Soul Service von fukuyama (Himmel & Hölle) ================================================================================ Prolog: °*+~-,. Prolog .,-~+*° ------------------------------ Titel: Soul service Untertitel: Himmel und Hölle Autor: Vanessa D. / fukuyama Widmung: Für Kiki zum 17.! °*+~-,. Prolog .,-~+*° Wir befinden uns auf der Erde in einem kleinen, aber exquisiten Cafe am Parkrand in einer größeren Stadt. Auf der Rechnung, die kurz zuvor auf den Tisch gelegt wurde, ist das Datum 15. Juli 2007 vermerkt. Durch die offene Glastür des hell eingerichteten Kaffeehauses hört man entfernt das Lachen von Kindern und das Bellen eines Hundes. „Was also hältst du davon?“, fragt eine der beiden am Tisch sitzenden Gestalten - der Stimme nach ein Mann. Er legt einen Heftordner neben die Rechnung, der sich bei näherem Studium als mehrseitiger und in Klarsichtfolie gehüllter Vertrag entpuppt. Sein Gegenüber schweigt, dreht nachdenklich die Cappuccinotasse, die er in der Hand hält. Das Getränk ist noch heiß und die Hände des Mannes - auch diese Gestalt ist definitiv ein Mann - sind leicht gerötet. Ein nachdenklicher Zug lässt sich um seine Mundwinkel erahnen. Schließlich seufzt er und fragt resignierend: „Es ist dir also wirklich ernst damit, mein Lieber?“ Der andere Mann nickt. „Ich halte dies für das beste Verfahren. Wir haben ja nun wirklich zur Genüge nutzlose Kriege geführt!“ Der zweite Mann blickt überrascht auf: „Und das von einem Teufel?“ Der so Betitelte grinst nur, bevor er noch einmal eine auffordernde Handbewegung Richtung Vertrag macht. „Du musst nur unterzeichnen.“ Sein Gegenüber blickt ihn leicht strafend an. „Wenn es dir wirklich ernst ist, dann reicht es mir, wenn wir einander versprechen, nach den Regeln zu spielen und keine Gewalt anzuwenden.“ Daraufhin nickt der erste Mann bestätigend und hält seinem weniger kritischen Partner die Hand hin. Dieser gibt sich einen Ruck und schlägt ein. Der erste Mann grinst und trinkt seinen Cappuccino in einem Zug aus. „Dann ist es beschlossen!“ --------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. I † I .,-~+*° --------------------- Anm.: Das Zeichen in der Mitte des Titels deutet an, dass aus der Sicht eines Höllenbewohners geschrieben wurde. °*+~-,. I † I .,-~+*° Ich lehnte an einem der großen Panoramafenster meiner Villa und genoss in aller Ruhe die weit hallenden Schmerzenschreie, die aus dem dritten Ring zu meinen empfindlichen Ohren heraufschallten. Verzweifelte Hilferufe, Gequälte Schmerzensschreie… Ja, manchmal war das Leben - wollte man es denn als solches bezeichnen - doch recht schön. Lauter schreiende Menschen rund um meinen kleinen Berg herum und durch die tolle Akustik noch meilenweit zu hören und ich mitten drin in der Gluthitze des Wintergartens (mir gefiel die ironische Kombination des Raums mit diesem Zustand besonders). Einfach mal ausspannen, vielleicht später ein Besuch am Scheiterhaufen - was wollte man mehr? „Hey Thief!“ Nun ja, vielleicht einen magischen Abwehrbann oder Panzerglas und Vorhängeschloss. Genervt drehte ich mich zur Tür um, in der mein bester Freund und Mitteufel Duke Devlin lehnte und auf einer seiner schwarzen Haarsträhnen herumkaute. „Was?!“ Mein Gegenüber stieß sich vom Rahmen ab und durchmaß mit langen, federnden Schritten den Raum, bis es schließlich neben mir am Fenster stand und ebenfalls hinab auf die öde Ebene des dritten Rings starren konnte. Dieser allerdings maß der schönste Teufel der Hölle (nun schon seit vier Jahrhunderten unangefochten) kaum Beachtung bei. Stattdessen antwortete er mir auf meine überaus höfliche Frage: „Luzifer will uns alle sehen.“ In seiner Stimme lag gerade genug Neutralität, um die Verachtung zu übertönen, doch auf meinen Zügen zeichnete eben diese sich um so deutlicher ab. Luzifer war seit etwa einem Jahrhundert der Yami, bzw. die Dunkelheit, und führende Kraft der Hölle. Und seit eben dieser Zeit hetzten alle Bevölkerungsschichten des Abgrunds nur noch hin und her, um ihm alles Recht zu machen. Devlin und ich gehörten eher zu den höheren Bewohnern, hatten ein dementsprechendes Alter, wussten noch um den alten Herrscher und waren Luzifer langsam wirklich Leid. „Luzifer ist ein elender Schwächling!“, knurrte ich und spukte verächtlich auf den Boden. Diese Behauptung hatte ihren Grund, denn Luzifer war keineswegs zum Yami gemacht worden, weil er sich als Teufel hervorgetan hatte. Vielmehr hatte er seinen Körper als Bestechung eingesetzt und es ausgenutzt, dass die Teufel mit allen Lastern gesegnet waren. Das gehörte hier unten nämlich nun wirklich nicht zu ihren Vorteilen. Und obwohl fast alle um dieses ‚Geheimnis’ wussten, war es trotzdem nicht gerade ungefährlich, etwas gegen den Yami zu sagen. So legte nun auch Devlin warnend seine Hand auf meinen Mund und wies mich damit still daraufhin, dass hier sogar das Holz auf dem Scheiterhaufen Ohren hatte und nur allzu viele Teufel immer noch mit Luzifer sympathisierten. Sei es wegen seinem Aussehen oder auch, weil er einfach zu beeinflussen war. Mit einem verdächtigen Funkeln in den Augen sagte der Schwarzhaarige daher nur: „Tja. Aber hüte deine Zunge, Bakura, sonst sind wir ganz schnell wieder auf der Erde.“ Da musste ich ihm allerdings Recht geben, weswegen ich mich mit einem Augenrollen zufrieden gab. Ich beneidete Devlin manchmal tatsächlich ein wenig um seine Beherrschung. Mein Freund verstand es vorzüglich, sich im Zaum zu halten und kam auch sonst bewundernswert gut zurecht im Höllenpfuhl. Er hatte zwar viele Neider, aber wenige Feinde und selbst Luzifer war eindeutig an ihm interessiert. Duke Devlin war eben durchaus besonders, wenn auch sehr gefährlich. Wir beide - Devlin und ich - waren bereits über tausend Jahre alt und kannten uns auch schon seit einigen Jahrhunderten. Trotzdem war eine richtige Freundschaft zwischen uns erst vor knapp zweihundert Jahren entstanden, und das dies überhaupt passiert war, war im Prinzip schon ein wenig verwunderlich: Immerhin sind wir in jeglicher Hinsicht sehr unterschiedlich. Während ich schlohweiße Haare habe, hat Devlin rabenschwarze. Ich ziehe mich lieber zurück und beobachte, Devlin mischt mit, wann immer er kann. Ich ziehe es vor, verschlossen und ohne viele Störungen vor mich hinzuleben und die Hölle zu genießen, er hat überall Freunde und Bekannte. Trotzdem kannte man uns beide. Wir waren durchaus angesehen in der Hölle und wussten, wie wir zurecht kamen. Und doch waren wir noch nie mit so etwas wie Luzifer konfrontiert gewesen, den wir beide leider unterschätzt hatten. Ein sehr menschlicher Fehler, aber wie gesagt: Alle Laster! (Das ist eine Herrliche ‚Ausrede’, nicht wahr?) In der Zeit, als unsere Freundschaft noch jung war, hörte man auch zum ersten Mal von Luzifer. Wir haben damals oft über ihn diskutiert und sind nach einigen Jahren dann zu dem Schluss gekommen, dass wir ihm wohl weniger Beachtung schenken müssen und uns stattdessen andere Beschäftigungen suchen könnten. Wie beispielsweise Hellslike spielen, eine sehr unterhaltsame Freizeitbeschäftigung, die zwar sehr viel weit entwickelter als jedes Erdenspiel ist, im Grunde aber doch auf den Grundlagen diverser irdischer Vertreter beruht. Über unseren taktischen und amüsanten Spielen vergaßen wir unseren kleinen Freund, wenn man ihn denn so nennen will, auch recht bald wieder, was ihm Nachhinein sicher kein unbedeutender Missstand war. Und seinen Ärger wollten wir uns nun auch nicht zuziehen - er kam da auf ganz abwegige Ideen -, weshalb wir uns auch relativ schnell auf den Weg in den neunten Ring machten, in dem sein Palast lag. Die Hölle ist folgendermaßen aufgebaut: Im Kern liegt der neunte, oder auch der herrschaftliche, Ring, der zwar eine geringe Fläche einnimmt, in dem aber fast alles wichtige passiert. Dort liegt der Palast des Yamis und gleich nebenan auch das Gericht. Dieses dient nicht etwa dazu, unsere geliebten Unterhaltungsgegenstände einzuteilen, nein, tatsächlich kennen auch Teufel Gerichtsbarkeit (auch wenn’s zur Gewaltenteilung noch immer nicht gereicht hat -.-). Es gibt nämlich wirklich einige Verbrechen, die man hier unten begehen kann und die strafbar sind. Allerdings sind das recht wenige: der Großteil der Verurteilten hat etwas auf der Erde verbrochen, denn da sind auch unsere Regeln ziemlich eng gesteckt. Alle Teufel, die von sich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen können, dass sie ein regelgerichtetes Leben führen - und wer kann das schon? - haben zu Hause ein mehrere hundert Seiten umfassendes Regelwerk liegen, was auf der Erde erlaubt ist und was nicht. Das ist unbedingt notwendig, wenn man nicht eines schönen Tages im Gericht stehen will! Im achten Ring folgen dann hochkarätige Einrichtungen, die es nicht in den neunten geschafft haben. Edeldiskotheken und andere Vergnügungszentren findet man da zuhauf. Meistens ist Devlin dort zu finden und zu fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auch ich. Da verkehrt nämlich fast nur die obere Bevölkerungsschicht der Hölle. Im anliegenden siebten Kreis sind dann (im Verhältnis) billigere Geschäfte und Casinos eingerichtet, aber auch die Registrierungsgebäude befinden sich dort. Hier ballt sich die Bürokratie der gesamten Höllensphäre: Sowohl Einwohner als auch Beschäftigungsobjekte und aller andere Krimskrams werden hier registriert. Die RAs (Registrierungsagenten) sind überall unterwegs - ein wirklich freies Leben kann man hier zwar führen, aber erst nachdem du sogar deine Bettwäsche hast registrieren lassen! Wenn du das nicht tust, könnte das unangenehme Folgen für dich haben. Vielleicht befindet sich deine Unterkunft demnächst ohne Einverständnis des Besitzers im ersten Ring oder im Exil (wo es noch unangenehmer ist als im ersten Ring - das Exil ist nämlich nicht besonders groß und man kann erst nach 500 Jahren oder so wieder gehen). Tatsächlich ist weitläufig die Meinung vertreten, mit dem Yami könne man es sich zwar verscherzen, aber wer den ORL (oberster Registrierungsleiter) verärgerte, der könne gleich einpacken. Neben all diesen Gebäuden liegen hier auch die Wohnsitze der sozialen Spitze der Bevölkerung. Im sechsten Ring vermehren sich die Wohnanlagen, hier und im fünften Ring befinden sich eigentlich die Unterkünfte von gut 99,98 % der existierenden Lebensformen in der ganzen Hölle (unsere ‚Gäste’ einmal ausgeschlossen). In den Ringen vier, drei, zwei und eins befinden sich dann die Objekte, mit denen wir uns hier befassen, also gefallene Engel (vierter Ring), Schwerverbrecher, Sexualverbrecher, Mörder und andere verdorbene Existenzen von der Erde. Nach der Schwere ihrer Vergehen geordnet kommen sie in verschiedene Ringe: die schlimmsten in den vierten Ring, die nächst schlimmeren in den dritten Ring und so weiter. Die Landschaft besteht hier nur noch aus Einöde (Nein, das ist nicht überall so: Wir haben in den oberen Ringen auch manchmal Oasen!) und ab und zu steht mal ein Berg oder ein Hügel herum. Aufmerksame Zuhörer haben vielleicht bemerkt, dass mein Heim sich nicht in einem dafür üblichen Ring (also dem sechsten oder siebten) befindet, sondern im dritten. Das liegt daran, dass ich es einfach vorziehe, mein Lager mitten zwischen Scheiterhaufen und Foltervorrichtungen aufzuschlagen, weit entfernt von der höllischen Zivilisation und allen Intrigen. Und ich als ziemlich hoher Teufel darf auch frei darüber bestimmen, wo ich wohnen will. So zog ich es vor, meine kleine Villa auf einem kleinen Berg mitten im dritten Ring hochzuziehen und dort meiner Dinge zu harren. Devlin andererseits gibt das typische Bild eines höheren Lebewesens: er residiert in einem Nobelanwesen im siebten Ring. Ich frage ihn immer, wie er das aushält, direkt neben den Registrierungsgebäuden, aber er konnte mir das bisher noch nicht verständlich erläutern. Nun allerdings waren wir wie gesagt auf dem Weg in den neunten Ring, um Luzifer zu konsultieren. Wir haben da eine sehr schnelle Art der Fortbewegung, die ich hier nicht näher erläutern möchte, weil man auf der Erde in wenigen Jahrhunderten vielleicht sowieso diese Entdeckung machen wird, standen dementsprechend bereits nach wenigen Sekunden vor den Türen des Palastes - zusammen mit allem, was hier Rang und Namen hatte -, und warteten darauf, dass Luzifer endlich erschien und zu uns sprach, damit wir dann möglichst schnell wieder unseren vielfältigen Beschäftigungen nachgehen konnten. Devlin und ich hatten uns ganz vorne platziert, damit wir nicht so brüllen mussten, wenn wir irgendwas äußern wollten. Direkt neben mir stand Maximillion Pegasus, jemand, den ich noch nie wirklich leiden konnte, der seinerseits aber scheinbar einen Narren an mir gefressen hatte. Er sprach mich auch sofort an und fragte, wie die Dinge denn so ständen. Hier unten muss man aufpassen, was man sagt, wenn’s nicht gerade der beste Freund ist, und deshalb äußerte ich dementsprechend vorsichtig: „Nun ja, es muss ja. Ich für meine Teil wäre sehr zufrieden auf meinem Anwesen geblieben und hätte mich an den Schreien gelabt.“ Pegasus lächelte mich mit einer Art von wölfischem Amüsement an und sagte: „Tja, das würden wir wohl nahezu alle vorziehen. An einem so außergewöhnlich heißen Tag“, Ironie?, „Wie diesem hat es doch seine Vorzüge, mit Freunden zu hause zu sitzen und sich bewirtschaften zulassen, nicht wahr, Bakura-kun?“ Pegasus war neben Luzifer das einzige Lebewesen, das ich kannte, das mich Bakura-kun nannte. Für alle anderen hieß ich einfach Craig und Devlin nannte mich sowieso Thief. „Natürlich, Pegasus.“ „Bakura, Bakura! Sag doch bitte Max!“ Im Gegenzug bestand er allerdings darauf, dass ich ihn Max nannte. Eine Marotte. Ich nickte ihm unbestimmt zu und brachte das Gespräch zurück zum Thema: „Und was würdest du machen, wenn du nicht hier stehen würdest?“ Daraufhin lachte er und erwiderte vergnügt: „Wer weiß? Dich zum Tee einladen?“ Ich hatte noch nicht herausfinden können, warum und auf welche Art und Weise er an mir interessiert war und es verunsicherte mich jedes Mal geringfügig auf’s neue, wenn er mir gegenüber irgendetwas fallen ließ, das sich durchaus in verschiedene Richtungen deuten ließ. Ich antwortete ihm also trocken wie gewohnt: „Ich kann Tee nicht ausstehen, Max.“ Und wieder lachte er. Er ist bis heute ein ungewöhnlich fröhliches Geschöpf und bisweilen habe ich den Eindruck, das könnte eine Art Krankheit sein - man kann sich nämlich auch anstecken! „Das weiß ich. Ich kenne dich doch, Bakura-kun!“ Ja, natürlich. Aber woher bitte? Gerade wollte ich entsprechendes antworten, da hörte ich hinter mir auf einmal ein ohrenbetäubendes Quietschen, das mehr als die Hälfte der Anwesenden zu empörten Ausrufen ob der Faulheit des Türölers animierte. „Oh“, sagte Pegasus und klang dabei so neutral, als hätte er diesen Tonfall jahrelang trainiert (was wahrscheinlich auch noch den Tatsachen entsprach), „Da kommt Luzifer.“ Das war in der Tat so. Luzifers Auftritte begannen fast immer mit quietschenden Toren, dann die Trommelwirbel und Posaunenfanfaren und die Bässe und Geigen und was wir nicht noch so alles an Instrumenten hatten (und Instrumente werden eigentlich eher im Himmel gespielt!), die gefolgt wurden von wahren Heerscharen an dunkelrot gekleideten Bediensteten, die einen Teppich vor ihm herrollten. In diesen Momenten war ich immer ausgesprochen glücklich, dass meine Mundwinkel bei ‚ausdruckslos’ einrasteten, während die anderer Leute eher Richtung Boden sanken. Begleitet von einem besonders lauten Trommelwirbel trat Luzifer aus dem Palast und blickte sich wohlwollend um. Mir war schlecht. „Meine lieben Mitteufel, Untergebene, Diener und andere Kuriositäten! Ist es nicht ein schöner Tag, heute, hier und jetzt, in der Hölle? Unsere rote Sonne strahlt, die Menschen schreien, es ist heiß und staubig! Was will man mehr?“ Hatte Luzifer den Verstand verloren? „Man könnte vor sich hinbrüten, in herrlichen Fantasien schwelgen, sie ausleben, Freunde treffen, Feinde niedermachen…“ Oh ja! - Wenn er uns nur nicht ständig rumgescheucht hätte! „Aber nein! Es gibt noch eine einzige Sache, die wir noch nicht zum Abschluss gebracht haben! Die uns unsere wohlverdiente Ruhe verwährt! Und ihr alle wisst, wen oder was ich meine!“ Ja, vielleicht sich selbst? „Ich spreche natürlich von unserem ewigen Krieg gegen den Himmel!“ Ach so. „Schon seit Anbeginn der Zeit kämpfen wir gegen diese „heiligen“ Scharen und langsam reicht es! Sind wir nicht alle dieser ewigen Schlachten müde geworden? Finden wir alle es nicht schöner, durch die vier ersten Ringe zu spazieren, zuhause auszuspannen und mit Freunden und anderen Bekanntschaften ins Kasino zu gehen statt uns in einer weiteren Schlacht mit den Engeln zu prügeln? Wir sind Teufel! Teufel sind listig, sie sind verschlagen und hinterhältig und geschickt mit der Zunge! Wir sind nicht so hirnlos wie die Menschen, die sich gegenseitig vernichten und nicht so rührselig wie die Engel, die Blut weinen, wenn sie einen töten! Wir regeln das anders!“ Und obwohl ich wusste, dass es durchaus noch andere Meinungen unter uns Teufeln gab, ich konnte Luziferwirklich nur zustimmen. „Worauf ich hinaus will: Ich habe mich mit Petrus getroffen.“ Stille. Luzifer hatte Petrus getroffen? Den Anführer unserer Erzfeinde? Die Hölle war dem Untergang geweiht! „Und ich habe ihm einen Vertrag vorgelegt, der diesen Krieg ein für alle mal beenden soll! Er hat ihn zwar nicht unterschrieben, mir aber auf die wesentlichen Punkte sein Ehrenwort gegeben - und ihr wisst ja, was das für einen himmlischen bedeutet.“ Einige nickten. Ja, das wusste wir wirklich nur zu gut. Himmlische hielten ihre Versprechen immer, selbst wenn das manchmal den eigenen Tod nach sich zog. (Einem Versprechen konnte ein Himmlischer übrigens auch gar nicht anders entkommen als durch den eigenen Tod.) Aber was besagte dieser verdammte Vertrag? „Ich bin mir nun aber sicher, ihr wollt gerne wissen, was in diesem Vertrag gestanden hat, nicht wahr?“ Rhetorische Frage. „Ich habe lange darüber nachgedacht, wie wir diese verdammte Problematik lösen können und bin schließlich zu einem Ergebnis gekommen, dass zwar nicht für alle, aber für den Großteil angenehm sein wird!“ Was?! Wollte er etwa Geiseln in den Himmel schicken? Na, da würde ich aber nicht mitmachen! „Und zwar werden einige ausgewählt sein, die für eine kurze Zeit auf die Erde gesandt werden und dort gemeinsam mit einem anderen Engel einem Menschen zugeteilt werden. Das bedeutet unmittelbare Nähe mit Waffenstillstand, erlaubt sind nur verbale Angriffe. Wer zuerst aufgibt, hat verloren und beide - der betroffene Teufel und der Engel - werden sofort wieder zurück in die Hölle und den Himmel kehren. Der Verlierer wird dann vermerkt. Unser Ziel ist es also, so oft wie möglich gegen die Engel zu gewinnen, sodass wir am Ende als Sieger bestehen bleiben!“ Oh. Zu mehr war ich gar nicht fähig. „Die Anzahl der Paare ist extra ungerade, so dass es keinen Gleichstand geben kann. Für die Dauer des Aufenthalts auf der Erde wird kein Engel Kontakt zu einem anderen aufnehmen können - das gilt auch für uns. Noch Fragen?“ Nach Luzifers Ansprache umgab mich erst einmal Schweigen. Wir konnten alle noch nicht so ganz fassen, was er uns da gerade eröffnet hatte. Auf die Erde? Zu diesen dämlichen, dummen Menschen?! Wer, verdammt noch mal, hatte Luzifer zum Yami gewählt?! Das und ähnliches fragten sich wahrscheinlich auch alle anderen um mich herum. Pegasus sah mich leicht entsetzt an, Dukes Miene war völlig ausdruckslos und mir selbst war wohl alles aus dem Gesicht gefallen. Allerdings… wenn Luzifer seine kranken Spielchen spielen wollte, dann sollte er doch! Aber ohne mich. Diesen Entschluss hatte ich gerade getroffen, als irgendjemand, den ich nicht an der Stimme zuordnen konnte, fragte: „Und wer sind die Betroffenen?“ Luzifer hatte plötzlich eine Liste in der Hand und verlas die Namen darauf. Duke wurde genannt und auch ein paar andere, die ich kannte, während ich fast betend und alle Höllenfeuer anflehend dastand und hoffte, nicht dabei zu sein. Die Erde! Aber natürlich hatte ich Pech. -.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-tbc-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.- °*+~-,. II ♥ II .,-~+*° ----------------------- Anm.: Das Zeichen in der Mitte des Titels deutet an, dass das Kapitel aus Sicht eines Himmelsbewohners geschrieben ist. °*+~-,. II ♥ II .,-~+*° „Hey Ryo!“ Ich unterbrach meine leider nutzlosen Übungen im Harfenspiel und warf einen Blick über die Schulter. Mein bester Freund und Mitengel Yugi Muto kam über das Wolkenbett auf mich zugehüpft und die weiche Watte gab unter seinen Füßen leicht nach und federte ihn mit jedem Schritt bzw. Sprung noch ein Stück höher, sodass er, auf meiner Höhe angekommen, eine Art Standsalto machen musste, um zum stehen zu kommen. Das ist hier hoben ein bisschen blöd: man muss nur ein paar schnellere Schritte hintereinander machen und schon ist man gezwungen, herumzuhüpfen. Bei jungen Engeln ist das ganz besonders schlimm - je älter man wird, desto mehr baut der Körper einen Stoff an, der sich Jumostinosteronikum nennt und dafür sorgt, dass man am „Boden“ bleibt. Ältere Engel sind deswegen oft neidisch auf uns jüngere, weil wir, falls der Fall gegeben ist, viel schneller von einem Ort zum anderen kommen mit unseren riesigen Sprüngen, und tja - wir sind halt in der Technologie leider noch nicht so weit wie die Hölle, als dass wir uns mit ihrer Fortbewegung befassen könnten. Ziemlich altmodisch eh hier oben, aber es gefällt mir trotzdem besser als sonst wo. Auf der Erde wären mir die Leute für meine Lebensspanne nun wirklich ein bisschen zu naiv, einfältig und verdorben und von der Hölle wollen wir gar nicht erst anfangen! Doch, hier im Himmel war es wirklich schön. Die Sonne strahlte den ganzen Tag und wenn sie abends unterging, dann war alles in rotes und orangenes Licht getaucht. Außerdem waren die Leute hier oben sehr umgänglich: Man hörte von morgens bis abends nur Gelächter und Gesang und wenn ich mit meinen Aufgaben fertig war, dann ging ich am liebsten auf das Forum der Wolke Null und unterhielt mich mit möglichst vielen Leuten - Freunden und Fremden, einfach allen, die etwas zu sagen hatten. Der Himmel ist sehr einfach aufgeteilt und leicht zu verstehen: In der Mitte unseres riesigen Reiches befindet sich die Wolke Null, auf der Petrus wohnt und die logischerweise auch den Zweck des Mittelpunkts erfüllt. Hier ist das Forum, auf dem sich früh und spät jede Menge Engel herumtreiben, von 100-jährigen bis unseren Ältesten mit 50 000 Jahren. Alle unterhalten sich und lachen. Außerdem befinden sich hier unsere Wasserquellen, unsere Trainingsplätze und alle anderen wichtigen Dinge. Vielleicht finden es manche komisch, dass wir unseren kulturellen und geographischen Mittelpunkt als die Wolke Null bezeichnen, allen voraus wahrscheinlich die Teufel, aber ich finde das eigentlich sehr gut so. Außen um die Wolke Null herum liegen die Wolken 1 bis 144 - und zwar alle in einem exakten Kreis. Das wurde so angelegt (falls es denn angelegt wurde, aber davon gehe ich aus), damit keiner benachteiligt wird. Es gibt hier keine Rangfolge. Wird ein Engel geboren (was ziemlich selten passiert, aber es sterben ja auch selten welche), dann bleibt er die ersten 800 Jahre bei seiner Mutter und darf dann entscheiden, auf welche Wolke er gehen will. Natürlich gibt es mehr als 144 Wolken, aber nur diese sind nummeriert - alle anderen treiben dazwischen herum und manche benutzen sie auch als eine Art vorsintflutliche Rolltreppen. Wolkenspringer werden diese Leute genannt und meistens dauert es sehr lange, bis sie irgendwo ankommen. Aber apropos ankommen: Gerade eben ließ sich mein bester Freund neben mich fallen und machte mit der Bemerkung „Schaffst du es immer noch nicht, die richtige Note zu treffen?“ auf sich aufmerksam. Darauf reagierte nicht nur meine Harfe ein wenig verstimmt, die ein schepperndes metallisches E von sich gab, auch ich war nicht gerade erfreut, seufzte aber statt solcher Misstöne nur. „Ich wüsste wirklich gerne, ob ich auf einer Gitarre besser spielen könnte!“ Bei meinem letzten Ausflug zur Erde (ein Notfall, dem es zu helfen galt; er hielt sich für diesen Menschen Christus) hatte ich zufällig einem Menschen lauschen können, der eine Gitarre spielte und seitdem wünschte ich mir im Geheimen, das auch mal auszuprobieren. Allerdings nur, wenn das nicht mit einem neuerlichen Aufenthalt dort unten verbunden war. Yugi lachte und ließ die Beine aus einem winzig kleinen Loch in meiner Wolke hinunter baumeln. „Ich glaube kaum, dass Petrus dir gerne beim üben dieses Instruments zuhören würde - ihm reicht ja schon die Harfe und die ist original von hier!“ „Da hast du wohl Recht!“, leider, so muss ich sagen, hatte ich nämlich mittlerweile mein fehlendes musikalisches Talent erkannt und obwohl ich immer noch hartnäckig übte, hatte ich die Zuversicht in eine erfolgreiche künstlerische Zukunft als Profimusiker längst aufgegeben. So stellte ich auch jetzt meine Harfe zur Seite und wandte mich meinem Freund zu, der nachdenklich vor sich hin starrte. „Hey, was ist los?“ Es dauerte nur einen Augenblick, bis Yugi reagierte, aber ich wusste, er hatte an etwas anderes gedacht, als er sich wieder gerade aufrichtete, sich fröhlich zu mir umwandte und lächelnd sagte: „Nichts. Ich frage mich gerade, ob du schon weißt, dass Alina von der 7 wieder einen Kuchen backt?“ „Nein! Echt?“ Man sieht es mir dünnen Bohnenstange zwar nicht an, aber ich bin süchtig nach Naschkram aller Arten - und besonders Alinas Kuchen machten mir Entzug unmöglich: Wie sollte ich denn auch leben ohne Rotkäppchentorte und Schwarzwälderkirsch? Mein Freund lachte vergnügt und stieß sich dann mit den Händen ab, um neben mir - der bei Erwähnung von süßen Nahrungsmittel sofort aufgesprungen war und nun ungeduldig auf einem Bein federte - zum Stehen zu kommen. Seine Augen blitzten und er rief: „Wer erster da ist, bekommt die Hälfte!“ Dann setzte er zu einem grandiosen Sprint an, wobei ich ihm natürlich auf den Fuß folgte, wenn es mir auch noch nie gelungen war, gegen ihn zu gewinnen. Sprach man ihn aber auf seine herausragenden Laufkünste an, dann reagierte er schnell verschlossen und einmal hatte mich mit der Antwort „Ich will nicht gut im Laufen sein. Ist es denn schön zu wissen, dass man beim Davonrennen immer der erste sein wird?“ zum Nachdenken gebracht. Diese Antwort klang nicht nach jemandem, der erst 1500 Jahre alt war und noch dazu mein bester Freund, obwohl natürlich alle wussten, was seinem Bruder zugestoßen war. Ich war eigentlich auch relativ sicher, dass er eben an ihn gedacht hatte, als er so gedankenverloren durch dieses Loch auf meiner Wolke gestarrt hatte - obwohl: Meine Wolke war es ja eigentlich gar nicht. Im Himmel gibt es ziemlich viele Engel und einige werden wohl auch schon darauf gekommen sein, dass ziemlich viele Engel nicht auf 144 Wolken passen, wenn jedem eine gehört. (Ich habe früher mal den Anteil der Himmlischen Bevölkerung in Prozent ausgerechnet, der so auf Nomadenleben umsteigen müsste, aber den Zettel hab ich irgendwo verschlammt, also müsst ihr wohl selbst rechnen - oder ihr glaubt mir einfach, dass das unmöglich ist.) Also ist jede Wolke mehr wie eine riesige Wohngemeinschaft, in der normalerweise etwa an die 40 Leute wohnen. Tagsüber sind immer nur ein paar zu Hause, weil man sich hier im Himmel überall herumtreiben kann und wir bis zum Tod eigentlich nie die Neugier verlieren, was wirklich ein großer Vorteil ist, aber abends sind dann alle auf ihrer Wolke und erzählen und lachen und dann irgendwann schlafen wir natürlich auch. Ich wohnte wie schon erwähnt auf der 24 und fast alle meine Mitbewohner hatten mein Alter. Es gab nur zwei, drei wirklich alte Engel und keiner war jünger als 1300 - so gesehen war ich mit meinen 1500 Jahren wirklich noch eines der Nesthäkchen. Es ist eigentlich so, dass ein Engel ne genau weiß, auf welchen die Wolken die anderen Engel so sind, außer man ist gut mit ihnen befreundet. Für den Fall, dass man dringend nach einem anderen Himmlischen sucht, gibt es aber auf dem Forum eine sehr lange Liste, auf der alle Wolken und ihre Bewohner verzeichnet sind und die auch ständig aktualisiert wird. Auf Alinas Wolke wohnten vor allem kleine Familien, also Vater, Mutter rund ein bis zwei Kinder. Alina war die einzige mit vier Kindern und ihr Bruder war der einzige Einzelgänger auf dieser Wolke. Vielleicht hat sich auch jemand gemerkt, was ich über Geburten im Himmel gesagt habe - nämlich, dass so was sehr selten passiert. Daran kann man praktisch ausrechnen, wie alt Alina sein muss. Und man kann ausrechnen, wie viele Jahre ihr für das Studium von irdischen, himmlischen und tatsächlich auch den ein oder anderen höllischen (was sie aber nicht gerne zugibt - doch wer würde das schon?) Kuchenrezepten geblieben sind. Und genau so backt sie auch! Wenn Alina backt, dann muss sie regelmäßig gleich mehrere Kuchen backen, weil sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet und bei ihr dann immer so was wie ein kleines Volksfest stattfindet. Als wir also auf Wolke 7 ankamen, waren da auch schon eine Menge Leute, so das wir geradezu eintauchen konnten und mussten und um ein Haar wären wir Joey entkommen, ihrem jüngsten Sohn. Er ist jetzt gerade einmal 500 Jahre alt und mag uns scheinbar besonders gern. An sich ist das ja ganz schön und Joey ist auch ein richtiger Sonnenschein von seinen nackten Füßen bis zu seinem passenderweise goldenen Haar, aber er kann ziemlich anhänglich werden und das ist dann eher nervtötend. Goldene Haare sind hier oben trotz der gehäuften gegensätzlichen Berichte sehr selten - aber immer noch häufiger als meine Schlohweißen. So weit ich weiß, bin ich der einzige Jugendliche mit weißen Haaren und nur unser ältester hat genauso weiße Haare wie ich. Das macht mich sogar auffälliger als Yugi mit seinen drei Haarfarben; man kann sich also vorstellen, was wir erst mit Joey in Kombination für ein auffälliges Gespann abgeben. Dummerweise findet er uns immer. „Hallo Yugi! Hallo Ryo!“, rief er dann auch schon, kaum das unsere Fußzehen die Wolke berührt hatten und lief lachend auf uns zu. Ich weiß wirklich nicht, was an uns so schrecklich faszinierend ist, als dass ein kleines Kind uns so anhimmeln könnte. „Hallo Joey!“, antworteten wir ihm lächelnd und ließen uns dann Richtung Alinas Quartier mitziehen. Es gibt hier oben keine richtigen Gebäude, außer Petrus’ Residenz und der Kathedrale auf der Wolke T, die aber normalerweise gemieden wurde (Ich verstehe nicht warum, aber ich bin auch fast der einzige, der sich dort relativ gerne aufhält). Alle anderen Engel wohnen in einer Art Zelt oder was sie sich gerade so zurechtschneidern - das verleiht unserem Himmel auch tatsächlich das Flair eines irdischen Campingplatzes, was schon nicht wenige kritisiert haben, wogegen man aber nichts machen kann, da durchschnittliche Wolken einfach nicht fest und stark genug sind, um schwerere Gebäude zu tragen. Sobald mir aber der Kuchenduft in die Nase stieg, konnte ich mich aber nicht mehr mit solchen Gedanken beschäftigen und drängelte mich hinter dem fröhlich von seinen Streifzügen erzählenden Joey her. Im Vorbeigehen grüßte ich einige Leute, die ich kannte und als ich hoch sah, konnte ich zwei Bekannte von mir entdecken, die gerade über unseren Köpfen ein riesiges Plakat ausrollten, dass auch anderen Engeln den Hinweis kundtat, dass Alina heute Kuchen backte. Zu eben jener stieß ich gerade durch und als sie mich erkannte, strahlte sie fröhlich. „Hallo Ryo! Schön, dass ihr zwei gekommen seid, ihr könnt doch sicher ein bisschen darauf achten, dass Joey keinen Blödsinn macht? Ich verliere ihn in letzter Zeit immer so schnell aus den Augen! Ach, und hallo Yugi! Wollt ihr lieber meine neuste Zitruskreation oder den Schokoladenkuchen? Davon hab ich noch ein paar Stücke retten können!“ Alina war eine durchschnittlich große Frau mit langen braunen Haaren, die langsam ergrauten und die sie heute hochgesteckt trug, damit sie ihr beim Backen nicht ins Gesicht fielen. Ihre Wangen waren gerötet und sie hatte ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Noch bevor wir etwas sagen konnten, reichte sie uns zwei Teller: für Yugi ein Stück dieser Zitruskreation, für mich ein Stück Schokoladenkuchen mit Bananenstückchen. Wir grinsten sie an, schnappten uns Joeys kleine Hände und während sie schon den nächsten begrüßte, verschwanden wir wieder in der Menge, um uns irgendwo einen Platz zu ergattern. Joey führte uns sicher zum Südrand der Wolke, wo wir uns niederlassen konnten, ohne auf irgendeinem Schoß zu landen. Mit Joey in der Mitte saßen wir da und aßen unseren Kuchen, der mal wieder hervorragend war. „Und, Joey? Was hast du letzte Woche so getrieben?“, fragte ich zwischen zwei Bissen und musterte den kleinen Blondschopf neugierig. Auch wenn er uns schon oft in Bedrängnis gebracht hatte und wir öfters Baby Sitter spielen durften, mochte ich den kleinen doch und war mir sicher, dass er entweder auf meine oder auf Yugis Wolke ziehen würde, wenn er die Erlaubnis zum Umziehen hatte. Er strahlte mich auch jetzt wieder an und begann dann fröhlich zu erzählen. Nicht selten mussten Yugi und ich uns ein Lachen verkneifen und versuchten erfolglos, wenigstens unser Kichern als Hustenanfall zu tarnen, aber was der kleine alles erlebte, war wirklich unterhaltsam. Beispielsweise hatte er vergangenen Dienstag dem großen Kaiba (das war der Aufseher der Wolken 1 bis 10) einen herrlichen Streich gespielt, der dazu geführt hatte, dass dieser wutentbrannt, mit einem geplatzten ei auf dem Kopf und roter Farbe überall vor Petrus’ Residenz aufgetaucht war und Einlass verlangte, um Joey zu verpetzen. Petrus hatte daraufhin verkünden lassen, er können den großen Kaiba leider nicht empfangen, da die Putzkräfte schon gegangen waren und er weder willens war, bis zum nächsten Tag in einem roten und nach Ei riechenden Palast zu wohnen, noch die Engel zurück zu beordern, weil er ihnen nicht die wohlverdiente Freizeit rauben wollte. Der große Kaiba war daraufhin wutschnaubend abgerauscht, aber Joey musste sich keine Sorgen machen, denn er hatte auf der Stelle jeden an seiner Seite, der ihn sowie den großen Kaiba kannte. Das soll nicht heißen, dass Kaiba nicht beliebt war, aber… nun ja, er war es nicht. Gerade hatte Joey seine Geschichte beendet und wir lachten ausgelassen, da wurde es auf einmal sonderbar still um uns herum. Alarmiert hoben wir drei fast synchron die Köpfe und starrten nach oben, von wo eine schattenhafte Gestalt sich schnell näherte. Augenblicklich waren auch wir still und standen auf, denn das war Rebecca, die Novizin von Petrus und erst musst geklärt werden, ob sie im Auftrag Petrus’ hier war und was er wollte, bevor wir weiter feiern konnten. Es hatte zwar selten ernsthafte Schwierigkeiten gegeben, aber ab und zu waren auch die eben da. Verfolgt von Hunderten Augenpaaren landete Rebecca gar nicht weit von uns (wahrscheinlich, weil dieses Plätzchen noch nicht so belegt war) und faltete ihre Flügel zusammen. Rebecca hatte ebenfalls blondes Haar, allerdings nicht so golden wie bei Joey. Sie war ungefähr in unserem Alter und hatte bereits öfters schon Interesse an Yugi kundgetan, der darauf aber bisher überhaupt nicht eingegangen war. Ich hielt se für einigermaßen sympathisch und hatte festgestellt, dass man sich durchaus interessant mit ihr unterhalten konnte. Was aber wollte sie hier? Ein älterer Engel, der in unserer Nähe stand, trat vorsichtig einen Schritt vor und sagte laut und deutlich (bei Bedarf kann man seine Stimme hier oben wunderbar anschwellen lassen - das macht die gute Akustik, die irgendwann mal von irgendwem wahrscheinlich durch Magie erschaffen worden war): „Sei gegrüßt, Rebecca! Deine Flügel leuchten, so ich sie sehe. Was möchtest du?“ Rebecca erwiderte seinen Gruß höflich und sah sich kurz um, dann ließ auch sie ihre Lautstärke anschwellen und rief: „Ich komme hierher, um euch von Petrus zu künden. Auf sein Geheiß hin haben sich alle Engel im Alter zwischen 1500 und 12 000 Jahren auf dem Forum einzufinden - es ist eine öffentliche Versammlung. Er bittet außerdem um ein Stück deines Kuchens, Alina.“ Daraufhin herrschte erst Stille, dann erhob sich ein lautes Stimmengewirr. Yugi sah mich an und hatte den gleichen irritierten Blick, den ich wahrscheinlich auch im Gesicht hatte. „Lass uns erst Joey zurückbringen!“, schlug ich vor und als er nickte, schlugen wir uns wieder einmal zu Alina durch, die ihren Jungen auch gleich in Empfang nahm. „Wisst ihr, was das soll?“, fragte sie uns ebenfalls leicht irritiert, doch wir konnten nur die Köpfe schütteln. Natürlich hatte Petrus von Zeit zu Zeit etwas zu verkünden, aber es kam selten vor, dass er dafür extra alle auf das Forum berief. Das letzte Mal hatte er das gemacht… als er uns in den Krieg schickte! Yugi kam anscheinend gleichzeitig mit mir die Erkenntnis. Das war erst knapp 1000 Jahre her, wir hatten damals noch nicht kämpfen müssen, allerdings aufmerksam den Berichten von Yugis älterem Bruder gelauscht, als dieser wieder heimkam. Wollte Petrus etwa den Krieg fortsetzen?! „Alina, will er den Krieg wieder anfangen?“, fragte ich alarmiert und sah, wie unsere alte Freundin erschrocken die Augen aufriss: „Himmel, nein! das kann er doch nicht machen!“ Joey sah verwirrt von einem zum anderen. „Was ist Krieg?“ Klar, er war ja auch noch gar nicht geboren, als wir das letzte Mal den Ernstfall gehabt hatten - und normalerweise vermieden wir es von Natur aus, außerhalb der Notwendigkeit darüber zu sprechen. Auf Alinas Zügen lag nun ein Hauch von Zorn. „Das kann er einfach nicht machen! Den Krieg wieder aufnehmen, was für eine blödsinnige Idee! Will er uns alle umbringen, oder was?!“ Vom Tod hatte Joey schon gehört. „Und jetzt schert euch weg! Ich versuche, so bald wie möglich nachzukommen!“ Yugi und ich nickten ihr noch einmal zu, verabschiedeten uns flüchtig von Joey, der wollte, dass wir ihn mitnahmen, und machten uns auf den Weg zu Wolke Null. Kaum ein paar hundert Meter weiter stieß auch schon eine andere Gruppe junger Engel zu uns, von denen ich einige kannte. Genauso wie wir waren sie in Aufregung versetzt und unterhielten sich laut über die Möglichkeit, Petrus würde den Krieg wieder aufnehmen. Ich persönlich konnte mir das irgendwie nicht vorstellen. Eines meiner Hobbys war es, mich in der großen Bibliothek, die sich in der Residenz befand, herumzuschlagen und möglichst viel über die Geschichte des Himmels zu lernen. Ich wusste, dass gerade der letzte Kleinkrieg wieder besonders viele Opfer gefordert hatte und konnte mir einfach nicht vorstellen, warum Petrus jetzt schon wieder einsteigen wollte. Das ergab für mich überhaupt gar keinen Sinn! „Hey Ryo!“, rief in diesem Moment einer der älteren aus unserem ‚Nachbartrüppchen’ und wechselte auf meine Seite, während er eine geschickte Pirouette flog, „Wie siehst du diese Geschichte?“ Ich schüttelte den Kopf und teilte ihm meine oben aufgeführten Überlegungen mit. Viele Leute hier oben wussten, dass ich an Geschichte interessiert war, was für mich durchaus ein Vorteil war. Obwohl ich erst 1500 Jahre zählte, und damit gerade erst aus dem Kindesalter entwachsen war, genoss ich schon eifrig die Vorteile meines Geschichtsstudiums. Ich hatte mir beispielsweise einen eigenen Bibliotheksschlüssel aneignen dürfen. An sich war das einfach nur unnötig, weil die Bibliothek ja sowieso den ganzen Tag für alle Interessierten geöffnet war, aber ich hatte ihn tatsächlich schon ein paar mal benutzen können, wenn ich nachts in dem großen Gebäude herumschlich, um am nächsten Morgen vollkommen übermüdet ins Bett zu fallen. Gerade jenes Gebäude stach mir jetzt ins Auge, als wir uns zum Landeanflug fallen ließen. Vielleicht sind jetzt einige stutzig geworden, weil ich eingangs erwähnt habe, dass wir manchmal wegen unserer schnelleren Fortbewegungsart auf den Wolken beneidet werden, hier aber vom fliegen rede. Es ist so, dass wir nicht oft fliegen - eigentlich nur, um anzugeben oder wenn der Fall es gebietet. Es ist einfach zu aufwendig, die Flügel zu entfalten, wieder anzulegen und sie später vielleicht sauber machen zu müssen. Allerdings erlaubt uns das Fliegen einen eleganten Abgang. Nun ja. Jetzt jedenfalls bremsten wir unseren Sturzflug kurz vor der weichen Wolkenwatte ab (ich glaube, es wurde noch nicht namentlich festgehalten, was sie ist - obwohl wir in der Biologie durchaus einige Fortschritte machen, interessiert sich hier oben kaum einer für Physik) und sanken fast synchron zu Boden, mitten hinein in eine Meer aus Gleichaltrigen. Petrus stand bereits auf der Empore, die sonst immer von jeder Art Redner genutzt werden darf und an seiner Seite flatterte Rebecca - ich wollte gar nicht wissen, wie viel Staub und Dreckteilchen sie heute Abend aus ihren Federn würde bürsten müssen. Der Platz füllte sich stetig mit Himmlischen und bald erhoben sich auch die ein oder anderen Bewohner in die Höhe, um unten mehr Platz zu schaffen. Ich denke, Petrus hat mit dem Auflauf gerechnet, denn er wirkte nicht sehr überrascht. Allerdings ist es schwer, Petrus’ Gesichtszüge überhaupt irgendwie einzuordnen, sowie seine ganze Person ein wenig auffallend ist. Ich bin der Meinung, Petrus muss früher mal ein Vorzeigeengel gewesen sein, jedenfalls hat er einen weißen Rauschebart, weiße Haare und prächtige Flügel. Allerdings trägt er schwarze Kleider, eine riesige Sonnenbrille und dazu meistens eine dunkelblaue (wie sagen die Menschen?) ‚Rappermütze’. Es ist absolut unmöglich, sein wahres Alter zu schätzen, deswegen will ich das hier auch nicht tun, aber seine Stimme klingt immer noch voll, dunkel und sanftmütig. Mit dieser sprach er uns auch jetzt an, kaum dass es ein wenig stiller geworden war: „Meine lieben Himmlischen, liebe Engel, Elfen, Wolkenbällchen und andere wundervolle Geschöpfe! Die Sonne geht auf, wenn sie euch erblickt!“ Ich habe diesen sinnlosen Gruß nie ganz verstanden, aber jedem das seine. Wolkenbällchen sind übrigens wirklich sehr süß! „Ihr alle fragt euch sicher, warum ich eine Versammlung auf dem Forum einberufen habe und ich muss umgehend eure Befürchtung bestätigen: Es geht um den Krieg.“ Es braucht keine besondere Bezeichnung: Der Himmel führt nur einen einzigen Krieg. Entsetztes Murmel setzte rund u mich ein. Yugi schüttelte langsam den Kopf. „Da mach ich nicht mit!“, flüsterte ihn und ich ließ diesen Satz unbeantwortet, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Petrus sah sich um und ließ die Botschaft wirken, dann öffnete er wieder den Mund und sprach weiter: „Allerdings ist es nicht so, dass ich euch in den Krieg, in den endlosen Kampf schicken werde.“ Das machte mich stutzig. Wenn er uns nicht in den Kampf schicken wollte… was war der Krieg anderes als ein Kampf? „Ich werde euch erzählen, wie es zu dem kam, was ich euch jetzt näher bringen will! Gestern morgen saß ich gemütlich an meinem Schreibtisch und sah ein paar unverdrossenen Wolkenbällchen bei ihrem Spiel zu, da rief Luzifer nach mir.“ Ein Raunen machte sich breit. Es war bekannt, dass der Yami und Petrus sich gegenseitig irgendwie erreichen konnten, aber keiner von uns wusste, wie das ging. Natürlich fragten wir auch nicht. „Ich war natürlich äußerst überrascht. Ich hatte gehofft, frühestens in tausend, zweitausend Jahren wieder irgendwas aus der Hölle zu hören, aber er bat mich um ein Treffen auf der Erde.“ Auf der Erde?! Das war nun wirklich ein ungewöhnlicher Meeting place, auch wenn man nach nicht allzu langer Zeit sagen konnte, dass es irgendwie der einzig mögliche in dieser Dimension war, der neutral war (Unsere Kämpfe beispielsweise trugen wir normalerweise immer in einer anderen Dimension aus; Nur ganz selten hatten wir mal einen Teufel hier und noch seltener schaffte es ein Engel in die Hölle - außer natürlich den Gefallenen Engeln, aber dieses Thema ist tabu: selbst die Geschichtsschreibung schweigt fast immer über diese Verdammten). „Ich ging also hin, denn auf neutralem Boden darf man einander nicht angreifen, und traf mich mit Luzifer. Und siehe da! Er unterbreitete mir einen Plan, der das ewige Blutvergießen stoppen sollte.“ Stille. Luzifer - der Yami der Hölle - wollte Frieden?! Das konnte ich mir fast nicht vorstellen. „Und dieser Plan sieht vor, dass eine ungerade Zahl an Pärchen - bestehend aus einem Teufel und einem Engel - zur Erde gesandt wird. Dort wird jeweils einem Pärchen ein Mensch zugewiesen, indessen Umkreis sich beide aufhalten müssen. Körperliche Gewalt ist verboten und nur verbale Auseinadersetzungen sind legal. Derjenige des Pärchens, der zuerst handgreiflich wird oder aufgibt, hat verloren. Auf diese Art und Weise können wir endlich eine Entscheidung herbeiführen. Der Sieger - Himmel oder Hölle - wird offiziell anerkannt und vom jeweils anderen geachtet. Danach besteht das Recht der Unantastbarkeit.“ Überraschung überschwemmte das Feld der Zuhörer. Nie im Leben hätte hier einer gedacht, dass der Yami darauf sinnen würde, den Krieg zu beenden! Waren nicht die Teufel Kreaturen des Krieges? Aber dieser Plan! Erst auf die Erde und dann auch noch in Gesellschaft eines Teufels? Ich würde mich garantiert nicht freiwillig melden! Dieser Gedankengang schien auch andere Köpfe heimzusuchen, denn nur ein paar Sekunden später war es totenstill auf dem Forum. Rebeccas Flügel schlugen ungleichmäßiger. „Ich habe für diese Aufgabe schon einige Engel zusammengeschrieben, von denen ich denke, dass sie der Belastung und den Strapazen gewachsen sind. Ich glaube fest daran, dass ich die richtigen gewählt habe und sie dem Himmel zu einem ewig währenden Sieg verhelfen werden. Ich berufe Rebecca in den Kreis derer, die helfen sollen. Trage deine Aufgabe mit Würde!“ Rebeccas Flügel erlahmten. Halb entsetzt drehte sie sich zur Seite und man konnte in ihrem Gesicht lesen wie in einem Buch. Dann fing sie ihren Sturz wieder auf und schwebte wieder ein Stück höher. Arme Rebecca. „Ich berufe Angelina!“ Ein erschrockener Ausruf irgendwo rechts hinter mir. Ja, so ein Mist aber auch. Die Aussicht, mit einem Teufel so nah bei einem Menschen auf der Erde zu ein… würde mich wahrscheinlich zu einer spontanen Ohnmacht treiben - obwohl diese Reaktion schon etwas übertrieben war. Naja, ich bin anfällig und melancholisch. „Ich berufe Yugi Mutou!“ Was?! Yugi?! Ich hoffte nur, er neigte nicht auch zu Ohnmachtsanfällen - nach einem Blick in sein Gesicht: nein, sicher nicht, der war sauer. Es passierte nicht oft, dass Yugi sauer wurde, aber wenn ich daran dachte, was das Schicksal schon mit ihm gemacht hatte… sein Teufel würde als Hackfleisch enden. Das musste voll gruselig sein! Yugi schaute mich an und sagte ruhig: „Ich werde schon siegen!“ Wurde ich gerade leicht hysterisch? „Ich berufe Ryo!“ Die Welt um mich herum wurde schwarz. ---------------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. III ♀ III .,-~+*° ------------------------- Anm.: Das Zeichen in der Mitte des Titels deutet an, dass das Kapitel aus der dritten Person erzählt wird, da alle Charaktere zusammentreffen. °*+~-,. III ♀ III .,-~+*° » „Nachdem ich genannt worden war, war mir nun wirklich nicht mehr danach, noch länger zu bleiben. Gemeinsam mit Duke zog ich ab, um die zwei verbleibenden Stunden, die wir bekommen hatten, sinnvoll zu nutzen. Mein bester Freund machte ebenfalls ein Gesicht, als fingen die Gefallenen an zu lachen, und so beschlossen wir, dass Ausruhen wenig Sinn mache und wir besser gleich zu den Schleusen gehen sollten.“ Die Schleusen sind Anlagen im zweiten Ring, durch die wir auf die Erde oder in andere Dimensionen gelangen können. Sie sind weit ab vom Zentrum, weil es gelegentlich vorkommt, dass Engel durch diese Schleuse in die Hölle finden. Meistens sind sie aber schon verdurstet oder von Grausamkeit zerfressen, wenn wir sie finden. Nun ja. Die wenigen, die die Strapazen mehr oder weniger gut überstehen, nennen wir die gefallenen Engel. Für sie ist ein dunkleres Schicksal als das Verdursten bestimmt. „Wir liefen ziemlich gemächlich, um die Hitze ein letztes Mal genießen und uns in Ruhe unterhalten zu können. Wie erwartet war keiner von uns besonders gut auf den baldigen ‚Urlaub fürs Höllenreich’ zu sprechen. Duke musste einige wichtige Geschäftstermine und ‚illegale’ Unterredungen sausen lassen, ich musste in den nächsten drei Tagen eine Forderung für eine Partie Hellslike beantworten - ansonsten würde ich automatisch verlieren und meine Bilanz würde beschmutzt werden. Tolle Aussichten!“ Das Spiel Hellslike ist zu kompliziert, um es hier genauer zu erläutern und dann auch noch darauf zu hoffen, dass es von einfacheren Organismen verstanden wird. Allerdings lässt es sich in einzelne Kategorien unterteilen. Normalerweise reden wir, wenn wir Hellslike sagen, von Hellslike Standard. Hellslike ist ein Spiel, das vor allem auf Strategischem Wissen beruht, aber außerhalb der Standardversion können durchaus auch andere Stärken verlangt sein. Wird jemand zu einem Spiel herausgefordert, dann hat er normalerweise 7 Tage Zeit, um die Herausforderung anzunehmen oder abzulehnen. Ist die Zeit um, ohne dass sich der Herausgeforderte geäußert hat, wird automatisch ein Sieg auf dem Konto des Herausfordernden verbucht. Wenn das Spiel angenommen wird, muss unverzüglich begonnen werden. „An den Schleusen trafen wir dann auch die anderen Verdammten, die mit uns auf die Erde geschleust werden würden. Pegasus war nicht mit dabei und uns beiden wurde etwas komisch bei dem Gedanken, dass er hier jetzt praktisch keine Gegner mehr hatte. Luzifer, oh Luzifer, was hast du getan? Devlin und ich vertrieben uns die Zeit, indem wir erörterten, wie wir gegen die Engel vorgehen wollten, damit sie möglichst bald aufgaben und uns den Sieg überließen. Klang nach keiner geruhsamen Zeit und - das gebe ich zu - ich bin ein wenig faul. Pünktlich zur Schleusenöffnung dann waren alle 31 Teufel da und die Regeln wurden noch einmal verlesen. Es überraschte mich ein wenig, dass Luzifer keine Lücken gelassen hatte, um seine simplen Anweisungen zu hintergehen, aber bei Luzifer konnte man sowieso nie sagen, was er tun würde. Anschließend wurden die Schleusen geöffnet und wir Unglückseligen traten unsere Reise zur Erde an. « Auszug aus dem Audio-Tagebuch des Teufels Bakura Craig mit Kommentaren von Maximillion Pegasus » „Als mich einige hilfsbereite Engel endlich wieder auf Fordermann gebracht hatten, war von Petrus weit und breit nichts mehr zu sehen. Ich hätte ihm gern ein paar Takte gesagt! Es macht mir nun wirklich nichts aus, zur Erde zu müssen (na gut, meine Wortwahl spricht gegen mich, aber es ist nicht der Horror), aber mit einem Teufel? Das schlägt mir aufs Gemüt. Yugi war ebenfalls nicht sehr erfreut, wie er mir sogleich wortreich bestätigte, sah darin aber seine Chance gekommen, sich zu rächen. Ich hoffe nur, sie haben ihm einen für ihr System wertlosen Teufel zugeteilt. Wir haben uns dann in die Kathedrale auf der Wolke T zurückgezogen, obwohl Yugi diesen Platz nicht so sehr liebt wie ich, und geredet. In seinen Augen brannte ein Feuer, das ich so selten sehe, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, wann ich es das letzte Mal beobachtet habe. Aus diesem Grund habe ich es auch vermieden, über seinen Bruder zu reden, obwohl wir dieses Thema fast immer angeschnitten haben, wenn wir gemeinsam hier waren. Ich kann nicht sagen, ob er darüber froh oder betrübt war. Zur mentalen Vorbereitung auf eine schwere Aufgabe ist die Wolke T perfekt - es ist immer still, bis auf den eigenen Atem und ein beständiges Wispern hört man nichts. Ich mag diesen Ort wirklich sehr, fühle ich mich doch gleich an die ursprüngliche Funktion des Himmels erinnert. Aber dazu ein anderes Mal. Nach der bestimmten Zeit machten wir uns auf den Weg zum Gate, um uns von dort in die Welt der Menschen und Tiere bringen zu lassen. Genau wie die teuflischen benutzen auch wir dazu eine andere Dimension. Ich frage mich oft, ob die Erde mit Absicht so gelegt wurde, dass sie weder von der Hölle noch vom Himmel aus direkt zu erreichen ist… Meine Hysterie hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits weitesgehend abgelegt, weil schon Yugis Bruder sagte, dass Hysterie und Übermut im Kampf nur schlecht sein können. Er war in vielerlei Hinsicht ein echter Lehrer für uns beide und hat uns mehr beigebracht, als mir die Geschichte erzählen kann, und das ist wirklich eine Menge. Am Gate warteten sie schon auf uns und wir machten uns gemeinsam mit unseren 29 Kollegen auf den Weg in die Erdatmosphäre. « Auszug aus dem Bericht des Engels Ryo Marque aus den Chroniken der Geschichte Wir befinden uns wieder einmal auf der Erde, genauer gesagt in einer kleinen Stadt, die hier nicht mit Namen erwähnt werden soll. Obwohl laut Kalender der Sommer Einzug hätte halten müssen, regnete es in Strömen und auf der Straße zwischen den Bürogebäuden und kleinen Geschäften traf man sehr wenige Leute. Die allerdings vorhandenen, aus irgendeinem absurden Grund zum Herumirren außerhalb der schützenden Gebäudemauern verdammten Menschen hasteten kopflos und mit großen Schirmen bewaffnet den Gehweg hinauf und hinunter, um sich keine Krankheit einzufangen. Christina J., besser bekannt unter ihrem Spitznamen Kiki, war eine dieser Personen. Sie war auf dem Weg vom Getränkemarkt ein paar Straßenzüge weiter nach hause von dem Schauer überrascht und gezwungen worden, ihr letztes Geld für einen Regenschirm überdimensionaler Größe auszugeben. Diese Größe leitete sich aus einer von ihr strikt befolgten Lebensweißheit ab: Wenn schon, denn schon! Immerhin konnte es sein, dass sie irgendwann mal mehr als eine Person unter diesem Schirm beherbergen würde und ihre Begleitung sollte sich ja auch nicht erkälten! Natürlich allerdings war es ziemlich schwer, mit einem Schirm dieser Ausmaße in einem diesem Unwetter angemessenen Tempo vorwärts zu kommen und gegen den Wind kämpfend, die Tasche unter den Arm geklemmt, brauchte sie ganze zwanzig Minuten länger, als sie hätte brauchen wollen. Nun ja: Gut Ding will Weile haben! Als sie dann aber endlich vor dem Gebäude stand, in dem ihre Wohnung lag (eigentlich die WG-Wohnung, die sie zusammen mit ihrer besten Freundin bewohnte), erlebte sie eine Überraschung: Vor der Haustür standen zwei Gestalten mit weißem Haar, äußerst missmutig und ziemlich nass, die sie kritisch beäugten. Sie standen etwa einen Meter auseinander, zu beiden Seiten der Eingangstür, fast wie Wächter, und vermieden es anscheinend, sich anzusehen. Der eine, scheinbar etwas jüngere, hatte ein weiches Gesicht mit Augen, denen man ansehen konnte, dass sie normalerweise eher fröhlich als griesgrämig dreinblickten. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt es schien fast, als ob er leicht zittern würde. Ganz im Gegenteil der andere: er wirkte ein wenig älter, argwöhnisch, fast verschlossen, aber durchaus interessiert. Die Hände locker in den Taschen seines schwarzen langen Mantels vergraben, stand er an die Hauswand gelehnt und ignorierte die an seiner Stirn perlenden Regentropfen scheinbar ziemlich erfolgreich. „Ähm“, sagte Christina einwenig überfordert im Angesicht dieser beiden merkwürdigen Gestalten, und blickte ziemlich hilflos von einem zum anderen. Nach einem Moment des stillen Anstarrens seufzte der scheinbar jüngere plötzlich, trat einen Schritt von der Wand weg unter ihren Schirm und lächelte sie freundlich an. „Hallo“, sagte er, „Ich bin Ryo. Bist du zufällig Christina und wohnst hier?“ „Naja“, sagte Christina und musterte ihn misstrauisch, „Nein!“, ihre natürliche Intuition sagte ihr, dass es äußerst merkwürdig war, wenn ein Fremder deinen Namen und deinen Wohnsitz kannte, „oder“, andererseits sah er nicht sehr gefährlich aus, geradezu kindlich, „doch!“ „Ja, was jetzt?“, fragte der andere Mann und obwohl er emotionslos klang, hatte Christina das Gefühl, er sei genervt. „Doch, ich bin Christina und ich wohne hier! Und wer bist du?!“ „Ich bin Bakura.“ Stille. Etwas konfus sah das Mädchen von einem zum anderen, dann entschied sie, dass beide schon nass genug waren, kramte ihren Schlüssel hervor und bat sie, doch mit in ihre Wohnung zu kommen. Obwohl nur Ryo offensichtlich „Danke!“ sagte, meinte sie doch, auch Bakura etwas murmeln zu hören. Allerdings klang es eher nach „Na endlich hat sie’s begriffen!“ und sie erkundigte sich nicht weiter. Christina wohnte zusammen mit ihrer besten Freundin Yama zusammen in einer Drei-Zimmer-Wohnung: Also Küche, Bad, Wohnzimmer, Kikis Zimmer, Yamas Zimmer, und das im fünften Stock des Apartmenthauses. Ohne Aufzug. Die beiden waren nach ihrem Abschluss zusammen hierher gezogen und studierten an der städtischen Universität. Zur Zeit allerdings war ihre beste Freundin abwesend: Sie machte eine Woche lang blau und besuchte ihre Familie im Norden Bayerns. Deshalb war Christina jetzt auch allein, als sie die beiden durchnässten jungen Männer nach ewigem Treppensteigen durch die Wohnungstür Richtung Bad lotste, um ihnen erst mal ein paar Handtücher und trockene Sachen zu geben und außerdem zu verhindern, dass ihre Wohnung bald unter Wasser stand. Eigentlich hatte sie ja keine Sachen, die den beiden passen würden, allerdings war da der glückliche Umstand, dass beide Freundinnen es bevorzugten, in überdimensionalen T-Shirts zu schlafen, und genau diese kramte das braunhaarige Mädchen mit der Wuschelfrisur jetzt hervor. Sie legte sie den beiden vor die Tür und verabschiedete sich dann höflich in die Küche, wo sie erst mal eine Kanne Tee kochte, Kekse auf den Tisch stellte und nebenbei darüber nachdachte, dass es noch keinem gelungen war, ihr Bad zu benutzen, ohne dass sie mehr als den Namen von ihm wusste. Überhaupt waren diese beiden ungewöhnlicher Besuch, überlegte sie sich dann: Diese schlohweißen Haare, diese dermaßen unterschiedlichen Charakterzüge, die Freundlichkeit des einen und diese schroffe Verschwiegenheit des anderen, der schon fast düster wirkte… warum hatte sie die noch mal reingelassen? Zeit, darüber nachzugrübeln hatte sie aber nicht mehr, denn die Tür ging auf und ihre beiden Gäste standen etwas unschlüssig in selbiger. „Kommt doch rein“, lud sie beide ein und stellte drei Tassen auf den Tisch. Der jüngere, Ryo, erinnerte sie sich, lächelte sie freundlich an und setzte sich dankend. Der andere, Bakura, nahm einfach wortlos ihm gegenüber Platz, so dass sie genau zwischen den beiden saß. „Und jetzt“, sagte sie zögernd und schob Bakura die Kekse zu, damit er sich einen nahm, „Könntet ihr mir bitte sagen, wer genau ihr seid und warum ich die Ehre habe, dass ihr mich besucht?“ Die beiden sahen sich kurz an - mit einem Blick, den Christina fast als Feindseligkeit gedeutet hätte -, dann seufzte Ryo, wandte sich ihr zu und erzählte die ganze Geschichte. „Oh“, sagte das Mädchen, nachdem der jüngere weißhaarige geendet und für seine Geschichte durch ihre Zwischenfragen bedingt fast zwei Stunden gebraucht hatte, „Oh.“ „Ah“, sagte Bakura und sah sie genervt an. „Bitte?“, fragte das Mädchen erstaunt, das sich den beiden im Laufe der Zeit unter ihrem Spitznamen Kiki vorgestellt hatte. „Ah“, antwortete der Ältere. „Eine Entlastung für den armen Vokal, den du schon seit Stunden total in die Mangel nimmst.“ Kiki starrte ihn an. „Sag mal, du hast nicht zufällig was gegen mich?“ Daraufhin reagierte Bakura mit so etwas wie Überraschung. „Ich habe gegen alle etwas - das liegt so in der Mentalität der Teufel, weißt du? Selbst unsere Freunde können wir nicht ab, weil sie uns an sich binden, kapiert?“ Kiki sah etwas hilflos zu Ryo. „Und gegen dich hat er auch was?“ „Naja“, antwortete der als Engel enttarnte gedehnt, „Sagen wir mal so: Ich mag ihn nicht und er hasst mich.“ „Was?!“, fragte Kiki. „Hallo!?“, warf Bakura ein. „Von Hassen kann ja wohl nicht die Rede sein! Was man hasst, muss man vorher geliebt, oder zumindest bewundert haben!“ Ryo seufzte und rührte mit dem Kandisstab in seinem Tee. „Okay, dann ist er mir gegenüber halt sehr abgeneigt.“ Kiki nickte schaudernd. „Hey, ihr habt vielleicht Probleme!“ Die Reaktion darauf fiel heftig aus. Beide - Ryo und Bakura - sprangen auf und sahen sie drohend bis sauer an. „Das musst gerade du sagen!“, fuhr der Größere der beiden sie an. „Genau“, mischte sich der Engel ein. „Und dabei hast du ja so was von überhaupt kein Recht dazu!“ „Immerhin bringen wir uns nicht gegenseitig um!“ „Und ihr seid dermaßen verblödet und zurückgeblieben, dass ihr noch nicht mal merkt, wie ihr eure eigene Art ausrottet!“ „Äh“, warf Kiki irritiert ein. Was war denn jetzt in die beiden gefahren? Verbündeten die sich etwa ernsthaft? „Wie kann man nur so blöd sein und den eigenen Planten total zumüllen?“ „Und dann auch noch die komplette Atmosphäre außen rum? Das ist dermaßen dämlich - seht ihr denn gar nicht, dass die Uhr tickt, bis ihr euch umgebracht habt?!“ „Aber nein! solange dauert das gar nicht: Vorher haben sie sich gegenseitig mit ihren tollen biologischen und chemischen Waffen vernichtet!“ „Oh ja! Massemord! Jippie!“ „Ihr macht mir Angst“, sagte das braunhaarige Mädchen und schlang die Arme um die angezogenen Beine. „Ihr verbündet euch nämlich gerade gegen mich. Und so werden sicher weder Hölle noch Himmel gewinnen!“ Ryo und Bakura sahen sie erst überrascht an, setzten sich dann aber wieder gesittet auf ihre Plätze. Dann herrschte erst mal Schweigen und der jüngere, der der Tür gegenüber und am Fenster saß, beugte sich etwas zurück, um einen Blick hinaus in den schon dunkler werdenden Himmel zu werfen. Erste Sterne zeichneten sich ab und der Mond war bereits als blasse Figur erschienen, während die Sonne noch am Himmel stand. Kiki starrte ihn schon seit geraumer Zeit grübelnd an. Hätte sie gewusst, dass er dies merkte und sich seine Gedanken dazu machte, die daraus hinausliefen, dass sie die beiden wohl einfach interessant, Bakura zum anstarren aber zu gefährlich fand, und hätte sie gewusst, dass er gewusst hätte, dass er mit diesem Gedanken genau ins Schwarze traf, dann hätte sie wohl doch lieber woanders hingesehen. Allerdings wusste sie das nicht und er wusste nicht, was eine andere Verkettung von Wissensständen ausgelöst hätte. Irgendwann jedoch seufzte sie dann doch, beugte sich weiter über den Tisch und sah neugierig zwischen ihren zwei neuen ‚Freunden’ hin und her. „Sagt mal“, durchbrach sie die Stille dann endlich und Bakura konnte mit dem größtem Bemühen, das er natürlich nicht an den Tag legte, nicht verhindern, dass er genervt stöhnen musste, „Darf ich vielleicht mal ein Experiment mit euch machen? Um eure Geschichte zu prüfen?“ Jetzt waren beide Gäste auf der Hut. „Und das wäre?“, fragte Bakura misstrauisch. „Euch wird schon nichts passieren, wenn ihr echt seid!“, sagte das Mädchen lachend, stand aber auf und öffnete das Fenster hinter Ryos Rücken. „Würdest ihr bitte hier rüber kommen?“ Immer noch im größten Maß misstrauisch bewegten sich beide zu ihr hinüber ans Fenster. Immerhin wollten sie ihren Menschen nicht gleich verärgern… „Danke“, sagte Kiki und nutze den Überraschungseffekt, um beide aus dem Fenster zu kippen. Stille. Dann begann Ryo, wie verrückt zu schreien. Bakura reagierte gefasster und vor Kikis staunenden Augen schossen riesige, schwarze Flügel aus seinem Rücken, mit flauschigen Federn, sodass er sich schon im vierten Stock fing und in der Lage war „Was?!“ zu fauchen. Ryo dagegen fiel weiter dem Boden entgegen, immer noch gellend kreischend. Christina riss die Augen auf und verfolgte wie Bakura den Flug, bzw. Sturz des kleineren Weißhaarigen, wobei ersterer fast das Herz stehen blieb. Dann, nur etwa einen Meter über dem Boden brachen plötzlich auch aus Ryos Schultern gewaltige, diesmal weiße Flügel hervor und er schoss wieder aufwärts. „Dämlicher Engel“, murmelte Bakura, aber Devlin hätte sich über die leichte Nuance Erleichterung gewundert, die in der Stimme seines Freundes mitschwang. Der Engel raste an der Häuserwand steil hinauf, während sich etwas auf seiner Stirn bildete, das man nach einiger Betrachtung sicher als Wutfalte hätte identifizieren können. Bakura schlug langsam mit seinen gewaltigen Flügeln auf und ab, um auf der Stelle zu bleiben und beobachtete amüsiert das rasche Näherkommen seines ‚Partners’, das für dieses freche Menschenmädchen sicher einige Unannehmlichkeiten bedeuten würde. Seine Bewegungen waren daher fast entspannt zu nennen, als er seine gewaltigen Schwingen zusammenfaltete und mit Hilfe der Schwerkraft und einigem Schwung elegant durch das Fenster zurück in die Küche glitt, Sekundenbruchteile, bevor sein Kollege geradezu durch selbiges hereinschoss und dabei vereinzelte Federn verlor. Christina schloss lächelnd und vergnügt das Fenster und wollte Ryo gerade zu seiner famosen Vorstellung gratulieren, als sie sich auch schon Stirn an Stirn mit dem Inbegriff eines Racheengels sah und ihr vorerst die Worte wegblieben. „Kiki“, begann der vor ihr stehende freundlich und mit einem Schrecken erregenden Lächeln im Gesicht, „Ich denke doch, dass ich recht in der Annahme gehe, dass du das nur aus purem, niederträchtigen Misstrauen uns gegenüber getan hast, oder?“ „Oh“, sagte die Angesprochene und beobachtete unter dem genervten Blick Bakuras, der mit diesem Vokal ganz offensichtlich ein Problem hatte, fasziniert, wie die weißen Flügel auf Ryos Rücken rasant schrumpften und schließlich ganz verschwunden waren. „Und“, fuhr dieser fort, „Du hast das nur getan, weil du nicht genug Vertrauen in andere Menschen - oder Wesen - setzt, als dass du ihnen trauen könntest. Ich weiß, hier auf der Erde ist das ein allgemeines Problem, aber als ich dich zum ersten Mal sah, dachte ich eigentlich, dass du ein guter Mensch bist. Ich finde es ehrlich gesagt traurig, wie sich die Umstände entwickelt haben.“ Bakura hatte fast das Gefühl, die schwarze Aura um den Engel sehen zu können und lehnte sich bequem auf seinem Stuhl zurück, um das Schauspiel zu genießen. „Stell dir nun einmal vor, wir hätten hier auf der Erde unsere Fähigkeit zum Fliegen verloren! Und hör mal, nur weil andere Leute uns nicht sehen können, existieren wir trotzdem materiell! Im Gegensatz zu dem beschränkten homo sapiens ist die Materie nämlich durchaus fähig, uns wahrzunehmen und einzubinden. Und was wäre dann passiert? Toter, roter Pizzabelag auf dem Gehsteig!“ Bakura brach trotz der ernsthaften Hintergedanken in herzhaftes Gelächter aus. Er hatte gar nicht gewusst, dass diese gutgläubigen Dinger namens Engel auch zu ergreifendem Sarkasmus fähig waren. Pizzabelag, tsts. Als ihm allerdings bewusst wurde, wie gerade dieser (nicht der Pizzabelag, sondern der Engel! Haha.) und ihre menschliche Begleitung ihn anstarrten, unterbrach er sich und setzte wieder seine böse und viel natürlichere Maske auf. Der Engel schüttelte daraufhin nur den Kopf, konnte aber nicht vermeiden, dass seine negativen Energien sich über diesen ungewohnt heiteren Ausbruch eines Teufels verflüchtigten - worüber er eigentlich auch ganz froh war - und wandte sich nun sehr viel besänftigter wieder Kiki zu. „Und da du kein Vertrauen hast, werden wir es dir jetzt beibringen müssen! Bakura, bitte nimm deinen Platz ein, wir werden jetzt eine klassische Vertrauensübung machen.“ Dem Teufel und dem Mädchen fiel alles aus dem Gesicht. „Vertrauen?“, echote ersterer. „Vertrauensübung?“, stotterte letztere. „Ja“, sagte Ryo lächelnd. „Ähm“, sagte Kiki und wandte sich wie in Zeitlupe um, „Ich glaube, zur Beruhigung der Gemüter hole ich jetzt erst mal Wassereis aus meinem geheimen Vorrat.“ Damit lief sie schnurstracks auf die Küchentür zu, während ihre Gäste ihr mit imaginären geöffneten Mündern nachstarrten. „Ähem“, sagte Bakura mit einer herrischen Geste, in der Absicht, sich näher über dieses ‚Eis’ zu erkundigen. „Einen Moment bitte!“ Christina lief weiter auf die Küchentür zu, sah ihn aber über die Schulter an. „Was ist?“ Doch Bakura kam nicht mehr dazu, seine Frage zu artikulieren, denn hinter ihm ertönte ein lautes Krachen und Ryo schrie zum zweiten Mal in recht kurzer Zeit auf. --------------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. IV ♀ IV .,-~+*° ----------------------- °*+~-,. IV ♀ IV .,-~+*° „Dämliche Engel“, stöhnte Bakura entnervt und drehte sich zu seinem Partner herum, der halb unter dem Tisch neben seinem umgefallenen Stuhl lag und mit geweiteten Augen um sich schaute. „Sag mal, was mich interessieren würde: Könnt ihr überhaupt irgendwas richtig machen?“ Ryo warf ihm einen bitterbösen Blick zu, sagte sich aber, dass er mit ihm auskommen musste, bzw. dass Teufel nur mit Freundlichkeit zu schlagen waren und er im Moment sowieso andere Probleme hatte. Kiki eilte besorgt zurück in den Raum und zog ihren Gast mit einer entschiedenen Bewegung unter dem Tisch hervor. „Was war das denn?“, fragte sich besorgt und untersuchte Ryo visuell auf irgendwelche Verletzungen. Der ließ ihre Musterung über sich ergehen, sah aber ziemlich weggetreten aus. „Ich weiß es nicht. Auf einmal hatte ich das Gefühl, mein ganzer Körper würde durch Seile oder elektromagnetische Felder vorwärtsgezogen und dann hat es mich halt umgeworfen. Zwei Sekunden später war es wieder weg.“ Bakura sah ihn argwöhnisch an. „Und du bist sicher, dass dir deine Sinne keinen Streich gespielt haben und du einfach zu tollpatschig bist?“ „Natürlich“, sagte Ryo und lächelte Bakura dank seiner neuen Strategie freundlich an, was den gewissermaßen verblüffte. Diese Engel waren ja noch dämlicher, als er gedacht hatte. Blickte der kleine denn nicht, dass er ihn gerade total niedermachte? „Aber woran kann das gelegen haben?“, fragte Kiki etwas ratlos und schaute von einem zum anderen. „Tja“, sagte Bakura. „Ausprobieren. Gleiche Szene noch mal!“ Und von da an machte er sich einen Spaß daraus, die beiden das ganze noch etwa zehn mal durchspielen zu lassen und dabei zu beobachten, wie der Engel immer wieder von seinem Stuhl gehauen wurde, während er sitzen blieb. Höchst amüsant! Nachdem sein Gegenpart aber schon etliche kleine Kratzer und Schürfwunden an allen möglichen und unmöglichen Stellen hatte, zeigte er Einsicht, vordergründig, weil er sich den Sieg nicht zu leicht machen wollte. „Also“, verkündete er schließlich. „Es liegt daran, dass du einen bestimmten Abstand zu Kiki halten musst!“ Seine beiden Mit-in-der-Küche-Steher sahen ihn irritiert an und Bakura pflückte mit einem Seufzen die etwas angegriffene Kopie des Friedensvertrags aus seiner Hosentasche, um sich augenblicklich darin zu vertiefen. „Ähm, ich geh dann erst mal Eis holen“, warf Kiki verunsichert ein. „Ryo kann ja mitkommen?“ „Keine falsche Bewegung“, sagte Bakura ohne aufzusehen. „Setzt euch hier hin oder mach meinetwegen Kaffee. Einmal Pechschwarz ohne Zucker und Milch für mich.“ „Ähm“, kommentierte das Mädchen, dem deutlich anzusehen war, dass sie heute morgen noch nicht mit dermaßen viel Stress gerechnet und sich auch nicht darauf vorbereitet hatte. Aber weil sie keinen Disput mit Bakura wollte und der außerdem so aussah, als hätte er eine Ahnung, wenn auch nur eine kleine, von dem, was er tat, tat sie, was er gesagt hatte. Ryo stellte sich neben sie an die Küchenzeile und bereitete einmal Kakao und einmal heiße Milch mit Honig zu, die er dann ebenfalls auf den Tisch stellte und Bakura dann unauffällig über die Schulter sah, wobei ihm aufging, dass wahrscheinlich kein einziger Engel diesen Vertrag jemals gesehen hatte und es in der Hölle möglicherweise noch weit fortschrittlicher zuging, als er gedacht hatte. Auch Kiki ließ sich jetzt auf einen Stuhl fallen, vollkommen fertig mit den Nerven und kaum bereit für eine erneute Schreckensmeldung. Und natürlich suchte Bakura sich genau diesen Moment aus, um triumphierend aufzuschreien. Und natürlich war die vorliegende Sache in einer Fußnote geregelt. Und natürlich war sie äußerst wunderbar: „Ha, ich weiß es jetzt! Es ist so, dass weder Engel noch Teufel sich weiter als fünf Meter von ihrem Menschen entfernen dürfen! Ansonsten wirkt ein Schutzbann, der beide Geschöpfe mitschleift, außer es tritt der Fall ein, dass einer der beiden Parts mit völliger Absicht den Radius verlässt. Dann gewinnt die Partei des anderen. Laut dieser Fußnote tritt der Bann erst einige Stunden nach dem beiderseitigen Einfinden in Kraft, was erklärt, warum wir davon vorher nichts mitbekommen haben. Sehr spektakuläre Art, das herauszufinden, Engelchen.“ Stille folgte auf diese Verkündung und nur Kikis Kopf schlug auf den Tisch auf. „Leute, nein!“ „Aber was soll das? Hast du Komplexe, oder was?“ „Willst du unbedingt, dass wir verlieren?“ „Nun stellt euch mal nicht so an! Wenn ihr gleichzeitig verliert, dann ist es ja kein echtes verlieren!“ „Also, ich für meinen Teil verlasse den Radius nicht freiwillig!“ „Ha, in diesem Entschluss muss ich mich diesem vorlauten Teufel leider anschließen.“ „Aber ich sagte NEIN!“ Das vorliegende Problem war folgendes: Christinas und Yamas Zimmer waren durch den Flur getrennt und ihre Betten standen jeweils am Fenster. Das bedeutete einen Abstand von mindestens acht Metern. Und natürlich wollte Kiki nicht in einem Zimmer schlafen mit einem Engel, der vor kurzen noch ein Racheengel gewesen und dazu männlich war, und einem Teufel, der riesige, schwarze Flügel sein eigen und sie begriffsstutzig nannte. Und natürlich wollte von den genannten Persönlichkeiten keine freiwillig draußen bleiben, denn das wäre einer Niederlage gleich gekommen. Nun standen sie bereits seit einer viertel Stunde vor Christinas Zimmer und diskutierten das Problem aus, wobei das häufigst vorgebrachte Argument der Angeklagten war: „Ich sagte nein!“ Es zeichnete sich ab, dass die angeklagte Partei verbal ihren um Jahrtausende älteren Gegnern unterlegen war und so klärte sie das Problem, indem sie den Überraschungsmoment nutzend in ihr Zimmer schlüpfte, sich gegen die Tür warf und den Schlüssel umdrehte. „Das endet nicht gut für das schöne Holz!“, schrie Bakura von draußen und hämmerte gegen die hübsche Eichentür. Doch Kikis einzige Reaktion war ein Schnauben, als sie begann, sich umzuziehen. Ryo schüttelte sanft den Kopf und ließ sich an der Tür hinunter rutschten. „Das gibt ein Desaster.“ „Klar, wenn du mit von der Partie bist!“, giftete Bakura. „Wo ist denn da der Zusammenhang?“, fragte Ryo müde und sah hoch. „Na gut.“, seufzte der Ältere und setzte sich ebenfalls. „Waffenstillstand?“ Ryo nickte und begann dann vor sich hinzumurmeln. Nachdem Bakura ihn eine Weile befremdet gemustert hatte, stimmte auch er mit ein. Immerhin wollte er wie der Engel kein Risikoeingehen. So kam es, dass Kiki drinnen durch die dicke Tür und das Rascheln ihrer Kleidung noch immer hören konnte, wie ihre beiden Gäste draußen auf dem Flur leise vor sich hinnuschelten: „Ich will den Radius nicht verlassen! Ich will den Radius nicht verlassen! Ich will den Radius…“ Sie seufzte und wandte sich ihrem gemütlichen, einladenden Bett zu. Nur knappe drei Meter trennten sie noch von dem weichen Kissen und der warmen Decke. Erste Anzeichen spürten die beiden draußen auf dem Flur, als sie auf einmal gegen das Holz gedrückt wurden und dann mit atemberaubender Geschwindigkeit gegen die Wand gepresst den Flur entlang geschleudert wurden. Um die Ecke Richtung Badezimmer und zack, wieder an die Wand gepresst, diesmal aber mit weniger Druck. „Dieses Mädchen“, würgte Bakura hervor, ordnete seine Kleidung und rollte sich geradezu an der Wand zusammen. „Dieses Mädchen ist mir zutiefst unsympathisch!“ Ryo traute sich nicht, darauf zu antworten, denn er hatte Angst, seine Engelsmoral oder sein Gewissen mit einer Antwort zu belasten. So versuchte auch er mit äußerst angespannter Miene, sich möglichst bequem zurecht zulegen, da er ganz richtig davon ausging, diese Nacht auf dem Fußboden verbringen zu dürfen, der trotz des Teppichs nicht sehr gemütlich anmutete. Bakura und Ryo wurden davon geweckt, dass sie in atemberaubenden Tempo die Strecke, die sie tags zuvor zurückgelegt hatten, zurück gerissen wurden und in dem Moment in einem unordentlichen Haufen vor der Tür lagen, als Kiki diese öffnete und prompt über beide stolperte. „Super“, knurrte sie, „Das macht die Traum-Theorie schon mal zunichte!“ „Ha!“, knurrte Bakura und stieß das Mädchen von sich in der Hoffnung, dass ihm das nicht als mutwillige Körperverletzung ausgelegt wurde, „Schön wär’s!“ Ryo stöhnte auf und hielt sich den Kopf. Seine Füße waren kalt, weil er nicht mehr trug als Boxer shorts und ein altes XXXL-T-Shirt, er hatte Hunger und Kopfschmerzen. „Ach Luzifer!“, murrte Bakura, dem es als erster gelungen war, sich wieder aufzurichten. „Leidet das kleine Engelchen etwa?“ Es hätte in Ryos Natur gelegen, die weiße Fahne zu zücken und er war noch zu verschlafen, um sich darüber im Klaren zu sein, dass er verdammtes Glück hatte, keinen weißen Stoff bei sich zu tragen. „Ruhe am frühen Morgen!“, knurrte Kiki und sprach damit aus seiner Seele. „Oder ich schubse euch aus dem Fenster.“ „Na klar“, sagte Bakura sarkastisch. „Dann schnapp ich dich und lass dich aus Versehen fallen.“ Stille. „Das würdest du tun?“, fragte die Braunhaarige und richtete sich mit großen Augen auf, was Ryo etwas mehr Bewegungsfreiheit gab, wofür er dankbar seufzte und sich wieder zusammenrollte. „Natürlich“, sagte Bakura überrascht und brachte es fertig, mit seiner spärlichen Bekleidung gleichzeitig gefährlich, sexy und verblüfft auszusehen. „Ich bin das Vergehen, schon vergessen? Das haben Teufel so an sich!“ „Das ist kein Argument!“, murrte ihre Gastgeberin. Bakuras Augen glitzerten. „Ach? Würdest du mir dann erklären, warum du diese riesigen Müllberge unterstützt, die da draußen dicht an dicht stehen?“ Kiki öffnete den Mund und schloss ihn wieder. „Am frühen Morgen kann ich nicht diskutieren!“ „Früh?“, fragte Bakura und warf einen Blick durch die Küchentür auf die Uhr. „Es ist bereits halb zehn. Wie schafft deine Freundin es immer, dich aus dem Bett zu holen, wenn ihr zur Uni müsst?“ Kiki blinzelte und war still. „Typisch“, murmelte Bakura und bemerkte erst jetzt den zusammengerollten Engel zu seinen Füßen, der friedlich weiter schlief. „Weck du diesen Depp auf!“ Damit drehte er sich um und… „Shit!“, flüsterte er verhalten und blieb mitten im Flur stehen. „Was?“, fragte Christina ahnungslos und schaute ihn an. Bakura kickte mit dem Fuß in die Luft und zog eine Augenbraue hoch, als ein leichter Schmerz durch eben diesen fuhr. Kiki musterte ihn ahnungslos. „Ach nichts“, sagte der Teufel und machte auf den Fersen kehrt. Ich helfe dir lieber.“ Und rammte dem schlafenden Engel seine Ferse in den Magen - jedenfalls fast. Millimeter über der bebenden Bauchdecke hielt er mental fluchend inne und gestand sich missmutig ein, dass er wohl nicht in der Lage sein würde, den Kleinen zu wecken, ohne gegen das Protokoll zu verstoßen. „Weck du ihn!“ „Oh“, sagte die konfuse Studentin und Bakura verzog schmerzlich den Mund. „Nein, ich habe eine viel bessere Idee! Könntest du ihn nicht mit einem Kuss wecken?“ „Bitte?“, fragte Bakura und fiel aus allen Wolken, bzw. vom Palast des Yamis. Das Kind hatte den Verstand verloren! „Ja, natürlich“, erläuterte sie ihm hingegen eifrig ihre Idee, „Das wollte ich schon immer mal sehen! Außerdem könntest du ja auch deine perverse Ader raushängen lassen - das schlägt ihn garantiert in die Flucht!“ „Perverse Ader?“, fragte Bakura ausdruckslos und gleich darauf: „Du willst der Hölle helfen?“ „Natürlich“, fiel die Antwort schlicht aus. „Springt ja auch für mich was raus.“ Bakura beäugte sie scharf. Vielleicht hatte er sie unterschätzt und sie war doch grausamer und gewissenloser als sie aussah. Aber einen Engel küssen? Soweit kam’s noch! In diesem Moment schlug Ryo die Augen auf und machte alle Pläne zunichte. „Mann, was für ne schwarze Aura!“, sagte er gähnend und richtete sich auf. „Ups!“ Kiki sah ihn bitterböse an und Bakura betrachtete mit schief gelegtem Kopf die Wand und schrie förmlich: ‚Wer? Ich?’ An Ryos Stirn bildeten sich Schweißtropfen. „So!“, sagte der Teufel plötzlich und warf sich Kiki mit einer einzigen Bewegung über die Schulter. „Ich will Kaffee!“ Und damit lief er mit großen Schritten in Richtung Küche, den verdutzten Ryo durch den Bann mitschleifend. Und ich will Klamotten, dachte dieser mies gelaunt und hielt seine Boxer unauffällig fest, damit ihm die nicht durch die Reibung abgestreift wurden. „Christina!“, schrie Bakura genervt, legte einen schwachen Bann (denn zu mehr war er auf der Erde nicht fähig) über seinen Fuß und trat damit gegen die Wand. „Jetzt reicht’s aber langsam!“ Diese Telefonistis war ja wirklich der Horror. Ihre Gastgeberin hatte nach dem Frühstück angefangen zu telefonieren, war dann ins Badezimmer gelatscht und machte sich fertig, immer am Hörer, während er und Ryo draußen vor der Tür herumlungern mussten. „Und wenn du nicht endlich aufhören kannst, in dein Telefon zu quatschen, das du nicht mal beim Duschen abstellst, dann lass uns halt wenigstens rein, damit wir was zu tun haben. Ist ja nicht so, dass ich mich für dich oder deinen Körper interessieren würde!“ „Bakura!“, sagte Ryo mit einem strafenden und verärgerten Blick und es war das erste, was er an diesem Tag bewusst sagte. Schreckliche Langschläfer. „Mensch!“, schrie der Teufel hingegen unbeeindruckt weiter, warf Ryo aber einen bösen Blick zu. „Bakura!“, sagte dieser nun eindringlicher und seine Stimme nahm einen warnenden Unterton an, den nicht einmal Bakura ignorieren konnte. „Was?!“, fragte er aggressiv „Das war nicht sehr klug…“, setzte Ryo zu sprechen an, aber da wurde die Tür schon aufgerissen und Kiki knallte dem vorlauten Teufel höchstpersönlich eine. „So!“, saget sie und schnaubte vor Wut. „Bist du noch zu retten?“, zeterte Bakura und holte zum Gegenschlag aus. Ryos Augen weiteten sich und er ergriff reflexartig seine Hand. Mensch und Teufel starrten ihn an. „Ach, Mist!“, grummelte er und ließ Bakuras Arm los, als hätte er sich verbrannt. „Danke!“, sagte Kiki und lächelte ihn an. Bakura zog ungläubig seinen Arm zurück und musterte die roten Stellen, die die Nägel seines Gegners zurückgelassen hatten mit einem undeutbaren Blick. Das Mädchen hingegen war wieder gut gelaunt und legte Ryo einen Arm um die Schulter. „Hör mal“, sagte sie wild gestikulierend und führte ihn Richtung Küche, die scheinbar eine Art Basis darstellte, „Ich habe sogar Klamotten für euch auftreiben können!“ „Oh!“, sagte Ryo erfreut und Bakuras Laune sank noch einmal um ein paar Grad, während er sich bemühte, die beiden einzuholen, bevor der Bann ihn erfassen konnte. „Das ist sehr nett von dir! Aber aufgrund von Bakuras Mentalität nehme ich nicht an, dass wir lange bleiben werden!“ Netter Seitenhieb!, stellte das Gesprächsobjekt nüchtern fest und versuchte kraft seiner Gedanken ein Ei aus dem Kühlschrank auf das Haupt des Engels zu teleportieren, was ihm aber leider nicht gelang. „Das wäre Schade“, sagte Kiki geknickt und beide Weißhaarige fragten sich, ob sie unter Gedächtnisschwund litt, „Aber mein Bruder kommt trotzdem gleich vorbei!“ „Er kann uns nicht sehen!“, warf Bakura genervt ein und Ryo musste ihm zustimmen. „Ich weiß!“, erwiderte Kiki fröhlich kichernd und Ryo schwankte, ob er wissen wollte, was sie ihrem Bruder erzählt hatte, damit der ihr Klamotten lieh. „Macht es euch gemütlich, ich mach was zu trinken!“, sagte sie vor sich hinsummend und Ryo ließ sich vorsichtig nieder, darauf bedacht, ihre Laune durch nichts zu verschlechtern. Bakura blieb schnaubend und mit verschränkten Armen in der Tür stehen. „Und wann kommt die Pappnase?“ Kiki warf ihm einen bösen Blick zu und Ryo murmelte gelangweilt: „Na toll! Frühaufsteher und Morgenmuffel!“ Was Bakura dermaßen gut analysierte, dass der zu keiner Erwiderung fähig war. „Keine Ahnung“, sagte Kiki nun wieder grinsend und machte sich fröhlich eine Wasserschokolade, Ryo weißen Tee und Bakura Kaffee - schwarz. Außerdem mischte sie Apfelsaft in ein Glas Zitronenlimonade, was ihr von beiden Überirdischen einen schrägen Blick einbrachte. „Aber er hat einen Schlüssel!“ „Alles klar!“, sagte Bakura und schnaubte. „Und was machst du, wenn er hier mal früh morgens reinplatzt, wenn ihr zwei gerade beim Duschen seid?“ „Gar nichts mach ich dann!“, erwiderte Kiki strahlend, „Aber er macht Frühstück!“ Bakura und Ryo sahen sich im stillen Einvernehmen an, denn selbst wenn man Teufel und Engel war, gegen zwei dämliche Menschen konnte man nur gemeinsam etwas ausrichten. Da ging plötzlich die Tür auf und ein junger Mann lief fröhlich pfeifend geradewegs durch Bakura hindurch. Ryo und Kiki entgleißten alle Gesichtszüge. ------------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. V ♀ V .,-~+*° --------------------- °*+~-,. V ♀ V .,-~+*° „Er“, sagte Ryo zitternd und deutete geschockt auf Bakura, „Er ist geradewegs durch den Teufel hindurch gelaufen!“ Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Auch Kiki wirkte einigermaßen fassungslos. „Ja“, sagte Bakura sarkastisch und überdeckte so den leicht unsicheren Unterton, „Und wo ihr jetzt so emotional werdet, stellt euch mal vor wie der sich fühlt, durch den gerade einer durchgelaufen ist.“ Seine beiden Mitbewohner wurden weiß wie die Wand und starrten ihn blicklos an. „Ähm“, sagte der fremde junge Mann, der höchstwahrscheinlich Christinas Bruder war, „Stimmt irgendwas nicht, Schwesterchen?“ Die wandte sich ihm mit großen Augen zu. „Du bist gerade durch Bakura hindurchgelaufen!“ „Ich bin was?“, fragte ihr Bruder irritiert und Bakura schlug sich gegen die Stirn. Dumme Menschennärrin! Ihr Bruder war doch gar nicht dazu fähig, sie zu sehen! „Ach so“, sagte dieser auf einmal und wirkte leicht angegriffen. „Du hast deinem Türrahmen einen Namen gegeben?“ Bakura sank theatralisch zu Boden und stöhnte schmerzlich auf, während Kiki ihren Bruder irritiert ansah und der auf den Tisch zu lief. Ryo wurde noch weißer und erhob sich gerade noch schnell genug, bevor der neue Gast sich auf seinen Stuhl fallen ließ. Er war nun wirklich nicht scharf darauf, Bakuras Erfahrung zu teilen. Dieser erhob sich gerade wieder und das gefährliche Glitzern in seinen Augen ließ Kiki und ‚ihren’ Engel schlucken. „Bakura?“, fragte Ryo unsicher. Der grinste ihn gespenstisch an und sprang dann geradezu zur Arbeitsfläche, um sich seinen Kaffee und das Glas mit der Apfelsaft-Zitronenlimonade-Mischung zu nehmen. „Hä?“, fragte Kiki und sah ratlos von Ryo zu Bakura und zurück, während der jüngere Weißhaarige die Stirn runzelte und sich, schlechtes ahnend, zu ihrem Besucher umdrehte, der gerade, sagen wir, etwas angegriffen aussah. Genau genommen wirkte er eher wie ein erschrockener Zombie. „Kiki“, begann er und verfolgte Bakura mit seinen Augen, während dieser giftig lächelnd durch die Küche auf ihn zukam. „Was ist das?!“ Panik lag in seiner Stimme. „Die Rache, Süßer!“, hauchte Bakura und stellte die Limonade vor Christinas Bruder ab. „Äh, tja“, sagte dessen Schwester und wand sich sichtlich in Erklärungsnöten. „Das ist… ähm.“ „Ist okay!“, nuschelte ihr Bruder immer noch kalkweiß und winkte kraftlos ab. „Tun wir einfach so, als wäre meine Limonade nicht gerade auf mich zugeschwebt, zusammen mit einem mitternachtsschwarzen Kaffee, den ich hier seit ihr eingezogen seid noch nie gesehen habe. „Äh, genau!“, sagte Kiki erleichtert, nahm ihre Schokolade und ließ sich neben ihm nieder. „Darf ich dir jemanden vorstellen? Kevin, das ist Bakura, mein Türrahmen, Bakura, das ist mein kleiner Bruder Kevin. Bakura ist ein wenig launisch, weißt du? Er ist ein wahrer Teufel.“ Kevin nickte langsam und bedacht und musterte den Türrahmen befremdet, in dem Bakura nun wieder stand. Der schnaubte nur und überlegte sich, wie viel Schrott seine Gastgeberin normalerweise labern musste, dass ihr Bruder so gefasst blieb angesichts der Tatsache, dass sie ihm ihren Türrahmen mit Namen vorstellte. „Und noch jemand! Kevin, das ist meine Teekanne Ryo, Ryo, dass ist mein kleiner Bruder Kevin!“ Ryo sah sie fassungslos an, und wendete sich mit dem Gefühl vollkommener Machtlosigkeit und Hilflosigkeit ab, als Kevin die Kanne unsicher ansah und zögernd sagte: „Hallo Ryo!“ Bakura schenkte Kiki einen letzten Blick unter hochgezogenen Augenbrauen, dann ließ er sich hinter der Kochzeile und somit vom Tisch aus nicht sichtbar nieder und lehnte sich gegen einen Schrank. Zwei Sekunden später ließ Ryo sich vollkommen entkräftet und seinen Tee mit zitternder Hand balancierend neben ihm nieder und fragte ernsthaft angegriffen: „Ist dir so was schon mal passiert?“ Der Teufel neben ihm ließ alle Gemeinheit stecken und schüttelte nur den Kopf. „Sie ist vollkommen durchgeknallt“, stellte er nüchtern fest.“ Ryo nickte und sein Blick hetzte leicht panisch vom Kühlschrank zu seiner Tasse und wieder zurück. „Sag mal, Bakura?“, sagte er mit leicht schwankender Stimme, „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich jetzt aufgebe?“ Der Teufel starrte ihn perplex an und registrierte mit einer gewissen Note von Beunruhigung den leicht wahnsinnigen Schimmer in Ryos Augen. „Es wäre ganz einfach: Ich würde aufstehen, meine Tasse auf das Bord stellen, zum Fenster gehen, es öffnen und mich einfach hinausstürzen. Null Problemo!“ „Äh“, sagte sein ‚Gegner’ und seine Augenbrauen zuckten unkontrolliert. Dann schüttelte er leicht den Kopf, wie um wieder klar zu werden, und schenkte Ryo einen stechenden Blick. „Untersteh dich, Engelchen! Willst du, dass die da oben dich fertig machen? Außerdem wäre das total verantwortungslos! Was bist du denn bitte für ein Engel, wenn du gleich davon läufst, sobald ein dämlicher Mensch einer Teekanne deinen Namen gibt?! Kannst du das vor dir selbst überhaupt rechtfertigen?! Das ist eine Schande, an die du ewig erinnert werden wirst, wenn du jetzt gehst! Das kann dir diese Teekanne nicht wert sein!“ Er blitzte den Jungen neben ihm leicht verärgert an und nahm demonstrativ einen Schluck aus seiner Tasse. Gut, schwarzen Kaffee bekam das Mädchen schon mal hin - Auch wenn sie damit sicher Leute töten konnte. „Oh“, sagte Ryo und blinzelte den neben ihm sitzenden und bei seiner Äußerung zusammenzuckenden Teufel an. „So gesehen wäre es wirklich eine Schande aufzugeben!“ Bakura nickte bestätigend. „Danke, Großer!“, sagte Ryo und lächelte zuckersüß und vollkommen ehrlich. „Hättest du das jetzt nicht gesagt, hätte ich dich ernsthaft gewinnen lassen! Du bist vielleicht doch ganz in Ordnung, auch, wenn du aus der Hölle kommst und bestimmt schon dann und wann Yami terrorisiert hast!“ Er knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. Bakura verschluckte sich an seinem Kaffee und begann zu röcheln, wofür Ryo ihm hilfsbereit auf den Rücken klopfte. Dieser Engel! „Ey, ich versteh dich nicht!“, sagte er resignierend. „Na, angesichts von Kiki und Co. müssen wir doch zusammenhalten!“, deklarierte Ryo überzeugt und Bakura stellte sicherheitshalber seine Tasse neben sich. „Ach?“, fragte er argwöhnisch. „Und was wird dann aus unserem persönlichen Krieg?“ Ryo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Dazu müssen wir erst äußere Gefahren bannen und uns völlig im Einklang befinden. Lust auf ne Runde Yoga?“ Bakura starrte den strahlenden Engel an, der ihn erwartungsvoll ansah. Was bei Luzifer und allen anderen Yamis…? War der kleine etwa schizo? „Nein, danke!“, lehnte er dessen Angebot gefasst ab, „Aber anderen Ideen zum Zeitvertreib gegenüber bin ich immer offen!“ „Naja, okay.“, stimmte ihm Ryo fast geknickt zu. „Und was schlägst du vor?“ Bakura sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. Dieser Engel ging tatsächlich auf seine Anregungen ein. Nicht zu fassen! Dann glitt ein teuflisches Lächeln über seine Lippen und er lehnte sich bequem zurück. „Naja“, sagte er gespielt nachdenklich. „Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig etwas von Himmel und Hölle erzählen, um uns besser kennen zu lernen. Mich würde zum Beispiel brennend interessieren, ob es da oben bei euch eigentlich wirklich immer jugendfrei zugeht? Ich meine, ihr als Tugendbewahrer?“ Ryo sah ihn unsicher an und Bakura freute sich heimlich. Ja, war das schön! „Naja“, setzte der kleine Engel dann aber tatsächlich zu einer Antwort an. „Ich weiß nicht so genau, was du meinst… bei uns werden auch kleine Engel gezeugt, ja.“ aber es klang mehr wie eine Frage. Bakura grinste. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine, treibt ihr es da oben auch zum Vergnügen? Habt ihr einfach aus Spaß wilden, hemmungslosen Sex?“ Ryo starrte ihn an und Bakura hörte deutlich, wie Kiki sich am Küchentisch verschluckte. Kleine, intrigante Lauscherin! Aber was sollte es? Er hatte dabei ja seinen Spaß. „Also?“, fragte er und rückte in gespielter Spannung ein Stück näher an Ryo heran. „Äh“, sagte der und rückte wieder ein Stück weg. „Naja, ich weiß nicht. Ich habe bisher noch nicht davon gehört, dass so was passiert wäre. Wenn wir Spaß haben wollen, dann treffen wir uns eben mit unseren Freunden und spielen Karten oder gehen in die Bücherei oder so…“ Seine Stimme verlor sich, als er mit großen Augen beobachtete, wie Bakura sich fast katzengleich an ihn heran pirschte, sodass ihre beiden Gesichter nur noch Zentimeter trennten. „Das nennst du Spaß?“, hauchte der Teufel und bemerkte entzückt Ryos unsicheres Nicken. „Dabei kann Sex doch so viel mehr Spaß bereiten! Willst du das denn wirklich nicht ausprobieren?“ Dabei leckte er sich lasziv über die Unterlippe. „Oh“, sagte Ryo und starrte Bakura fast hypnotisiert an, bis er plötzlich blinzelte und dann den Kopf schief legte. „Ich weiß nicht.“, sagte er und betrachtete den Teufel vor sich nachdenklich. „Bisher hatte ich beim Kartenspielen immer sehr viel Spaß. Was findest du an Sex so toll?“ Bakura stöhnte genervt auf und ließ sich wieder zurück fallen. Dann rollte er sich auf den Bauch und musterte den irritierten Engel aus den Augenwinkeln. „Warum müsst ihr Engel eigentlich immer so langweilig sein? Warum spielst du nicht einfach mit?“ „Spielen?“, fragte Ryo und robbte mit neugierigem Blick näher. „Aber ich kenne doch die Spielregeln gar nicht!“ Bakura drehte sich innerlich grinsend auf den Rücken, um Ryo besser ansehen zu können. „Soll ich sie dir erklären?“, schnurrte er schon fast und betrachtete begeistert Ryos verwirrte Miene. Der öffnete den Mund und wollte gerade antworten, da fegte Kiki in enormen Tempo um die Küchenzeile aka den Sichtschutz herum und baute sich, ziemlich rot ihm Gesicht, vor den beiden auf. „Oh!“, flötete sie und erntete einen genervten Blick. „Hab wohl was fallen gelassen!“ Dann bückte sie sich und sah Bakura sauer an. „Sag mal, könntest du das bitte lassen?“, fauchte sie leise, aber verständlich. „Du machst meinen armen Engel ja ganz kirre und mich noch dazu!“ „Was?“, fragte Bakura mit unschuldigem Blick und verschränkte die Arme unterm Kopf. „Sag bloß, du kennst die Regeln auch nicht? Wie schön: Gleich zwei Schüler!“ „Bakura!“, zischte Kiki und sah ihn mit einer Spur Mörderlaune im Blick an. „Lass es!“ Dann richtete sie sich wieder auf und sagte fröhlich über die Küchenzeile hinweg. „Hab’s wieder gefunden!“ Mit einem letzten warnenden Blick in Richtung des Teufels verschwand sie wieder zu ihrem Bruder. „Spielverderberin!“, murrte Bakura und musterte Ryo. Es hätte sicherlich viel Spaß gemacht, mit ihm zu ‚spielen’. Der jüngere sah ihn nur ahnungslos an und fragte: „Warum wollte sie uns das Spiel verbieten?“ „Tja“, sagte Bakura und setzte seinen Kennerblick auf, während er vom Tisch ein unüberhörbares Räuspern vernahm, „Sie ist halt ein Mensch - die gehen damit ein wenig… schüchtern um. Vielleicht kann ich’s dir später beibringen!“ „Okay!“, sagte Ryo friedfertig. „Und erzählst du mir jetzt von der Hölle?“ Bakura sah überrascht auf, zuckte dann aber mit den Schultern und räusperte sich. „Also, ich fange mal damit an, wie die Hölle aufgebaut ist…“ Es folgte eine ziemlich anschauliche Erklärung des Systems, der Lage und der Vergnügen, die wir bereits genossen haben und deshalb nicht noch einmal anhören wollen. Als er geendet hatte, runzelte Ryo die Stirn. „Das ist aber ziemlich unfair bei euch!“ „Wieso?“, fragte Bakura erstaunt. „Ich finde es eigentlich ziemlich annehmbar!“ „Aber nein!“, sagte Ryo verärgert. „Bei uns ist das zum Beispiel anders und sehr viel gerechter geregelt!“ Und dann setzte er zu einer Erklärung an, die wir ebenfalls schon hörten. Bakura lauschte aufmerksam, denn - es war kaum zu fassen - was der kleine erzählte, fand er wirklich interessant. Natürlich klang das alles sehr ideologisch und für ihn persönlich wäre das auch nichts gewesen, aber es klang trotzdem so, als könnte man noch einmal über einen Vergleich der beiden Systeme nachgrübeln. „Sag mal“, setzte er schließlich an, nachdem Ryo fertig war, „Dieser Yugi - dein bester Freund, oder? - der hatte doch nicht zufällig einen Bruder?“ Ryo sah ihn scharf an. „Doch, hatte und - aller Hoffnung als Tribut - hat er. Wieso? Was weißt du über Yami?“ „Ah, Yami, genau!“, sagte Bakura und streckte sich gähnend. „Naja, ich bin ihm schon begegnet. Dumm, dass er überzeugter Engel ist - er würde sich vortrefflich als Teufel machen!“ Ryo schenkte ihm einen tödlichen Blick, der den Teufel bezüglich der Charakterzüge des Kleinen doch noch mit Hoffnung erfüllte. „Hör bitte auf, so von Yami zu reden! Er ist ein toller Engel - der beste, den ich je gesehen habe!“ „Na klar!“, sagte Bakura ironisch, „Und deswegen heißt er auch ‚Dunkelheit’, nicht wahr? - Ach ja, dein Blick ist einfach süß! Solltest öfter so gucken!“ Ryos Blick wurde noch ein Stück kälter und Bakura schmunzelte fast über diese erneute Geburt des Racheengels. „Yami wollte den Namen behalten, obwohl ihm erlaubt worden wäre, einen anderen zu tragen. Es ist nicht sein Charakter, der durch seinen Namen beschrieben wird.“ „Sicher nicht“, stimmte Bakura mit halb geschlossenen Augen grinsend zu. „Obwohl es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis zumindest seine Seele diesem Namen alle Ehre machen wird. Voll abgrundtiefer, verzweifelter Dunkelheit, der Gute… obwohl er ja lange durchgehalten hat.“ Ryo schüttelte den Kopf. „Wenn Yugi an meiner Stelle wäre, dann gäb’s dich nicht mehr lange. Er hätte dich zerfleischt, noch bevor der Bann dafür gesorgt hätte, dass deine Fetzen zurück geschleust wären.“ „Ach“, sagte Bakura und lächelte versonnen. „Das macht nichts. Ich wäre so oder so wieder in der Hölle gelandet.“ „Wo du ganz zweifellos hingehörst!“, stellte Ryo trocken fest. „Danke!“, sagte Bakura und lächelte ihn an. „Jedenfalls gefällt mir dieser Yami. Wäre er als unseresgleichen in die Hölle gekommen, hätte ich mich wahrscheinlich ernsthaft um eine Freundschaft mit ihm bemüht. Er ist tiefgründig und immer noch bei mehr oder weniger klarem Verstand - ziemlich starke Leistung, kannst du deinem kleinen Freund sagen.“ Ryos Antwort bestand in einem eisigen Blick. „Du bist widerlich!“, zischte er, erntete aber nur ein träges Lächeln. „Natürlich“, sagte Bakura und ein Schatten glitt über sein Gesicht, „Das ist meine Aufgabe. - Ach, willst du mir nicht was von Yami erzählen?“ „Ha!“, schnappte Ryo. „Auch gut”, erwiderte Bakura achselzuckend. „Ich werde ihn bei meinem nächsten Besuch trotzdem von euch beiden grüßen. Aber jetzt sollten wir mal diese kleine Sitzung da hinten beenden, meinst du nicht auch?“ Ryos Blick wechselte wieder von kaltblütig zu unsicher und Bakura fragte sich fasziniert, ob alle Engel so schizophren waren, bevor er sich noch einmal streckte und dann aufstand. „Na, komm schon, Engelchen!“, sagte er neckend und winkte Ryo zu, „Beweg deinen süßen Hintern in die Höhe!“ Das genannte ‚Engelchen’ schnaubte, erhob sich aber und folgte Bakura zum Küchentisch, wo dieser sich direkt neben dem Bruder ihrer Gastgeberin aufbaute und mit ernstem Gesichtsausdruck sagte: „Christina, jetzt ist aber Schluss!“ Kiki zuckte leicht zusammen und sah ihn fragend an, was ihren Bruder wiederum verunsicherte. Ryo fühlte sich plötzlich bei den Schultern gepackt und an Bakura gezogen. „Schmeiß ihn jetzt raus oder ich bringe meinem lieben kleinen Engel doch noch die Spielregeln bei!“, flötete Bakura liebenswürdig und Ryo stellte verwirrt fest, dass Kikis Augen sich weiteten, bevor sie sich wieder ihrem irritierten Bruder zuwandte und ihm verkündete, dass sie ihn jetzt leider auf die Straße setzten musste. Kevin wusste gar nicht, wie ihm geschah, da schob seine Schwester ihn schon zur Tür hinaus und er hatte nur noch Gelegenheit, über die Schulter zu rufen: „Tschüss Ryo! Mach’s gut, Bakura!“ Dann wurde er aus der Wohnung geschubst, während die beiden Überirdischen sich synchron mit der Problematik des viel zu kleinen und äußerst verwirrten menschlichen Gehirns beschäftigten. Gleich darauf kam Kiki wieder herein gewischt und baute sich vor Ryo und Bakura auf, wobei sie vor allem letzteren strafend ansah. „So“, sagte sie und versuchte, die Tatsache, dass sie die kleinste war, ignorierend, Eindruck zu machen. „Im Badezimmer liegen Klamotten für euch beide, die könnt ihr jetzt anziehen - und Bakura? Keine Spielchen, ja?“ Der Teufel lächelte sie höchst zuvorkommend an und wandte sich der Tür zu. Es schien ihm, als hätte er eine Taktik gefunden, die anschlug. -------------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. VI †/♥ VI .,-~+*° ------------------------- °*+~-,. VI †/♥ VI .,-~+*° „Duke Devlin?”, sagte Pegasus überrascht und blickte von seiner Liste auf, um den gerade durch die Schleusen schreitenden mit hochgezogener Augenbraue und einer Spur milden Erstaunens zu mustern. „Maximillion Pegasus?“, erwiderte Devlin aalglatt und kam eleganten Schrittes auf den grauhaarigen Teufel zu. „Wie kommt es, dass du diesen höllischen Tag vor den Schleusentoren verbringst? Dich zieht es doch nicht etwa hinfort?“ „Nur zu dir, mein Lieber!“, entgegnete Pegasus und stand auf, während er seine Hose von imaginärem Staub befreite. „Nur zu dir!“ „Ach, vielen Dank!“, sagte Devlin kühl lächelnd und sah Pegasus unter langen Wimpern an. „Da fühlt man sich doch geehrt.“ „Aber gerne“, antwortete der Ältere zuvorkommend und warf einen Blick auf die Schleusen. „Gratuliere übrigens! Du bist einer der letzten auf der Liste. Da sind nicht mehr viele Teufel auf der Erde… wie steht es? Hast du gewonnen?“ „Natürlich“, sagte Devlin und leckte sich verschmitzt grinsend über die Lippen. „Diese Engel sind dermaßen naiv - wenn man sie entsprechend eingarnt, liegt in der Sache überhaupt kein Problem.“ Hinter ihm trat ein andere Teufel aus den Schleusen. Er konnte sich kaum noch aufrecht halten und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Sekunden später war er von Freunden umringt, deren Absichten nicht ganz klar waren. Devlin und Pegasus beobachteten das Geschehen, wobei vor allem Letzter die Augenbrauen lüftete. „Solche sind hier fast genauso oft angekommen wie Sieger - die von dir erwähnte Naivität unserer lieben Engelchen hat sie bis in die Tiefen ihrer Psyche erschüttert. Keiner weiß, ob man ihnen noch helfen kann.“ „Hm“, erwiderte Devlin und drehte sich wieder um. „Ich jedenfalls hatte kein Problem - den kleinen einzuspinnen hat sogar richtig Spaß gemacht. Ich schätze, er hatte zum ersten Mal in seinem Leben Sex.“ Schulterzuckend sah er Pegasus an, der grinsend nickte. „Ach ja. Ich hätte mir denken können, dass du dir das Leben schön machst. Er hat doch nicht etwa aus freien Stücken aufgegeben?“ Devlin pustete sich eine schwarze Strähne aus der Stirn. „Nun ja. Sagen wir mal, unser Mensch - männlichen Geschlechts und stockhetero - hielt uns nicht stand. Er flehte uns an zu gehen und mein süßer Gegner hat zuerst aufgegeben.“ „Tja, da kann man nichts machen!“, sagte Pegasus, sah zu den Schleusen und strich auf seiner Liste einen weiteren Namen. „Sieh einer an, unsere liebe Mai ist zurück!“ Devlin drehte sich erneut um und begegnete dem Blick einer äußerst gut gebauten Blondine, die mit großen Schritten auf die beiden zusteuerte. „Na Jungs?“, fragte sie und zwinkerte vergnügt, während sie sich mit der Hand durchs Haar fuhr. „Wo geht die Party?“ Devlin grinste. „Und? Hast du gewonnen?“ Wie erwartet nickte die blonde Frau und grinste. „Aber ich bin gleichzeitig mit einem total zerstörten Teufelchen hier angekommen - ratet mal, mit wem!“ „Ein Rätsel!“, sagte Pegasus erfreut und grinste sie an. „Wenn du es so nennen willst!“, sagte Mai trocken und deutete hinter sich. „Nein, es war unser liebes Großväterchen! Ihr wisst schon, Muto. Sein kleiner Engel muss ein richtiger Schock gewesen sein - ich hörte, dass es der kleine Bruder von unserem süßen Yami war! - und ihn richtig fies fertig gemacht haben. Er brabbelte nur noch unverständliches Zeug, als ich ihn davon humpeln sah!“ „Oha!“, sagte Devlin und schnalzte anerkennend. „Zuckerschnecke!“ Auch Mais Augen funkelten. „Ich hätte ihn ja zu gern kennen gelernt! Wenn er das gleiche Temperament und das Aussehen seine großen Bruders besitzt... verdammte Verschwendung, Großväterchen hinzuschicken!“ Devlin vergrub seine Hände in den Hosentaschen und grinste. „Unter diesen Umständen… eigentlich ist es eine Schande, dass wir keinen offenen Krieg mehr führen: Unter den Engeln sind jede Menge Leckerbissen!“ „Da hast du Recht!“, stimmte ihm Mai zu und die beiden gönnten sich eine Minute der Trauer, bevor sich Devlin wieder an Pegasus wandte, der die Schleusen beobachtete und unablässig mit dem Kugelschreiber auf seine Liste tippte. „Pegasus - wie steht’s? Würdest du mir verraten, wer noch fehlt?“ Der reiche Mann drehte sich um. „Na, wer wohl?“, sagte er grinsend. „Bakura natürlich! Er ist der einzige, der noch da unten ist - und soll ich dir mal was verraten? Wir haben Gleichstand!“ „Was?!“, fauchte Mai und riss die Liste an sich. „Das kann doch nicht sein! Wir sind Teufel, dass wir verlieren sind Ausnahmesituationen!“ „Tja“, sagte Pegasus mit einem feinen Lächeln und starrte in den Himmel, während Devlin und Mai sich über die Liste beugten und ungläubig die Siege und Niederlagen durchgingen. „Mir scheint, wir sind in den letzten Jahrhunderten etwas verweichlicht.“ Devlin blickte düster auf. „Das ist das letzte!“ Mai raufte sich die aufwändig frisierte Dauerwelle. „Nicht auszudenken, was passiert, wenn Bakura seinem Engel unterliegt. Man stelle sich vor, er würde wahnsinnig werden und aufgeben!“ Devlin grinste und nahm sich eine Nichtraucherzigarette - er war der einzige bekannte Teufel, der so ein Zeug dem herkömmlichen Haschisch und Nikotin vorzog. „Wenn er aufgibt, dann vor Langeweile!“ Mai starrte ihn an. „Aber ich denke nicht, dass er sich unterkriegen lässt! Wir kennen doch unseren Bakura!“ „Na klar!“, sagte Pegasus und behielt das Schleusentor im Auge. „Bakura ist in mehr als einer Hinsicht außergewöhnlich.“ Nun schenkte Devlin ihm einen argwöhnischen Blick. „Hey“, sagte er und seine Mundwinkel kräuselten sich leicht. „Er ist mein bester Freund, ja?“ Mai seufzte. „Und so eigenbrötlerisch! Was könnte der alles aus sich machen, wenn er nur mal vor die Tür gehen würde!“ „Überleg dir lieber, was er hinter verschlossenen Türen macht!“, warf Pegasus süffisant grinsend ein und faltete die Liste ordentlich zusammen. Devlin grinste leicht in sich hinein. Es passierte nicht oft, dass Bakura in einer Gruppe allein im Vordergrund stand, obwohl erstens er anwesend und zweitens Genannter abwesend war. Und das, obwohl Bakura sicher der einzige war, der noch nicht gecheckt hatte, dass die Hölle Interesse an ihm hatte. Er nahm einen tiefen Zug unbekannter, aber sicher nicht gesundheitsschädlicher und Zähne verfärbender Zusammensetzung und paffte den Rauch in kleinen Ringen aus, die Mai bewundernd betrachtete. „Was macht ihr heute noch so?“, fragte er und sah von Pegasus zu Mai. Diese zuckte mit den Schultern. „Mich mit dir amüsieren, mein Schatz?“ Devlin grinste. „Ich denke eher, ich werde hier auf Bakura warten. So lange kann es ja nun auch nicht mehr dauern.“ „Täusch dich nicht“, murmelte Pegasus, sah dann aber seufzend auf und sagte: „Tja, wenn ihr zwei hübschen mir Gesellschaft leisten wollt? Ich hatte nämlich sowieso vor, hier zu bleiben.“ „Sehr schön“, sagte Devlin mit einem undeutbaren Blick in den Augen. „Mai, darf ich dich zu einer Partei Hellslike herausfordern?“ „Aber gerne doch!“, sagte diese. „Ich gehe davon aus, dass du und Bakura miteinander trainiert habt? Da kann ich doch nicht nein sagen, wenn es eine Kostprobe zu sehen gibt!“ Pegasus setzte sich wieder auf seinen Stuhl und schlug die Beine übereinander. Sehr schön. Jetzt konnte er sich wenigstens die Zeit besser vertreiben. °*+~-,. ÷ .,-~+*° „Morgen Rebecca!“, sagte Yugi und trat gähnend aus dem Gate. „Hey!“, antwortete der blonde Engel an seiner Seite und sah nicht minder erschöpft aus. „Gut geschlafen?“ „Mitnichten!“, erwiderte ihr Mitengel und streckte sich ausgiebig. „Hab diese Nacht nicht einmal die Augen zu gemacht! Und wie steht’s mit dir?“ „Drei Mal darfst du raten! - Nein, ich habe auch nicht geschlafen. Diese Teufel können einen ganz schön schlauchen! Ich hab übrigens verloren - trotzdem hatte ich ne Menge Spaß. Und du?“ „Ich habe gewonnen - die Hölle hat mir einen alten Tattergreis geschickt, der wohl dachte, Engel haben gar nichts drauf. Nach einer kleinen Lektion dachte er wohl anders - er ist freiwillig aus dem Bannkreis getreten.“ „Oha!“ Rebecca nickte ihm anerkennend zu. „Ich hatte das Vergnügen mit einer Frau - ein paar Jahrhunderte älter war sich schon, aber nicht so viele. Tatsächlich haben wir uns ganz gut verstanden, muss ich sagen. Nur unser armer Mensch musste ein wenig leiden - durch die Tatsache, dass sie ihn vollkommen ignoriert hat und ich mehr an intelligenteren Gesprächspartnern interessiert war.“ Yugi grinste, überdehnte und machte ein plötzliches Salto rückwärts, bevor er wieder einen Schritt nach vorne trat. „Na, wunderbar. Darf man erfahren, warum du dann schlussendlich aufgegeben hast?“ „Wir haben uns geeinigt“, gab Rebecca schulternzuckend Auskunft. „Sie stand in Kontakt mit einem anderen Teufel auf der Erde und der wiederum mit einem anderen und es zeichnete sich ab, dass die beiden verlieren würden. Also haben wir die Sache ausdiskutiert und ich habe mich entschieden, freiwillig aufzugeben. Als kleinen Bonus durfte ich sie schlagen!“ Rebecca grinste. „Wirklich sehr kompromissbereit, das Höllenvolk!“ Yugi schaute sie an. „Wie meinst du das - sie standen in Kontakt miteinander? Wir haben doch unsere Kontaktfähigkeit verloren, oder?“ „Ja“, sagte Rebecca und schüttelte amüsiert den Kopf. „Aber sie hat das Handy benutzt.“ Yugi schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Oh Mann!“, stöhnte er und schüttelte den Kopf. „Das gibt’s doch nicht! Rebecca, sind wir echt so blöd, oder kommt das nur mir so vor?“ „Ich würde es eher ‚weniger technologisiert’ nennen.“, antwortete sie ihm trocken. „Ah ja!“, murmelte Yugi und sah sich um. Dabei fiel sein Blick auf den großen Kaiba, der ihn missmutig ansah und gewiss schon seit mehreren Minuten winkte. Er grinste in sich hinein und stieß Rebecca an. „Ich glaube, Big Kaiba will etwas von uns!“, sagte er lachend und die beiden machten sich miteinander scherzend auf den Weg zu der anderen Seite des Gates, wo der Aufseher der Wolken 1-10 missgestimmt auf einem Hocker saß und Zettel und Feder in der Hand hielt. „Sei gegrüßt, großer Kaiba!“, rief Yugi und verbeugte sich andeutungsweise vor dem Angesprochenen, was Rebecca leise kichern ließ, bis sie mit dem tödlichen Blick des Aufsehers konfrontiert wurde. „Also!“, sagte der Ältere und tippte mit der Feder auf das Papier. „Wie heißt ihr und mit welchem Ergebnis wagt ihr euch zurück in den Himmel?“ Yugi zog eine Augenbraue hoch. „Du weißt doch, wie ich heiße!“ „Ach ja?“, sagte sein Gegenüber. „Kann sein. Es geht hier um Formalitäten. Also, Name?“ Yugi kratzte sich am Kopf. „Tut mir leid, hab ich gerade vergessen. Aber ich habe gewonnen!“ Er wagte es nicht, im Angesicht des großen Kaibas zu lachen, aber seine Mundwinkel zuckten verdächtig. Rebecca trat einen Schritt vor und verschaffte sich Kaibas geballte Aufmerksamkeit. „Rebecca Sakura!“, sagte sie mit tödlichem Ernst. „Ich habe verloren.“ Yugi krümmte sich leicht zusammen und lief rot an, während Rebecca einfach weiter vor Kaiba stehen blieb, bis dieser sie schließlich genervt anfauchte, zu verschwinden. In diesem Augenblick fiel ihm etwas ein. „Moment!“, rief er und man sah Kaiba an, dass er kurz vorm Platzen stand. „Was?!“, fragte er beherrscht und verätzte den jungen Engel mit seinem Blick. „Ich hätte da mal ne Frage“, sagte dieser unbeeindruckt und schielte auf den Zettel. „Ist Ryo schon wieder da?“ Der große Kaiba sah ihn undefinierbar an. „Nein, er fehlt noch als letzter. Alle anderen sind schon wieder da.“ „Wirklich?“, fragte Yugi überrascht und beäugte den Zettel noch schärfer. „Und wie ist der Spielstand?“ „Ja, bin ich denn der Info-Stand?!“, murrte der ältere, ließ sich dann aber doch noch zu einer Antwort herab. „Unentschieden.“, presste er zwischen geschlossenen Lippen hervor. „WAS?!“, schrieen Rebecca und Yugi gleichzeitig und der weibliche Engel riss noch bevor Kaiba reagieren konnte, den Zettel an sich, den sie daraufhin fassungslos mit Yugi durchging. „Tja“, sagte Kaiba, dem es überhaupt nicht passte, seiner Unterlagen beraubt worden zu sein. „Und ich sag dir mal eins, Kleiner: Wenn dein Freund es wagt, hier hoch zu kommen und verloren zu haben, dann schick ich ihn eigenhändig in die Hölle!“ Yugi schenkte ihm einen bösen Seitenblick. „Ryo wird schon nicht verlieren!“ „Meine Güte!“, rief Rebecca aus. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht freiwillig verloren!“ Stille. „Du. hast. was?!“, fragte Kaiba gefährlich ruhig und langsam. „Du kannst mich mal!“, fauchte die Angesprochene und sah Kaiba sauer an. „Rebecca“, warf Yugi leise tadelnd ein. „Könntest du das bitte zurück nehmen? Wie unästhetisch!“ „Ups“, sagte der blonde Engel an seiner Seite. „Ich nehme alles zurück. Hab mir wohl teilweise den Sprachschatz meiner Gegnerin angeeignet.“ Kaiba schüttelte fassungslos den Kopf. „Das melde ich Petrus!“ „Aber gerne doch!“, Rebecca lächelte ihn zuckersüß an. „In genauem Wortlaut, bitte!“ Dann wandte sie sich wieder Yugi zu und zog ihn mit sich. „Ich muss wohl mal wieder Joey konsultieren!“, murmelte sie und Yugi verkniff sich angesichts der fassungslosen Züge auf Kaibas Gesicht nur schwer ein Lachen. „Aber ja doch!“, stimmte er ihr gutgelaunt bei und ließ sich noch eine Weile mitschleifen, bis er sich losmachte. „Wie wär’s?“, fragte er und entfaltete mit großer Genugtuung seine schneeweißen Flügel. „Wir ‚konsultieren’ Joey, lassen uns von Alina Gebäck mitgeben und kehren dann zurück. Ryos Rückkehr möchte ich auf keinen Fall verpassen.“ Rebecca musste nicht lange überlegen. „Na klar!“, sagte sie genoss die Vorfreude auf das befreiende Gefühl, das einem nur das Fliegen verschaffte. „Da bin ich doch gleich mit von der Partie!“ „Wunderbar!“, grinste Yugi und stieß sich ab, um in die Luft zu jagen. Petrus stand an seinem Fenster und beobachtete sorgenvoll das Gate. Nicht auszudenken, wenn die Hölle gewann! ---------------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. VII ♀ VII .,-~+*° ------------------------- °*+~-,. VII ♀ VII .,-~+*° „BA-KU-RAAAAAAAAAR!!“ Die Kaffeetasse entglitt ihren Händen und es gelang ihr nur durch eine extrem große Reaktionsfähigkeit das Keramikgeschirr noch vor dem Boden wieder aufzufangen, wobei sie sich allerdings brühend heißen Kaffee über die Hände schüttete. Leise fluchend eilte Frau Bergmann-Neugebauer zum Spülbecken und hielt eben diese ihre Hände unter das kalte Wasser. Während das kühle Nass über ihre Finger rann und eine angenehme Taubheit eintrat, schüttelte sie innerlich den Kopf. Schon wieder diese Christina J. aus dem fünften Stock. Langsam sollte sie sich mal beschweren. Jetzt brüllte dieses Mädchen sogar schon im Flur herum! „Bakura! Nein! Nicht da runter rutschen! Lass das! BAKURA!“ Und wer immer dieser Bakura war, der sollte auch gleich mit in die Hölle gehen. Das man sich so was bieten lassen musste! Entrüstet stellte Frau Bergmann-Neugebauer den Wasserstrahl wieder ab, trocknete ihre Hände im Handtuch und stellte ihre Tasse zurück auf den Tisch. „Dieses Mädchen“, sagte sie verärgert. „Als sie und ihre Freundin hier eingezogen sind, dachte ich noch, die beiden wären nette neue Mieter, aber seit vorgestern benimmt sie sich einfach unverantwortlich! Schreit herum und ständig hat man das Gefühl einem würde die Decke auf den Kopf fallen!“ Frau Bergmann-Neugebauer wohnte in der Wohnung unter Christina im vierten Stock. „Morgens muss ich aufpassen, dass mir meine Zahnbürste nicht im Hals stecken bleibt und abends kann ich noch nicht mal Kulturzeit sehen, weil ich keinen Ton verstehe, wenn sie da oben wieder so rumbrüllt. Ich wüsste ja nur zu gerne, von wem sie da Besuch hat! Bestimmt ein Verehrer, allerdings: Warum sollte sie dann so schreien? Oh Gott, wie das klingt!“ Sie errötete leicht. „Und ich fange jetzt auch schon mit den Selbstgesprächen an!“ Kopfschüttelnd schnitt sie sich ein Brötchen auf und setzte sich an den Tisch. Sie würde die nächsten Tage auf jeden Fall mal vorbei schneien und die Lage prüfen. So konnte das ja nicht weiter gehen! „Ich weiß gar nicht, warum du so einen Aufstand machst!“, sagte Bakura und beäugte misstrauisch sein Wassereis, als befürchte er, es könnte vergiftet sein. Kiki schwieg ihn nur bitterböse an, lutschte aber intensiv an ihrem Eis - Geschmack Kirsche - herum und starrte Löcher in sein Hemd, bzw. das ihres Bruders. Bakura hatte festgestellt, dass er fast die gleiche Größe wie Kevin hatte und die Sachen ihm wie angegossen passten. Außerdem standen beiden kräftige Farben, was einen weiteren Pluspunkt darstellte. Ryo zum Beispiel war fast einen Kopf kleiner als Bakura und seine Kleidung schlabberte geradezu um ihn herum, obwohl Bakura argwöhnte, dass ihm dieser Stil vielleicht sogar gefiel. Es schien fast, als wolle der Engel mit dem Baggy-Style liebäugeln. Genau dieser hatte zur Zeit den Kopf gesenkt, einen undeutbaren Gesichtsausdruck aufgesetzt und starrte auf die Tischdecke, während er an Zitrone saugte. Bakura selbst hielt Waldmeister in der Hand. „Ich meine: Was ist so verwerflich daran, wenn ich mal das Treppengeländer hinunterrutsche, dass du gleich die arme Frau B.-N. ängstigen musst? Sie hat sich bestimmt wieder verbrüht!“ Kiki sah ihn argwöhnisch an. „Woher willst du das wissen?“ Bakura grinste unbestimmt. „Ich weiß alles.“ „Hm.“, sagte seine Gastgeberin. „Ach, heute bist du aber wortkarg!“, sagte Bakura, immer noch grinsend und lutschte kurz wieder an seinem Eis. „Das kennt man ja gar nicht von dir!“ „Ja“, sagte Christina und nahm weiterhin nicht den Blick von ihm. „Und du hast ungewöhnlich gute Laune! Was ist passiert?“ „Ach“, antwortete ihr der Teufel und legte seine Füße auf der Stuhllehne des mit ihm im rechten Winkel sitzenden Engels ab. „Es ist nur so: Nachdem ich mich jetzt allmählich daran gewöhnt habe, von stupiden Menschen und zum Kotzen guten Engeln umgeben zu sein, finde ich langsam in die Phase, in der mir der Ausflug Spaß zu machen beginnt.“ „Ah ja.“, murmelte Kiki zweifelnd und rieb sich die Augen. Immerhin war es erst kurz nach halb acht, was auch der Grund für die Schweigsamkeit des Engels war, der bis jetzt noch nicht auf die Füße neben seinem Ohr reagiert hatte: Ryo schlief sozusagen noch. „Was wollen wir heute machen?“, fragte ein dagegen quietschfideler Bakura und grinste sie unternehmungslustig an. „Oh, ich weiß nicht“, sagte Kiki und sah nachdenklich aus dem Fenster, vor dem erste gelbe und rote Blätter vorbeisausten, als seien sie es müde an den Bäumen zu hängen und ließen sich viel lieber von ihrem Freund, dem Wind, in das Geheimnis der Reise einweihen, die einen überall hinbringt. Wie zur Untermauerung ihre Gedanken fuhr ein leichter Windstoß durch das gekippte Fenster und brachte einen Hauch von kalter Luft und sogleich den ersten Herbstboten herein. Verträumt stützte das Mädchen ihren Kopf in die Hand und folgte mit den Augen einem besonders farbenfrohen Blatt, dass im Zickzack vor dem Glas den Boden entgegensegelte. „Christina!“, unterbrach Bakura ihre poetischen Gedanken und zwang sie dazu, sich wieder auf das wesentliche zu konzentrieren. „Was willst du heute machen?“ Die Braunhaarige warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die wirbelnden Blätter und wandte sich dann wieder ‚ihrem’ Teufel zu. „Oh, ich weiß nicht.“ „Das sagtest du bereits! Ach komm, dir wird doch wohl etwas anderes einfallen, als trübselig aus dem Fenster zu starren und zuzusehen, wie die Blätter fliegen!“ „Sagst du!“, entgegnete das Mädchen resigniert. „Aber immer, wenn es Herbst wird, muss ich einfach raussehen. Sieh mal, wie leicht es diesen winzigen leuchtenden Blätterchen gelingt da herum zu schweben - als hätten sie überhaupt keine Ahnung von den Naturgesetzen und der Schwerkraft! Ich würde ja auch so gerne mal fliegen…“ Gegen Ende war sie immer leiser geworden, während Bakuras Pupillen sich mehr und mehr geweitet hatten und er jetzt da saß, die Füße von Ryos Stuhllehne genommen, als hätte er einen Stock verschluckt. Auch Ryo richtete sich plötzlich vollkommen wach auf und starrte seine Gastgeberin an. Diese blickt e ein wenig irritiert von einem zum anderen, bis plötzlich ein Glänzen in ihre Augen trat und sie sich ebenfalls ruckartig aufsetzte und den Mund öffnete. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, fiel Bakura ihr ins Wort: „Oh nein! Vollkommen ausgeschlossen! Schlag dir das lieber gleich wieder aus dem Kopf, das nicht mit mir!“, grollte er und schüttelte dabei konsequent den Kopf, was auch bei Ryo deutlich Zustimmung fand, „Das ist erstens viel zu gefährlich, verstößt zweitens gegen ein Gesetz der zugehörigen Behörde, liegt drittens nicht in meinem Erfahrungsbereich und viertens schon gar nicht in meiner Absicht!“ „Aber Bakura!“, jammerte das Menschenmädchen, sprang auf, stürzte um den Tisch, was seinerseits den Teufel zu einer extrem gewagten ‚Zur-Seite-spring-Aktion’ verleitete, und klammerte sich an dessen Bein, während sie schluchzend argumentierte: „Aber das ist doch gemein von euch! Immerhin lasse ich euch hier wohnen, ich mache euch Essen, ich gebe euch eine Schlafmöglichkeit“, Ryo runzelte die Stirn, „ich versorge euch mit Wassereis und Geschichten, ich habe euch sogar Klamotten von meinem Bruder besorgt und lasse euch mein Bad benutzen! Ich ertrage deine schlechte Laune“, Bakura runzelte die Stirn, „und Ryos Naivität, ich schwänze die Uni und terrorisiere meine Nachbarin! Und ich habe euch noch nie um etwas gebeten!“ Ryo lächelte unsicher. „Naja…“ „Außer“, fiel Bakura ihm trocken ins Wort und sah mit stoischer Miene aus dem Fenster, um nicht das Mädchen an seinem Bein ansehen zu müssen, „Dass du deinerseits uns terrorisierst, selbst ein Morgenmuffel bist, mich jeden Morgen vom Teppich klaubst, weil du dir zu fein bist, in einem Zimmer mit uns zu schlafen, und“, Ryo schien immer noch zu wanken, „dass du wolltest, dass ich den kleinen Engel küsse!“ Ryo wankte nicht mehr. Mit einem wahren Mörderblick betrachtete er die Brünette, die Bakura aus Rache in den Fuß kniff, was diesen allerdings überhaupt nicht tangierte, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte mit Grabesstimme: „Ich stimme dir voll und ganz zu, Teufel.“ Bakura grinste. „Siehst du, törichtes Menschenmädchen?“ Christina seufzte bei sich, richtete sich dann auf, schniefte herzzerreißend und setzte ihre letzte Waffe ein: den Blick eines aus einem Pappkarton blickenden Welpen, dessen Geschwister erfroren hinter ihm liegen und auf dessen Behausung in krakeliger und vom Regen schon halb ausgewaschener Schrift steht: ‚Nimm mich mit!’ Ryo schmolz förmlich dahin und Bakura betrachtete leicht fassungslos diese Metamorphose. „Verdammte Menschen und Engel!“, knurrte er und kickte frustriert gegen seinen Stuhl. Knapp eine Stunde später war dann auch alles fertig: Kikis in aller Eile von Ryo zusammengeknoteter Sicherungsgurt, über den sie sowohl mit Engel als auch Teufel verbunden sein würde, Christina selbst, die sich ‚in aller Eile’ angezogen und fertiggemacht hatte, wie auch Ryo und Bakura, die sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise (Ryo beim Arbeiten und Bakura mit einer Volldröhnung Linkin Park) in eine ruhigere Verfassung meditiert hatten. Alle(s) anwesend und versammelt in der Küche, dem Basislager der Intensivstation Irrenhaus. „Huh!“, sagte Kiki, deren Augen vor Aufregung glänzten, und atmete betont langsam aus, während sie alle ihre Glieder schüttelte, angeblich, um sich für ihren Flug bereit zu machen. „Hach“, sagte Bakura eher skeptisch und beobachtete diese ihre Übungen innerlich leicht verstört, während er sich mit todernster Miene einen der beiden Sicherungsgurte von Ryo über Schultern und Brust zu einem Kreuz binden ließ, um dann seinerseits diesen zu ‚fesseln’. „Hmpf“, meinte Ryo, der mittlerweile nicht mehr ganz so stark davon überzeugt war, dass es eine gute Idee gewesen war, Kiki mit auf einen Flug nehmen zu wollen. Er prüfte noch einmal die Stabilität der Gurte, die Bakura ihm gerade äußerst widerwillig, aber schweigend übergestreift hatte, und trat dann mit dem mittleren Teil der Konstruktion, dem Sitzgurt, zu Christina, um ihr zu erklären, wie sie es anzulegen hatte. Bakura öffnete währenddessen das Fenster, schob Tisch und Stühle aus der unmittelbaren ‚Bremsspur’, die zum Einsatz kommen würde, falls unvorhergesehen etwas doch nicht funktionierte, und damit nichts kaputt ging. Dann spürte er einen leichten Zug an dem Seil, das ihm an der Brust hing und sah über die Schulter, um festzustellen, dass Kiki es tatsächlich bereits nach so kurzer Zeit geschafft hatte, richtig in die Konstruktion zu steigen und nun eigentlich alle aufbruchbereit waren. Möge das schlimmste Pech heute an dir kleben, Devlin, mein Freund, und nicht an mir!, dachte Bakura seufzend, schnippte gegen ein Blatt, das Anstalten machte, durchs offne Fenster herein zu wehen und drehte sich dann um. „Wir haben doch keine Pläne, oder?“, fragte er, wobei er fast befürchtete, dass seinen beiden Mitstreitern sein sarkastischer Unterton entging. „Wo denkst du hin?“, entgegnete der Engel, schien dabei aber ebenfalls eine fast verzweifelte Stimmlage anzuschlagen. „So mag ich das!“, knurrte Bakura, winkte Christina dann aber mit einer herrischen Handbewegung heran, um ihr einige seiner letzten Regeln einzubläuen. „Also, hör mal zu, Kleine“, begann er, als sie nah genug war, damit er die Lautstärke nicht anheben musste, um ihr Verständnis zu sichern, „Wir sind da gleich in der Luft und da du Mensch noch nie geflogen bist - oder zumindest nicht auf unsere Art und Weise - wirst du dich gleich richtig zusammenreißen und auf jedes Wort hören, dass ich sage!“ Ryo nickte bekräftigend. „Oder er.“, fügte Bakura abschätzend an. „Kapiert?“ „Ich denke schon!“, verkündete Kiki strahlend und sah Bakura mit der Vorfreude einer Fünfjährigen an. „Na, dann muss ja was schief gehen!“, seufzte der verbannte Teufel, sah zu Boden, um sich innerlich zu fassen, schlang dem völlig überrumpelten Mädchen dann einen Arm um die Hüfte und sprang mit ihr aus dem Fenster, Ryo am Gurt hinterher reißend. Nur, um gleich darauf die Hände wieder an die Ohren zu reißen, denn das Menschenmädchen ins seinen Armen hatte begonnen, wie am Spieß zu schreien und war seinem Ohr unglücklicherweise sehr nah mit ihrem Stimmorgan. Allerdings begann sie nun noch lauter zu schreien, denn - nicht mehr durch Bakuras Arme gehalten - fiel sie nun allein immer schneller dem Boden entgegen, während der Teufel seine Flügel ausbreitete und so einen Stillstand auf Höhe des dritten Stocks erreichte. Stirnrunzelnd sah er zu, wie der Gurt zwischen ihm und Christina sich immer mehr spannte, da sauste ein Paar weiße Schwingen an ihm vorbei und Ryo gelang es, Christina gerade noch so zwei Meter über dem Boden abzufangen und dann sofort wieder aufzusteigen. Allerdings sah es nicht gerade so aus, als sei der zierliche Engel dafür geschaffen, einen Menschen fest- und gleichzeitig sein eigenes Gleichgewicht zu halten. Sein Flug wirkte eher kantig und Bakura sah mit gerunzelter Stirn zu, wie der kleinere Weißschopf sich ächzend auf seine Höhe manövrierte, bevor er auf einmal die Arme öffnete, und ihm Kiki praktisch entgegen warf. Während diese einem Herzstillstand näher war als überhaupt irgendwann in ihrem Leben, schenkte Bakura seinem Widersacher einen bösen Blick, dann schnellte er nach vorne und fing das Menschenmädchen kurz bevor ihre Flugbahn steil abgefallen wäre. „Machen wir, dass wir hier wegkommen!“, befahl er genervt und schoss umgehend nach oben, um kurz darauf auf dem Dach des Gebäudes aufzusetzen und die vollkommen verängstigte Kiki abzusetzen. Ryo landete neben ihm und half dem Mädchen wieder auf die Beine, deren Gesicht mittlerweile käseweiß war und die unkontrolliert zitterte. „und?“, fragte er teils mitfühlend teils ironisch, „Gefällt dir das Fliegen immer noch so gut?“ Entgegen aller seiner Erwartungen nickte sein Gegenüber und er wandte sich kopfschüttelnd an den Teufel. „Was hast du jetzt vor?“ „Tja“, antwortete der und beäugte skeptisch die Stadt, „Ich denke, wir versuchen erst mal, höher zu kommen, damit wir bei Absturzgefahr mehr Spielraum haben und dann können wir ja entscheiden, wohin wir fliegen, was?“ Da dies ein Plan war, dem nichts hinzugefügt werden konnte, nickte der kleinere nur stumm und sah dann wieder Christina an, die sich anscheinend einigermaßen erholt hatte. „Also, hör mal zu“, begann er erklärend, „Bakura und ich werden jetzt gleichzeitig und hoffentlich gleichmäßig nach oben starten und du bleibst hier einfach stehen, ja? Irgendwann werden dann deine Gurte straffer und du wirst hochgehoben. Also alles ganz easy, okay?“ „Okay“, stimmte ihm das Mädchen zu und atmete tief ein. Wenn Ryo mit ihr sprach klang das ja mal gleich ganz anders und irgendwie viel beruhigender als wenn sie Bakuras Anweisungen folgen musste. Dieser hob nur eine Augenbraue während Ryos Vortrag und erklärte sich damit zumindest in den Augen aller anderen Anwesenden einverstanden. „Na, dann los!“, murrte er und federte hoch. Auch Ryo setzte ihm gleich nach, wollte er doch auf einer Höhe mit ihm bleiben. Die Seile strafften sich zusehends und der Engel verfolgte mehr oder weniger besorgt, wie das Menschenmädchen langsam hochgehoben wurde. „Yes!“, sagte er erfreut und grinste Bakura an. Der zeigte allerdings keine überschwängliche Freude und zog nur weiter hinauf. „Hör mal“, sagte er dann allerdings, während sie den Wolken entgegen flogen, „Warum machst du hier eigentlich mit?“ --------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. VIII ♀ VIII .,-~+*° --------------------------- °*+~-,. VIII ♀ VIII .,-~+*° „Wow“, sagte Kiki und schien noch immer nicht ganz sicher auf den Füßen zu sein, obwohl sie bereits seit einer viertel Stunde wieder zurück waren. „Das war einfach wow!“ „Aber ja doch!“, warf Bakura mit übertriebener Arroganz ein und schnellte gerade noch vor, bevor sie zu Boden ging, „Schließlich war ich ja auch dabei!“ „Ha!“, murrte Ryo und zog die Stirn kraus. „Nur keine Selbstüberschätzung, mein Herr!“ „Wo denkst du hin?“, fragte der Teufel ironisch, bekam als Antwort aber nur ein trockenes Schnauben zu hören, dessen Bedeutung nicht weiter schwer zu entschlüsseln war. Christina hingegen grinste uneingeschränkt weiter. „Wow!“, wiederholte sie und fing sich an der Wand ab, als Bakura ihre Hüfte losließ. „Wow!“ Der Flug steckte ihr im wahrsten Sinne des Wortes noch in allen Knochen. Ihr Gleichgewichtsorgan wollte gar nicht mehr aufhören sich zu drehen und ihre Wohnung kam ihr seltsam weit weg vor, als würde sie durch das falsche Ende eines Fernglases sehen. Kichernd ließ sie sich gegen die Wand fallen und grinste merkwürdig entrückt. Wow! In diesem Moment räusperte sich Ryo. „Ähm“, setzte er an und gewann schon allein durch seinen zaghaften Tonfall die ganze Aufmerksamkeit seiner Gastgeberin, die anscheinend doch in der Lage war, ihre Umgebung wenigstens ansatzweise zu gewichten. „Ähm, Christina, wir müssen, denke ich, etwas miteinander besprechen.“ 10 Minuten später saß die kleine Gruppe dann im Basislager und rührte einträchtig in ihren Getränken. Das Fenster stand auf Kipp und so kamen sie in den Genuss der letzten warmen Sommerlüftchen der Saison, während man den Blättern beim Sterben zusehen konnte. „Also“, sagte Christina schließlich, als weder Ryo noch Bakura gewillt schienen, den Beginn zu machen, „Was meintest du gerade damit, Ryo?“ Ihr Kopf war mittlerweile wieder klar und sie konnte auch wieder geradeaus sehen, während sie um eine Ecke lief. Eine geniale Errungenschaft des Gleichgewichtsorgans, wie sie fand. „Naja“, sagte der angesprochene jetzt seufzend und verschränkte die Finger um seine Tasse. „Weißt du, es war ja von Anfang an klar, dass wir nicht ewig hier bleiben können und wollen und - um ganz ehrlich zu dir zu sein - so sehr ich es auch genieße, den strengen Regeln des Himmels zu entkommen“, dafür erntete er einen schiefen Blick von Bakura, „und natürlich auch deine Gesellschaft, so ist es doch nicht so, dass ich die Erde meiner Heimat unbedingt vorziehen würde. Ich denke, du verstehst das, oder?“ „Natürlich“, nickte Kiki heftig, der noch nicht ganz klar geworden war, auf was das ganze hinauslief. „Aber ich kann euch doch dann auch mal besuchen kommen, oder?“ Stille legte sich über den Raum. „Ähem“, sagte Ryo und seine Augenbrauen zuckten unkontrolliert. „Äh“, fügte Bakura hinzu und starrte das Menschenmädchen reichlich schockiert an. „Ähm, ja. Also, wenn du unbedingt willst, würden wir sicher ein Fleckchen für dich finden…“ Seine Stimme wurde gegen Ende immer leiser, als könne er selbst eigentlich kaum fassen, was er da von sich gab. „Und das von dir, Bakura!“, rief Kiki freudig aus und wirkte hochbefriedigt, während sie bereits dabei war, sich in Fantasien und Wunschvorstellungen zu ergehen. Ryo räusperte sich. „Um zum eigentlichen Thema zurückzukehren“, begann er erneut und entschied sich diesmal dafür, ganz brutal direkt zu sein, „Wir werden gehen.“ Bakura nickte fast erleichtert und Kiki runzelte die Stirn. „Aber warum?“, fragte sie irritiert, „Ich dachte, Fliegen macht euch viel mehr Spaß.“ Ryo blinzelte und Bakura sog scharf die Luft ein. „Was der Engel damit sagen will“, fiel er diesem ins Wort, noch bevor er den Mund aufgemacht hatte, „ist, dass wir abreisen werden. Aus deiner Welt verschwinden. Hopps und weg. Klar?“ Seine Augen funkelten ärgerlich und seine verschränkten Arme sprachen Bände. „Oh.“, sagte Kiki und starrte betroffen auf den Tisch. „Mann, Bakura!“, sagte Ryo ärgerlich, „Nun sei doch nicht immer so direkt und verletzend!“ Der Teufel zog es vor, darauf nichts zu erwidern und nur demonstrativ passiv aus dem Fenster zu schauen. „I-Ihr wollt gehen?!“, fragte Kiki unterdessen und klammerte sich an Ryos Ärmel fest, dessen Besitzer versucht war, herauszufinden, ob sie unter Schock stand oder nicht. „Naja“, sagte Ryo. „Jepp“, sagte Bakura. Kiki schwieg. Und sagte nach einer Weile: „Aber dazu müsste doch einer von euch verlieren, oder?“ „Ach was!“, schnaubte der Teufel, leicht genervt von ihrer Besserwisserei. „Deshalb dachten wir uns ja, du entscheidest, wer von uns gewonnen und verloren hat und wir richten uns dann danach.“ Kiki starrte Bakura an, Ryo warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf das Mädchen und Bakura richtete die Augen diskret auf die Decke. Trotzdem konnte er sehen, wie ihre Unterlippe zitterte, als sie die beiden ungläubig ansah. „Ihr wollt euch echt nach mir richten?“ Bakura und Ryo nickten schweigend und sich an ihre Übereinkunft erinnernd. „Ich meine: Was, wenn ich den falschen auswähle und dann verliert wohlmöglich der Himmel nur wegen mir? Oder eben die Hölle? Alles meine Schuld dann!“ „Ach was!“, sagte Ryo beschwichtigend und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin sicher, an uns wird es garantiert nicht liegen, wenn eine der beiden Mächte verliert. Schließlich gibt es ja noch Dutzende andere Pärchen und wir sind bestimmt nicht die letzten!“ Kiki seufzte. „Darüber muss ich nachdenken. Ich geh eben mal in mein Zimmer, ja?“ Bakura und Ryo nickten ihr zu und sahen ihrer Gastgeberin nach, wie sie aus dem Zimmer schlich. Den Engel überkam unwillkürlich Mitleid. „Oh Mann“, seufzte er. „Irgendwie ist es schon ziemlich unfair, ihr die ganze Geschichte aufzubürden, oder?“ Bakura zog eine Augenbraue hoch und wollte sich gerade äußern, da wurden beide von einer übernatürlichen Macht ergriffen und knallten in trauter Einträchtigkeit gegen die Küchenwand neben der Tür. Ryo rieb sich das schmerzende Kinn und sein Blick wurde mörderisch, als er sagte: „Ach, vergiss es!“ Bakura nickte nur, nicht sonderlich besser gelaunt. Eine knappe Stunde war vergangen, als Kiki in die Küche zurückkehrte. Ryo hatte vor lauter Langeweile begonnen, sich auf einigen Kochtöpfen im Schlagzeug spielen zu üben, wenn er schon bisher keine Gitarre gefunden hatte, und Bakura war davon so angenervt, dass er begonnen hatte, laut dagegen anzusingen (unter normalen Umständen nicht seine Stresstherapie, aber dafür fehlten ihm gewisse Attribute und er wollte Ryo eigentlich auch nicht ermorden, solange Kiki sich nicht einig geworden war). Als Kiki also herein kam, erlebte sie voller Verblüffung, wie Ryo „We will rock you“ spielte und Bakura dagegen „Bleed it out“ (Linkin Park, keine Ahnung, woher er das kennt) sang. Vollkommen baff ließ sie sich an Ort und Stelle, sprich der Türschwelle zu Boden fallen und starrte ihre beiden unfreiwilligen Mitbewohner an. „Ähm“, sagte sie dann nach einer Weile und auf der Stelle verstummten beide, wobei Ryo noch einen grandiosen letzten Schlag dran hängte, und sahen sie mit sehr gemischten Gesichtsausdrücken an. „Ähm“, setze sie nach und wandte sich hastig an Bakura, „Woher kennst du eigentlich Linkin Park?“ Dieser zog in einem Anfall spontanen Entsetzens die Augenbrauen hoch und antwortete ihr reserviert: „Christina, das ist nicht weiter schwer, wenn du es den ganzen Tag hörst.“ „Oh“, antwortete diese gewissermaßen sprachlos und beschloss, dieses Thema auf sich beruhen zu lassen: Immerhin wollte und konnte sie nicht abstreiten, dass ihr Musikkonsum und die damit verbundene Lautstärke vielleicht nicht für jeden so gesundheitsfördernd waren wie für sie „Was ich eigentlich sagen wollte: Ich kann mich nicht zwischen euch entscheiden!“ Bedeutungsschwere Stille senkte sich über die Anwesenden. Bakura sah aus dem Fenster und malte sich aus, wie die Blätter, die von ihrem Baum gerissen wurden, schmerzerfüllt aufschrieen. Weißes, dickflüssiges Blut trat aus ihren Adern, als sie von ihrer Lebensquelle abgetrennt wurden und ihre schmerzverzerrten Gesichter tanzten unruhig vor dem Fenster. Oh, grausame Qual, wie erheiterst du mich in Stunden der stillen Ohnmacht! Er kehrte erst von diesem Gedanken zurück, als er bemerkte, wie sowohl der Engel als auch der Mensch ihn ein wenig befremdet anstarrten. „Was?“, fragte er knurrend und sie wandten sich sofort wieder ab. „Aber“, sagte Ryo und sah dabei Christina besorgt an, „Wie sollen wir uns denn dann entscheiden? Jeder von uns würde doch gewinnen wollen!“ Bakura gab ihm im Stillen Recht. „Ach was!“, rief Kiki mehr oder weniger überrascht aus. „So war das doch nicht gemeint! Natürlich habe ich eine Entscheidung getroffen!“ Bakura und Ryo starrten sie an. „Naja, ich habe doch nur gesagt, dass ich mich nicht entscheiden konnte, wer von euch gewinnen soll. Also spreche ich mich für ein unentschieden aus!“ „Mooooment mal!“, brach der weißhaarige Teufel die Stille und war damit seit fünf Minuten der erste, der sprach. „Wie hast du dir das denn vorgestellt? Ich bin sicher, dass diese Möglichkeit gar nicht vorgesehen war und wie sollen wir sie dann bitte ausführen, hm?“ „Naja“, antwortete das Mädchen ein wenig pikiert. „Es gibt doch so und so viele Möglichkeiten, gewinnen oder zu verlieren. Wenn ihr gleichzeitig verliert, dann wäre das ein unentschieden, oder?“ Bakura stützte den Kopf in die Hand und sah aus dem Fenster, während seine Beine von der Ablagefläche baumelten. „Hm“, sagte er. „Hm.“ Ryo sah vorsichtig zu ihm auf. „Wir haben versprochen, dass wir uns ihrer Entscheidung beugen.“ Bakura schüttelte den Kopf. „Darum geht es gar nicht. Ich mag die Idee an sich, Luzifer wird nicht sonderlich begeistert sein - oder vielleicht schon - und es ist auf jeden Fall etwas neues. Aber ich schätze, wir haben keine guten Chancen.“ Der Weißhaarige Engel legte den Kopf schief und überdachte die Worte seines Widersachers - oder jetzt etwa Partners?! Auch ihm gefiel die Vorstellung, etwas neues zu machen, mit dem keiner gerechnet hatte. Warum sollte das so schwer sein? „Also, man kann doch verlieren, indem man mutwillig den Bann verlässt! Wir könnten gleichzeitig aus dem Fenster springen!“ Bakura schüttelte langsam den Kopf. „Einer von uns beiden ist schwerer, der andere hat seine Flügel nicht immer sofort unter Kontrolle. Wir würden niemals gleichzeitig den Bann verlassen und damit doch einen Verlierer und einen Gewinner haben. Das scheidet aus.“ Kiki machte große Augen. „Hm“, sagte Ryo, der sich nun auf den Tisch gesetzt hatte und mit auf die Hände gestütztem Kopf ebenfalls aus dem Fenster sah. „Was, wenn wir gleichzeitig den Kreis überschreiten?“ Das Gesicht des Teufels blieb ausdruckslos. „Näher dran, aber auch das können wir nicht vollkommen synchron ausführen. Ich denke, jede Verzögerung wird uns angerechnet.“ „Hmpf“, sagte Kiki, als nun beide schwiegen. „Können wir nicht noch mal in den Vertrag schauen?“ Bakura zuckte mit den Schultern und zog das mehrmals gefaltete Dokument aus der Hosentasche. Er faltete es auf und registrierte dabei am Rande, dass seine beiden Mitverschwörer neben ihm standen und jeweils über eine Schulter ins Papier spickten. Dann runzelte er die Stirn und suchte nach einer Lücke, so wie ihm das beigebracht worden war. Eventuell hatte sein Vorgesetzter eine Kleinigkeit dabei übersehen, in der Annahme, dass kein Pärchen freiwillig auf unentschieden setzen würde. Die Gruppe versank im Schweigen, während sie alle mit höchster Konzentration den Vertrag durchlasen. … Ryos Augen wurden von Zeile zu Zeile größer. Er verstand nur grob die Hälfte von dem, was da auf diesem Papier stand und fühlte sich wieder einmal den Teufeln gegenüber im Nachteil. Was brachte ihnen im Himmel eigentlich bei? Nichts, verdammt noch mal! Oh, jetzt fing er schon an zu fluchen. Das sah nicht gut aus. Resigniert wandte er sich von dem zerknitterten Blatt Papier ab und beschloss, nach seiner Rückkehr in den Himmel auf jeden Fall mit einer Rechtsstudie anzufangen. Zeit genug sollte er ja eigentlich haben… Aber… was, wenn es gar keine Möglichkeit gab, zurückzukehren? Was, wenn Luzifer alles so gedeichselt hatte, dass es kein Entrinnen gab?! Weder er noch Bakura würden sich freiwillig der Niederlage beugen, so viel war klar! Und dann - dann würde er hier unten versauern müssen, auf dieser verdammten Erde! Keine Rettung in Sicht, Bakura und Kiki ans einer Seite, oh Gott! Ryo war gerade dabei, einen hysterischen Anfall zu bekommen, als Bakura urplötzlich aufsah und konzentriert an die Decke starrte. Sofort beschloss der Engel, seine Hysterie erst mal aufzuschieben und sich dem Teufel zu widmen. „Bakura?“, fragte er vorsichtig in Achtung vor dessen Gesichtsausdruck. „Paragraph neun vielleicht…“, murmelte dieser eher abwesend und starrte weiterhin durch die Einrichtung hindurch. Kiki runzelte die Stirn. „In Paragraph neun heißt es: ‚Nicht erlaubt ist Notwehr im Falle, dass der betroffene Mensch sich tätlich gegenüber einem der Partner verhält. Es werden Schutzzauber in Kraft treten. Im Falle, dass die Schutzzauber nicht in Kraft treten, gilt die Notverordnung. Die Notverordnung gilt nicht im Falle eines schwächeren Angreifers, den man überwältigen kann, ohne ihn durch Gewalt zu verletzen.’ - Was soll das bringen?“ DAS fragte sich auch Ryo. „Nun ja“, sagte Bakura und kehrte endlich wieder zurück in irdische Sphären. „Christina ist ganz klar ein Mensch, den man auch ohne verletzende Gewalt besiegen kann.“ Dabei ignorierte er ihren mörderischen Gesichtsausdruck. „Die Notverordnung würde in diesem Fall nicht gelten, und das ist schlecht für uns. Allerdings hat Luzifer nichts darüber geschrieben, was passiert, wenn dieser Mensch mit einer Waffe oder einem ähnlichen Gegenstand angreift und das ist der Vorteil! Wenn Kiki gefährlich wird, dann tritt die Notverordnung in Kraft und darin steht unter anderem, dass man die Sphäre, in der man sich gerade befindet, unmittelbar und auf direktem Weg verlassen kann. Das wiederum würde bedeuten, dass ich den Bannkreis verlassen kann, ohne zu verlieren. Da dann aber ein Gegner weg ist, wird sich der Bann aufheben, denn er existiert nur solange, wie beide Gegner da sind. Das heißt, Ryo verliert nicht, wenn er ebenfalls geht. Und damit hätten wir ein unentschieden!“ Kiki und Ryo starrten ihn an. „Genial“, hauchte das Menschenmädchen und wurde dafür überaus freundlich von Bakura angegrinst. Ryo dagegen runzelte die Stirn. „Aber da ist ein Fehler!“, murmelte er und zog beide Brauen zusammen. „Wo?“, fragte Bakura und seine Braue zuckte. „Naja“, erwiderte der Engel ein wenig eingeschüchtert. „Man müsste immerhin zuerst dafür sorgen, dass sich kein Schutzbann aufbaut, wenn Kiki angreift.“ Daraufhin herrschte erneut Schweigen, während Ryo zu Boden sah, Bakura angenervt die Augen verdrehte und Kiki stumm von einem zum Anderen schaute. „Verdammt“, murmelte der Teufel und sein Gegenspieler konnte ihm da nur zustimmen. Ganz anders als das Menschenmädchen: „Ach, da gibt’s doch bestimmt irgendeinen Zauber oder so was!“, rief sie wenig betrübt und sah ihre Kollegen aufmunternd an. Bakura schlug die Faust in die flache Hand. „Ha!“, sagte er und zückte ein Blatt Papier und einen Stift. „Engel, bring mir Tomaten!“ Ryo hastete los. „Tomaten?“, fragte Kiki ein wenig ungläubig. „Aber ja!“, sagte Bakura und sah sie verwundert an. „Noch nie was von dem großen Tomatenzauber gehört? Wirkt ähnlich wie bei Tintenfischen…“ Kiki wollte lieber nicht näher ergründen, was Tintenfische jetzt damit zu tun hatten. „Bakura?“, fragte Ryos Stimme. Der Teufel und das Mädchen drehten sich um. Wobei letztere zuerst aufschrie, als ein zwanzig Zentimeter langes Messer direkt an ihr vorbeisauste und - weil der Teufel sich schnell genug geduckt hatte - über Bakuras Kopf in die Wand schlug und dort stecken blieb. „Was war das denn?“, fragte das Mordopfer interessiert. „Etwa tätliche Absichten?“ „Erzähl keinen Blödsinn!“, sagte Ryo stirnrunzelnd und bewegte sich wieder zurück auf den Tisch zu. „Das war ein Experiment. Glaub nicht, ich hätte dir die Sache mit den Tomaten auch nur einen Moment lang abgenommen. Das würde ja wohl keiner tun!“ Kiki sah interessiert zu Boden. Ryo und Bakura seufzten. „Jepp“, antwortete der Teufel. „War natürlich nicht ernst gemeint. Hast du etwa eine Idee?“ Aber trotz seiner mehr oder minder freundlichen Worte zuckte um seine Mundwinkel ein herablassender Zug, der fast annehmen ließ, dass diese Frage irgendwie ironisch gemeint war. „Eine Idee?“, fragte der Engel. „Du glaubst es kaum, aber ja, so etwas habe ich tatsächlich!“ Seine Mitbewohner starrten ihn an. „Erzähl!“, forderte Kiki ihn auf. Knapp eine halbe Stunde später fanden sich alle wieder in der Küche ein, die für vorrangige Zwecke ein wenig umgestaltet worden war. Der Durchschnittsmensch hätte wahrscheinlich bereits in der Tür wieder Kehrt gemacht… Physiker und Mathematiker allerdings wären vermutlich hocherfreut gewesen: Tisch und Stühle der Einrichtung waren umsichtig an die Wand gerückt und gestapelt worden, um Platz zuschaffen für eine interessante Konstruktion, die sich nun in der Mitte des Zimmers befand. Sie bestand aus einem Fahrrad, einigen behelfsmäßigen Seilen, die in alle Richtungen davon strebten, einigen unidentifizierbaren metallenen Gegenständen und einer Art Drahtkäfig, die um den fahrradartigen Teil der „Maschine“ gewoben war. Auf dem Sattel des Gestells saß ein Menschenmädchen Anfang zwanzig, das sich offensichtlich gerade im Autosuizid übte… Ach nein, sie verdrehte nur den Kopf, um einen Blick auf die beiden anderen Gestalten im Raum zu werfen: Zwei Weißhaarige, von denen der Ältere misstrauisch ein gut zwanzig Zentimeter langes Messer in der Hand wog wie um sein Gewicht abzuschätzen, und der andere im Türrahmen lehnte und mit konzentrierter Miene einen Konstruktionsplan studierte. Plötzlich sah er auf und nickte dem Mädchen zu. Diese begann daraufhin zu treten, zu Beginn noch langsam, dann immer schneller. Fasziniert beobachtete Bakura, wie bei etwa 40 km/h kleine Blitze an der Kette auftauchten, die an den Drahtstäben hinaufzüngelten und sich in feinen Drähten um die Seile woben. Gleich darauf schnellte sein Blick panisch zu der Seil-Draht-Komposition, die neben ihm auf dem Fußboden ruhte, und die er laut Plan bald am Handgelenk haben würde. Ein kleiner Blitz schoss in sie hinein und die Innenränder des Seils färbten sich schlagartig schwarz. Der Teufel zog eine Augenbraue hoch und betrachtete seinen Kollegen von der Seite, der fachmännisch nickte. „Ryo…“, sagte er und der Angesprochene machte eine Bewegung Richtung Christina, die ihr bedeutete aufzuhören, bevor er sich dem Opfer seines Plans zuwandte. „Ja, bitte?“ Bakuras Augenraue zuckte nicht mal einen Millimeter, als er sagte: „Ich bringe deiner Idee nicht besonders viel Vertrauen entgegen. Willst du mich töten, bevor sie mich zurückholen können?“ Durch die Augen des Engels glitt ein Funkeln, das den Teufel aus irgendeinen Grund sehr entsetzte, auch wenn er gerade nicht sicher war, welcher das sein konnte. Dann fing sich der kleinere. „Nein, natürlich nicht!“, verkündete er. „Wie schon erwähnt hilft die Physik uns, deinen Bann aufzulösen, also werden wir dich mit ihrer Hilfe zurück in die Hölle transportieren. - Sag bloß, du hast Angst vor dem Tod?“ Bakura schnaubte. „Natürlich nicht! Laut Vertrag stehen mir noch ein paar Jahrtausende zu und solange werde ich auch nicht sterben. Aber es dürfte trotzdem extreme Auswirkungen auf mein aussehen haben und ich habe keine Lust, als hässliches Entchen durch die Gegend zu laufen!“ Ryo schenkte sich jeglichen Kommentar, während Christina, die mittlerweile wieder von ihrem Fahrrad herunter geklettert war, ‚ihren’ Teufel mit großen Augen anstarrte: „Für so was gibt es bei euch Verträge?“ Bakura musterte sie irritiert. „Natürlich - bei euch nicht?“ Und als Kiki den Kopf schüttelte, murmelte er irgendetwas, das sie leider nicht verstand. Sie wollte gerade nachhaken, als Ryo die Situation rettete, indem er tief durchatmete und seine Mitstreiter dann feierlich ansah. „Also“, sagte er. „Es kann sein, dass dies das letzte Mal ist, dass wir hier miteinander reden - vielleicht auch überhaupt das letzte Mal, denn wie du weißt, haben wir andere Maßstäbe für die Zeit als du. Wenn jetzt also irgendwer noch was sagen will, dann sollte er das jetzt tun!“ Die Angesprochenen schwiegen. „Nein?“, fragte Ryo gewissermaßen erstaunt. „Gut, dann ich. Christina Justus, ich danke dir, dass du so gütig warst, uns unter deinem Dach aufzunehmen, auch wenn wir nicht sonderlich gut geschlafen haben. Dein Wassereis schmeckt sehr gut. - Ich danke auch dir, Bakura Criag, denn du hast mich um einige Erfahrungen reicher gemacht!“ Ihm entging der misstrauische Blick, den Kiki dem Teufel zuwarf, während dieser schlicht fragte: „Woher kennst du meinen Nachnamen?“ Ryo war knapp daran aufzustöhnen. „Das ist wohl nicht von Bedeutung!“, sagte er fast finster. Jetzt grinste der andere Weißhaarige. „Gut“, sagte er. „Dann möchte ich auch noch was loswerden: Dankeschön, Engelchen, dass du gerade so finster geguckt hast, das hat mir den tag gerettet. - An dich, Kiki, danke, dass du deine ‚Nachbarin’ so verschreckt hast - vielleicht solltest du dich bei ihr bei Gelegenheit für den ganzen Kram entschuldigen und ihr ne Salbe für die verbrannten Hände schenken. Ich weiß nicht, ob du uns wirklich mal besuchen kommst, aber ich denke, ich könnte damit leben. Sag deinem Bruder, er soll sich deinem Türrahmen gegenüber respektvoller verhalten. Das war’s.“ Ryo starrte ihn an. Christina lächelte gerührt. „Danke schön, Bakura. Und ich danke euch allen beiden, das waren echt tolle Tage hier mit euch. Ich komme euch auf jeden Fall mal besuchen - wie mach ich das eigentlich? Könnt ihr mich nicht abholen? - und ich bin echt froh, dass eure Leute sich das hier ausgedacht haben. Grüßt die zwei von mir, ja?“ Ryo nickte ergeben und - die nächste Premiere - mit hinter dem Rücken gekreuzten fingern und Bakura murmelte irgendwas, das nicht besonders freundlich klang, versprach Christina aber, seinen Yami ‚aufzusuchen’. „Also“, sagte Ryo schließlich. „Das war’s dann. Ich wünsche allen eine angenehme Reise wohin auch immer und jetzt alle auf Position!“ Seine Mitarbeiter nickten ihm zu und während der weißhaarige Engel auf den zuvor von Christina besetzten Fahrradsattel schlüpfte, band Bakura sich mit undefinierbarem Blick die bereits erwähnte Schlinge um die Hand und stellte sich in die Mitte des Zimmers, sodass Ryo von seinem Posten aus die Abläufe kontrollieren konnte. Christina hingegen nahm sich das lange Messer und sah ängstlich zwischen eben diesem und dem Teufel hin und her, während sie sich unweit von ihm positionierte. „Und ich soll einfach zustoßen?“, fragte sie noch einmal zweifelnd. Bakura nickte. Er hatte vor dem Messer weit weniger An… Respekt als vor den Stromstößen, die in demnächst durch seinen Körper jagen würden. „Genau.“, sagte er. „Ziel einfach auf mein Bein, das heilt am schnellsten zu und man muss mich nicht wiederbeleben. Ich hasse das.“ Er kassierte daraufhin zwei befremdete Blicke, die ihn innerlich grinsen ließen, aber das Mädchen nickte ihm zu, atmete tief durch und hob ihre Waffe, auf Ryos Signal wartend. Der zwinkerte und begann dann in die Pedalen zu treten, um Geschwindigkeit aufbauen zu können. Wie schon bei Christina begannen bereits nach kurzer Zeit funken aus der Kette zu sprühen, dann wanderten die kleinen Blitze durch das Seil auf den Teufel zu, der unwillkürlich die Augen schloss, als ihm warm wurde und er ein leises Knistern vernahm. Wie gut, dass er auf Styropor stand, sonst hätte ihn das jetzt gleich gegrillt. Wenige Sekunden später dachte er gleich ganz anders über den Isolator, als er das Gefühl hatte, seine Lungenmuskeln würden krampfen. „Bakura?“, fragte Kiki beunruhigt, aber er zog es vor, die Augen geschlossen zu halten. Wehe, der Engel kannte sich nicht mit Physik und Biologie aus, den würde er so was von platt machen. „Passt schon!“, knurrte er trotzdem und bis die Zähne aufeinander. „Bin ja schließlich ein Teufel! Mir stehen noch ein paar Jahre zu!“ Irgendwoher kam das Gefühl, er würde aufkochen. „500 Volt!“, murmelte Ryo (verzeiht, falls das ne unrealistische Angabe ist). Kiki umfasste nervös die Styroporverkleidung ihres Messers und richtete die Augen fest auf Bakuras Körper. Spielten ihre Augen ihr gerade Streiche, oder…? „Ryo“, flüsterte sie ungläubig. „Seine Haare!“ Der Engel nickte mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken und beobachtete den Teufel, dessen Haare nach allen Seiten abstanden, während er beständig die Augen geschlossen hielt. Die Luft um ihn herum hatte sich elektrostatisch aufgeladen und flirrte wie in großer Hitze. „600!“, sagte er leise und dann laut: „Jetzt, Christina! Lass die Finger an der Verkleidung!“ Das Mädchen nickte, spannte sich an und rannte auf den Teufel zu, das Messer entschlossen auf seinen Oberschenkel gerichtet. Dem passiert schon nichts!, dachte sie ein wenig verkrampft. Schließlich hat er das gesagt! Und dann rammte sie das glänzende Metall vorwärts, spürte den Schlag der aufgeladenen Umgebung, der ihr das Gerät fast aus der Hand riss, und sah das Messer in seinem Bein stecken, ein sauberer Schnitt in der Lieblingshose ihres Bruders. Stille. Ryo hörte auf zu treten, Kiki hörte auf zu atmen und Bakura öffnete die Augen. Legte den Kopf schief. Und verschwand. Das Messer fiel klirrend zu Boden, rotierte einen Moment und blieb dann liegen, rotes Blut auf der spiegelnden Oberfläche. Kiki wandte langsam den Kopf und starrte Ryo an, als dächte sie, Bakura hätte sich hinter dem weißhaarigen Engel versteckt. Doch dieser starrte sie genauso mit großen Augen an wie sie ihn ansah und schien sich insgeheim noch zu wundern, dass sein Experiment tatsächlich funktioniert hatte. „Oh“, hauchte er und seine Hände am Lenkrad entkrampften sich, während ein unsicheres Lächeln seine Züge erhellte, dann löste sich auch sein Körper mitten in der Luft auf, als hätte jemand gegen ein Sandbild gepustet, das in seine abertausend Teile zerbarst. Zurück blieb ein fassungslos in die Luft starrendes Mädchen inmitten einer kompliziert aussehenden Apparatur, das ganz langsam zu Boden sank und nicht zu blinzeln wagte, weil sie das Gefühl hatte, dadurch die letzten Partikel der beiden Weißhaarigen zu verbannen und das ganze nur als Traum zurückzubehalten. Und als sie dann doch vorsichtig zwinkerte, sah sie nicht, wie just in diesem Augenblick eine weiße und eine schwarze Feder sachte an ihrem Fenster vorbeisegelten, nur um von einem Windstoß erfasst zu werden, der sie wieder zurück in den Himmel blies, von wo sie gekommen waren. Als zwei kleine Punkte verschwanden sie auf den Schwingen einer Böe, dem Menschenmädchen den Rücken kehrend, das noch eine sehr lange Zeit einfach so dasitzen sollte, von stummem Erstaunen erfasst und seltsamer Dinge erinnernd. *~-;. Ende des '1.' Finale .;-~* °*+~-,. IX † IX .,-~+*° ----------------------- Hi Leutz! Tja, anscheinend wollte mir keiner das 60. Kommi schreiben. *sniff* Dabei hatte ich mich schon sooo gefreut! ;_; Naja, danke an alle anderen für ihre Kommis, das war echt lieb von euch!^^ Hier kommt nun das 9. Kap, staatlich geprüft von EL-CK, die mir diese Version empfohlen hat (ich hatte zwei geschrieben. Interessenten später!^^). Viel Spaß euch allen!^^ ---------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. IX † IX .,-~+*° „Ich hasse es!“, war das erste, was ich sagte, als ich in die Hölle kam. Und damit hatte ich mal wieder bewiesen, wie wertvoll meine Anpassungsfähigkeit war, denn sobald ich aus dem Nebel (vielleicht ist es auch Rauch) um die Schleusen trat, sagte ich es gleich noch einmal: „Ich hasse es!“ Etwas anderes fiel mir im Angesicht meiner ‚Freunde’ nun wirklich nicht ein. Zu dritt standen sie vor den Schleusen und schienen auf jemanden (hoffentlich nicht mich) zu warten: Devlin, Valentin und Pegasus! Ich verharrte auf der Stelle, eine Sekunde, zwei Sekunden, drehte mich um und verschwand wieder im Nebel. „Hey, Thief!“, rief mein angeblich bester Freund und stand nur einen Sekundenbruchteil später vor mir. Die Geschwindigkeit ist ganz klar auch ein großer Nachteil von alternativen Fortbewegungsmitteln. „Also“, sagte ich und ergab mich grummelnd in mein Schicksal, „Das war doch nun wirklich übertrieben. Für diese winzige Strecke, Devlin!“ Mein Freund verbeugte sich elegant. „Mein Fehler!° Ich hatte das Gefühl, du wolltest uns verlassen.“ Ach nein, ich bin zu Tode erstaunt. „Da musst du dich getäuscht haben.“, sagte ich ohne mit der Wimper zu zucken. „Wie sollte ich nur auf eine solche Idee kommen?“ Da spürte ich, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und ich wusste die Antwort auf meine Frage. „Bakura, Bakura!“, sagte Pegasus und allein Dukes fast bösartiges Grinsen verhinderte, dass ich ihn erschlug. „Warum nur tropft deine Frage vor Ironie?“ „Oh“, sagte ich wenig begeistert. „Tut sie das?“ Zwei Sekunden später fühlte ich, wie eine Hand meinen Oberschenkel entlang strich, und obwohl man in der Hölle ja mit so einigem zu rechnen hatte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Und hätte mich dafür köpfen mögen. Allerdings fiel mein Fauxpas allen anderen gar nicht auf, die richteten nach Valentins überraschtem Luftholen ihre Blicke nämlich lieber auf eben dieses meiner Gliedmaßen. Devlin starrte mich an. „Was?“, fragte ich genervt. Sein seltsam beunruhigter Blick irritierte mich ein wenig und da ich es hasse, die Situation nicht sofort erfassen zu können, war ich ein wenig aufgebracht. „Thief!“, sagte er und legte einen Arm um meine Schulter, was in sofern merkwürdig war, da er immer noch vor mir stand. „Ich wusste ja, dass du leicht sadistisch veranlagt bist, aber was musste geschehen, dass du zu Selbstverletzung greifst?“ Ich runzelte die Stirn und betrachtete nun selbst einmal mein Bein, wegen dem hier alle so beunruhigt waren (ha ha). „Sauber!“, murmelte ich und stellte fest, dass Christina mir ihr Messer präzise genau zwei Zentimeter neben der Hauptader meines rechten Beines ins Fleisch gestoßen hatte. Die Jeans ihres Bruders bekam auf diese Art und weise ein wirklich hübsches rotes Fließmuster, erzeugt von mehreren kleinen Blutrinnsälen, die aus der Wunde austraten und mein Bein hinabliefen. „Das hat sie ja mal wieder toll hinbekommen. Verdammt!“ Auf einmal wurde mein Kinn gepackt, mein Kopf angehoben und ich fand mich Nasenspitze an Nasenspitze mit Pegasus wieder. Und musste schlucken. „Willst du mir den Rest geben, Max?!“, zischte ich eher aus einem Reflex hinaus. Pegasus’ Augen allerdings begannen erfreut zu glitzern. „Der Schock muss wohl positive Auswirkungen haben“, fachsimpelte er immer noch nicht weiter von meinen Gesicht entfernt. „Es hat mich beim Vornamen genannt.“ Im Geiste hörte ich Devlin sagen: „Also wohl doch eher negative Auswirkungen, oder?“ Aber natürlich sagte er das nicht laut. „Also“, hörte ich Valentins Stimme gefährlich nah an meinem Ohr und in einem sehr gefährlichen Tonfall, „Was hat dich nun dazu bewegt, deine Gesinnung zu ändern?“ Innerlich schüttelte ich mich. Die waren ja alle vollkommen verrückt geworden! „Ähm, Leute!“, sagte ich fast hastig und zog mich rasch aus ihrer Mitte, „Wisst ihr, ich habe einem unheimlich guten Kumpel namens Ryo Marques versprochen, gleich nach meiner Heimkehr bei ihm vorbeizuschauen. Also, wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet? Könnte länger dauern!“ Und mit diesen Worten hastete ich Richtung Schleuse, in der irrsinnigen Hoffnung, sie abhängen und auf Erde oder im Himmel Zuflucht finden zu können. Mir war von Anfang an klar, das der erste Teil deutlich schwieriger werden würde. „Bakura!“, rief mir Pegasus nach und ich hörte deutlich eine gespielte Trauer aus seiner Stimme heraus. „Es tut mir wirklich leid für deinen Freund, aber du wirst ihn heute nicht besuchen können!“ Mit dem wirklich widerlichen Gefühl ein in die Ecke gedrängtes Reh zu sein, drehte ich mich langsam um und starrte die Schemen meiner Freunde durch den Nebel (bei genauerer Betrachtung könnte es auch Staub sein) an. „Warum nicht?“, fragte ich und wollte die Antwort nicht wirklich wissen. „Nun ja“, ertönte wieder Pegasus’ Stimme und die rechte der drei Figuren löste sich von den anderen und kam weiter auf mich zu, „Weil Luzifer die Schleusen heute dicht gemacht hat!“ Höh? „Aber…“, warf ich ein. „Ich weiß“, sagte Pegasus. „du warst aber der einzige. Es können keine Teufel mehr raus und es können nur noch Teufel rein.“ „Oh“, sagte ich und wich noch einen Schritt zurück, wobei ich mir sicher war, dass ich wissen müsste, was das bedeutete. „Warum?“ Pegasus lachte auf. „Na, warum wohl? Wir haben Freitag den Dreizehnten, sagt dir das gar nichts?“ Natürlich sagte mir das was! „Oh, verdammt!“, murmelte ich und schlug mir innerlich gegen den Kopf. Freitag der Dreizehnte! Wie hatte ich das nur vergessen könne? Hier zeigte sich am ehesten der gnadenlose Charakter, der den meisten hier unten zu eigen war. Freitag der Dreizehnte, das bedeutete unversteuerte Aphrodisiakumausgabe und Ausgangssperre. Und alle jagten sich wild durch die Gegend, weil das Opfer manchmal trotz allem nicht ganz so willig war. „Ähem“, sagte ich, „Ach so. Aber ihr werdet sicher verstehen, dass ich jetzt trotzdem lieber nach hause gehen und mich auskurieren möchte. Immerhin hat mir ein Mensch ein nicht ganz so kleines Küchenmesser ins Bein gestoßen, während ein Engel mir Elektroschocks durchs Blut gejagt hat, okay?“ „Was?“, fragte Pegasus und ich meinte ein wenig Fassungslosigkeit zu hören. „Ist ja interessant!“, sagte Duke und stand mit verschränkten Armen neben mir. „Wenigstens hattest du Spaß!“, äußerte sich Mai und bezog an meiner rechten Seite Position, den Arm um meine Hüfte geschlungen. „Tja“, sagte ich. „Wenn du es so sehen willst. Eigentlich diente der Aufbau nur dazu, ein Unentschieden zu erzielen.“ Stille. „WAS??!!“, brüllten meine Freunde wie aus einem Mund und starrten mich fassungslos an. „Ja doch“, sagte ich grinsend. „Nur um eure Gesichter dabei zu sehen!“ „Ich glaub, mich boxt ein Papst!“, sagte Pegasus und fuhr sich mit der Rechten durch die langen Haare. „Du hättest doch einfach sagen können, dass dir meine Gesichtszüge gut gefallen.“ Ich (Absicht!) und Valentin zogen synchron eine Augenbraue hoch, Duke grinste in sich hinein. Ich wurde aus diesem Teufel einfach nicht schlau! Fühlte sich denn keiner berufen mir zu helfen? „Bakura, mein Süßer, brauchst du etwa Hilfe?“, fragte in diesem Moment eine Stimme hinter mir. Und ich hätte nicht mal sehen müssen, wie Devlin alle Gesichtszüge einfroren, während Pegasus’ Augenbrauen leicht zuckten, hätte nicht mal hören müssen, wie Mai unzufrieden knurrte, um zu wissen, dass es… … Luzifer war. Ich hob meine Mundwinkel an bis Pegasus mir zunickte und drehte mich dann samt Valentin um. „Luzifer!“, sagte ich und neigte leicht den Kopf. „Was für eine überaus große Ehre. Hilfe in welchem Bereich meinst du? Meine Flucht durch die Schleusen hast du mir Passenderweise ja verwehrt!“ Angesprochener schenkte mir ein undeutbares Lächeln, während er ebenfalls leicht den Kopf senkte und schnipste dann mit den Fingern, woraufhin ein jüngerer Teufel hinter ihm auftauchte, der Verbandszeug und eine Papptasche trug. „Aber nicht doch, mein Lieber! Warum solltest du den höllischen Sphären fliehen wollen?“ „Aus diesem Grunde, Luzifer.“ Unser Yami lachte hell auf und grinste mich bestens gelaunt an. „Immer zu Späßen aufgelegt, nicht wahr?“ Ich wusste auch so, dass Devlins Augenbrauen in die Höhe schossen wie Shuttles. „Aber nein, wie hätte ich gerade dich gehen lassen können, der du uns doch zum Unentschieden verholfen hast!?“ Ich legte den Kopf ein wenig schief. Verdammt, ich hasste höfische Konversation mit meinen Handlungen als Hauptthema (aber auch sonst) und ich wollte nach hause! „Du klingst nicht besonders missgestimmt.“ Luzifer grinste. „Wie könnte ich? Der Ausgang des ganzen gefällt mir sogar recht gut… Findest du denn nicht auch, dass es recht langweilig geworden wäre, hätte eine der beiden Mächte gewonnen? In diesem Sinne danke ich dir.“ „Durchaus“, sagte ich und bezog mich damit auf die Langeweile. „Solange es dir nicht einfallen sollte, einen Austausch zu organisieren - das wäre dann doch etwas zu viel des guten.“ Luzifer wiegte leicht den Kopf. Ich hätte mich erschlagen können. „Im übrigen hätte ich gerne Schadensersatz! Wie du siehst, war es nicht vollkommen schmerzfrei und angenehm, deinen Vertrag zu umgehen: Ein Mensch musste mit einem Messer auf mich einstechen, während ein Engel mir Stromschläge verpasste.“ Mit einem mehr als liebenswürdigen Mörderblick lächelte ich Luzifer an. „Und falls du jetzt in Erwägung ziehen solltest, mich auf eine andere, bequemere Methode hinweisen zu wollen, dann muss ich mir die Freiheit nehmen, dir den Mund verbieten zu wollen.“ Und nun kicherte unser Yami doch tatsächlich! Herrgott, der war erstens nicht mehr lange an der Macht und zweitens etwa dreißig Mal tot, sobald er abgewählt war! Stecht ihn nieder, Freunde! „Natürlich“, sagte er, nachdem er sich gefangen hatte. „Was verlangst du als Schadensersatz?“ „Ach“, sagte ich, „Das ein oder andere Jährchen mehr zum Leben dürfte schon reichen.“ „Sehr schön“, erwiderte mein ‚Vorgesetzter’ und schien sich geistig eine Notiz zu machen. „Das dürfte keine Schwierigkeiten geben.“ „Ich bin hin und weg.“, murmelte ich sarkastisch, hoffentlich leise genug. „Dein Humor ist köstlich, Bakura. Willst du mich in einer einsamen Stunde nicht mal besuchen?“ Offensichtlich doch nicht leise genug. „Mit dem größten Vergnügen, Luzifer, doch ich habe viele Freunde, die viel Aufmerksamkeit fordern. Ich lebe praktisch schon auf der Straße und im Club.“ Wehe, Duke brach jetzt unter Gelächter zusammen. Ich würde ihn enthaupten! (Wie brutal man doch gleich wieder wird, kehrt man in heimatliche Gefilde zurück, nicht wahr? Gewalt ist schon was schönes.) „Tja“, sagte Luzifer, „Dann werde ich deine Gesellschaft wohl dort suchen müssen. Zum Beispiel nachher. Ich bin sicher, ihr werdet den Dreizehnten gemeinsam genießen?“ Nicht nur Mai schielte mich von unten herauf an. Verdammt, warum hatte der denn soviel Zeit? Sollte die Bürokratie etwa schon so weit abgebaut worden sein? War mir vorher ja wirklich nie aufgefallen! „Nun ja“, antwortete ich mich innerlich windend, „Ich denke, heute ist es ein wenig schlecht. Es laufen zu viele Verrückte herum und außerdem möchte ich mein Bein entsprechend behandeln.“ „Ach“, sagte Luzifer und machte eine wegwerfende Geste. „Vergiss das Bein. Ich bin sicher, es sieht auch gut aus, wenn du das ein Jeansbein einfach hoch abschneidest und verbinden kann dich mein… Freund hier.“ Damit winkte er seinem ‚Freund’, sich mir zu nähern und besprochenes auszuführen. Ich kam noch nicht mal dazu, ‚Ähm’ zu sagen, da machte es schon schnippschnapp und ich durfte mich als Begründer der Megaasymmetrischen Mode betrachten. Nur etwa zehn Sekunden später grinste Luzifer mich mit den Worten „Wir sehen uns, mein Süßer!“ noch einmal an und verschwand dann mit Kumpan auf der Stelle wieder. Die Papptüte hielt Mai in der Hand - darin befanden sich laut ihrer Auskunft einige Bonuszugaben an Aphrodisiakum. „Wie bezaubernd, mein Lieber“, sagte Pegasus und sein Ton beunruhigte mich stark, „Deinen Worten entnehme ich, dass du mit uns in die inneren Ringe kommst?“ Duke grinste mich an. „Ach, ich hasse es!“, murmelte ich und startete gleichzeitig mit Mai, die ja noch an meiner Hüfte hing, in den Fortbewegungsmodus. Ich hätte wirklich auf der Erde bleiben sollen. Oder ich würde demnächst dem Himmel einen Besuch abstatten… Ach, verdammt, jetzt entwickelte ich ja wirklich einen Hang zum Masochismus! „Hey, Bakura!“, schnurrte Mai und riss mich mit sich hinunter zu einem der bunt geschmückten Clubs. DAS war die Hölle! ---------------------------------------------------------------------------------- Also, wer die andere Version auch mal sehen will, sagt mir bitte per Kommi Bescheid und ansonsten würde ich sowieso gern eure Meinung hören! (Freu mich doch schon so... ;_;) heal, yama^^ °*+~-,. X ♥ X .,-~+*° --------------------- Ganz großes Danke schön an alle Kommischreiber vom letzten Kap! *alle umarm* Die 100er-Grenzer hab ich zwar abgeschrieben, aber ich wünsche euch trotzdem viel spaß mit dem Finale!^.~ --------------------------------------------------------------------------------- °*+~-,. X ♥ X .,-~+*° „Nie wieder Fahrradfahren!“, murmelte ich verstimmt und trat durch ein Gate ziemlich weit rechts, während ich die Augen instinktiv zukniff, um nicht von dem strahlenden Weiß der Wolken geblendet zu werden. Meine Beine und Arme schmerzten von der ungewöhnlich starken Belastung, die meine sportlichen Tätigkeiten der letzten Minuten mit sich gebracht hatten. Hier oben hatte man eben absolut keine Chance, sich kräftige Muskeln aufzubauen und dass ich überhaupt in der Lage gewesen war, eine für unser Experiment nötige Geschwindigkeit zu erzielen, hatte mich ehrlich gesagt ziemlich erstaunt. Ich wüsste natürlich auch gerne, wie es wohl war, mit einem Fahrrad im Freien zu fahren… Und außerdem machte ich mir zugegebenermaßen ein paar sorgenähnliche Gedanken wegen Bakura. Er hatte zwar gesagt, er hätte noch ein paar Jahrhunderte zum Leben, aber wer wusste schon, ob die Sache mit den Stromstößen seinen Körper nicht doch ein wenig zu sehr mitgenommen hatte, als dass man ihn hätte wiederbeleben können. Ich war also beunruhigt. Etwas weiches flog in mein Gesicht und das mit solcher Wucht, dass es mich gleich mit zu Boden riss. Das Jumostinosteronikum in meinen Knochen schleuderte mich nur Viertelsekunden später wieder in die Luft und ich machte automatisch ein Salto vorwärts, um dann sanft wieder in die Wolken zurückzusinken. Neben mir quiekte es leicht mitgenommen und als ich ein Auge einen Spalt breit öffnete, sah ich auch das kleine weiße Wolkenbällchen, das ein wenig zerzaust neben mir saß und sich schüttelte. Grinsend streichelte ich über sein kuscheliges… Fell (?!) und überwandt mich dann dazu, beide Augen unter heftigem Blinzeln zu öffnen. Und schloss sie gleich darauf panisch wieder. „Hi Ryo!“, schrie mein bester Freund und Sekunden später spürte ich seinen Körper mit gehöriger Schlagkraft auf meinen treffen, sodass sich die gleichmäßige Wolkendecke unter uns kurz nach unten ausdehnte (ich sah mein Ende nahen), nur um uns dann in einem Verhältnis 1:7 wieder nach oben zu schleudern. Danke auch, bemerkte ich sarkastisch in Gedanken, während wir den höchsten Punkt unserer Flugbahn erreichten, an dem wir kurz in der Schwebe hingen. Nur sehr knapp darauf ereilte mich ein grauenhaftes Deja-vu, als sich Yugis große überraschte Augen rasant entfernten und die Luft unter meinem Rücken an meinen Klamotten saugte. Ich konnte, wie ihr alle sicher verstehen werdet, nicht umhin, extrem laut und gellend aufzuschreien, während ich registrierte, dass mich die Schwerkraft voll erwischt hatte und ich wie nur ein paar Tage zuvor den unkontrollierten Abgang gegen Boden machte. Ich bemerkte, wie Yugi sich gegen die Stirn schlug, sauste an einem aufgescheuchten Wolkenbällchen vorbei (wahrscheinlich mein ‚Kumpel’, der froh war, dass er mir dieses Mal hatte ausweichen können), knallte zum zweiten Mal mit Spitzengeschwindigkeit in die Wolkenfläche, drückte sie mit nach unten und wurde mit annähender Lichtgeschwindigkeit wieder ‚ausgespuckt’. Etwa zum selben Zeitpunkt, als ich allmählich merkte, dass mir zum Schreien die Luft fehlte und begann, mir Sorgen wegen meinem akuten Sauerstoffmangel zu machen, ergriff Yugi meine Hand, ließ sich noch etwa 50 Meter mit die Höhe reißen und schrie mir dann ins Ohr: „Mann, Ryo, wofür hat man DIR denn Flügel gegeben?!“ Und aufgrund irgendeiner Eingabe in mein vernebeltes Gehirn (man kann das jetzt natürlich auch mit Yugis Zuruf in Verbindung bringen), registrierte ich in diesem Moment, dass mir solche ‚Höhenflüge’ eigentlich gar nicht fremd sein sollten und entfaltete unter leider nicht gerade geringem Kraftaufwand mein Flügelpaar, sodass ich in schwindelerregender Höhe endlich zum Stillstand kam. Mein bester Freund hielt sich lachend neben mir in der Luft und schien sich unter meinem leicht vorwurfsvollen Blick geradezu zu kugeln. Nicht viel, und die Wolkenbällchen hatten einen neuen, etwas bunteren spielkameraden. „Freut mich auch, dich wiederzusehen, Yugi!“, grummelte ich leicht verstimmt und schüttelte meine Flügelgelenke so gut es ging aus. „Es ist doch immer wieder schön, so fröhlich willkommen geheißen zu werden!“ Mein bunthaariger Freund beruhigte sich unter annähernder Hyperventilation allmählich wieder und schielte mich dann von der Seite her an. Seine Wangen schwollen an, sein Kopf gewann immer weiter an roter Farbe und seine Mundwinkel wanderten immer weiter nach oben. „Entschuldige, Ryo!“, stieß er hervor, wandte sich zur Seite und wurde von einem weiteren heftigen Lachanfall geschüttelt, der ihn außerdem kontinuierlich an Höhe verlieren ließ. Ein wenig pikiert schüttelte ich den Kopf und entschied mich dafür, erst einmal wieder auf den Boden (der Tatsachen) zurückzufinden, wo ich nun zu meinen Erstaunen eine ganze Gruppe Engel ausmachte, die scheinbar zu mir hoch starrte. Meinen sich krümmenden Freund in der Höhe zurücklassend, drehte ich mich um 180° um meine Querachse, legte die Flügel an und schoss wieder Richtung Boden. Dass die Gruppe unter mir fast explosionsartig auseinander wich, registrierte ich eher säuerlich. „Ryo!“, rief Rebecca, deren blonde Zöpfe ich bereits sehr früh erkannt hatte und winkte mir zu, woraufhin ich meine Flügel vollkommen anlegte (schließlich war mir bewusst, wie schmerzhaft ein plötzliches Entfalten unter diesen Bedingungen sein konnte) und versuchte meine Geschwindigkeit durch einige extrem schnelle Rollen rückwärts abzumindern, was mir größtenteils auch gelang. Mit einer zugegeben etwas gewagten Aktion setzte ich zentimetergenau neben dem blonden Engelmädchen auf, das mich unbeirrt weiter angrinste. „Freut mich wirklich, dich wiederzusehen!“, sagte sie lächelnd und umarmte mich. Ein wenig verblüfft ließ ich sie gewähren - holla, es gingen einem ja wirklich Gewohnheiten verloren, wenn man mal für ein paar Tage den heimatlichen Sphären fern war (vielleicht sollte ich hinzufügen, dass ich auch nicht besonders darauf erpicht gewesen war, von Bakura umarmt zu werden). Von der anderen Seite sah ich Alina auf mich zukommen, die ebenfalls herzlich lächelte und mich in die Arme schloss, sobald Rebecca mich losgelassen hatte. „Hallo Ryo!“, sagte sie und drückte mich besonders fest (in ihren Haaren hing noch ein wunderbarer Schokoladenduft, der mich fast genießerisch einatmen ließ). Ja, da kam doch Heile-Welt-Stimmung auf! Ich grinste innerlich und schüttelte den Frust der letzten Tage ab. Endlich mal wieder unter anderen liebevollen Geschöpfen und nicht in Gesellschaft eines verbiesterten Teufels und eines etwas verdrehten Menschenmädchen. „Ryo!“, rief Joey und hüpfte hinter seiner Mutter auf und ab, die sich jetzt lächelnd von mir abwandte, um dem kleinen blonden Wirbelwind Platz zu machen. „Ich freu mich so, dass du wieder da bist! Das war so langweilig ohne euch!“ Grinsend registrierte ich Kaibas (Oh ja, der Große Kaiba war auch da, aus welchem Grund auch immer) Gesichtsausdruck bei diesen Worten und nahm den kleinen Engel in den Arm, als er mich geradezu ansprang. Nur wenige Meter entfernt landete nun endlich auch Yugi, dessen Gesicht immer noch eine äußerst gesunde Farbe hatte und kam dann lachend auf mich zu. „Ja, mich freut’s auch, dass du wieder da bist!“ Ich lächelte ihn an und er lächelte zurück. Meine Wangenmuskulatur tat weh. „Ryo Marque!“, vernahm ich genau da eine Stimme hinter mir und konnte meinen Ohren nicht so recht trauen, als ich die Stimme automatisch zuordnete. Allerdings schien ich richtig zu liegen, denn die Engel vor mir wirkten alle so, als würden auch sie zwischen Verblüffung und einer leichten Resignation schwanken (Ich sollte mich in Zukunft einmal mit Regimentern befassen, deren Herrscher überall im Volk beliebt waren - falls es so etwas mal gab). Also drehte ich mich um und neigte leicht den Kopf, eine Geste, die sich über die Jahrhunderte durchaus erhalten hatte, wenn der Kniefall auch nicht mehr ganz so gebräuchlich war. Ich ließ eine angemessene Zeit verstreichen, sah dann wieder auf und fragte: „Meister Petrus?“ Unser gemeinsamer Chef (heute mit einem langen weißen Umhang über dem Motorraddress) lächelte mich gütig an, was nicht ganz mit seiner sonstigen Erscheinung harmonieren wollte, und sagte dann: „Ich grüße dich, geschätzter Engel. Mögen deine Flügel lange strahlen!“ Einen kurzen (aber schockierenden) Moment hatte ich keine Ahnung, wie man auf so einen Gruß antwortete, dann fiel es mir wieder ein und ich erwiderte: „Solange du nicht von uns gehst, wird die Sonne strahlen und meine Flügel beleuchten, Meister Petrus.“ Mit dem unbestimmten Gefühl, dass Yugi sich hinter meinem Rücken vor Lachen ausschüttete, runzelte ich leicht die Stirn, ehe ich möglichst kompromissbereit meine Verwunderung zu formulieren versuchte: „Ich fühle die große Ehre, die mein Haupt erstrahlen lässt, aber möchtest du mir nicht den Grund deines unerwarteten Auftretens vor meiner geringen Persönlichkeit verkünden, Meister Petrus?“ Meister Petrus schien derart vergnügt, dass es fast den Anschein hatte, er wollte kichern, und hinter meiner gerunzelten Stirn sah ich Bakura amüsiert die Augen verdrehen und den Kopf schütteln, was mich maßlos ärgerte. Hatte ich ihn doch noch nicht verdrängen können? Dabei sollte man meinen, wir wären Meister in so was. Den irdischen Göttern sei Dank, lenkte Petrus mich in diesem Moment von diesem unbequemen Gedanken ab, indem er mir antwortete: „Mein lieber Engel, in Übereinstimmung mit allen hier anwesenden Engeln muss ich dir wohl doch erläutern, dass deine Persönlichkeit keineswegs gering ist. Immerhin warst du eine der beiden Kreaturen, die dafür gesorgt haben, dass unser Krieg einmal mehr unentschieden ausgegangen ist.“ Auf diese Mitteilung hin herrschte erst Mal Stille. Fassungslose Stille. Allumfassende Stille. Die anderen Engel starrten alle entweder mich oder Petrus an. Als sich die Ruhe ins Unahngenehme dehnte, räusperte ich mich und fragte vorsichtig: „Das heißt, durch Bakuras und meinen Entschluss ist der ganze Krieg unentschieden ausgegangen und nicht nur unsere Partie?“ Petrus grinste. Und er wirkte eher belustigt als verärgert. „So ist es, Ryo. Du hast erstaunliches Geschick in der Physik erwiesen - vielleicht sollten wir dir dafür einen Orden Verleihen. Und was unseren lieben Bakura betrifft…nun ja, er wird sich sicherlich bald erholt haben. Anscheinend wurde er bereits medizinisch versorgt.“ Petrus kratzte sich fast nachdenklich am Kopf, während ich gewissermaßen in leichte Fassungslosigkeit gestürzt wurde. „Verblüfft dich irgendetwas?“ Anscheinend hatte er meine nicht gerade manischen Gesichtszuckungen bemerkt. „Nun ja“, antwortete ich ein wenig desorientiert, „LIEB ist nicht gerade das Adjektiv, das ich Bakura zugeordnet hätte…“ Erstaunlicherweise lachte Petrus auf. „Tja“, sagte er und grinste dabei irgendwie wissend. „Er selbst würde mir sicherlich auch dafür den Hals umdrehen. Vielleicht sollte ich ihn das nächste Mal liebeswürdig nennen. Hm.“ Er schien in Gedanken abzuschweifen, ehe er wieder zu unserer jetzigen Situation zurückkehrte. „Jedenfalls werde ich dir einen Orden verleihen, Ryo Marque. Wahrscheinlich. Demnächst.“ Seine Augen schienen durch mich hindurch zu sehen. „Entschuldige mich nun. Mir ist ein interessanter Gedanken gekommen… Möge dich die Sonne immer bescheinen. Und euch auch, meine lieben Engel!“ Nachdem er einen Blick durch die Runde geworfen hatte, runzelte er noch einmal die Stirn, bevor er sich schließlich abwandte und mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck seine gewaltigen Flügel entfaltete um davonzufliegen. Ich hätte zu gerne gewusst, über was er da gerade nachgedacht hatte. Aber irgendeine ungute Vorahnung sagte mir, dass ich wahrscheinlich nicht zum letzten Mal in diesem Jahrtausend von der Hölle, ihren Bewohnern oder irgendwelchen Verabredungen zwischen Petrus und dem Yami gehört haben sollte. In dieser Hinsicht leicht beunruhigt wandte ich mich schließlich wieder zu meinen Freunden um und musste feststellen, dass sie mich alle mehr oder weniger fassungslos musterten, auch wenn keiner etwas sagte. „Unentschieden!“, grollte Big Kaiba und seine Miene war mehr als furchteinflößend, „Unentschieden! Es funktioniert doch wirklich nichts, wenn man es nicht selbst macht!“ Und mit diesem Kommentar wandte er sich ab und rauschte davon, verfolgt von unseren Blicken. Herr je, der war aber wieder gut drauf! „Ryo“, mischte sich in diesem Moment Yugi von der Seite ein und wäre ich etwas aufmerksamer gewesen, wäre mir der merkwürdige Unterton in seiner Stimme auch nicht entgangen. „Wie konntest du bitte ein Unentschieden erzielen?“ „Hm?“, sagte ich ein wenig verplant, während ich Kaiba immer noch nachstarrte und mich ein wenig über diese nun doch etwas übertriebene Reaktion wunderte. „Ach, das. Naja, ich habe dem Teufel Elektroschocks verpasst und Christina hat mit einem Messer auf ihn eingestochen… wieso?“ Als ich mich umdrehte, schien mein Freund mich ebenfalls mit seinem Blick erstechen zu wollen. „Wieso!?“, fragte er und starrte in mein vollkommen ahnungsloses Gesicht, während seine Züge eindeutig wieder weicher wurden. „Ach, vergiss es, Ryo. Immerhin habt ihr ihn ein wenig malträtiert. Ist er dabei nicht gestorben?“ Nun sahen die anderen Yugi ein wenig seltsam an, aber ich antwortete einfach arglos: „Naja, er hatte noch ein paar Jahrhunderte oder Jahrtausende gut. Du weißt schon, im Vertrag.“ Yugi starrte mich an. „Oh, anscheinend wusstest du nichts davon. Weißt du, Teufel können Verträge darüber abschließen, wie lange sie leben. Und wenn sie zwischendurch ein paar mal sterben, ist das auch nicht schlimm.“ Yugi starrte mich weiterhin an. „Hm, Ryo, ich glaube, du hast uns eine Menge zu erzählen.“ „Sicherlich!“, antwortete ich und strahlte ihn an, plötzlich wunderbar guter Laune. „Aber du und Rebecca müsst mir auch was erzählen. Und du natürlich auch, Joey!“ Der kleine blonde Engel hüpfte begeistert um meine Beine herum (wobei er wahrscheinlich nur noch ein paar Sprünge brauchte, um sehr hoch in die Luft zu fliegen) und lachte. „Ja, Ryo, aber vorher musst du noch was auf der Harfe vorspielen!“ Alina fiel alles aus dem Gesicht. „Ähem!“, meldete sie sich zu Wort und versuchte gleichzeitig, wieder etwas Farbe in ihre kalkweiße Gesichtshaut zu bringen. „Vielleicht wollt ihr drei vorher noch ein Stück Kuchen essen? Ich meine, vor einer so großen Anstrengung wie dem Spielen der Harfe sollte man doch gestärkt sein, meint ihr nicht? Ich habe extra welchen gebacken.“ Bei ihren leicht panischen Versuchen musste ich unwillkürlich lächeln. Joey war schon seit langem der einzige, dem meine unbrauchbare ‚Musik’ auf irgendeine skurrile Art und Weise zu gefallen schien. „Tja“, sagte ich und beugte mich zu meinem blonden Freund herunter. „So penetrant, wie deine Mutter darauf besteht, müssen wir wohl erst noch ein Stück Kuchen essen gehen!“ Alina verkniff sich mit viel Mühe ein erleichtertes Aufatmen. Ich starrte sie an. Yugi und Rebecca starrten mich an. Und dann begannen wir alle gemeinsam zu lachen. Joey sah von einem zum anderen, um herauszufinden, weshalb wir alle lachten, aber da keiner von uns im Stande war ihm zu antworten, lachte er nach einer Weile in seiner kindlichen Naivität einfach mit. Yugi stützte sich auf meiner Schulter ab, als er drohte umzukippen und nahm mich dabei gleich mit zu Boden, sodass unsere anderen drei Freunde noch lauter lachten. Rebecca liefen die Tränen bereits über die Wangen und Joey spielte vergnügt auf der Wolke Trampolin. „Mann, Ryo!“, keuchte Yugi, dann lachte er weiter. Und ich konnte ihm sowieso nicht antworten. Dass ich die letzten paar Nächte auf einem Teppich verbracht hatte, kam mir plötzlich urkomisch vor und dass Christina uns hier oben besuchen wollte, fand ich auf einmal auch eher lustig als schockierend. Als ich kaum noch Luft bekam, beruhigte ich mich allmählich wieder. Vollkommen erschlagen lag ich auf der weißen Wolkendecke und sah in den strahlend blauen Himmel, an dem ein Rudel Wolkenbällchen fröhlich spielend durch die Gegend tollte. Rebecca schüttelte lächelnd den Kopf und hielt mir und Yugi je eine Hand hin, die wir grinsend ergriffen. Als wir gleichzeitig fest zogen und das blonde Engelmädchen mit einem überraschten Aufschrei zwischen uns landete, grinsten wir uns an. „Das will ich auch!“, rief Joey begeistert und packte mit seiner kleinen Hand meine. Alina schüttelte lächelnd den Kopf. Ja, DAS war ganz sicher der Himmel. °*+~-,. ENDE .,-~+*° --------------------------------------------------------------------------------- Jetzt folgt nur noch der Epilog und dann wird die FF beim WB eingereicht!^-^ Also, ich hoffe, ihr schreibt mir eure Meinungen...? heal, yama^^ Epilog: °*+~-,. Epilog .,-~+*° ------------------------------ °*+~-,. Epilog .,-~+*° Wieder befinden wir uns in dem uns nun schon zur Genüge bekannten Cafe im Park einer größeren Stadt. Seit dem letzten Zusammentreffen der beiden Männer sind erst einige Tage, noch nicht einmal eine Woche, vergangen und das schöne Wetter hat sich beständig gehalten. Ob das nun Ironie oder Freude des Gestirns ausdrücken soll, darüber gehen die Meinungen der beiden ein wenig, wenn auch nicht sehr weit, auseinander, aber tatsächlich strahlt die runde Scheibe wie bei ihrer letzten Zusammenkunft. „Wie ironisch“, bemerkt der Schwarzhaarige Mann auf der rechten Seite des kleinen Tisches und wirft einen Blick über seine Tasse hinweg auf sein Gegenüber. „In diesem Punkt muss ich dir allerdings zustimmen“, erwidert dieser, seufzt. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Zum ersten Mal in der Geschichtsschreibung gelingt es, einen Plan zu fassen, der ohne Blutvergießen einen Sieg bringen kann und dann…“ „… müssen sich ausgerechnet ein Engel und ein Teufel finden, die sich dermaßen ergänzen, dass sie doch tatsächlich auf die Idee kommen, ein Unentschieden zu erzielen.“ Amüsiert schüttelt der erste Mann den Kopf und bläst nachdenklich über seinen Cappuccino. Obwohl es draußen immer noch sehr warm ist für diese Jahreszeit, scheint diese Hitze ihn nicht zu erreichen und er hält das Gesicht schon fast genießerisch in den heißen Dampf, der von seiner Tasse aufsteigt. „Allerdings“, bestätigt sein Gesprächspartner und nippt an seiner heißen Schokolade. „Damit haben wir beide nicht gerechnet.“ Der Schwarzhaarige zieht es vor, darauf zu schweigen. Sein Blick fällt durch die Fensterfront des kleinen Cafes und streift einen Baum, der in einem plötzlichen Windstoß einiger seiner roten und gelben Blätter beraubt wird. Ein Seufzen entkommt seinen Lippen und er runzelt unwillkürlich die Stirn beim Gedanken daran, was ihn zuhause wieder alles erwarten wird. „Ich habe einen Vorschlag, mein Lieber“, wendet er sich an den scheinbar älteren Mann auf der anderen Seite des Tisches, der daraufhin eine Augenbraue hochzieht. „So?“, fragt er und ein leichtes Lächeln spielt um seine Mundwinkel. „Ich hoffe, er ist besser als beim letzten Mal.“ „Sicher doch“, erwidert sein Gegenüber und grinst leicht. „Mir kam gerade der Gedanke, dass auch du es zuhause derzeit ein wenig ungemütlich haben musst…“ Der Angesprochene zieht die Brauen zusammen. „Was für ein Wunder!“, knurrt er schon fast, grinst aber gleichzeitig. „Deine Teufel haben meine lieben, guten Mitbürger ja auch ordentlich verdorben. Ich kann nur hoffen, dafür haben wir uns revanchiert?“ „Aber sicher doch!“, sagt der andere mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck. „Ich wollte nur fragen, ob wir nicht einmal diese irdische Erfindung namens Kino austesten wollen, wenn wir schon hier sind?“ Die Antwort auf diese Aufforderung besteht darin, dass der zweite Mann sein Portmonee zückt und einen 10€-Schein auf den Tisch legt, bevor er aufsteht und nach seiner Jacke greift. „Wer möchte diese Gelegenheit verpassen, mein Lieber? Man wird als Vorgesetzter der Engel nicht alle Tage vom Oberhaupt der Teufel gefragt, ob man nicht gemeinsam ins Kino gehen möchte!“ Während die beiden mit scheinbar amüsierten Mienen das Cafe verlassen, sieht ihnen der Kellner nur kopfschüttelnd nach. Engel und Teufel, denkt er sich, wo gibt’s denn so was heutzutage? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vielen Dank an die Kommischreiber und... Vielleicht sehen wir uns mal bei einer anderen Story? ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)