischen geschoben. Eine Hand riss sie auf, Schuldig drängte sich herein, musterte ihn... Verfluchte Scheiße! Mit einer Laune, dass man den Deutschen nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen wollte, trat dieser zurück in sein Zimmer, ließ sich aufs Bett fallen und griff frustriert zu seiner Schachtel mit den Zigaretten, ungeachtet der Tatsache, dass das hier ein Nichtraucherzimmer war. Eigentlich hatte er damit aufgehört, weil Ran es nicht gemocht hatte, aber wen interessierte das schon in dem Moment? Ein Blick auf den Digitalwecker verriet ihm zu allem Überfluss, dass es noch nicht einmal ganz drei Uhr Nachts war. Fluchend nach einem Feuerzeug suchend und dann aufgebend, die Zigarette auf den Nachtschrank werfend, ließ er den Abend Revue passieren. Der Schuppen, den er gefunden hatte, war absolut nach seinem Geschmack gewesen. Teuer, nicht zu voll und nur mit ausgewählten Gästen. Auch einige heiße Stücke Fleisch, für die sich ein kleiner Ausflug in ein dunkles Eck durchaus gelohnt hätte. Er hatte auch mit ihnen geredet, ihre Geister gecheckt, doch nach den ersten Worten und Gedankenblitzen hatte er sich meist angeekelt abgewandt. Nichts. Keine Tiefe, nur grell und laut waren sie gewesen, die aufgestylten Mädchen und laut die Kerle. Bei keinem von ihnen hatte er auch nur daran denken können, mit ihnen zu schlafen. Es hatte ihn eher angeekelt. Sie hatten eben alle nicht... Egal! Dieses Desaster würde sich morgen, nope, heute nicht wiederholen! Er würde in ein paar Stunden frühstücken gehen und sich dann an den Pool pflacken und irgendwen aufreißen, denjenigen in sein Bett schleppen und um den Verstand vögeln! Ja, dachte Schuldig sich zufrieden. Das waren nette Aussichten. Zufrieden rollte er sich herum, doch dann fiel ihm etwas anderes ein. Ran! Der Weiß war sicher nicht wegen einem netten Urlaub hier! Nicht hier, nicht in einem solchen Hotel! Es gab nur einen möglichen, anderen Grund, der erklärte, dass sie in derselben Absteige, die dem Rotschopf so wenig entsprach, gelandet waren! Ran war auch hinter diesem Everett her! Mit Sicherheit! Schuldig lachte leise, während sich in seinem Kopf ein kleiner, fieser Plan formte: warum sollte er überhaupt arbeiten? Er würde es dem Rothaarigen vorschlagen, dass sie zusammen arbeiten sollten. Mehr nicht. Kein Wort über das, was geschehen war. Einfach nur ein Arbeitsangebot. Dann konnte er in Ruhe seine Ferien genießen, während der Andere sich weiter totarbeiten konnte! Denn gesund hatte er gestern nicht wirklich gewirkt. Krankhaft bleich und hätte er es nicht besser gewusst, er hätte behauptet, der Jüngere habe Augenringe gehabt und außerdem abgenommen. Egal, das war nicht seine Sache, redete Schuldig sich weiterhin entschlossen ein. Er musste nur noch herausfinden, wo der Rotschopf wohnte, aber das war kein Problem. Rasch erhob Schuldig sich, der ohnehin nicht wirklich schlafen konnte und lief herunter zur Rezeption, wo ein übernächtigter Angestellter ihn fragte, ob er behilflich sein könne. „Hab die Zimmernummer von meinem Kumpel vergessen", flirtete Schuldig, während er sich in den Kopf des Anderen klinkte. Ein Student, der sich hier zusätzlich etwas Geld verdiente, wie er dabei herausfand. Er machte diesen schnell klar, dass der zu kucken hatte. „Zimmer 307", kam schließlich die Antwort. Wie bitte?? Nun hätte der Deutsche wahrlich fast zu lachen begonnen! Das konnte.. das konnte doch wohl nicht sein! Das war ja neben ihm! Er war in 308! Mit einem ‚Danke’ stürmte Schuldig zurück, blickte ein weiteres Mal auf seine Gucci-Uhr. Fünf. In einer Stunde würde das Buffet aufmachen. Er wusste, dass Ran dann essen gehen würde, schon allein um eine Begegnung mit ihm zu vermeiden, wohl wissend, dass er nie im Leben so früh aufstehen würde. Lässig lehnte Schuldig sich an die Wand, so dass er, noch bevor Ran die Tür wieder zuschlagen konnte, seinen Schuh zwischen Rahmen und Tür bringen konnte. Und er wurde nicht enttäuscht. Punkt sechs Uhr wanderte die Klinke nach unten und Schuldig reagierte, ließ den vollkommen überraschten Rotschopf nicht einmal aus seinem Zimmer, drängte diesen zurück, trat selbst ein und schlug die Tür zu. Sekundenlang musterten sich beide, bevor Ran sich schließlich als Erster abwandte, seine Maske und die Schilde mühsam haltend, während er sich bückte ein Buch, dass er nicht angerührt hatte, zurück in den Koffer legte, versuchte dadurch das nervöse Zucken seiner rechten Hand zu verschleiern. „Du bist hier, um Everett umzubringen und ich auch. Wir können uns das Leben schwer machen, oder einfach zusammen arbeiten, Kitten", gab Schuldig nur erstaunlich kühl von sich. Er hätte nicht gedacht, dass er so gut schauspielern konnte. Aber er hatte die Schnauze voll davon, bei dem Anderen zu Kreuze zu kriechen! Er brauchte Ran sicher nicht!! „Woher..:?!“ „Dich würden keine zehn Pferde dazu bekommen, sonst in einem Luxusschuppen zu übernachten, Kitten", stichelte Schuldig weiter, der es einfach nicht sein lassen konnte. „Nun?“ Ran zögerte, er zögerte erstaunlich lange und seine erste Reaktion wäre es gewesen, sein Katana, dass in Griffweite an der Wand lehnte, zu packen und auf Schuldig loszugehen, doch er konnte es einfach nicht. Denn als er den Anderen gesehen hatte, war ihm eines nur noch schmerzhafter klar geworden, trotz des kalten Blickes und des eisigen Tons. Er würde den Deutschen immer lieben.. Nein! Er liebte überhaupt nicht! Er brauchte so etwas Belastendes nicht! „Gut", gab er so ruhig als möglich zurück, froh, dass seine Stimme wenigstens nicht zitterte und dem Make-up dafür wirklich dankbar, dass man nicht merkte, dass er noch bleicher geworden war. „Dann wäre das ja geklärt. Wir treffen uns morgen Abend, acht Uhr, in dem Lokal hier und tauschen uns darüber aus, was wir herausgefunden haben.“ Hastig kritzelte Schuldig einen Straßennamen, den er im Vorbeifahren gesehen hatte, auf einen Zettel, drückte ihn dem Rotschopf in die Hand, wandte sich um und verließ zackig das Zimmer. Ran sah dem Älteren hinterher, merkte, wie seine Beine weich wurden, unter ihm nachgaben, wie er in sich zusammensackte. Wütend unterdrückte er seine Tränen, die schon wieder zu fließen drohten, riss sich mühsam zusammen, erhob sich und ließ sich dann erst auf das Bett zurückfallen. Sein ohnehin nicht vorhandener Appetit hatte sich soeben vollends verabschiedet. So viel zu seinem Frühstück. Er wusste, würde er nun versuchen zu essen, würde sein Magen wüst dagegen rebellieren... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)