Gottes Sünde von Miyu-sama (Devlin. So nannte er seine Sünde.Devlin) ================================================================================ Kapitel 8: Das Ende eines Traumes --------------------------------- Nach zwei Tagen war Devlin wieder gesund und auf den Beinen. Wie Derrick es gewollt hatte, hatte er seinem Chef gesagt, das er jetzt etwas weniger arbeiten wollte, was auch ohne weitere Probleme akzeptiert wurde. Derrick war wirklich froh darüber, denn jetzt hatten sie auch mehr Zeit für sich. Auch die Klausurenphase näherte sich dem Ende. Sie mussten weniger lernen und schon bald standen auch wieder die Herbstferien an. Beide erwarteten diese schon sehnsüchtig. Denn jeder konnte eine kleine Auszeit gebrauchen. Am letzten Schultag verließen beide erleichtert und fröhlich das Schulgebäude und machten sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. „Deeeeriiick? Kannst du heute nicht was Tolles kochen? Es schmeckt immer so lecker wenn du kochst!“ Bettelnd sah Devlin ihn an. „Ach, du bist doch nur zu faul, um heute zu kochen. Du drückst dich in letzter Zeit vor allem möglichen! Aber ich erbarme mich mal und werde heute für dich kochen. Zur Feier des Tages, schließlich fangen heute die Ferien an! Da will ich großzügig sein. Und wenn du noch schön lieb zu mir bist, bin ich heute Nacht genauso großzügig...“ Ein breites Grinsen huschte über Derricks Lippen. Dafür fing er sich einen Schlag in die Seite ein. Jedoch tat es nicht wirklich weh, Devlin war nicht sehr kräftig und er hätte auch nie mit voller Kraft zugeschlagen. Deswegen lachte Derrick darüber nur und wuschelte ihm durchs Haar. “Was denn? Du beschwerst dich doch sonst auch nicht! Ganz im Gegenteil..“ „Wenn du so weiter machst, dann schläfst du heute auf der Couch, also überleg dir gut was du sagst mein Liebling.“ Dieses Mal war es Devlin, der grinste. Derrick steckte die Hände tief in die Hosentaschen. „Das ist nicht fair Devlin!“ „Haha, ich weiß!“ Er lachte und rannte dann auch vor. „Wer zuerst zu Hause ist!“ Derrick starrte Devlin einen Moment etwas irritiert nach, rannte dann aber selber los. Zum Glück war Derrick sehr sportlich und hatte Devlin deswegen schnell eingeholt und auch bald überholt. Etwas keuchend kam er zuerst an dem mehrstöckigen Haus an und wartete dort auf Devlin. „Du wirst mich nie in einem Wettrennen schlagen Devlin.“ meinte er amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust, als Devlin, völlig aus der Puste, bei ihm ankam. „Ich habe ganz vergessen, wie schnell du sein kannst…“ er rang nach Atem und stützte sich auf den Knien ab. Derrick lachte leise. „Du vergisst doch sonst nichts so schnell, muss ich mir Sorgen machen?“ Er schloss die Tür des Hauses auf und ging mit Devlin hinein. An diesem ersten Ferientag hatten es sich die beiden bei sich zu Hause gemütlich gemacht und sich etwas Zeit füreinander genommen. Devlin musste nicht arbeiten und so hatten sie den ganzen Tag zusammen verbracht. Derrick hatte mal wieder kochen müssen, seitdem er für den Haushalt zuständig war, wurde er immer besser darin und Devlin bekam gar nicht mehr genug von seinen Gerichten. Am späten Nachmittag klingelte dann überrascht das Telefon. Keiner von ihnen erwartete einen Anruf, auch konnte es nicht Devlins Mutter sein, diese war noch zu dieser Zeit arbeiten, und sie rief nie von der Arbeit an. Derrick sah Devlin fragend an, dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern und bedeutete ihm, endlich ran zu gehen. Derrick seufzte leise, ging dann aber ans Telefon. Eine bekannte Stimme meldete sich auf der anderen Seite. „Derrick? Hier ist dein Vater…“ Als er realisierte, mit wem er da überhaupt telefonierte, fiel ihm fast der Hörer aus der Hand. Er konnte es kaum glauben. Was wollte sein Vater denn von ihm? Und woher hatte er die Nummer? Schließlich war diese nicht im Telefonbuch zu finden. „Was..was willst du?“ fragte Derrick unsicher und starrte zu Boden. Ihm wurde sofort mulmig zumute, als er die Stimme seines Vaters hörte. „Ich will mich entschuldigen. Bei dir und bei Devlin. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe.“ Derrick klappte der Mund auf. Er musste sich einfach verhört haben. Das konnte einfach nicht wahr sein. Sein Vater hatte sich noch nie in seinem Leben bei ihm entschuldigt. Und ausgerechnet in dem Sinne hätte er es nie erwartet. „Hör auf mich zu verarschen! Das soll ich dir wirklich glauben?!“ Derrick war wütend. Das konnte doch nur ein schlechter Witz sein. Er konnte es einfach nicht glauben. „Derrick… ich meine es ernst! Ich will mich wirklich entschuldigen. Können wir uns nicht irgendwo treffen und über alles reden?“ Devlin, der sich dazu gesellt und auf den Lautsprecher gedrückt hatte, um alles mitzubekommen, nickte heftig. Anscheinend war er wohl dafür. Derrick seufzte, stimmte dann aber zu. „Okay, wenn du unbedingt willst. Aber nicht zu Hause.“ Diesem Frieden traute Derrick nicht. Wer wusste schon, was zu Hause auf sie warten würde? Nach den Angriffen seines Vaters traute er ihm alles zu. Doch dieser schien Verständnis zu haben. „Ist gut. Wie wäre es in der Stadt? Jetzt gleich. In diesem kleinen Café in der Kunimus Straße. So in einer Stunde?“ Wieder nickte Devlin eifrig. „Ja okay. In einer Stunde. Bis gleich.“ Derrick legte auf. „Das ist doch super Derrick! Er will sich mit uns vertragen! Das ist doch toll! Freust du dich denn gar nicht?“ Derrick setzte sich aufs Sofa und sah zu Boden. „Irgendwie habe ich ein schlechtes Gefühl dabei. Ich weiß auch nicht warum. Das passt einfach nicht zu meinem Vater.“ „Ach Derrick…“ Devlin setzte sich neben ihn und lächelte ihn an. „Aber wenn es nicht so wäre, dann hätte er doch nicht angerufen. Und in einem Café wird er schon nichts machen. Da sind doch sicher viele Menschen. Wir sollten wirklich hingehen! Es wird schon gut gehen.“ Etwas zögernd nickte Derrick. Er hatte zwar immer noch ein schlechtes Gefühl, aber Devlin hatte Recht. Ein Versuch war es wert und in einem Café würde sein Vater sicher nicht auf dumme Ideen kommen. Nach einer halben Stunde machten sich beide auf den Weg. Im Gegensatz zu Derrick war Devlin bei bester Laune und total zuversichtlich. Aber je näher sie dem Café kamen, desto schlechter wurde Derricks Gefühl. Er wollte schon des Öfteren umkehren, aber Devlin hatte ihn immer wieder davon überzeugt, weiterzugehen. Sie hatten das Café schon fast erreicht, als sich plötzlich eine kleine Gruppe von sieben Männern ihnen in den Weg stellte. Die Männer waren alle mindestens so groß wie Derrick und ziemlich kräftig gebaut. Zwei der Männer hatten einen Baseballschläger in der Hand. Erschrocken wich Derrick mit Devlin zurück. Doch es war schon zu spät, man hatte sie bereits eingekreist. Sie kamen hier nicht mehr weg. Einer der Männer trat vor und grinste die beiden hinterhältig an. „Ihr zwei lästigen Schwuchteln! Euch machen wir fertig!“ Derrick merkte, wie Devlin zu zittern begann, aber er war nicht der Einzige der Angst hatte. Gegen so viele konnte Derrick kaum was ausrichten, zumindest nicht genug um Devlin zu schützen. Sie waren zu viele, zu kräftig. „Lasst, lasst uns in Ruhe! Wir haben keinem was getan!“ versuchte Derrick mit noch einigermaßen gefasster Stimme zu sagen. „Tja, das geht leider nicht.“ Das Grinsen des Mannes verschwand nicht. Jetzt traten auch die anderen hervor. Einer versuchte nach Devlin zu greifen, was Derrick jedoch mit einem Tritt in den Magen verhinderte. Devlin wich an die Wand eines Hauses zurück. Sie waren in einer kleinen Straße, die kaum beleuchtet war, es war schon dunkel und die meisten Leute nicht mehr draußen. Und selbst wenn jemand hier vorbei kommen würde, bezweifelte Derrick, dass ihnen geholfen würde. Wer würde sich schließlich freiwillig mit diesen Kerlen anlegen? Es war ein kläglicher Versuch von Derrick, sie von Devlin fern zu halten. Ein kläglicher Versuch, der schnell scheiterte. Es hatte nicht lange gedauert, bis Derrick auf den Boden lag, aus der Nase blutend und sich den Bauch haltend. Jetzt hatten sie freie Bahn, um zu Devlin zu gelangen. Aber von ihm selber ließen sie auch nicht ab. Sie traten auf ihn ein, ein furchtbarer Schmerz durchströmte seinen ganzen Körper. Das einzige was Derrick neben dem Schmerz noch vernahm, waren Devlins Schreie. Sie waren noch tausendmal schlimmer als diese körperlichen Wunden. Derrick versuchte sich aufzurichten, konnte dadurch einen Blick auf Devlin erhaschen, welcher von einem der Männer festgehalten wurde. Ein anderer schlug mit dem Baseballschläger immer wieder auf ihn ein. Devlin regte sich schon nicht mehr. Sein Kopf hing schlaff herab, Blut lief aus Mund und Nase und tropfte zu Boden. „Nein…bitte, bitte hört auf!“ flehte Derrick, Tränen stiegen in seine Augen. „Ihr bringt ihn um! Hört auf! Bitte!“ Aber sie hörten nicht auf. Sein Flehen wurde gekonnt überhört. Sie schlugen weiter zu, auch ihn schlugen sie noch einige Male, und irgendwann, Derrick wusste nicht wann es war, ließen sie von ihnen ab. Derrick, der noch ein wenig Kraft hatte und bei Bewusstsein war, kroch auf den Boden zu Devlin rüber, der nicht weit von ihm entfernt lag, überall mit Blut beschmiert. „Devlin…Devlin…“ Derrick schluchzte, als er die Hand des anderen nahm. „Hilfe…ich brauche Hilfe...“ Er versuchte zu schreien, doch er war zu schwach dafür. Schmerzen und Tränen erstickten seine Stimme. Langsam verblasste das Bild von Devlin vor seinen Augen und Schwärze nahm dafür den Platz ein. Derricks Vater sah auf die Uhr, während er sich in seinen Sessel zurücklehnte. Der Teufel musste mittlerweile ausgemerzt worden sein. Ein zufriedenes und kaltes Lächeln trat auf seine Lippen. Endlich hatte er den Teufel besiegt. So wie Gott es gewollt hatte. Piep. Piep. Piep. Ein regelmäßiges Piepen war zu hören. Er konnte nicht zu ordnen woher es kam. Aber es schien auch nicht aufzuhören. Wie lange lauschte er schon diesem Geräusch? Er wusste es nicht. Er hatte schon öfter versucht, seine Augen zu öffnen, aber seine Lider waren so schwer. Plötzlich trat ein anderes Geräusch neben das Piepen. Es war eine Stimme. Nur sehr leise verstand er, was gesagt wurde. „Er hatte wirklich Glück. Sie haben ihn ganz schön zugerichtet. Genauso wie den anderen. Aber den hat es noch schlimmer getroffen. Einfach schrecklich oder?“ Eine zweite Stimme kam hinzu. „Es ist echt ein Wunder, dass er noch lebt. Schade, dass dieses Wunder nicht zweimal passiert ist heute Nacht. Der arme Junge…“ Er versuchte erneut die Augen zu öffnen und dieses Mal gelang es ihm, auch wenn nur einen kleinen Spalt. Er sah zwei verschwommene Gestalten vor sich, mehr konnte er jedoch nicht erkennen. Das Piepen schien lauter zu werden. „Oh, er scheint aufzuwachen. Wie fühlst du dich Junge?“ Langsam konnte er die Stimme zu ordnen. Eine Frauenstimme. Er strengte sich an und öffnete die Augen etwas mehr. Die Gestalten vor ihm wurden deutlicher. Neben seinem Bett standen zwei Ärzte, leicht zu erkennen an ihren weißen Kitteln, eine Frau und ein Mann. Die Frau hatte sich leicht zu ihm runter gebeugt und sah ihn besorgt an. Er war also im Krankenhaus. Das Piepen kam von einem der Monitore, an denen er angeschlossen war. Er öffnete den Mund, versuchte was zu sagen, doch seine Stimme wehrte sich dagegen, das Wort auszusprechen, was ihm als einziges durch den Kopf schwirrte. Erst nach erneuten Anläufen brachte er es als ein kaum hörbares Flüstern heraus. „…Dev…lin…..?“ Nicht wahr. Es war nicht wahr. Das konnte nicht sein. Lüge. Sie logen ihn an. Er konnte und wollte es nicht glauben. „Seien Sie still!“ schrie er und riss sich die Infusionsnadel aus dem Arm heraus, um aufzustehen. „Lassen Sie mich zu ihm! Sie wollen ihn doch nur vor mir verstecken, ihn von mir fern halten! Ich will ihn sehen!“ Es eilten zwei Krankenschwestern herbei, um ihn festzuhalten. Aber er wehrte sich weiter. Keiner würde ihn aufhalten können jetzt zu Devlin zu gehen. Die Ärztin seufzte traurig. „Okay, ich werde dich zu ihm bringen.“ Anders schien Derrick es auch nicht zu glauben. Sie hatte Mitleid mit ihm. Er musste wohl sehr wichtig für ihn gewesen sein. Es wurde ein Rollstuhl gebracht, indem sich Derrick setzen musste. Langsam wurde er aus dem Zimmer geschoben, den langen, weißen Gang entlang. Er merkte, wie er am ganzen Körper zitterte. Nachdem er das erste Mal wach gewesen war, was nur um die fünf Minuten war, hatte er einen ganzen weiteren Tag durchgeschlafen. Erst dann war er wieder einigermaßen in der Lage gewesen, irgendwas aufzunehmen, wieder normal zu sprechen. Er hatte sich auch sofort nach Devlin erkundigt, aber die Ärzte wollten ihn anscheinend von ihm fernhalten, und das mit einer schrecklichen Lüge. Devlin sei Tod, hatten sie gesagt, sie hätten alles versucht um ihn zu retten. Aber das konnte nur eine Lüge sein. Denn Devlin hatte nämlich versprochen, für immer bei ihm zu sein. Er wäre nicht gegangen. Nicht ohne ihn. Er würde ihnen schon zeigen, dass ihn so eine Lüge nicht abhalten konnte. Deswegen hatte er so lange geschrieen, bis sich die Ärztin erbarmt hatte, ihn doch zu ihm zu bringen. Gleich würde er Devlin wieder sehen. In sein schönes Gesicht blicken können. Aber seltsamer Weise fühlte er eine Leere in seinem Innern, die er nicht zu ordnen konnte. So eine Leere hatte er noch nie gespürt und sie machte ihm Angst. Vor einer großen Metalltür blieben sie stehen. Es war definitiv keine Tür, die zu einem Patientenzimmer führte. Derrick zitterte stärker. Langsam wurde die Tür geöffnet. Ein seltsamer Geruch stieg ihm direkt in die Nase, als er rein geschoben wurde. Zuerst konnte er diesen Geruch nirgendwo zu ordnen, doch als er sich genauer umsah, erkannte er wo er war. Leichen. Überall Leichen. Die Ärztin steuerte einen Tisch an, wo jemand mit einem weißen Tuch bedeckt lag. Derricks Mund wurde trocken, Tränen stiegen in seine Augen. Er wusste wer darunter lag. Das konnte einfach nicht sein. Das Leichentuch wurde vorsichtig herunter gezogen. Am liebsten hätte er die Augen zugekniffen, er wollte nicht hinsehen, wollte diese Bestätigung nicht haben, aber er konnte den Blick nicht abwenden. Sein Gesicht war blau und geschwollen, an der Brust war er aufgeschnitten worden, aber auch diese Operation hatte ihm nicht geholfen. Devlin war tot, er war wirklich tot. Nie wieder würde er ihn anlächeln, nie wieder würde er seine Stimme hören können. Er war weg, einfach weggegangen. Zu einem Ort, den Derrick nicht erreichen konnte, zu einem Ort, an dem er ihn nicht zurückholen konnte. Der Schmerz traf ihn wie einen Schlag. Er hatte es endlich verstanden. „NEIN!“ Ein Schrei voller Trauer und Schmerz erhallte durch den Raum. Derrick war aus dem Rollstuhl aufgestanden, zu dem Tisch gewankt und umklammerte nun Devlins Leichnam. Er schüttelte ihn, flehte ihn an, dass er seine Augen wieder aufmachen solle, doch wusste er tief in seinem Innern, dass dies nicht passieren würde. Die Leere, die er schon die ganze Zeit in sich fühlte, jetzt war sie leicht zu verstehen. Es fehlte einfach ein Teil in seiner Seele. Eiskalt wurde es aus ihm heraus gerissen. Wieso hatte es ihn nicht treffen können? Wieso Devlin? Wieso er? Das war nicht gerecht. Warum tat man ihm das nur an? Der Schmerz war einfach unbeschreiblich. „Lügner! Du hast gesagt du gehst nicht weg! Du hast es versprochen! Komm zurück! Komm zurück!“ Minutenlang klammerte er sich an Devlins toten Körper, er wollte ihn nicht mehr loslassen. Es brauchte ganze drei Sanitäter, um ihn von Devlin wegzukriegen, doch selbst als er wieder in seinem Zimmer war, schrie und weinte er unaufhörlich. Sie mussten ihm ein starkes Beruhigungsmittel geben, um ihn überhaupt einigermaßen ruhig zu bekommen. Sieben Tage. Sieben Tage war es nun her. Der Wind blies ihm ins Gesicht. Sein Blick war leer. Sechs Tage lang hatten sie ihn zwangsernähren müssen. Mit Devlin war sein Hunger und sein Durst vergangen, aber nicht nur das war verschwunden. Auch jegliche Freude und Lebenslust. In ihm war nur noch Leere, endlose Leere. Der Psychiater verzweifelte an ihm. Egal was er tat, oder sagte, Derrick blieb stumm, beachtete ihn gar nicht. Es war so, als wäre Derrick gar nicht mehr hier, nur sein Körper würde hier liegen. Seine Seele jedoch war weg, auf der Suche nach Devlin. Jede Faser in seinem Körper wehrte sich dagegen weiterzuleben. Er wollte nur noch weg, er wollte sterben, um zu dem Ort zu gelangen, wo Devlin jetzt war. Wieso ließen sie ihn nicht einfach sterben? Natürlich war auch Devlins Mutter hier gewesen. Man hatte sie über den Tod ihres Sohnes informiert und sie war ins Krankenhaus gefahren, um Devlin ein letztes Mal zu sehen. Sie hatte Derrick besucht, versucht mit ihm zu reden. Aber auch bei ihr hatte er nicht reagiert. Selbst nicht als sie ihn angeschrieen hatte, sie weinend und flehend vor seinem Bett stand und ihn schüttelte. Für sie war es ebenfalls nicht leicht, sie hatte jetzt nicht nur ihren Mann sondern auch ihren einzigen Sohn verloren. Vielleicht würde die Zeit ihre Wunden heilen, aber bei Derrick würde es nicht so sein. Das was ihn immer am Leben gehalten hatte war nun weg. Und je mehr Tage vergingen, desto schlimmer wurde der Schmerz nur. In der Nacht auf den siebten Tag hatte Derrick geträumt. Einen wunderschönen Traum. Devlin hatte ihn in diesem Traum besucht, ihn angelächelt, mit ihm geredet. Er wünschte, er wäre nie wieder aufgewacht. Aber der Morgen war gekommen und Derrick erwachte aus diesem Traum. Aber nun hatte er verstanden. Er hatte gewusst was er tun musste. Es war in den frühen Morgenstunden gewesen als Derrick langsam aus seinem Bett aufgestanden war und auf wackeligen Beinen das Zimmer verlassen hatte, sein Ziel klar vor Augen. Er hatte Glück das im Moment keiner der Krankenschwestern auf dem Flur gewesen war und er deswegen so ohne weitere Probleme den Fahrstuhl erreicht hatte. Er war nach oben gefahren, so hoch wie es nur ging. Das letzte Stück hatte er nur durch eine Treppe erreicht. Als er die Tür geöffnet hatte, war ihm eine kühle Brise entgegen gekommen. Auf dem Dach war es kalt, aber das interessierte ihn nicht. Derrick ging weiter bis zum Rand. Die Sonne ging gerade auf. „Derrick! Weißt du was ich heute geträumt habe? Ich stand auf einem Dach, die Sonne ging gerade auf! Es war wunderschön! Und dann bin ich gesprungen, aber ich konnte fliegen! Ich bin geflogen, hoch zu den Wolken! Es war ein wunderbares Gefühl! Ich habe mich so frei wie ein Vogel gefühlt!“ In seiner Stimme hatte man die Begeisterung hören können. Er hatte gelächelt, und seine Augen vor Glück und Freude gestrahlt. Die letzte Erinnerung an die sich Derrick klammerte. Es war der letzte Traum gewesen, von dem Devlin ihm erzählt hatte. Der Sonnenaufgang vor ihm verschwamm, denn seine Augen füllten sich mit Tränen. Noch einige Minuten starrte er den Sonnenaufgang an, dachte dabei an Devlin. „Ich komme jetzt zu dir Devlin, nicht mehr lange, dann sind wir wieder vereint. Ich werde zu dir fliegen, so wie in deinem Traum. Kommst du mich abholen...?“ Er schloss die Augen, breitete langsam die Arme aus. „Ich liebe dich Devlin…für immer…“ Das waren seine letzten Worte, ehe er sich nach vorne fallen ließ. Er fiel schnell. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Er bekam weniger Luft. Soviel Druck. Immer mehr Schwärze breitete sich vor seinen Augen aus. Doch bevor er das Bewusstsein ganz verlor, sah er noch einmal Devlin. Er lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. Er holte ihn also wirklich ab. Ein letztes glückliches Lächeln, dann war alles Schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)