Seelenopfer von Saedy ================================================================================ Kapitel 6: Ich will jetzt untergeh' n ------------------------------------- Leben, das ist. . . “Ich denke, also bin ich?” Nein, ich bin, also denke ich. Denken muss ich immerzu Das Nichts ruft mich, Aber es will leben. Ich will im Nichts leben. Aber im Nichts gibt es kein Leben Es waren einige Wochen vergangen seit dem Erlebnis auf dem Friedhof. Yami dachte schweren Herzens daran, dass ihm nur noch knapp vier Monate auf dieser Welt blieben, bis er seine Seele würde hergeben müssen. Mittlerweile war ihm dies aber fast egal geworden, denn er merkte immer mehr, dass er nicht hier her gehörte. Er wusste nicht, was er in dieser modernen Welt mit seiner fremden Kultur sollte - auch wenn er vieles von Yugi gelernt hatte, besonders, als sie sich noch einen Körper und praktisch jeden Gedanken geteilt hatten - dies war einfach nicht seine Welt. Außerdem erschien ihm alles so sinnlos. Er hatte einfach keine Lust, etwas Neues anzufangen. Wozu auch? Es würde sowieso bald enden. Und Seto? Den hatte er seitdem auch nicht mehr zu Gesicht bekommen und es tat einfach nur weh. So kam es, dass Atemu sich furchtbar zu langweilen begann, aber trotzdem keine Lust hatte, irgendetwas zu tun, weil doch alles keinen Sinn mehr machte und ihm einfach alles egal war. Das Problem dabei war nur, dass er so noch mehr von seinem Liebeskummer überwältigt wurde und an fast nichts anderes mehr denken konnte. Seine Freunde versuchten alles mögliche, um ihn aufzuheitern, jedoch scheiterten diese Versuche kläglich, da Atemu sie kaum wahrnahm. Immer mehr hockte er einfach nur in Yugis Zimmer herum oder verkroch sich irgendwo draußen, weitab von anderen Menschen, um nicht mehr deren Nähe ertragen zu müssen. Aber eines bemerkte er doch: nämlich, dass er seinen Aibou mit seinem Verhalten total unglücklich machte und auch seine Freunde waren viel zu besorgt um ihn. Das konnte so nicht weiter gehen. Um ihretwillen musste er etwas tun, auch wenn es ohnehin nur noch vier Monate waren, die er hier auf Erden weilen würde. Sollte er ihnen etwas vorspielen? So tun, als wäre er glücklich? Atemu wusste genau, dass er das nicht können würde. Er war ein miserabler Schauspieler und erst Recht in seinem Zustand. Aber es gab noch einen anderen Grund, weshalb er sich schließlich dafür entschloss, genau das zu machen, was er dann auch tat, wahrscheinlich der eigentliche Grund. Und das war der Schmerz, der Schmerz in seinem Herzen, der so groß war, dass er ihn nicht mal mehr vier Monate, die ihm nun unendlich lang erschienen, ertragen konnte. Er wusste auch schon ganz genau, was er tun würde. Es wäre nicht gut, aber…im Moment war ihm das egal. Hauptsache, er würde…nicht mehr diesen Schmerz fühlen. Yugi saß gerade im Wohnzimmer und blätterte etwas gelangweilt in einer Zeitung herum, während nebenher noch der Fernseher lief. Er blickte erst auf, als er fühlte, wie ein Gewicht neben ihm die Couch ausbeulte. “Yami!”, rief er überrascht, dass dieser mal von selbst seine Nähe suchte. Bisher hatte er immer nur für sich allein sein wollen und niemanden an sich heran gelassen. “Ist etwas passiert? Du siehst besser aus”, stellte er fest. “Ja”, erwiderte dieser. “Es geht mir tatsächlich besser”, verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. “Es ging einfach nicht so weiter. Nicht nur mir selbst habe ich wehgetan, sondern auch dir und unseren Freunden. Deshalb habe ich…vielleicht war das dumm, aber ich dachte mir, es wäre das beste.” “Yami, wovon sprichst du eigentlich?” “Wovon ich spreche? Weißt du, Liebeskummer kann ganz schön wehtun und manchmal wünscht man sich sogar den Tod, weil das einfach alles leichter machen würde, weil man so dem Schmerz entfliehen könnte.” “Yami! Jetzt rede doch nicht so, du machst mir ja Angst!” “Keine Sorge, gerade das wollte ich eben nicht und deswegen habe ich… Nun, um es kurz zu machen, es gibt da einen Zaubertrank, mit dem man Gefühle unterdrücken kann. Diesen habe ich zubereitet und genommen. Und jetzt fühle ich mich schon viel besser, fast wie neu geboren, denn ich habe keinen Liebeskummer mehr und es geht mir einfach…gut”, lächelte er, aber dieses Lächeln wirkte irgendwie schal. “Sag mir, dass das nur ein Scherz ist. Oder ein Traum!”, rief Yugi entsetzt. “Aber, nein! Was hast du denn? Freust du dich denn nicht, dass es deinem Aibou wieder gut geht?” “Aber das ist doch… Sag mal, ist das dein Ernst? Wie kannst du denn einfach durch einen Zauber deine Gefühle unterdrücken? Das ist doch…krank!” “Nicht so krank, wie die Qual, die ich vorher durchlitten habe, glaub mir. Es ist eine Erleichterung. Sieh es einfach als eine Art Medizin gegen Liebeskummer. Weißt du, ich fühle jetzt wirklich gar nichts mehr für Kaiba. Ich frage mich inzwischen sogar schon, wie ich mich jemals in ihn verlieben konnte, ich Idiot, ha!”, fuhr er sich durch die Haare. “Der Typ ist doch nur ein arrogantes Arsch.” “Aber Yami! Das kann doch nicht wahr sein! Kein Zauber kann Gefühle einfach vernichten! Komm wieder zu dir!”, fasste er ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. “Nein, da hast du wohl Recht. Aber unterdrücken kann der Zauber meine Gefühle sehr gut. Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Im Grunde verstärke ich nur einen natürlichen Effekt, denn der Mensch unterdrückt sowieso die Gefühle, die er nicht ertragen kann von selbst. So ist die Wirkung nur schneller und stärker, das ist alles.” “Aber, kann das denn gesund sein?”, erkundigte sich Yugi besorgt. “Ich weiß nicht. Aber es ist auch egal. Alles ist besser, als dieser schreckliche zerstörerische Liebeskummer. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, mein Aibou. Mir geht es wirklich besser, glaub mir”, mit diesen Worten nahm er ihn kurz in den Arm. Doch Yugi sollte Recht behalten. Irgendetwas stimmte nicht. Es fing damit an, dass Yamis Lustlosigkeit noch größer wurde, als zu der Zeit, bevor er den Zaubertrank zu sich genommen hatte. Alles erschien ihm nur noch grau in grau und war ihm vollkommen egal. Je mehr Tage vergingen, desto schlimmer wurde es. Der Himmel verlor seine Farbe, das Essen seinen Geschmack und die Musik ihre Melodie. Eines Tages kam es sogar soweit, dass Yami nur noch im Bett herumlag und nicht mehr aufstehen wollte. “Atemu, was ist denn mit dir?”, erkundigte sich Yugi besorgt, wieder einmal. Doch diesmal würde er sich nicht wieder von seinem Seelenpartner abspeisen lassen, wie die vielen Male zuvor. Denn diesmal war es wirklich extrem, was der Pharao da betrieb. Er hätte ebenso gut tot sein können, so seelenlos wie er dalag. Yugi schüttelte ihn. Endlich blinzelte Yami und schien aus seiner Trance zu erwachen. Geschlafen hatte er nicht, denn seine Augen waren geöffnet gewesen, doch so leer und ausdruckslos. Dabei waren Yamis Augen immer das Ausdrucksstärkste an ihm gewesen. “Atemu, was ist los mit dir?”, wiederholte Yugi. “Wach doch endlich auf!” “Yugi”, erwiderte dieser schwach. “Warum stehst du nicht mehr auf und liegst hier nur noch im Bett herum? Ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Bitte, sag mir doch endlich, was du hast!” Yugi war verzweifelt. Wie sollte er seinen Aibou nur dazu bewegen, sich zu öffnen und aus seiner Depression heraus zu kommen? “Es ist…”, begann Yami schließlich. “Ich glaube, der Trank, den ich genommen habe, wirkt sich stärker aus, als ich dachte. Er unterdrückt nicht nur die Liebe, den Schmerz, sondern alles. Und die Wirkung wird immer stärker. Es ist mir inzwischen alles so egal. Ich könnte sterben und es wäre mir egal.” “Sag so was nicht!”, rief Yugi entsetzt. “Das kannst du nicht machen! Gibt es denn keine Möglichkeit, die Wirkung des Trankes aufzuheben?” “Nein, unmöglich. Aber es ist sowieso egal. Mein Leben ist nichts mehr wert. Ich bin unnütz, ein Relikt in dieser Zeit. Ich gehöre nicht hier her, das wird mir von Tag zu Tag mehr bewusst. Aber bald brauchst du dir deswegen keine Sorgen mehr zu machen.” “Wie meinst du das?”, schockiert von einer plötzlichen Ahnung, blickte Yugi auf ihn herab, seine Hand fest drückend. “Wenn der Zauber erst mal alle Gefühle unterdrückt hat, dann werde ich nur noch eine seelenlose Puppe sein und sterben. Dann wird wenigstens er verlieren.” “Nein! Sag das das nicht wahr ist! Sag, dass es noch einen Ausweg gibt! Du bist der Pharao, du weißt immer einen Ausweg. Du bist der Stärkere von uns beiden.” “Schon lange nicht mehr, Yugi. Schon lange nicht mehr.” Das war das einzige, was Atemu noch sagte. Auch auf die Frage, wen er mit “er” meinte, antwortete er nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)