Claymore von Jarmina (Rakis Leben an Clares Seite) ================================================================================ Kapitel 1: Regen und Blut ------------------------- Im durchgeweichten Boden bildeten sich Pfützen, wo Clare mit ihren schweren Eisenstiefeln gegangen war, die bei jedem Schritt ein leises Klicken von sich gaben. Es wurde allmählich dunkel und Raki, der um Dunkeln nicht so gut sehen konnte wie die Claymore, stolperte immer öfter über feuchte Wurzeln und Steine, die ihn im Weg lagen, bis er sich schließlich nicht mehr fangen konnte und in einer Schlammpfütze landete. Errötend rappelte er sich auf und bemühte sich, den Dreck von Clares Umhang zu wischen. „Es tut mir Leid! Ich werde ihn waschen wenn wir im Dorf sind, ich verspreche es Clare!...Clare?“ Raki blickte sich erschrocken nach der Frau um, die ohne ihn zu beachten plötzlich vorwärts in den Wald preschte und dabei spritzend den Schlamm aufwirbelte. Sie hatte beim Laufen offensichtlich einen Teil ihrer Yoma-Kräfte aktiviert, da ihre Augenfarbe von silber zu gold gewechselt hatte. Raki hatte unter diesen Umständen nicht die geringste Chance mit ihrem Tempo mitzuhalten. Zwar bemühte er sich ihr zu folgen, aber im Dunkeln konnte er ihre Spuren nicht finden und auch das Klicken ihrer Schritte war bald nicht mehr zu hören. „Clare? Wo willst du hin?“ Seine Worte hallten in der plötzlichen Stille des Waldes. Unschlüssig blieb er stehen. „CLARE?“ Die Rufe des Jungen blieben unbeantwortet. Scheinbar wollte sie nicht, dass er ihr folgte. Möglicherweise hatte sie in der nähe einen Yoma aufgespürt... Raki beschloss lieber hier zu bleiben, um auf sie zu warten. Er wusste, dass er ihr beim Kampf gegen einen Yoma nur im Weg sein würde. Er war nunmal nur ein schwacher Mensch... Er konnte gar nichts gegen diese Monster ausrichten! Das wusste er aus Erfahrung. Die Tropfen prasselten nun heftiger auf das Blätterdach des Waldes. Clare blieb noch immer verschwunden. Ob sie ihn suchte? Oder war sie noch irgendwo in einen Kampf verwickelt? Langsam begann der Junge doch, sich sorgen zu machen. Plötzlich war ihm, als höre er jemanden atmen. Er lauschte angestrengt, während ihm vor Angst ganz flau im Magen wurde. War das Clare oder...ein Yoma? Immerhin waren sie nah an dem Dorf, in dem Clare ihren nächsten Auftrag hatte, also konnte es gut sein, dass der Yoma sich hier im Wald aufhielt, bis er sich nachts im Dorf seine Beute suchte. Raki konnte sich nicht erinnern, dass Clare jemals so laut geatmet hätte. Angespannt tastete er nach etwas auf dem Boden, dass er zu seinem Schutz verwenden konnte, obwohl er wusste, dass es ihm gegen einen Yoma nicht das geringste nützen würde. Aber dennoch musste er es versuchen, vielleicht konnte er das Monster zumindest solange in Schach halten, bis Clare es aufspürte und zu seiner Rettung käme. Wenn nicht...Daran wollte er gar nicht erst denken! Seine vor Angst zitternden Finger glitten über einen Stein, der dick genug war, um jemanden damit zu verletzen. Er nahm ihn fest in die Hand und gab dabei schon jede Hoffung zu überleben auf. Der Yoma würde ihn bereits tödlich verwundet haben, ehe er auch nur zum Schlag ausholen konnte! Er lauschte. Noch immer hörte er das Atmen, aber nichts rührte sich sonst. Warum griff das Biest nicht endlich an? Wollte es sich noch an seiner Angst laben? „Jetzt komm schon raus, ich weiß dass du da bist!“ Rief er in den Wald. Stille folgte, das Atmen setzte aus. Auch Raki hielt den Atem an. Dann raschelte es im Gebüsch. Dann hörte er eine Frauenstimme: „Bist du..ein Yoma?“ Verwirrt blickte Raki sich um. Da erhob sich steif aus dem Dickicht neben ihm die Gestalt einer jungen Frau. Sie war ziemlich blass und hielt mit der Hand eine Verletzung an ihrer Seite umklammert, die stark blutete. Einen Moment lang stand Raki nur unschlüssig da und starrte sie an. Sie konnte auch ein Yoma in Menschengestalt sein, aber logisch gesehen hätte ein Yoma keinen Grund sich hier nicht zu erkennen zu geben, da außer ihm und Raki selbst niemand hier war, vor dem er sich zu verstecken brauchte. Dachte Raki und lies dann den Stein aus seiner Hand fallen. „Nein, keine Sorge, ich bin ein Mensch.“ Sagte er zu der Frau, die ebenso verunsichert schien wie er. Aber was konnte er tun, um zu beweisen, dass er kein Yoma war? Er wusste es nicht, also beschloss er sich erst mal vorzustellen, um die Atmosphäre etwas zu entlasten. „Mein Name ist Raki und ich bin wirklich ein Mensch, ich hoffe du auch?“ Die Frau nickte. „Ich bin Katharina.“ „Ähm, was ist denn mit dir passiert, dass du dich hier alleine und verletzt nachts im Wald versteckst?“ fragte er sie vorsichtig. „Yomas sind in unser Dorf eingedrungen...sie haben sich als Menschen getarnt und immer mehr Leute sind plötzlich tot aufgefunden worden. Da waren es wenigstens nur einzelne Opfer, aber heute Mittag haben sie sich plötzlich gezeigt und haben fast alle getötet und ihre Innereien...“ Die Frau stockte und geriet plötzlich ins Schwanken, sodass Raki nach vorne Sprang um sie auf zufangen. Behutsam setzte er sie auf einer hervorstehenden Wurzel ab und hockte sich neben sie. „Mach dir keine Sorgen, Katharina. Clare ist schon unterwegs zu Eurem Dorf, sie ist eine Claymore, sie wird die Yomas unschädlich machen.“ Sie lächelte schwach und lehnte sich erschöpft bei Raki an. „Dafür ist es zu spät.“ Dann schloss sie die Augen und eine einzelne Träne lief ihr übers Gesicht, was bei dem Regen kaum auffiel. Eine Weile schwiegen beide betroffen, dann begann Katharina weiter zu sprechen. „Mein Sohn ist noch im Dorf. Er war heute morgen mit seinem Freund Beeren sammeln gegangen. Ich hab ihn überall gesucht, aber er war nicht mehr im Wald. Er muss zurück nach Hause gegangen sein. Aber ich konnte nicht zurück, um ihn zu suchen, ich konnte einfach nicht...“ Ihre Stimme wurde von heftigem Schluchzen erstickt und Raki versuchte sie irgendwie zu trösten. „Vielleicht hat er noch rechtzeitig gemerkt, dass im Dorf etwas nicht stimmt und hat sich versteckt. Gib die Hoffnung nicht so schnell auf, bestimmt ist er noch am Leben! Clare ist jetzt dort. Sie wird ihn retten, falls er ins Dorf zurück gegangen ist.“ Die Frau lachte verzweifelt auf. „Ich soll allen ernstes darauf hoffen, dass so eine silberäugige Hexe meinen Sohn retten würde? Claymores sind selber zur Hälfte Dämonen! Sie scheren sich einen Dreck darum was mit uns Menschen geschieht! Sie sind völlig kalt und haben keine Gefühle! So eine würde mein Kind nicht retten...“ „Das stimmt überhaupt nicht!“, fuhr Raki ihr wütend ins Wort, „Claymores haben sehr wohl Gefühle! Sie scheinen nur immer so kalt, weil sie jedes mal wenn, sie in ein Dorf kommen, dass sie von Yomas befreien sollen, all das Leid der Menschen dort sehen müssen und weil sie ständig einen Teil von sich unterdrücken müssen, damit sie sich nicht auch in Eingeweide fressende Monster verwandeln! Und sie quälen sich nur damit rum, damit Leute wie du, die sie nicht im geringsten respektieren und ihren Mut und ihre harte Arbeit nicht zu schätzen wissen, damit solche Leute ihr Leben in Frieden weiterführen können und weiter gemeine Gerüchte über sie verbreiten können!“ Katharina war bei Rakis Rede der Mund offen stehen geblieben und sie blickte ihn an, als sei er verrückt. Dann sagte sie : „Woher willst du wissen, was diese Wesen denken? Claymores sind keine Menschen mehr. Schau sie dir doch an; In ihren Augen ist kein Leben mehr, sie sind unnatürlich silbern und glühen orange wenn sie kämpfen. Das sind Monster!“ Raki konnte seine Wut nicht länger zügeln und verpasste der verletzten Frau eine Ohrfeige. Sie verstummte und sah Raki dann hasserfüllt an. „Wenn du dich mit diesen Wesen zu lange abgibst, wirst du auch irgendwann ein Dämon! Denk an meine Worte!“ Dann kippte sie nach vorne über und blieb reglos auf dem schlammigen Boden liegen. Raki starrte entsetzt auf den Leichnam. Zitternd betrachtete er die Hand, mit der er sie soeben geschlagen hatte. >Habe ich sie umgebracht?< Aus der Wunde aus ihrer Seite war soviel Blut ausgetreten, dass sie daran gestorben war. Im dunklen hatte der Junge nicht gesehen, wie schlimm die Verletzung wirklich war und jetzt war es zu spät... Angst und gleichzeitig Abscheu gegen den toten Körper bemächtigten sich seiner und er löste sich aus seiner versteinerten Haltung und rannte weg. Weiter in den Wald hinein, Hauptsache weit, weit weg von der toten Frau. Jetzt begannen auch die Tränen in seine Augen zu schießen und halb blind stolperte er weiter. Die nassen Blätter und Zweige der Bäume schlugen ihm ins Gesicht und die Sträucher rissen an seiner Kleidern, versuchten ihn festzuhalten, zu der Toten zurück zu ziehen. „Nein!“ schrie er und riss sich von ihnen los und rannte weiter. Er übersah einen Abhang und stürzte ein Stück hinunter. Danach blieb er liegen und weinte ,das Gesicht in seinen Armen vergraben. Er fühlte sich so furchtbar schuldig, dass er die Frau vor ihrem Tod so behandelt hatte, anstatt ihr zu helfen. Er war Schuld an ihrem Tod! Hätte er ihr geholfen, wäre sie vielleicht am Leben geblieben! Nach einer Weile -es kam ihm vor als wären es Stunden gewesen-, beruhigte er sich allmählich und stand auf. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte : Er musste Clare finden und ihr von dem verschwundenen Kind erzählen! Vielleicht war es noch nicht zu spät und er konnte zumindest den Sohn der Frau noch retten. Dann konnte Gott ihm vielleicht seine Schuld vergeben...oder zumindest er sich selbst... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)