Metronom von abgemeldet (Hikarisasu Niwa) ================================================================================ Der Sonnendurchflutete Garten ----------------------------- Metronom Tick… tack… tick… tack… Unentwegt hält mich jener Ton im Gleichgewicht jener Existenz die ich hier verlebe. Mein Blick wandert verträumt, selbstsicher wandelnd zum Metronom, das auf der Fensterbank sein Dasein fristet. Er erinnert mich an so viele Dinge. An Geborgenheit. Musik. Den sonnendurchfluteten Garten… Ich drifte gedanklich ab, als meine Finger sich auf den Tasten niederlassen, wie im Traume Akkorde erfühlend, begreifend, ertastend. Ich drehe die Zeit zurück, in meinem Kopf, sehe mich wieder in meinen Kindestagen, als Knospe einer Rose gar, die nun zögernd beginnt sich zu öffnen, den Kelch der Sonne entgegenreckend und gierend nach dem Glanz, der mir im Leben fehlt. Kohlweißlinge tanzen in den Sphären, spiegeln sich wieder auf lackiertem Ebenholz. Licht und Schatten wiegen sich im Einklang, gleich dem Wind, der durch die Blätter der Bäume streicht, er murmelt Anekdoten in die Grashalme, deren Ursprünge schon so lange zurückliegen, bis zum Anbeginn der Zeit, wenn nicht schon länger, möchte ich gar sagen. Alles verspricht von einer heilen Welt, und einer heilen Zukunft. Bis zu jenem Moment. Kozue sitzt neben mir und spielt zusammen mit mir, wie sehr habe ich ihre Technik bewundert, die ich nie besessen habe, ihre Liebe zur Musik, die in den Händen der Aphrodite liegen mochte. Schwer seufzend legt sich mein Kopf in den Nacken, eine kahle, dunkle Betondecke erblickend. Ich hatte es stets unterlassen, die Neonröhren zu aktivieren. Mein Spiel gehörte nur der Dunkelheit, wenn sich der Glanz schon nicht mehr zeigen mochte. Die Muse. Meine Grazie… meine Liebe, meine Sehnsucht, meine Träume. Warum ließ ich es damals bloß zu? Warum ereilte mich diese Krankheit, die schlussendlich einen Keil zwischen mich und Kozue, meine Zwillingsschwester trieb? Das Gras verkümmerte wie auch die Blumen, Schmetterlinge starben garstigen Tod, und der Wind war grausam, pfiff warnend durch kahle Äste. Der Herbst war schnell gekommen, bereitete uns auf einen Winter vor, der Herzen zu eis gefrieren ließ. Meine Schwester war der hungrige Wolf, der durch den Schnee stapfte, eine Beute nach der Anderen verschlingend, während ich mich, getrieben von Angst und Scheu an mein Spielzeug geklammert hatte und hoffte, dass der Frühling endlich kam. Ja… der Frühling, in dem der Garten wieder erblühen würde, auferstehen wie Phönix aus der Asche, auferstehen wie der Heiland nach dem dritten Tage. Doch seit unsere Eltern uns auf diese Schule, jenen Ort geschickt und uns schier unserem Schicksal überlassen hatten, begannen wir uns zu ändern, eigene Wege zu beschreiten, die wir in Kindestagen stets zusammen gegangen waren. Mittlerweile gehen wir nicht einmal mehr gemeinsam zu Bett. Kozue ist ein wildes Tier, deklariert sich als solches. Sie pflegt stets, nachts umherzustreifen. Wie sehr ich sie doch dafür hasse… Ja, bitter mag es klingen in den Ohren anderer wenn ich mich beklage, wie sehr meine Schwester mich meidet und verachtet. Sie umgibt sich mit Menschen, die nicht für sie bestimmt sind. Mit Menschen, die nur ihren Körper wollen, nicht ihren Geist. Sie rauben ihr das heilig anmutende Licht, in dem ich mich so gerne sonnte. Ihr Licht verschwindet, gibt mehr und mehr die Schatten ihrer Seele frei, an denen auch ich, besonders ich, die Schuld trage. Zwar hatte sie mich nie an den Pranger gestellt. Doch indirekt wusste ich, dass jene Last auch mich traf, wenn dunkle Augen mich mit Ignoranz bestraften. Der schrille, falsche Ton lässt mich hochfahren aus naiver, kindlich anmutender Träumerei. Doch das Maul des Ungeheuers war dicht vor mir, verschlang das Licht und spendete mir die Schatten, die das Leben, die eigene Existenz – wenn nicht schon die Individualität und Genialität merklich schmälerten. Die Muse? Tot vor meinen Füßen. Tick… tack… tick… tack… . Die Klaviertaste war unberührt. Nie hatte ich weiter gespielt. Nie hatte ich es gewagt. Es klang nicht richtig. Es klang falsch. Vielleicht nicht falsch, aber vielleicht auch zu bedeutend. Ist dieser Ton das Ende? Ich streifte die Taste. Schnarrendes Überbleibsel. Wie pathetisch. War das Klavier nicht letzte Woche erst gestimmt worden? Nichts hatte ein Ende. Doch es existiert auch keine Ewigkeit. Es verbleibt, erstickt in Ruhe, lässt den Ton im Raum zur Gänze verklingen. So lasse ich ab von meinem liebsten Spiel, der Blick ist starr gerichtet auf ein vergilbtes Zelluloid vergangener Tage. Und dennoch. Die Gedanken rasen. Die Hände zittern. Wo ist das Licht, das mich rettet? Wo ist der Glanz, der mich vor drohendem Verfall bewahrt? Wo ist die Ewigkeit, die Reinheit, die meine Schwester und mich wäscht und erlöst? Alles hat an Schönheit verloren. Der Garten – eine Wildnis. Unsere Herzen – verwildert und überwuchert von Ranken der Zeit und Adoleszenz. Es sind so viele Fragen, deren Antworten sich selbst vor mir verbergen. Ich betätige den Knopf meiner Stoppuhr. Ein monotoner Klick, lauter als das Ticken des Metronoms am Fenster. 47.81. Der Gott heißt Abraxas. … Wann wird der Frühling endlich kommen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)