Am Rande der Nacht von Lethal ================================================================================ Kapitel 10: Befremdet --------------------- {Kommentar} Gleich vorweg: Dieses Kapitel ist verwirrend und wird erst im nächsten etwas aufgeschlüsselt. Es ist hauptsächlich eine stilistische Spielerei von mir, die dazu dient, das Chaos im Kopf unseres Protagonisten auf den Leser zu übertragen XD. Nebenbei ebnet es den Weg für die Klärung einiger Fragen, aber das kommt dann später. ^__^ Wenn euch hinterher der Kopf schwimmt, ist das also nicht weiter tragisch. {/Kommentar} Es ist nicht das erste Mal, dass meine Realität erschüttert wird. Lavande brachte sie durcheinander, als sie mich verschleppte und mir – ironischerweise – meine Flügel zeigte, um sie gleich darauf zu entfernen und mich wegzusperren. Doch ich flog erneut. Ronga und ein Absturz von einem Hochhaus gewährten mir Einblick in die magische Welt um mich herum, versteckt zwischen all dem technischen Firlefanz der modernen Luxusgesellschaft, und der weise Halbwolf half mir ebenfalls, wenn auch nur kurzzeitig, ein Teil davon zu werden. Und nicht zuletzt war es Rick gewesen, der mir gezeigt hatte, dass es immer noch andere Wahrheiten hinter der augenscheinlichen Wirklichkeit gibt, indem er mich durch Rongas jahrhundertealte Erinnerungen reisen ließ. Doch das alles ist nicht halb so beunruhigend, wie die riesigen, schwarzen Risse, die sich plötzlich vor meinen Augen auftun, ganz so, als wäre die Realität nur ein gemaltes Bild, das dem Künstler nicht mehr gefällt, sodass er es zerreißt. Sie wachsen in beängstigender Geschwindigkeit und mit den Bildern, die mir meine Augen bisher zuverlässig von meiner Umwelt vermittelt haben, schwinden auch die anderen Sinneseindrücke. Der Duft des Abendessens ist mit einem Mal nichts weiter mehr als ein schaler Geruch in der Ferne, meine Zunge wird taub und geschmacklos, das Gefühl von Ricks Fingern auf meinem Handgelenk ist nicht mehr wahrnehmbar und auch der Stoff meiner Kleidung und meine zu langen Haare, die mir oft ins Gesicht fallen und dort stören, bemerke ich erste jetzt, wo ich das leichte Jucken, das bisweilen auf meiner Haut verursacht haben nicht mehr spüren kann. Ich will schreien, weiß mehr instinktiv, dass mein Mund offen steht und ich wirklich die nötigen Muskeln bewege, um den Laut auszustoßen, als dass ich es fühle. Falls ich tatsächlich etwas von mir gebe, so höre ich es nicht. Fühlt sich so der Tod an?, schießt es mir durch den Kopf, Fühlt es sich so an, wenn man seinen Körper verlässt und nicht mehr ist? Aber warum denke ich denn dann noch? Und warum ist da diese unbestimmte Ahnung in mir, dass ich nicht tot sein kann? Vielleicht nur Hirngespinste, die ich mir zu meiner eigenen Beschwichtigung schaffe. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich will wieder zurück, ja ich muss, wenn ich nicht meinen Verstand und meine Intuition – haha, was für ein gelungener Scherz – auch noch verlieren will. Und als wolle mein Körper mir bestätigen, dass ich doch nicht völlig leblos bin, schickt mir mein Gleichgewichtssinn die Botschaft, dass ich falle, in dieser unendlichen Schwärze um mich herum irgendwie nach unten sinke und somit fortwährend den Gesetzen der Schwerkraft gehorche. Ich kralle mich an diesen Gedanken, wie Rick sich zuvor in mein Hemd. Irgendwo hier gibt es noch Dinge, die ich wahrnehmen kann, irgendwo hier gibt es möglicherweise auch einen Boden – und siehe da, ich schlage plump, mit dem Hinterteil zuerst, auf selbigem auf, kann es fühlen, bemerke den unangenehmen Schmerz des Aufpralls, der zu mir durchdringt. Worte gelangen wieder an meine Ohren, doch ihre Quelle scheint mir überall und nirgends zu sein. Gleichwohl weiß ich nicht, welche von ihnen in die Wirklichkeit gehören und welche ich mir nur ausgedacht habe. Ein wirres Kauderwelsch aus verschiedenen Stimmen entsteht um mich herum und ich kann nichts weiter tun als zu horchen und nach den richtigen, den zur Außenwelt passenden, zu suchen. „Ich bin diese bekloppte, selbstbemalte Blumenvase!“, heult ein kleiner Junge, den ich als mein siebenjähriges Selbst wiedererkenne. „Glaub ich dir ja“, antwortet der ein Jahr jüngere Marco im Brustton der Überzeugung, „Aber Mama wird stinksauer, wenn sie rauskriegt, dass du dich in ihre Lieblingsvase verwandelt hast. Nachher fällst du noch irgendwo runter. Da kriegt sie bestimmt ganz tiefe Falten, wenn sie sich darum immer Sorgen machen muss.“ So wie er das sagt, scheint ihn die Vorstellung zu amüsieren, wahrscheinlich, weil seine lebhafte Fantasie sich ausmalt, wie das wohl aussehen könnte. Ich beginne zu flennen. Er immer mit seinen blöden Horrorvisionen! Wär ich bloß ein Einzelkind! „Ich geh kaputt!“, jaule ich. „Quatsch, du bist Kori, du kannst nicht kaputtgehen. Nicht mal, wenn du so ne Vase bist. Also stell sie weg und werd einfach wieder du, okay?“ Obwohl die Erklärung nicht im Geringsten logisch ist, glaube ich ihm sofort. „Ich find die Vase noch hässlicher als dich“, bekennt er weiter, „und die kann man auch nicht so toll (Wieder Kori werden, denke ich, na du bist gut.) umbringen, ich wollte das wirklich nicht!“ Rick, ganz eindeutig, doch schnell wird er von einem Fremden abgelöst, jemandem, der sehr viel älter klingt, eine Frau, von der ich genau weiß, dass sie nie zu mir gesprochen hat. „Es ist vollkommen nebensächlich, was du willst, was dieses Ding will. Yami existiert nicht. Das musst du endlich begreifen! Als du klein warst, war diese Geschichte ja noch ganz lustig, aber jetzt... Ich wünschte, du hättest nie diesen Unfall gehabt!“ „Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guten Wünschen“, mahnt Ronga. „Du findest dich am Rande der Nacht, Du, der dich selbst dir hast ausgedacht.“ Die Kinder aus meinem Traum! Das seltsame Lied mit dem Mond! Ich bin real und das ist die Wahrheit!, brülle ich in Gedanken dazwischen. Niemand, nichts reagiert. „Zwei Fragen“, giftet mein diesem Ort fernes Ich in Tanakas Büro den rothaarigen Geiger an, „Erstens: Was hörst du da? Zweitens: WAS SOLL DIE SCHEISSE, DU VOLLIDIOT?!“ „... Am Rande der Nacht.“, antworten die Kinder. „Hier kann ich Grenzen überwindend meine Seele verwetten. Oder einen Engel finden und mich retten.“ Marco, nein nicht er, der stumme Junge, der sich seine Stimme geborgt hat. Marco – der echte - lacht: „Ich will in Flammen aufgehen, wenn du diese Sequenz nicht rausschneidest. Du willst, dass er denkt, er wär’s gewesen, so ist es doch, aber er hat Lucia nicht umgebracht. Ich hab’s dir nicht lang geglaubt und er wird es auch begreifen. Mein Bruder ist weder ein Mörder noch ein Trottel!“ „Das hab ich schon gemerkt“, antwortet Lavande selbstzufrieden und ich höre, wie sie ihn im wahrsten Sinne des Wortes auseinander nimmt. Die Geräusche vermischen sich mit den grausamen Erinnerungen an das – tatsächlich geschnittene – Videoband, das sie mir infolgedessen zeigte. „Aber gerade intelligente Menschen kann man in die tiefsten Zweifel stürzen. Sie denken zuviel nach. Leb wohl, Toter“, fährt sie gelassen fort. „Du hättest schlichtweg in Flammen aufgehen müssen“, verzweifelt Eliphas. „Und ich geh in Flammen auf“, rezitiert Ronga, „So wirst du gleichsam untergeh’n.“ Es kommt Licht ins Dunkel. Flackernd erkenne ich die rotglühenden Umrisse meiner eigenen Hände, taste mich damit weiter durch die Schwärze. Ich fühle meine Kleidung wieder auf der Haut, obwohl außer meinen Händen noch nichts von meinem Körper für mich sichtbar geworden ist. Auch kann ich die Gänsehaut spüren, die ich auf den Armen und auf dem Rücken habe. „Was suchst du, Kleiner?“, fragt Luv, als ich versuche, die mich umgebende Schwärze mit meinen flammenden Händen auszuleuchten, „Hier gibt es nichts außer Dunkelheit, Steinen... und natürlich mir.“ Das wollte sie wissen, als ich in ihrem dunklen Turm umhertastete. „Nein, du bist tot“, protestiere ich und erschrecke mich vor meiner eigenen, wiedergekehrten Stimme. „Und du lügst! Hier ist nur Dunkelheit. Nicht mal Steine gibt’s hier.“ „Zu den Steinen hat einer gesagt: Werdet menschlich! Da haben die Steine gesagt: Wir sind noch nicht hart genug“, gibt Jazz zurück und fügt entschuldigend an: „Ist leider nicht von mir.“ „... dann soll es mir gehören“, sagt jemand fremdes. Ich kann nicht einordnen, zu welchem Geschlecht diese Stimme gehört. Eine andere, eindeutig männliche, antwortet: „Ja, gute Idee. Du kannst ihn haben. Dann denken sie, ich lebe noch und sind nicht so traurig. Ich hasse sie zwar, aber vielleicht überleg ich’s mir ja mal anders.“ „Aber das geht nicht! Das ist meins! Das wird nicht einfach verschenkt!“, rufe ich. „Verdammt ein Drache“, antworten das Neutrum und das Mädchen von heute morgen im Chor. „Ja, ein Drache. Wohl bekommt’s, ihr kleinen Schmarotzer“, kichert Lavande hysterisch. „Die Adoptionspapiere“, fragt Rick, ganz leise, kaum zu hören, „Ich hab sie unterschrieben, aber du... äh... hast du vor...?“ „Ich dachte, ich frag dich dazu erst, aber wenn du meinst, das kann klappen, setz ich meine drei Kreuze drunter und fütter dich durch. Du bist ja recht pflegeleicht... Normalerweise.“ Das sind meine Worte. Und sie kommen von jenseits der Dunkelheit. Ich muss da hin, jetzt gleich! Muss zu meinem Abbild auf der anderen Seite zurück! Stolpernd und humpelnd beginne ich zu rennen, immer den Stimmen von Rick und mir nach, die dort draußen miteinander reden. Mir wird kalt, je näher ich komme, doch ich laufe dessen ungeachtet weiter, selbst als ich glaube, von innen zu erfrieren. „Mir ist so... kalt seit heute Mittag“, erinnert mich Rick, jedoch von hier drinnen. Was immer er mit sich rumgeschleppt hat, jetzt ist es bei mir, begreife ich, Es muss durch den Hautkontakt... „Gut, hattet ihr sonst Körperkontakt?“ Das Fragezeichen unter den beiden Tränensuchern. Der Junge mit der Eismagie. „Hast du dich irgendwann gefühlt, als stündest du neben dir?“ Lavande steht neben mir. Ihre Hand legt sich auf meine Schulter, doch verglichen mit der Kälte in mir ist selbst ihre eisige Hand noch wohlig warm. Das ist auch der einzige Grund dafür, dass ich sie den obersten Knopf meines Hemdes öffnen und mir dieses von der rechten Schulter ziehen lasse. „Das gehört mir“, wiederholt das neutrale Wesen von eben. „Falsch, das ist meins“, antwortet Lavande in feierlichem Ernst, „Und du wirst es nicht bekommen, denn der schwarze Wolf und ich... Wir haben dich gewittert.“ Der letzte Satz klingt wie obszönstes Bettgeflüster. Ihre Hand gleitet ein Stück weit meinen Rücken hinab, bis sie mein rechtes Schulterblatt gefunden hat, jenes, aufdem ihre Kritzeleien gestanden haben, als sie auf mir herummalte. Die Kälte, die mich umfängt und von innen auszuhöhlen scheint (Ich bin diese bekloppte, selbstbemalte Blumenvase!) sammelt sich unter ihrer Handfläche, bündelt sich in meiner Schulter und weicht schließlich unter lautem Protest tausender unbekannter Stimmen, die wild durcheinander schreien. Ich finde mich am Wohnzimmertisch wieder, wo ich meine Hand meinen Namen auf die Papiere vom Jugendamt schreiben sehe. Die Vertrautheit des Schriftzuges ist unglaublich wohltuend. Mein Zeitgefühl sagt mir, dass etwa eine viertel Stunde vergangen ist und mein Gedächtnis ergänzt ein paar Bilder von einem zwar irritierten, aber schläfrig ins Bett kriechenden Rick, die mir eine wahre Geröllhalde vom Herzen fallen lassen. Es geht ihm gut, aber wie geht es mir? „... Oder einen Engel finden und mich retten“, murmle ich schaudernd. Ich bin wieder zurück, gerettet ausgerechnet von der Person, die ich am meisten fürchte. -- Axo, dass hier ein Yami erwähnt wird, hat übrigens NICHTS mit Yu-Gi-Oh! zu tun, wie ich hier ganz deutlich betonen möchte. Den Namen gab es bei mir schon, bevor sich irgendwelche Freaks im Fernsehen mit Monsterkarten duelliert haben ^__^. Das Zeichen, das so gelesen wird bedeutet nämlich Dunkelheit/Finsternis und sowas gefällt mir, huahahaha. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)