wtf ftw! von CrackpotCity (In den Hauptrollen: keine Frauen.) ================================================================================ Bis zur ersten Werbepause ------------------------- Gedämpftes Murmeln im Gerichtssaal. Das Publikum tuschelte und geiferte; zwei Mädchen mit schwarzem Lippenstift, die wie Einsen in der dritten Reihe saßen, kicherten und quiekten, über ein Taschenbuch gebeugt, so dass schwarze Haarsträhnen auf die Seiten hinabfielen. Sie waren rabenschwarz, pechschwarz, gar so schwarz, dass sie im aufglimmenden Sonnenlicht lila leuchteten. Das Haar der anderen fiel nicht und war obendrein nicht einmal schwarz, sondern hellblond und zu Schweineohren hochgesteckt; gemeinsam hatten sie jedoch das jeweilige Rüschenband auf dem andächtig gesenkten Haupt. In der fünften Reihe gähnte der Träger einer gelb getönten Aviator-Sonnenbrille mit original sandfarbenem Haar ungeniert in die Runde und wurde daraufhin von einem Grauschopf mit korrekter Brille und korrektem Anzug in die Rippen gestoßen. Auf der anderen Seite des Sandhaars saß ein kleiner, etwas ausgehungert wirkender Jugendlicher mit wirrem Blick, der sich mindestens ebenso ungeniert mit dem beschuhten Fuß an der Wange kratzte und dort den Abdruck seiner Sohle hinterließ. Für diese Einlage mochte er von einem strahlenden Jungen in giftgrünem Anorak zwei Reihen weiter hinten schweigende Anerkennung ernten, von dem Grauschopf allerdings lediglich ein missbilligendes Schnalzen mit der Zunge. Der Bereich um das Richterpodium war leer, bis auf eine sizilianische Putzfrau, die auf einer erst kürzlich gezähmten Bohnermaschine reitend den Boden auf Hochglanz polierte und dabei, über das Brummen hinweg kaum zu vernehmen, Ballroom Blitz pfiff. Dennoch merkte der Sandkopf auf und ein leichtes Glimmen trat in die Augen, die durch die gelbe Ray-Ban wie ohne Iris wirkten. Er spitzte die Lippen, um mitzupfeifen. Mit einer Steilfalte zwischen den Augenbrauen sah der Grauschopf auf die Uhr. 14:59. Er sah noch ein bisschen länger hin, bis er sich mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, dass es soeben fünfzehn Uhr geworden war. Bis er seinen Blick jedoch losreißen konnte, hatte er bereits die Hälfte verpasst. Denn zwanzig Sekunden vor fünfzehn Uhr öffnete sich schon die Tür hinter dem Podium, zwei Sekunden später betrat der Verteidiger in den Saal. Sowie das Publikum ihn erblickte, machte ein Teil "Aaaah!", ein anderer machte "Ooooh!" und der letzte Teil fiel in Ohnmacht. Ausgenommen der Grauschopf, der immer noch auf seine Uhr glotzte, der Ausgehungerte, der sich mit tellergroßen Augen rote, schleimige Klumpen aus einem Einmachglas in den Mund schob, sowie der Sandkopf, der nur etwas manisch lächelte und in der Tasche seiner fellbesetzten, weißen Jacke nach einem Edding grub. Der Verteidiger bot allerdings auch Grund zu dieser Reaktion. Das weißblonde Kunstwerk auf seinem Kopf wurde allein zusammengehalten von mindestens zwei Dosen Haargel, die Augen waren grüner Schiefer, der im alten Rom wohl als Feigenblatt die pikantesten Stellen bedeckt hätte, die adonisgleichen Lippen entblößten gewinnend weiße Zahnreihen und die Robe hatte an den Spitzen ein gewagtes Indigo, das gen Hals zu einem wässrigen Blau ausbleichte. Bis sich das Publikum wieder beruhigt und den Ohnmächtigen Luft zugefächelt hatte, war bereits ein kleiner Vietnamese mit blondierten Haaren und guten Zähnen hinterhergehuscht, der sich neben dem Verteidiger an einem kleinen Pult links neben dem Richterpodium niederließ. So wandte sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer erst wieder nach vorne, als der Staatsanwalt durch die Tür trat. Hinter der Hornbrille auf der leicht gehöckerten Nase waren Augen wie brackiges Tümpelwasser in einem pikiert dreinblickenden Gesicht, obenherum flankiert von kaltbraunen Haaren, die auf eine sehr betrübte Art und Weise flauschig wirkten, als wären sie nicht besonders glücklich darüber, dort zu sein, wo sie jetzt waren. Die Blicke fielen bald aus mangelndem Interesse von dem Staatsanwalt ab, so dass er sich unbeachtet an den Tisch rechts vom Richterpodium setzte, abgesehen von einem einzigen, klebrigen Blick, der jedoch Fingerspitzen zum Zucken verführte. Dann, um Punkt fünfzehn Uhr, betrat ein Wesen den Saal, das weniger menschlich und vielmehr feliden war. Im Grunde genommen war es eine Raubkatze, mit gelben Augen, orangem Fell und langen, roten Federn am Hinterkopf, sowie einem kleinen, grünen Frosch auf dem Rücken. Diese Hoheit stolzierte majestätisch zum Podium hinüber und kletterte etwas unbehände - denn es besaß keine Hände - auf den hohen Stuhl, um sich schließlich auf dessen Sitzfläche niederzulassen und streng aus den pupillenlos leuchtenden Augen über das hohe Pult hinwegzusehen, nach links, nach rechts, dann zum Publikum nach hinten. Raschelnd wurden Papiere geordnet und Butterbrote wieder eingepackt. Die Kichernden aus der dritten Reihe hoben synchron ihre Köpfe und lenkten ihren Blick auf das Sehenswerteste; der Ausgehungerte aus der fünften Reihe schloss sein Einmachglas und leckte sich die tropfenden Fingerspitzen ab. In das diffuse Murmeln hinein räusperte sich das Wesen. "Ich möchte jetzt beginnen", sagte es fest, indem es eine Pfote auf das Pult legte, und sah mit scheinbar zusammengezogenen Augenbrauen der sizilianischen Putzfrau nach, die ihrer Bohnermaschine auf das vermeintliche Hinterteil schlug und dann brummend und rauschend aus dem Saal tuckerte. Wieder räusperte es sich. "Hiermit eröffne ich das Verfahren Staat gegen La. Der Verteidiger ist hübsch, der Staatsanwalt intelligent und der Protokollführer ein Stein." Für einen Moment herrschte eine Pause, in der der gesamte Saal den Atem anzuhalten schien. Der intelligente Staatsanwalt öffnete schließlich aber den Mund und sprach: "Verzeihung, sehr geehrtes gerichtsvorsitzendes Etwas, der Protokollführer ist tatsächlich ein Stein." Und wies dabei auf den Platz neben ihm, der belegt worden war von einem Notebook, vor dem ein kleiner Felsen lag. "Ich weiß", gab das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas erhaben zurück, "sonst hätte ich es doch nicht erwähnt." Auf dem Gesicht des Staatsanwaltes zeichnete sich leiser Unwillen ab. "Aber... er ist ein STEIN!", wandte er stur ein und schielte kurz auf den Bildschirm des Protokollanten. Jedoch nur kurz, und sowie er wegsah, schien sein Atem zu vibrieren. "Und er schaut sich Pornographie an." "Das ist natürlich eine Frechheit." Das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas lehnte sich nach vorne. In seinem orangen Fell kroch der grüne Frosch voran, klammerte sich an einer der langen, roten Federn fest, die sich langsam aufrichteten, gleich einer drohgebärdenden Mähne. "Als sehr geehrtes gerichtsvorsitzendes Etwas verfüge ich darüber, dass das Anschauen von pornographischen Darstellungen während der Verhandlung unterbunden wird, so lange sie nicht allen zugänglich gemacht wird." Es stützte die vermeintlichen Ellbogen auf das gebeizte Holz des Richterpodiums und klatschte in die Pfoten. "Man bringe mir einen Beamer!" Zwei breitschultrige Gerichtsdiener huschten zur Tür hinaus. Mit vagem Interesse sah es ihnen nach, dann beugte es sich vor und sah mit pupillenlosen, leuchtenden Augen auf den Staatsanwalt hinab. "Sie sind schon ein Verräter", stellte es sachlich fest und die höchste Feder wippte, so dass der Frosch den Halt verlor und mit einem hohlen Plonk auf dem Kopf des gerichtsvorsitzenden Wesens lag. "Ribbit!", setzte er hinzu. "Stimmt", murmelte das Wesen und fixierte den Staatsanwalt mit intelligent-angesäuertem Blick, "ich könnte Sie eigentlich von diesem Verfahren ausschließen. Sie haben Ihre Robe gar nicht an." Der Staatsanwalt brauchte keinen pikierten Blick aufzusetzen, denn er hatte schon die ganze Zeit pikiert geguckt. Jetzt aber war es an der Zeit, die Nuance, die er unterwegs verloren hatte, wieder aufzulegen. "Sie doch auch nicht", gab er zurück. "Ribbit", machte der Frosch. "Allerdings muss ich sagen, dass Sie ohne Robe sehr viel vorteilhafter aussehen", warf die Katze ein, als hätte sie diese Tatsache nicht soeben schamlos ausgenutzt, "also sei es Ihnen gestattet. Verlesen Sie nun die Anklage." Der Staatsanwalt ordnete die Papiere, die vor ihm auf dem Tisch lagen, überflog die erste Zeile und erhob sich dann mit einem Räuspern. "Sinh Than La wird beschuldigt, am achten Oktober zweitausendsechs um neunzehn Uhr sechsundzwanzig den Mord an Alex Freetown verübt zu haben. Laut Zeugenaussagen befand er sich, wie Alex F., zu dieser Zeit am Flughafen, als plötzlich zwei Schüsse fielen und das Opfer getroffen zu Boden sank." "Was für Anschuldigungen!", rief der Verteidiger hitzig aus und sprang auf. Das Publikum folgte seinen Bewegungen mit andächtigen Blicken. "Woher will man überhaupt wissen, ob er tot ist? Die Leiche wurde nicht gefunden!" "Unser Beweisstück", gab der Staatsanwalt mit schmerzhaft sanfter Stimme zurück, obschon er sehr gereizt war, und funkelte mit tümpeligen Brackwasseraugen quer durch den Saal, "ist ein Zitat des besagten Alex F., welcher laut Zeugenaussagen in seiner Todesminute veräußert worden sein soll..." Nun erhob er sich ebenfalls, um sich noch einmal zu räuspern und mit seinen Fingern Anführungszeichen anzudeuten. "... 'ICH BIN TOT! ICH BIN TOOOT! ICH SPRECHE AUS DEM JENSEITS!'" Andächtiges Schweigen. Irgendwo zirpte scheinbar eine Zikade, aber dann stieß der Angeklagte den Verteidiger in die Rippen, damit er dieses unverschämte Gezirpe endlich bleiben ließe. Daraufhin zog der Verteidiger beleidigter Weise eine kleine Schnute, die mit kollektivem Quieken aus der dritten Reihe quittiert und danach vergessen wurde. "Wenn sich der Angeklagte nun bitte in den Zeugenstand begäbe", äußerte die felidene Judikative mehr oder weniger würdevoll und verschränkte die Pfoten ineinander. "Muss das?", fragte der Angeklagte leicht grinsend. "Ich sitze grad so bequem." Schweigen. Nicht einmal der Verteidiger ließ sich zu einem Zirpen herab. "Schnauze, setzen", schnaubte der Staatsanwalt schließlich gereizt, indem er mit nacktem Finger auf den niedrigen Tisch zwischen Richter- und Anwaltspulten wies. "Ja, ja..." Der blondierte Angeklagte hob kurz die Hände, bevor er sich erhob, zum niedrigeren Tisch hinüberschlenderte und sich auf den Stuhl dahinter fallen ließ. Der Felide legte eine Pfote aufs Podium und musterte den Angeklagten abschätzig. "Reden ist Gold, der Wahrheitsanteil ist die Karatzahl, Ihr Name ist Sinh Than La und im Krieg ist alles erlaubt. Wenn sie jetzt bitte loslegen würden... Wo waren Sie zu besagter Tatzeit?" "Na ja, natürlich..." Der Angeklagte stutzte und glotzte unverholen seinen Verteidiger an, der hinter dem Pult obszöne Zeichen mit seinen Händen vollführte. Kaum lag ein Augenmerk auf ihm, gelangten mehrere zum selben Ziel, so dass er sich kurzerhand die schlanken Finger in den Nacken schob und irritiert aus grünen Schieferaugen abwechselnd Richter und Staatsanwalt fixierte. "Ist etwas?", fragte er und ließ ein sanftes Lächeln aufflackern, das eine unterschwellig begeisterte Geräuschkulisse ins Publikum projezierte. "... natürlich nicht am Tatort", verkündete der Angeklagte und grinste perlweiß. "Und wo dann?", fragte die feline Judikative kühl und glotzte erneut mit perplexer Distanz auf die vulgär anmutenden Bewegungen des Verteidigers, der sie jedoch, kaum dass er sich des Glotzens gewahr geworden war, unterband. Der stirnrunzelnde Blick des Angeklagten hatte sich an ihn geheftet, löste sich jedoch, als sich ihm das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas wieder zuwandte. "Ich hatte Sex", erklärte der Angeklagte dann würdevoll, ein halbes Augenmerk noch auf den verebbten Bewegungen seines Verteidigers. Dieser schlug sich daraufhin mit der flachen Hand und einem dumpfen Geräusch vor die Stirn. "Ja, das hatten Sie der Polizei auch erzählt." Mit einer Pfote langte das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas unter das Richterpodium und beugte sich dem Mikrofon entgegen. "Haben wir die Prostituierte?" "Sie ist keine Prostituierte!", wandte der Vietnamese erregt ein. Das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas setzte einen unbegeisterten Blick auf. "Ich weiß, aber Schlampe darf ich vor Gericht nicht sagen", gab es zurück, dann beugte es sich vertrauensvoll in Richtung Verteidiger und sagte zum Stein: "Streichen Sie das aus dem Protokoll." Der Staatsanwalt seufzte mit einem Stoß. "Kannten Sie das Opfer?" "Nein, woher denn auch?" Der Angeklagte verschränkte die Hände vor der Brust. "Beispielsweise... von dem zweitausendsechser ZEH-ESS-Turnier?!" Einen Moment lang wurde der Staatsanwalt höchst irritiert angeglotzt. Dieser Moment war so lang, dass er schon fast, aber auch nur fast, zwei Momente umfasste. Allerdings schien der Angeklagte genau zu wissen, was ihm der Staatsanwalt da eben vorgeworfen hatte. "... Bäääh!", so äußerte er sich. "SO 'rum bin ich nicht!" Wieder waren Publikum wie Richter, Verteidiger wie Putzfrau vollkommen außen vor gelassen, während sich der Staatsanwalt ächzend nach hinten warf und dann genervt ausrief: "Counterstrike, nicht Cybersex!" Kollektive Erleuchtung ging durch das Publikum und offerierte heiße Würstchen; mit einem Laut des Entzückens stürzte sich das ausgehungerte Etwas auf den karmatischen Bauchladenmann, was im Publikum in einigem Tumult resultierte, sowie in der Tatsache, dass nur sehr, sehr wenigen Menschen die Erleuchtung an sich widerfuhr. Daher ging als Lückenfüller ein Raunen durch die Menschen und flüsterte jeder Person, die in ihrem Leben schon einmal violette Schuhe getragen hatte, und zudem allen blondierten Haarschöpfen die Idee von Killerspielen ins Ohr. Erbost und gereizt von all dieser Unruhe beugte sich die feline Judikative vor und schlug kräftig mit ihrer schweren Pranke auf das dunkle Holz des Gerichtsstandes, so dass es donnerte. Stille trat ein, abgesehen von dem Angeklagten, der nervös lachte - schon seit geraumer Zeit, übrigens. "Das... Turnier", sagte er dann nach einem kurzen Zögern, in dem er bemerkt hatte, dass es - bis auf sein Lachen - totenstill geworden war. Blicke bohrten sich gewaltsam in seinen Nacken, als ob sie Proben seines Rückenmarks entnehmen wollten. Hingegen fasste er selbst den Staatsanwalt unruhig ins Auge. "Da war ich tatsächlich zugegen." Eine kleine Kunstpause folgte, die jedoch durch ein auffällig lautes, gelangweiltes Schmatzen aus der fünften Reihe zerstört wurde. "Aber das heißt nicht, dass ich diesen Axel F kennen muss!", ergänzte er hastig. "Alex F", korrigierte der Staatsanwalt abwesend. "Mir doch egal!", wandte der Angeklagte ein. "Ich kannte den Toten nicht, Schluss, Aus!" "Aha!", donnerte der Staatsanwalt mit unvermittelter Wucht und sprang auf. "Woher wissen Sie, dass er tot ist?!" Eine Sekunde lang herrschte tiefes, bis auf ein weiterhin schamloses Schmatzen aus der fünften Reihe ununterbrochenes Schweigen. "Nein, Moment, das... mein Fehler, vergessen wir's." Erstaunlich ruhig hob der Staatsanwalt die Hände, bevor er den Stuhl heranzog und sich setzte. Räuspernd zog er ein paar Papiere heran, ordnete sie nach dem Zufallsprinzip und ignorierte ungeniert, dass selbst die Tapete mit Holztäfelungsmuster ihn auffälligst anzuglotzen schien. "Wenn ich jetzt meinen ersten Zeugen aufrufen dürfte", fuhr der Staatsanwalt unbeeindruckt fort, während er auf das oberste Blatt herabäugte. Tortillas, eine Dose Mais, Käse. Er zupfte den Einkaufszettel von den Unterlagen und schob ihn zuhinterst in den Stapel, fast schon wieder in ungewöhnliche Ruhe verfallend. Zum Glück nur fast, denn er federte hinauf, kaum dass jammerndes Gebrüll den Saal erzittern ließ, als wäre er mit Peperoni gefüttert worden. Äußerst zornerfüllt stand da der Verteidiger und rief aus: "EINSPRUCH, EUER EHREN! Ich war zuerst dran!" "Na, na", wandte das sehr geehrte gerichtsvorsitzende Etwas ein und faltete die Pfoten blasiert, "wir sind hier nicht bei Matlock." Während der Staatsanwalt ein neues, brackiges Tümpelwasserfunkeln in Richtung Verteidiger losließ. "Das werden wir ja sehen!", bellte er dann. Der Verteidiger zog seine Augenbrauen zusammen, die besser getrimmt waren als die Rute eines Pudels, bevor er sich wie geplant zu einem scharfsinnigen Konter hinabließ. "... Oh ja, das werden wir!!" Verteidiger wie Staatsanwalt traten beide hinter ihren jeweiligen Pulten hervor, die sich davon recht unbeeindruckt zeigten, schritten aufeinander zu wie des Liebeszorns trunkene Duellanten und kamen erst zum Stehen, als sie kaum mehr eine Handspanne voneinander entfernt standen und mit den Fingerknöcheln knackten. Fäuste hoben sich. Ein kollektiver Aufschrei, lediglich aus der dritten Reihe ertönte ein einstimmiges Quietschen. "Stein, Saks, Papir!" "... HELVETE!", brüllte der Verteidiger dann sichtlich in Rage, wie er auf die fremde Hand starrte, deren Scherenförmigkeit in den eigenen, flachen Handteller schnitt. Dann machte er kehrt, ohne einen Schritt zu tun, tat daraufhin allerdings genügend energische Schritte um das wieder wettzumachen, und kehrte in gerechtem Zorn polternd auf seinen Platz zurück. Der Staatsanwalt vollzog in etwa dieselbe Bewegung, wenn auch weitaus leiser und befriedigter. "Ich rufe meinen ersten Zeugen auf", erklärte der Staatsanwalt mit distinguierter Miene, die offensichtlich darin bestand, die Hälfte der Gesichtsmuskeln einer temporären Lähmung zu unterziehen. "... Jack Waiter." Der felidenen Judikative Pfote verschwand unter dem Pult, bevor sich das Wesen einem Mikrofon entgegenbeugte und mit gesenkter Stimme hineinschnurrte: "Jack Waiter bitte in den Saal." Als die Tür aufschwang, war bereits eine dramaturgisch einwandfreie Silhouette zu sehen, die jedoch an Makellosigkeit verlor, je länger man sie dem eigenen Augenschein unterzog. Dies lag absolut nicht an der Größe des in der Tür stehenden Subjektes, dessen Physis die passenden Ausmaße hatte, um dramaturgisch einwandfrei in einer Tür zu stehen. Groß, aber kein Hüne, und ebenfalls weder gebrechlich, noch schränkern. Die Haare des Subjektes trugen allerhöchstens peripher zu den Fehlern in der Dramatik bei; sie waren überaus rot, überdies nicht sehr lang und wurden durch vereinzelte Bartstoppeln am Kinn des Subjektes noch ergänzt. Vermutlich lag es also einfach an dem Hawaiihemd, welches es zur Schau trug, dass das zuerst noch schockierte Publikum sich zu schnell wieder beruhigte, als dass man es Spannung hätte nennen können. Aber vermutlich war das Schockieren auch gar nicht Jacks Absicht gewesen. Mit todernstem Gesichtsausdruck durchschritt er den Gang, der einst von sehr wütenden Holzfällern mitten durch die Sitzbänke des Publikums geschlagen und aus Geldmangel schlussendlich beibehalten worden war, nickte dem Staatsanwalt einmal grüßend zu und ließ sich schlussendlich auf den Stuhl vor dem kleinen Tisch zwischen all den anderen hohen Pulten fallen. Die feline Judikative beäugte ihn einen Moment lang, bevor sie sich eine Hornbrille, die an einer silbernen Kette an dem Richterpult gehangen hatte, auf ihre breite Nase setzte. Dann wandte sie sich ihren Papieren zu. "Sie heißen Jack Waiter, ist das richtig?" "Wenn nicht, wäre ich bei dem Aufruf ja nicht hereingekommen." "Plausibel." Das hochverehrte richterliche Etwas nickte anerkennend. "Sie sind zur Zeit arbeitslos..?" "Ich bin freiberuflicher Softwareentwickler und Webdesigner", interferierte der Hawaiihemdenträger sanft. Die feline Judikative nickte. "Sage ich doch, arbeitslos." Bevor sie fortfuhr: "Sie sind nicht mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert, was bedeutet, dass Sie die Wahrheit zu sagen haben. Selbst wenn es Ihnen nicht passt. Sie können die Aussage verweigern, wenn Sie sich damit selbst belasten würden, aber da wir somit wüssten, dass Sie keine weiße Weste haben, wenn Sie an einer Stelle schweigen, werden Sie wohl lügen." Jack nickte stumm. Das Tier hinter dem Podium ordnete raschelnd seine Papiere und setzte danach die Lesebrille ab. "Gut, dann fangen wir..." "Hatten Sie eine Beziehung mit dem Opfer?!" Der Verteidiger war aufgesprungen und hatte jene Frage quer durch den Saal gebrüllt, dem hochverehrten richterlichen Etwas eiskalt das Wort abschneidend. Diese mit Schallgeschwindigkeit losgeschickte Frage durchquerte den halben Raum mit, nun, Schallgeschwindigkeit, bevor sie auf dem niedrigen Tisch in der Mitte des Saales stumm quietschend abbremste, um mit einem hohlen "Plonk Plonk" metaphorisch gegen die Schläfe des Verhörten zu klopfen, denn genau so sah er in diesem Augenblick aus. Noch einen Moment lang bewahrte er Stille, während seine Miene in einer frappierenden Einsturznummer linear ansteigendes Entsetzen kundtat, bevor er schließlich ausrief: "... Gott bewahre!" "Das", begann der Staatsanwalt nun, weil 'Das' immer ein guter Anfang war, "würde mich allerdings auch interessieren." Er beugte sich ein Stück weit über sein Pult und beäugte den Mann im Zeugenstand misstrauisch. "Nie im Leben! Das müsstest du doch am besten wissen..." "Ach ja? Von wem waren denn die ganzen Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter?" Schnaubend schaltete sich die feline Judikative ein: "Herr Staatsanwalt, ich bitte Sie..." Doch erneut wurde ihr das Wort abgeschnitten. Diesmal allerdings nicht eiskalt, denn Jack war einfach nicht der Typ für sowas. "Von Alex, aber was hat dich das zu interessieren?" "EXAKT!", interferierte der Verteidiger, indem er den Staatsanwalt fixierte, "Was interessiert es DICH?!" Jener sprang gestikulierend auf, und indem er das tat, brach Tumult aus. Ein Stimmgewirr sondergleichen brach vor dem Publikum los, dass selbst Talkshows in den Schatten gestellt wurden. Und irgendso ein Witzbold im - ansonsten vor Faszination gar erstarrten - Publikum hob seinen Stuhl hoch, um ihn an der Abgrenzung zu zertrümmern. Mit einem Atemzug füllte das hochverehrte richterliche Etwas seine Lungen und begann schließlich, ohrenbetäubend zu brüllen. "ICH MÖCHTE SIE AUSDRÜCKLICH DARUM BITTEN, IHRE PERSÖNLICHEN DIFFERENZEN NICHT HIER AUSZUTRAGEN! Das ist ein anständiges Gericht! Wenn Sie Rosenkrieg wollen, gehen Sie zu 'Zwei bei Kallwass'!" Stille. Der Staatsanwalt räusperte sich lakonisch, bevor er sich wieder hinsetzte. "Was ich eigentlich meinte, war...", begann er, bevor er den Satz verfließen ließ, indem er seine Papiere ordnete. "Sie können bezeugen, beobachtet zu haben, wie Alex F. niedergeschossen worden ist?" "Das ist korrekt." "Und Sie können bezeugen, dass der Angeklagte Sinh Than La in diesem Augenblick eine Waffe im Anschlag gehabt hat?" "Das ist ebenfalls korrekt." Mit süffisantem Gesichtsausdruck lehnte sich der Staatsanwalt zurück. "Also, für mich ist der Fall klar. Keine weiteren Fragen." "Herr Verteidiger?", fragte die feline Judikative. Besagter räusperte sich, bevor er sich erhob und schließlich hinter seinem Pult hervor zum zedernen Zeugentisch schlenderte, um die Fingerspitzen auf die zederne Tischplatte zu legen. "Herr Verteidiger, wir sind hier nicht bei Matlock!", ereiferte sich das Richterwesen, doch es wurde taktvoll überhört. "Sagen Sie", begann Angesprochener in legerem Tonfall, während er mit gesenkten Augenlidern auf den Zeugen hinabblickte, "können Sie bezeugen, dass der Schuss aus der Waffe des Angeklagten kam?" Angespannte Stille kehrte ein. Der Sandschopf im Publikum funkte dem richterlichen Etwas Morsezeichen durch ein obszönes Augenbrauenspiel zu, welches nicht zurückgegeben wurde, da Katzen keine Augenbrauen haben. Jack blickte stirnrunzelnd zum Verteidiger hinauf, indem er sich langsam zurücklehnte, und es war, als prasselten Tausende von Vorwürfen mit einem einzigen Blick auf ihn hernieder. Selbstverständlich aber waren es gerechte, daran hatte das Publikum keinen Zweifel. "Nein", sagte er dann. Der Verteidiger zog eine Augenbraue hoch und blickte auf, so dass die Zuschauer schockiert Laut gaben. "Damit ist der Fall für MICH klar", stellte er melodiös fest und stolzierte auf seinen Platz zurück, dass mindestens fünfzehn Blicke an seinem Hintern hafteten. "Keine weiteren Fragen", informierte er das gerichtliche Wesen dann blasiert und senkte sich langsam auf einen Stuhl, fünfzehn Blicke an den Beinen zu haften, in Erwartung, er würde sie übereinanderschlagen. Das hochverehrte richterliche Etwas nickte hoheitsvoll, bevor es versuchte, seine Papiere zu ordnen. Mit Pfoten war dies allerdings komplizierter, als es zuerst angenommen hatte, so dass es dies bleiben ließ und stattdessen einfach beide Pranken auf das diagonal gemaserte Holz des Richterpults stampfen ließ. "Danke, Sie können sich da hinten setzen." Der Zeuge erhob sich wortlos, da ihm das Schicksal offenbar zugeneigt war, und schritt nach hinten zu jenen Stühlen, die an der hölzernen Ballustrade, welche den Publikums- vom Verhandlungsbereich abtrennte, aufgestellt waren. Er überschritt ein zertrümmertes Stuhlbein und ließ sich daneben auf einem der vier Stühle nieder. Zuvor waren es noch fünf gewesen, doch der Witzbold, der an der Stuhlruine Schuld trug, hatte schließlich auch eine Sitzgelegenheit benötigt. Der Verteidiger räusperte sich. "Wenn ich dann endlich mit meinem Zeugen zum Zuge käme!", tönte er pompös und schoss einen tödlich beleidigten Blick auf den Staatsanwalt ab, welcher die Augenbrauen zusammenzog. "Hey, das Vorrecht hatte ich fair erkämpft!", ereiferte er sich schließlich. Süffisant zog der Verteidiger seine Mundwinkel in die Breite und hustete einen Husten, der ein "Schumm" zum Anfang und ein "ler" zum Ende hatte. Das Publikum, welches diesen aufkeimenden Streit mit gebannter Aufmerksamkeit verfolgt hatte, schnappte schockiert nach Luft, und zwar synchron, da sich ein pflichtbewusster Atemdirigent unter ihnen befand. Der Staatsanwalt begann, sich den rechten Hemdsärmel hochzukrempeln. "Wir können das gerne noch einmal ausfechten!", grollte er quer durch den Saal, ein imaginärer Anästhesist schien seine Gesichtsmuskeln größtenteils betäubt zu haben. "... Oh ja, das können wir!", rief der Verteidiger zurück; das Publikum kam schon beinahe um vor Spannung, als auch noch die Saaltür aufgeschmettert wurde. Einem Rotschopf in der siebten Reihe ward nun endgültig der Rest gegeben, so dass er sich nur ans Herz fasste und zusammenklappte. Der vitale Rest jedoch drehte synchron die Köpfe, diesmal lediglich durch eine glückliche Fügung; ein Kopfdrehdirigent wäre ja auch eine ziemlich bescheidene Idee gewesen. Keuchend traten zwei Gestalten ein, aufgrund der effektvollen Belichtung im Gang, ebenso wie der allgemeingültigen Dramaturgie, zuerst nur als Silhouetten zu erkennen. "Was ist denn das!", ereiferte sich die feline Judikative eher, als dass sie fragte. "Das ist doch viel zu früh für die Überraschungszeugen!" "Wir... wir...", stammelte der erste Mann zwischen heftigen Atemzügen und lockerte die Krawatte um seinen Hals, indem er schluckte. "Wir... haben..." Der zweite, der eintrat, zog einen hohen Wagen hinter sich her. Die Anzüge beider klebten schon fast an den Körpern, dass gewissen Personen im Publikum das Wasser im Mund zusammenlief; der Sandschopf bedachte jene mit kritischen Blicken, indes er schweigend Pläne fasste, demnächst Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Wir haben..." Der hohe Wagen, der von einer weißen Malerplane abgedeckt war - schwarzes Seidentuch hatte man ihnen offenbar nicht zur Verfügung gestellt - wurde in einer dramatischen Geste enthüllt. "... einen Beamer!!" Das hochverehrte gerichtliche Etwas klatschte in die Pfoten, wie auch immer dies anatomisch möglich sein sollte. "Wunderbar. Dann halten wir das Verfahren kurz an, die Werbepause ist ohnehin schon längst überfällig. Und mich interessiert inzwischen auch, was sich der feine Herr Protokollant da angeschaut hat." Die Katze beugte sich über das Pult und fluoreszierte mit gelben Augen zuerst auf Staatsanwalt, dann auf den Verteidiger hinab. "In der Pause können Sie beide sich ja endlich betreffend der Zeugen einigen." Schweigendes Nicken beider zum Gerichtswesen hinauf, diesmal nicht synchron; das Glück war ihnen offenbar nicht hold. Dann wurden einige hitzige Blicke ausgetauscht. Während der Beamer an den Laptop angeschlossen wurde, erhoben sich beide und verließen den Raum, am zerstörten Stuhl vorbei. Wenig später darauf floh eine weitere Person aus dem Gerichtssaal, kurz nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Stein offenbar homosexuelle Neigungen besaß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)