Die Gedanken sind frei von MmeSilence (Ihr Tod ist unrelevant, wie es ihr Leben war...) ================================================================================ Kapitel 1: Erstes und Letztes ----------------------------- Music: Rie Tanaka - Fields of Hope http://www.youtube.com/watch?v=ycyyG5CoiTw Die Gedanken sind frei Das junge Mädchen schlenderte den Weg zu ihrem zuhause entlang. Schatten, wohltuender Schutz vor den unbarmherzigen Strahlen der Sonne, warfen die Kronen der Sakura-Bäume auf sie. Wunderschön blühten die kleinen Blühten der Bäume auf, wurden von dem leichten Wind des Frühlings abgenommen und davongetragen. Mit einem zufriedenen Lächeln blickte das Mädchen zu den Bäumen hinauf, den ihr entgegen fallenden Blütenblätter zu, wie sie sich ums ich selbst drehten, ehe sie auf dem Boden ankamen und dort liegen blieben. Ihre klaren Augen folgten einem dieser Blütenblätter, bis es auf dem Boden zu ihren Füßen aufkam. Ohne darüber nachzudenken, trat sie mit ihrem Schuh drauf, nahm ihn wieder von ihm. Jedes dieser Blätter würde irgendwann zertreten werden, nichts außer den zusammengepressten Fasern wäre noch von der weißlich-rosanen Pracht übrig. Die Menschen gingen einfach ihres Weges, traten auf einstiges Leben und achteten nicht die Natur. Sie schloss die Augen. Die einzelnen Blätter lösten sich von den Blüten, glitten im Wind, sahen mehr von dieser Welt als den Ast und den Blättern um sie herum, bis ihrem Leben ein Ende gesetzt wurde. Von der Schuhsohle eines Menschen. Sayuri ging in die Hocke und nahm das von ihr zertretene Blütenblatt zwischen ihre Finger. Wie einen sehr kostbaren Schatz hielt sie es fest, strich sachte darüber, als würde es gleich in tausende von Scherben zerbrechen. Auch sie hatte das Leben dieses kleinen Blattes beendet. Wie es so viele andere Menschen machten. War sie genauso wie diese dummen Geschöpfe? Sie stand wieder auf und ging ihren Weg weiter. Ihre Haare wurden von dem Wind umspielt, zusammen mit den rosanen Blüten bildete es ein Schauspiel, dem sich leider keiner erfreute. Menschen hatten für etwas solches keinen Blick. Was war auf dieser Welt noch wichtig? Die Seelenspiegel von Sayuri öffneten sich abrupt und sahen auf die blanke, weiße Decke ihres Zimmers. „Was ist auf dieser Welt noch wichtig…?“ Die leise geflüsterte Frage bekam keine Antwort von der Leere dieses Zimmers. Außer Sayuri gab es nichts Lebendiges in diesem kalt wirkenden Raum. Weiße Wände, weiße Decke, weißes Bett, weißes Bettzeug…weißer Schrank, weißes Regal und weißen Schreibtisch. Weiße Lampe, weißer Stuhl. Weiße Ordner und weiße Stifte, weiße Vorhänge und weiße Fliesen. Selbst die Fugen waren in weiß gehalten. Alles weiß…das Mädchen mit den braunen Haaren und den blauen Augen wirkte übermäßig bunt in diesem Raum. Mit der schwarzen Schuluniform und der gelben Schleife noch gegensätzlicher. Was war auf dieser Welt noch wichtig? Alte Werte und Norme waren vor vielen Jahren bereits verblasst und drohten nun völlig unterzugehen. In der Hektik und der Oberflächlichkeit der heutigen Zeit. Was zählte noch? Ästhetik, Geld, Selbstbewusstsein, Macht… Gier der Führungskräfte führten zu blutigen, unnützen Kriegen, in denen so viele unschuldige Menschen ihr Leben ließen, und es doch nichts brachte. Die Umwelt wurde vergiftet und zugemüllt, ein grünes, unberührtes Fleckchen gab es nur noch selten. Die Menge zählte… Das Individuum ging in all diesen Richtlinien unter. Eigene Vorlieben mussten unterdrückt werden, die Vorlieben der Menge zählten. Man musste aussehen wie ein Model, um bestehen zu können. Um Freunde zu haben. Um akzeptiert zu werden. Man durfte keine andere oder gar keine Religion haben, wie die Menschen, bei denen man lebte. Was für eine Welt… Alles musste gleich sein. Die Führungskräfte und die reiche Minderheit der Menschheit bestimmten, was zu sein hatte. Armut und Elend in anderen Ländern wurde von vielen übersehen. Es wurde nicht für die Zukunft geplant, sondern nur auf die Gegenwart geachtet. Wen interessierte schon, wie die eigenen Kinder und Kindeskinder in 50 und 100 Jahren lebten…? Falls es da noch eine Welt gab. Es wurde nicht gedacht… Die Menschen hatten ein enges Blickfeld der Dinge. Sie sahen nur das, was sie selbst unmittelbar betraf. Nur wenige Ausnahmen lebten noch, die die Mehrheit nicht bekehren konnte. Was musste geschehen, um diese Welt wieder wertvoll zu machen, um darauf noch leben zu wollen? Sayuri blickte noch immer auf die weiße Decke. Sie war eintönig. Wie das Denken vieler Menschen. Sie sah sich um. Menschen hetzten an ihr vorbei, drängelten und schubsten sich gegenseitig. Ein Fuß wurde in Windeseile vor den anderen gesetzt. Nur nicht zu spät kommen, man musste noch so viel erledigen, wen interessierte denn die anderen… Auch sie wurde hin und her gedrängt und zur Seite geschubst. Sie kam sich wie ein Flummi vor. Ohne Gefühle, als würde sie gar nicht existieren. Hektik. Überall war diese Hektik. Es wurde nicht auf die anderen geachtet, nur auf sich selbst. Bunte Gebilde huschten an ihr vorbei, ließen ihre Sicht verblenden und es drehte sich ihr bald alles. Nur von diesen hetzenden Menschen. Konnten sie nicht einfach mal stehen bleiben um der alten Frau, die gerade hingefallen war, zu helfen? Sayuri ging zu der Dame, sammelte den Inhalt ihrer Tasche auf und gab sie ihr wieder. Ein dankbares ‚Arigatou’ und ein Lächeln erntete sie dafür. Es gab wohl doch noch Menschen, die sich um andere kümmerten und denen das Wort ‚Dankbarkeit’ nicht fremd war… Sayuri hörte Bremsen quietschen, einen spitzen Aufschrei und den Klang eines dumpfen Zusammenstoßes. Sie drehte sich um und erblickte unter der Brücke, auf der sie sich befand, ein Auto das mit einer Delle an der Vorderseite wegfuhr. Viel zu schnell. Eine Blutlache war um einen kleinen Jungen zu sehen, der mitten auf der Straße lag. Überfahren von dem Auto. Sein Arm war merkwürdig verdreht und sein Kopf leicht aufgespaltet. Eine Frau lief weinend zu dem Jungen, rüttelte an ihm und schrie immerzu einen Namen. Die Mutter des Jungen… Sayuri sah auf die Unfallstelle. Wandte ihren Blick nicht ab. Das Leben ist der Anfang vom Tod, wir werden alle irgendwann sterben… Mit dem Leben kam auch der Tod, den jeden irgendwann ereilen würde. Jeder auf dieser Welt starb eines Tages. Daran änderte kein Geld der Welt etwas. Der Tod nahm sich jeden Menschen, den einen früher, den anderen später. Er war unausweichlich. Auch wenn er schmerzhaft war, so kam er irgendwann. Obwohl man Menschen zurückließ, die der Tod schmerzte, so waren es nur wenige. Was interessierte es die Menschheit, ob man lebte oder tot war? Bedeutete das Leben eines einzelnen etwas für die Zukunft? Es war unrelevant, ob jemand starb oder geboren wurde. Die Zeit ging dennoch weiter, nahm ihren Lauf und stoppte nicht. Weder wegen einem berühmten Persönlichkeit, noch für einen Weltbewegenden noch für ein Neugeborenes. Für die Zukunft und die Menschheit im Gesamten war es völlig unwichtig. Irgendwann wäre jeder vergessen, spätestens dann, wenn die hinterlassenen Menschen auch starben… Nichts berührte sie. War sie vielleicht auch schon tot, nur ein Geist auf dieser Welt? Sie zwickte sich in den Oberarm, und sie verspürte einen leichten Schmerz. Man war doch lebendig, wenn man Schmerz empfand oder? Doch ihre Seele war so leer. Sie hatte so vieles gesehen und nichts hatte sie berührt. Sie war abgestumpft… Oder etwa doch schon tot? Wenn sie sich täuschte? Die Schüler und Schülerinnen rannten an ihr vorbei. Ihr Bento lag auf ihren Knien und wurde nur fleckenmäßig von der Sonne, die durch das Blätterdach des Baumes, unter dem sie saß, bestrahlt. Ihre Zähne zerkauten das Essen, was sie zu sich nahm…wieso machte sie dies noch? Weil sie ein Mensch war und Nahrung brauchte… Niemand beachtete sie. Sie hatte keine Freunde. Sie war anders als die anderen. Mit jemandem wie ihr wollte niemand etwas zu tun haben. Es war wie immer. Und doch…hatte sie das leise Gefühl, als würde etwas fehlen. Tief in ihr drinnen… Es war in ihrem Herzen so kalt. Kalt und leer. Ihre Seele war genauso kalt… Eisig. Unberührbar. Ihre Existenz war für diese Schule, diese Stadt und diese Welt unrelevant. Es interessierte niemanden. Ich bin unrelevant…genauso wie alles andere auf dieser Welt…ich werde eines Tages auch sterben und es wir niemanden interessieren, genauso wenig wie es jemand interessiert, ob ich lebe. Unrelevant… Es war ein Tag wie jeder andere gewesen. Und doch sollte der darauf folgende anders werden…Völlig unerwartet. Die Braunhaarige ging ihren alltäglichen Schulweg. Es war wie jeden Tag. Die Menschen hetzten um sie herum, schubsten und drängelten. Ungeduldige Stimmen vermischten sich mit dem Geräusch der Motoren und Autos, mit dem Geschrei kleiner Kinder und dem Lachen von Jugendlichen, verschmolzen zu einem Wall aus Geräuschen, der sich wie eine Hülle um sie legte. Es war wie immer. Sie blieb stehen. Die Fußgängerampel zeigte rot, ließ die Autos erst fahren. Niemand beachtete Sayuri. Sie war eine Person in der Menge. Das rot sprang auf grün um und erst nachdem einige Menschen an ihr vorbei gegangen waren, ging auch sie. Bedacht wie jeden Tag setzte sie ihre Füße voreinander. Es war wie immer. Die stehenden Motorengeräusche, die weiter fahren wollten, die hetzenden Stimmen und das Piepen der Ampel. Doch das laute Quietschen von Autoreifen war nicht wie immer. Sayuri blieb stehen. Ihre Augen blickten direkt in das grelle Scheinwerferlicht eines roten Sportwagens. Sie blieb stehen, es war eh zu spät. Den Bruchteil einer Sekunde später spürte sie etwas Hartes gegen ihre Magendecke drücken, spürte die Luft, durch die sie flog und den Schmerz, als sie auf die Straße aufprallte. Wilde Rufe ertönten. Sayuri blieb liegen. Es war doch nicht wie immer. Die Sicht vor ihren Augen verschwamm, als sie kurz darauf nur noch schwarz sah und die Sirenen von dem Rettungsdienst hörte. Ein letztes, höhnisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie endgültig ins Jenseits überwanderte. Es ist zu spät, ihr könnt den Tod und das Leben nicht steuern…Mein Tod ist unrelevant…Wie es mein Leben war, akzeptiert es und vergesst…Wie immer Ihr Körper ein Gefangener des Lebens und des Todes Ihr Leben unwichtig und unerfüllt Ihr Herz kalt wie Eis, Ihre Seele leer Ihr Leben war unrelevant, genauso wie ihr Tod es war Nur ihre Gedanken, ihre Gedanken lebten weiter Als kleine Kirschblütenblätter Denn für die Ewigkeit sind die Gedanken frei Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)