Am Rande der Nacht von Lethal ================================================================================ Kapitel 9: Tränen gesucht und gefunden -------------------------------------- {Kommentar} Also schnell vorweg, bevor mir Fukuyama durchdreht: Rick und Kori haben eine Weile bei Nick gewohnt, sind aber nun wieder bei Kori zuhause, nachdem dessen Wohnung wiederhergestellt ist. (Siehe erstes Kapitel dieser FF... Ich glaube, im dritten ist auch nochmal ein Hinweis.) Alles weitere am Ende des Kapitels, damit ich nicht Gefahr laufe zu spoilern... {/Kommentar} Auf den ersten Blick war das, was ich in meiner Wohnung vorfand so harmonisch, dass es in jeden Hausfrauenwerbespot gepasst hätte. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, empfingen mich der Duft von köstlichem gebratenen Fisch in irgendeiner exotischen Soße, sowie das Aroma von frisch gekochtem Reis, der in diesem Land tatsächlich nach etwas schmeckte. Sämtliche Flächen in Wohnzimmer und Küche waren so sauber, dass man davon hätte essen können. Unnötig zu erwähnen, dass alles tadellos aufgeräumt war. Die Ordnung war so perfekt, dass es mir geradezu ein inneres Bedürfnis war, etwas dagegen zu unternehmen. Schnurstracks ging ich in die Küche, um irgendwas zu verrücken, ein paar Flecken beim Auftun des Essens zu machen und mein Geschirr nicht wegzustellen, was mich mit solch destruktiver Vorfreude erfüllte, dass ich meine Sorge um Rick kurzzeitig vergaß. Ich hob ein paar Deckel und probierte mit dem Finger von der Soße. Erst als ich, den Finger noch im Mund ins Wohnzimmer marschierte, entdeckte ich das zitternde Häufchen Elend, das auf Ricks Bett hockte und leeren Blickes den toten Körper zu seinen Füßen anstarrte. Auch sein Zimmer war der Traum einer jeden ordnungsliebenden Hausfrau, was die riesige Blutlache unter dem muskelbepackten Körper jedoch nur umso deutlicher hervorhob. Nun, die gute Nachricht war: Rick hatte den Kampf ganz offensichtlich überlebt und praktischerweise hinterher einen Putzanfall sondergleichen bekommen. Die schlechte Nachricht allerdings war, dass er unter Schock stand. Der Anblick des zusammengesunkenen Jungen, der reglos wie ein Toter dasaß und stumme Tränen weinte, ließ mich frösteln. Einen kurzen Augenblick lang glaubte ich, man hätte mir einen Spiegel vor die Nase gehalten. Irgendwo in meinem Hinterkopf blitzte Lavandes genussvolles, eisdurchdrungenes Lächeln auf. „Rick...“, versuchte ich ihn anzusprechen. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Für logische Dinge mochte ich eine gewisse Begabung besitzen, höhere Mathematik etwa, oder alles, was mit Computern zusammenhing, doch in Situationen, die emotionales Feingefühl und die richtigen tröstenden Worte brauchten, war ich vollkommen überfordert. So stand ich nun hier, ohne den leisesten Schimmer, wie ich meinem Mitbewohner helfen konnte. Auf meine Worte reagierte er nicht, auch nicht nach weiteren Anläufen. Er hockte einfach da und weinte vor sich hin, ohne dabei auch nur zu schniefen. Wo immer diese leeren Augen sich hingeflüchtet hatten, ich würde auf verbaler Ebene keinen Zugang zu diesem Ort finden. Ratlos ließ ich den Blick schweifen, begutachtete die auf dem Rücken liegende Leiche, die aus weit aufgerissenen Augen zu mir hinaufglotzte. Ich schloss sie, weil ich mich daran erinnerte, dass Rick dies am Morgen mit dem Mädchen getan hatte. Die Augenlider waren wächsern und gaben nach, sodass ich Mühe hatte, mich nicht vor Ekel zu schütteln. Doch das langsam vom Weißen ins Bläuliche übergehende Gesicht war nicht das Unheimlichste an dem Ermordeten. Vielmehr war es das Messer in seiner Brust, das ihn, präzise seitlich durch die Rippen gestoßen, dahingestreckt hatte. Plötzlich wurde ich unruhig, begann mich misstrauisch zu fragen, ob Rick vielleicht doch nicht ganz so unschuldig und herzensgut war, wie er sich gab. Die Frage erübrigte sich, als ich wieder zu ihm hinaufschaute. Nein, so sah niemand aus, der freiwillig getötet hatte. Ich sank neben ihm auf’s Bett und seufzte. „Also gut“, raffte ich mich auf, mehr um mir selbst Mut zuzusprechen, als um wirklich mit ihm zu kommunizieren, „Dann geht es wohl nicht anders. - Aber lass dir gesagt sein, dass ich diesen Weiberkram hasse und dich vierteile, wenn ich herauskriege, dass du irgendwem davon erzählt hast.“ Er schreckte kurz auf. „Vierteilen“ war vielleicht kein so gutgewählter Terminus im Gespräch mit jemandem, der gerade ein menschenähnliches Wesen erstochen hatte. „Ach scheiß drauf“, brummte ich kurzentschlossen, legte widerwillig den Arm um seinen Oberkörper und zog. Ich hatte angenommen, er würde sich sowieso nicht bewegen lassen, angesichts seiner starren Haltung, doch das war ein Trugschluss gewesen. Ganz im Gegenteil, er fiel mir regelrecht entgegen, vergrub den Kopf an meiner Schulter, sich mit den Händen in mein eh schon mitgenommenes Hemd verkrallend. „Auch das noch. Dieser sentimentale Mist funktioniert“, fluchte ich. „Ich wollte das nicht“, wimmerte Rick zu allem Überfluss zurück. Konnte er nicht einfach still ein bisschen vor sich hinweinen und dann einschlafen oder etwas ähnliches? Musste er unbedingt mit mir reden? „Das äh... habe ich auch nicht angenommen“, entgegnete ich platt. Wahnsinnig einfühlsam. Wenn du so weitermachst, besorg dir n Schwimmring, denn er wird garantiert die Bude unter Wasser setzen. „Ich hätte ihnen die Asche geben sollen“, schluchzte er weiter. Find ich auch, dachte ich, war aber klug genug, wenigstens diese Bemerkung herunterzuschlucken und stattdessen zu fragen, was mir schon während der Fahrt hierher keine Ruhe gelassen hatte: „Warum wolltest du nicht?“ Ich bemühte mich, meine Stimme sanft klingen zu lassen, war damit aber nur leidlich erfolgreich. Dennoch, ich bekam immerhin eine Antwort. „Es waren Tränensucher. Und sie waren so wahnsinnig erpicht drauf, die Asche zu bekommen. Ich... Die führen doch bestimmt nichts Gutes im Schilde...“ „Langsam, langsam“, gab ich zurück, „Was hat’s mit diesen Viechern auf sich? Und ganz nebenbei... Hast du nicht gesagt, du könntest diese ganzen Blutsauger nicht auseinanderhalten?“ Rick fuhr zusammen. Seine Finger hörten kurz auf, mein Hemd zu zerknüllen, nur um sich dann umso verbissener daran festzuhalten. Langsam aber sicher wurde es mir der Nähe zuviel. Ich wünschte mir sehnlichst, er möge sich mit dem Ausweinen beeilen, doch daran schien er nicht im Traum zu denken. „Kann ich auch nicht“, sagte er zu meiner Schulter und mit jedem dieser vier Worte verhärtete sich seine Stimme ein wenig mehr, machte die Trauer einer fast greifbaren Verbitterung platz. „Deswegen weiß ich auch nicht, was der jüngste von ihnen für einer war. Aber was die anderen beiden angeht... diese Blutsauger erkenne ich. Da kannst du Gift drauf nehmen.“ In Anbetracht seines Tonfalls wollte ich lieber nicht so genau wissen, warum. „Was ist an denen so auffällig?“, fragte ich betont desinteressiert. „Man erkennt sie an den roten, katzenartigen Augen. Und daran, dass sie sich am liebsten dort sammeln, wo es das meiste Leid gibt, denn davon leben sie. Sie nehmen den Schmerz ihres Opfers mit dessen Blut auf.“ Er hatte aufgehört zu weinen, schaute nun unverwandt, mit beängstigend verhärteten Gesichtszügen, zu mir hinauf. Von seinem Schockzustand war nur ein leichtes Zittern geblieben. „Was hast du eigentlich mit denen zu schaffen?“ Seine Frage kam so unvermittelt, dass ich sie erst gar nicht recht verstand. „Nichts“, antwortete ich irritiert, „Ich wollte, dass sie die Asche abholen, damit ich endlich meine Ruhe habe.“ Er schwieg, sah mich nur lange prüfend an, immer noch mit diesem harten Zug, besonders um den Mund, der in seinem Gesicht so fehl am Platze wirkte wie eine Eisscholle in der Wüste. „Hey, hey, es war mir einfach egal, was das für Typen sind und ich... (Hab dich einfach nicht bedacht) bin davon ausgegangen, du seist arbeiten.“ Pflichtschuldigst senkte er den Kopf, nun offenbar von meiner Unschuld überzeugt. „War ich auch, aber ich bin früher gegangen. Mir ist so... kalt seit heute Mittag. Und dann konnte ich meine Magie nicht benutzen als... sie kamen. Deswegen hab ich... mit dem Küchenmesser... Gott, es tut mir... Ich hatte einfach Angst!“ Er überschlug sich förmlich beim Sprechen, fing wieder an zu weinen. „Ist gut, ist gut“, beschwichtigte ich hastig, aus Angst, er würde jetzt erst so richtig emotional werden, „Du hattest sicher deine Gründe. Du hättest ihn nicht getötet, wenn er dich nicht bedroht hätte. Und wie’s aussieht kann man diesen Viechern ja wirklich nicht trauen.“ „Warum bist du da so sicher?“, wollte er wissen. „Womit?“ „Damit, dass ich ihn sonst nicht getötet hätte...“ Und da hatte er mich. Woher sollte ich das denn wissen? Warum hatte ich plötzlich das Gefühl, nur die falsche Antwort geben zu können, egal was ich sagte? Es kam mir vor, als hätte mich eine Freundin gefragt, ob sie zu dick sei. Ich konnte nur ins Fettnäpfchen treten. Doch zu zögern war erfahrungsgemäß noch gefährlicher. „Ich glaub einfach, du hast dazu zuviel Gewissen“, sagte ich also das erste, was mir einfiel, „Du bist... ähm, also, ich will dich nicht beleidigen, aber du bist zu unverdorben, um jemanden einfach so umzubringen. Da braucht’s bei dir schon n Kurzschluss. Vielleicht hattest du einfach Angst, er bringt dich zuerst um.“ Er guckte mich an wie ein Pferd. Das war’s. Gleich würde sein lautes Schluchzen über mich hereinbrechen, er würde kreischen und mit Sachen um sich werfen und sich wünschen, er wäre nie hier eingezogen, oder – noch schlimmer – mich bitten ihm eine Packung Kleenex zu besorgen. So endeten meine kümmerlichen Trostversuche für gewöhnlich. Doch nichts dergleichen geschah. Er rückte nur, immer noch zitternd, von mir ab und lächelte scheu. „Danke“, flüsterte er fast. „Danke...“ Mehr nicht? Kein Schreien, kein Fluchen, nur „Danke“ und das gleich zweimal? Er stand auf, während ich völlig verdattert weiterhin auf das große Donnerwetter wartete, wischte sich entschlossen die Tränen aus den Augen und sah auf die Leiche hinab. „Vielleicht sollten wir ihn auch verbrennen.“ Ich rappelte mich ebenfalls unkoordiniert auf. „Dann mal los. Mach deinen Bannkreis oder was auch immer und ich mach n Haufen Asche aus – Warte mal, wo ist die Asche jetzt überhaupt?“ Er zog den Staubsaugerbeutel unter dem Bett hervor. Dämmert es und sie ist nicht dort, verlieren wir alles. Und diesen Verlust werden wir ohne Abzüge an dich weitergeben, erinnerte ich mich schmerzhaft. Ich griff nach der kleinen Tüte, doch Rick wich mir aus. „Du wirst sie ihnen doch nicht geben, oder?“ „Nein“, log ich schamlos, „Die Asche bleibt hier.“ Er nickte zufrieden. Der Beutel wechselte von seiner zittrigen Hand in meine. „Du... wirst das mit dem grünen Feuer dieses Mal allein hinkriegen müssen. Meine Magie... Ich hab es ein paar Mal versucht, aber ich komme nicht einmal an den Speer heran.“ „Nagut, dann... Du hast nicht zufällig n Tipp für mich?“ Er schüttelte entschuldigend den Kopf, mich gleichsam ohne Worte anflehend, diese Leiche endlich aus seinem Blickfeld verschwinden zu lassen. Ich räusperte mich unruhig. Grün, dachte ich, Das Feuer muss grün sein. Unwillig hockte ich mich hin, konzentrierte meine Gedanken so gut ich konnte auf das Auge des Orion. Nichts passierte. Ich spürte keinen drastischen Wandel in der Lungengegend, wo ich fast immer die leichte Hitze wahrnahm, die dem Feuer vorausging, geschweige denn überkam mich etwas wie die Gewissheit, dass es jetzt klappen würde. Mir blieb keine andere Wahl, als schüchtern ein kleines Flämmchen zu spucken, wie besessen daran zu denken, dass ich nur den Kerl verbrennen wollte und dabei irgendwie meine Angst im Zaum zu halten, die mir sagte, dass genau das nicht geschehen würde. Umso überraschter war ich, als tatsächlich ein kleiner, grüner Feuerball zu der Leiche hinunterschwebte, um diese in Brand zu setzen. Ich grinste von einem Ohr zum anderen. Rick tat es mir gleich, sichtlich erleichtert Na wenigstens etwas, das heute funktioniert. Andächtig beobachteten wir, wie das Feuer sich auf dem toten Körper ausbreitete. „Dieses Mal gehst aber du schlafen“, meinte Rick schließlich, „Ich bin’s ihm schuldig, dass ich wenigstens aufpasse, bis er verbrannt ist...“ Ich fragte mich, ob ich mich so um meine Feinde gesorgt hätte. „Bekommst du das hin?“ Er nickte selbstsicher. „Mir geht’s wieder besser.“ „Du zitterst aber noch.“ „Das... Ich denke, das hängt mit meiner verschwundenen Magie zusammen. Ich werde mir einen Gelehrten suchen und mich erkundigen müssen.“ „Ich kenn einen. Wenn’s bis morgen nicht weg ist, gehen wir den besuchen“, gab ich zurück, in einem Tonfall, der keine Widerworte duldete. Aus irgendeinem Grund hoben sich daraufhin seine Mundwinkel. „In Ordnung.“ „Tja dann...“ Noch immer ziemlich befangen von der ungewohnten Nähe, auf die ich mich hatte einlassen müssen, hatte ich es recht eilig, das Zimmer zu verlassen. Rick jedoch brannte noch eine Frage auf der Seele. „Ach Kori?“, hob er an und griff nach meinem Arm. Er bekam mein Handgelenk zu fassen. Als seine Finger meine Haut berührten, ging plötzlich die Welt unter. -- Erst einmal sorry, wenn der Tränendrüsenfaktor zu hoch ist, während die Aufklärung aufkommender Fragen mal wieder gewaltig hinkt. Rick ist nun mal ein kleines Weichei, wenn auch ein ziemlich tapferes. Ich hoffe nur, er fängt nicht irgendwann an zu nerven *seufz* Zum Handlungsfortschritt... Es ist ne dumme Eigenschaft von mir, das Seitenlimit pro Kapitel bei 4 Seiten (Word) zu setzen. Ich wollte schon wieder viel weiter sein. Wie auch immer, hier seht ihr Kori in Reinstform, denn er lügt, ohne rot zu werden und ist die emotionale Verklemmtheit in Person. Ich wollt schon immer mal n Kapi schreiben, in dem das so richtig schön zur Geltung kommt. An meine beiden Stammkommischreiber hier ein ganz großes Dankeschön sowohl für das Lob als auch für die Anregungen. Ich werfe auf jeden Fall im Gegenzug auch mal einen ausführlicheren Blick auf eure Original-Stories! (Das mal als kleinen Anreiz für die Schwarzleser, sollte ich welche haben *fg*) FFs zu Serien lese ich nur in Ausnahmefällen, insbesondere wenn diese die Ausstrahlung auf RTL2 schon hinter sich haben *schauder*. Danach haben die immer so viele Fans, dass ich die ganzen Erzeugnisse dazu einfach nicht mehr sehen kann. Sorry ^^’’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)