Gute Nacht von abgemeldet (Heiji x Shinichi) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war beinahe Mitternacht und der letzte Zug verließ Osaka, um in eine andere Stadt zu fahren. Ein genervter junger Mann wartete auf dem gleichen Gleis und schaute aller paar Minuten auf die Uhr. Er wartete bereits seit über einer Stunde und hatte schon länger überlegt, ob er nicht mit dem Zug, der gerade den Bahnhof verlassen hatte, fahren sollte. Er war schon immer ein ungeduldiger Mensch gewesen und vor allem heute, wenn es draußen schneite und der Bahnhof ebenfalls einem Eiszapfen glich.   Seufzend schulterte er seine rote Reisetasche auf und setzte sich in Bewegung. Er war schon öfters bei seinem besten Freund gewesen, doch den Weg hatte er sich nie wirklich gemerkt. Er hatte es nicht für nötig gehalten. Sein Gedächtnis war zwar sehr gut, aber man merkte sich eben nur das, was sich lohnte gemerkt zu werden.   Fahrig fuhr er sich über die schlanken Finger. Sie waren kalt. In Tokyo war es nicht so kalt gewesen. Das Beste wäre es, wenn er ein Taxi nähme. Die Adresse hatte er irgendwo aufgeschrieben, die Frage war nur, ob er sie auch eingesteckt hatte. In letzter Zeit war er ein bisschen schlampig geworden, was nicht gerade fördernd für seine Detektiv-Karriere war. Diese ganzen Mörderspielchen wurden jedoch immer ermüdender. Früher war es sein Hobby gewesen, doch nun hatte er es zum Beruf gemacht.   Mit seinen neunzehn Jahren ein angesehener Schnüffler zu sein war schon nicht einfach. Manchmal kam er sich vor wie Miss Marple, mit seinen ganzen Kriminalromanen im Wohnzimmer und dem eigenen kleinen Chemielabor a là Sherlock Holmes. Seine derzeitigen Aufträge waren langweilig, ja richtig bitter langweilig, wie er es manchmal nannte. Die Kreativität der Verbrecher ließ von Jahr zu Jahr immer mehr nach und somit sah er sich keiner großen Herausforderung mehr gegenüber.   Kurzfristig hatte er also ein „Für unbestimmte Zeit geschlossen“-Schild hinter die Tür seiner Detektei gehängt. Sein Handy hatte er gleich Zuhause gelassen, damit bloß niemand versuchte ihn anzurufen. Jedoch hatte er zuvor spontan bei Heiji angerufen und sich für ein paar Tage im ruhigeren Städtchen Osaka angemeldet.   Der gebürtige Hattori-Erbe war überglücklich über den Besuch, jedenfalls hatte es so am Telefon geklungen, da dieser in den letzten Monaten eine schwere Zeit durchgemacht hatte. Seine Freundin Kazuha hatte sich vor einiger Zeit von ihm getrennt. Die Umstände waren Shinichi nicht völlig klar. Was er jedoch wusste war, dass es etwas mit einem Monate langen Aufenthalt in irgendeinem Dörfchen zu tun gehabt hatte. Anscheinend hatte Hattori dort einen nicht gerade wenig bezahlten Job gehabt und sich nur einmal bei Kazuha gemeldet.   Gähnend ging er durch den Ausgang des neuen Bahnhofes und schaute sich nach einem Taxi um, doch dann spritzte ihm eine Mischung aus Schnee und Matsch ins Gesicht. Ein Motorrad hatte vor ihm gebremst.   „Hey, Kudô!“, feixte eine ihm wohl bekannte Stimme.   „Super, jetzt bin ich von oben bis unten nass“, sagte Shinichi leicht genervt und versuchte seine Wut zu unterdrücken.   Der Fahrer nahm seinen Helm ab und hervor kam das hart geschnittene und gebräunte Gesicht von Heiji Hattori, Sohn des Polizeichefs von Osaka. Er lächelte den nass gespritzten jungen Mann an und reichte ihm seine Hand. Shinichi sah diese jedoch nur an und schmollte.   „Mann, bist du böse auf mich?“   „Nein, ich warte gerne zwei Stunden im Bahnhof und werde krank“, sagte Shinichi und verstaute ohne weiteren Kommentar seine Tasche im Gepäckträger des Motorrades. „Gib mir deinen zweiten Helm.“   „Hier. Und sei mir doch nicht böse. Ich musste zu meinem Vater und mir mal wieder eine Standpauke anhören.“   Shinichi nahm den dunklen Helm, setzte ihn auf und stieg hinter Heiji auf den Sitz. Er wollte nur noch in ein Bett und schlafen. Seine Sachen waren bis auf die Haut durchweicht und er konnte bereits spüren, dass eine Grippe nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.   „Halte dich fest“, sagte Heiji mit einer weichen Stimme.   Shinichi umschlang den Bauch seines Freundes und lehnte seinen Kopf auf dessen Rücken. Er konnte fühlen, wie der Wind immer stärker wurde und sie mit steigender Geschwindigkeit über die leeren Straßen von Osaka fegten. Ab und zu konnte er einen genervten Laut seines Freundes hören, der an einer Ampel halten musste.   Nach einer Viertelstunde waren sie endlich angekommen. Heiji hatte zu seinem letzten Geburtstag ein Apartment bezahlt bekommen. Shinichi hatte im Vergleich das Geld seiner Eltern abgelehnt. Er wollte schon immer auf eigenen Beinen stehen, sein Psychologiestudium abbezahlen und nebenbei als Detektiv arbeiten.   „Hey, Shinichi, wir sind da, schlaf' nicht ein“, flüsterte Heiji und rüttelte ein wenig an dessen Schulter.   „Ich bin schon wach“, murrte der Detektiv aus Tokyo verschlafen.   „Na los, geh runter vom Motorrad. Es ist besser, wenn du reingehst, es hat wieder angefangen mit schneien. Ich trage dir sogar deine Tasche“, sagte Heiji und rollte sein „Baby“ in die Garage.   Shinichi lief ein wenig hilflos durch den Eingang des mehrstöckigen Apartmentgebäudes und blieb vor dem Fahrstuhl stehen. Verdammt, welcher Stock war es noch gleich gewesen?   „Der sechste. Was ist denn los mit dir, du Superdetektiv?“, fragte eine gehässige Stimme hinter ihm und drückte den Fahrstuhlknopf, so dass sich die Türe öffnete.   „Ich bin nicht hier, damit du dich über mich lustig machen kannst“, biss Shinichi zurück und ging in den Fahrstuhl.   „Sorry, aber was ist denn nun los?“   „Ich weiß nicht, bin wohl genervt, weil ich warten musste.“   „Ich habe mich doch schon entschuldigt!“   „'Ne gute Entschuldigung wäre, wenn du mir ein heißes Bad einlassen würdest.“   „Wie der Herr befiehlt“, künstelte Heiji.   Gemeinsam gingen sie aus dem Fahrstuhl und traten in das 90qm große Apartment. Manchmal war Shinichi richtig neidisch, wenn er diesen „Palast“ betrat, dann dachte er, dass er das Gleiche auch haben könnte und nicht mit einer 30qm-Wohnung vorlieb nehmen müsste.   „Ich werd' dir mal das Bad einlassen. Deine Tasche habe ich im Wohnzimmer abgestellt“, sagte Heiji und ging in Richtung des marmorsteinernen Bades.   Shinichi zog seine Schuhe aus und hängte die schwarze Jacke zu den anderen. Er blieb im Flur stehen und wartete darauf, dass Heiji zurückkam. Aus seiner Tasche hatte er sich nur frische Shorts geholt. Das andere Zeug konnte er gleich zum Trocknen aufhängen.   „Kannst reinkommen!“, rief Heiji und kam aus dem Bad.   Shinichi ging ohne weiteren Kommentar in das Bad und schloss es ab. Ihm kam gleich der fruchtig duftende Geruch des Schaums entgegen und er freute sich regelrecht auf das heiße Wasser, dass seine erstarrten Glieder wieder erwärmen würde.   Heiji setzte sich mit einer Tasse Tee auf die Couch und stellte den Fernseher an. Dieser Kudô war wirklich unberechenbar und furchtbar schnell eingeschnappt. Aber leider, so musste er zugeben, war die Wut des Detektivs diesmal berechtigt. Heiji hätte sich von seinem Vater losreißen müssen und seinen Freund abholen oder sich melden sollen. Aber nicht mal das wäre gegangen, da Shinichi sein Handy nicht mit hatte.   Dass Shinichi es in letzter Zeit nicht einfach hatte, wusste er. Ran war nach einem großen Streit mit ihm weggezogen, der Tod ihres Vaters hatte dabei auch eine Rolle gespielt. Kogoro hatte sich vor circa einem halben Jahr in einen Fall der Polizei eingemischt und war in eine Schießerei geraten, die für ihn leider tödlich geendet hatte. Ran versuchte danach Trost bei Shinichi zu finden, der jedoch zu dieser Zeit mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte - so kam es damals zur Trennung.   Nach einer Doku über Mütter, die mit ihren hyperintelligenten Kindern nicht klarkamen, und den stinklangweiligen Nachrichten kam Shinichi endlich wieder aus dem Bad, nur mit seiner Shorts bekleidet und gerade dabei seine Haare mit einem Handtuch abzutrocknen.   „Und ist dir nun wieder wärmer?“, fragte Heiji und machte den Fernseher leiser.   „Ja, um einiges. Tut mir Leid, dass ich so zickig war.“   „Nein, es war ja schließlich meine Schuld. Willst du eigentlich schlafen oder wollen wir noch einen Film gucken?“   „Ich würde lieber ins Bett. Der Tag war nicht so berauschend. Hast du eigentlich immer noch kein Gästebett?“   Heiji zog eine Augenbraue nach oben und machte den Flimmerkasten aus. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und verneinte die Frage. Ein Junggeselle, wie er es war, brauchte doch kein Gästebett. So würde er keine Mädchen angeln können. Shinichi schnaubte verächtlich und folgte Heiji in sein Schlafzimmer. Ein 2x2 Meter-Bett stand mitten im Raum. Shinichi hatte sich bei jedem Besuch darüber beschwert, dass er mit seinem Kumpel in einem Bett schlafen musste, doch heute war er eindeutig zu müde dafür und so ließ er sich auf das weiche Polster fallen.   Er versuchte krampfhaft wegzusehen, als sich Heiji bis auf die Unterwäsche auszog und gleich darauf mit unter die Decke krabbelte. Eine Weile sagte keiner etwas von ihnen, bis der Polizeisohn endlich das Schweigen brach.   „Wie lange willst du bleiben?“   „So lange ich dir nicht auf die Nerven gehe“, nuschelte Shinichi in die Schlafdecke.   „Dann bleib, solange du willst.“   „Hm?“   „Ich meine damit, dass du kannst gerne bis Silvester oder länger bleiben kannst, ich weiß ja nicht, was du mit deinen Freunden in Tokyo geplant hast über die Feiertage.“   „Frag' lieber nicht. Weihnachten verbrachte ich die letzten zwei Jahre alleine, da wäre es zur Abwechslung mal interessant, diese hier in Osaka zu verbringen.“   „Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn du hier bliebst.“   „Warum?“, hakte Shinichi nach; es war das erste richtige Gespräch seit seiner Ankunft.   „Mein Vater muss über die Feiertage arbeiten und meine Mutter hat Besseres zu tun. Von daher wäre es doch bescheuert, wenn du und ich diese alleine verbringen.“   „Ok, dann bleibe ich hier...“   Es folgte wieder eine lange und peinliche Pause. Beide konnten den Atem des jeweiligen anderen hören.   „Shinichi?“   „Ja?“   „Gute Nacht“, sagte Heiji ein wenig zögernd.   „Gute Nacht“, erwiderte dieser zaghaft. Shinichi blinzelte verschlafen. Die Sonne schien geradewegs in das einzige und riesige Fenster des Schlafzimmers. Er drehte sich auf die andere Seite und schaute verschlafen auf den leeren Platz neben sich. Heiji war anscheinend schon aufgestanden. Gähnend setzte er sich auf und sah sich um. Seine Tasche stand in der Nähe vom Bett.   Langsam erhob und streckte er sich, um die Müdigkeit aus seinen Gliedern zu vertreiben. Zwischen zwei Gähnern konnte er hören, wie sein Kumpel in der Küche wütete und leise fluchte. Es war ein Wunder, dass Heiji überhaupt einen Teller ganz lassen konnte. Manchmal war dieser wirklich ein Grobmotoriker, der vor allem in der Küche zwei linke Hände hatten. Der Jungdetektiv machte sich also auf in die moderne Küche und wie gesagt ließ der Osakaner gerade etwas anbrennen.   „Bevor du fragst: Ich will kein Rührei“, sagte Shinichi.   „Oh, Morgen. Kann ich sogar verstehen“, lachte Heiji und warf die verbrannten Rückstände in den Mülleimer und drehte sich wieder zu seinem Freund. „Müsli und Brötchen?“   „Liebend gerne. Falls du wieder auf die Idee kommen solltest, was Warmes zu essen, was außerhalb der Mikrowellenreichweite liegt, lass mich das machen“, sagte Shinichi und kippte sich ein wenig des Schokomüslis in die Schüssel.   „Hast du auf irgendwas Besonderes Lust heute?“   „Nicht wirklich. Wir können ja einfach mal ziellos durch die Stadt, vielleicht finde ich ja was, wo wir länger bleiben können.“   „Na dann los! Zieh dich an, es ist nämlich schon nach Mittag, du hast ziemlich lange geschlafen.“   „Wundert's dich? Du musstest keine Stunden in der Bahnhofskälte warten“, scherzte Shinichi und ging ins Bad nachdem er sein Müsli gegessen hatte.   Nachdem er sich angezogen und gewaschen hatte, machten sich beide auf den Weg in die Stadt. So kurz vor Weihnachten versuchten die meisten noch Geschenke auf den letzten Drücker zu kaufen und ein paar überteuerte Schnäppchen zu machen. Irgendwann beschlossen sie sich in ein Café zu setzen und nach gewohnter Detektiv-Art zu analysieren.   „Hm... Unverheiratet, aber geschieden und noch immer in ihn verliebt...“, sagte Shinichi und lehnte sich zurück um seinen Kaffee zu schlürfen.   „Und wie kommst du auf die Vermutung?“   „Ehering, nicht am Ringfinger, sondern am Mittelfinger. Von daher würde ich mal sagen, dass sie nicht unbedingt heraus posaunen will, dass sie mal verheiratet war, aber es nicht wirklich vergessen will.“   „So?“, fragte Heiji skeptisch.   „Nein, sie ist dabei ihre Scheidungsunterlagen zu lesen und schaut unglücklich verliebt aus“, gab Shinichi zu und schlürfte seinen Schwarzen Kaffee.   „Das kannst du von hier erkennen?!“   „Ich bin nicht so blind wie du“, scherzte der Tokyoter und formte mit seinen Fingern eine Brille.   Sie fingen an sich über vergangene Fälle zu unterhalten und schwelgten in früheren Erinnerungen, als die Welt wenigstens noch halbwegs schön war. Heiji musste schmunzeln, da er bei den Geschichten immer wieder an die kleinere Version seines Kumpels, Conan Edogawa, denken musste. Aber nun war er wieder groß und das hatte zum Glück nichts an ihrer Freundschaft geändert, sie im Gegensatz sogar noch gestärkt.   „... Ja, und dann versuchte er doch tatsächlich aus dem zehnten Stock zu flüchten und merkte es erst kurz vor dem Sprung“, lachte Shinichi und biss von seinem Frischkäse-Bagel ab.   „Mann, die coolen Fälle hast immer du! Wir hätten uns früher öfters treffen müssen. Diese ganzen Verbrechen scheinen uns ja förmlich anzuziehen, vor allem, wenn wir zusammen sind.“   „Da hast du Recht. Die schlimmsten Morde sind immer passiert, wenn ich in Osaka war oder du in Tokyo.“   „Was hältst du davon, wenn du nach Osaka ziehst und wir zusammen eine Detektei aufmachen?“, fragte Heiji gelassen.   „Was?!“, röchelte Shinichi, der sich an seinem Kaffee verschluckt hatte.   „Wenn du möchtest, kann ich auch nach Tokyo ziehen.“   „Heiji, das ist doch ein Scherz, oder?“, fragte Shinichi immer noch fassungslos.   „Um ehrlich zu sein: Nein. Hör zu, es ist nicht einfach für mich, das dir zu sagen, aber mit meinem Vater läuft es derzeit nicht sonderlich. Er ist sauer auf mich, weil ich mich in ein paar seiner Fälle eingemischt habe und hat mir bis auf weiteres verboten überhaupt in die Nähe von Toten oder Streifenwagen zu gehen.“   „Er war zwar früher schon immer unfreundlich, wenn es darum ging, dass du dich in seine Angelegenheiten mischst, aber dann hat er doch nach ein paar Tagen Gras über die Sache wachsen lassen.“   „Was soll ich sagen? Es war ein Fall, indem einer von seinen Leuten ermordet wurde. Es hat was mit Ehre zu tun, dass seine Abteilung den Täter findet, aber ich bin ihnen zuvorgekommen.“   „Und deswegen ist er so sauer auf dich? Das ist doch hirnrissig. Du hast den Mörder gefunden, er sollte stolz auf dich sein.“   „Ist er aber nicht... Und deswegen…“   „Heiji, das ist wirklich nett, dass du mit mir zusammen eine Detektei eröffnen möchtest, aber ich habe gerade angefangen auf eigenen Füßen zu stehen und…“   „Lass, es war nur ein Scherz“, grinste Heiji und schob sich die mit Schokokuchen beladene Gabel in den Mund.   Shinichi beäugte ihn irritiert, aber versuchte nicht weiter nach zu stochern. Stattdessen beschlossen sie in die Innenstadt zu gehen, um Essen für die Weihnachtstage zu kaufen. Natürlich wurde am meisten für Schokolade ausgegeben, da Heiji an jedem Süßigkeitenstand schmachtete und man regelrecht sehen konnte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.   Der Detektiv aus Tokyo musste zugeben, dass ihm dieser Stadtbummel gefiel. Früher hatte er es gehasst. Vielleicht lag es auch daran, dass Ran ihm jegliche Freude an Konsum entzogen hatte. Frauen kreischen bei jedem süßen Plüschtier und brauchen dazu noch drei Stunden oder länger um sich eine Hose oder ein anderes Kleidungsstück zu kaufen. Männer waren so viel einfacher. Selbst, wenn ihnen etwas gefiel verbrachten sie damit nicht ewig viele Stunden.   Heiji war das beste Beispiel. Er verschwand kurz, weil er sich etwas ansehen wollte, und eine Minute später kam er zurück mit was zu essen in der Hand.   Urplötzlich fielen weiße Flocken vom Himmel. Viele der Passanten blieben mitten auf der Einkaufsstraße stehen, so auch Heiji und Shinichi, die zwinkernd in den schwarzen Himmel sahen.   „Wow, es schneit!“, rief Heiji und zog seine Handschuhe aus, um den Schnee zu ertasten.   „Das ist echt Wahnsinn! Wir bekommen weiße Weihnachten“, freute sich auch Shinichi und schaute auf die schmale Schneeschicht, die sich auf der Straße gebildet hat.   „Das ist jetzt sicher schon drei Jahre her. Meinst du, dass es liegen bleibt?“   „Vielleicht. Es wäre schon schön. Ich kann mich kaum dran erinnern, dass wir zu Silvester Schnee hatten.“   „Ich mich auch nicht. Hey, wollen wir noch Feuerwerk kaufen? Ich habe nach dem Weihnachtsstress selten Lust dazu“, stöhnte Heiji und biss von seinem kürzlich erworbenen Krapfen ab.   „Klar! Aber danach gehen wir lieber schnell nach Hause, bevor wir noch erfrieren“, grinste Shinichi und steckte seine Hände in die Manteltaschen.   Vorsichtig schielte Shinichi zu seinem Freund, der einen Laden für Feuerwerkskörper suchte. Ihm war nie bewusst gewesen, dass Heiji so ein Fresssack war. Ok, er war immer derjenige, der mehr gegessen hatte, aber über die Feiertage hinweg war es schlimmer als je zuvor.   Bald hatten sie es geschafft, ihre Einkäufe zu beenden und den Weg zurück zur Wohnung anzutreten. Mittlerweile fiel der Schnee immer dichter und heftiger. Die meisten Menschen waren von den Gehwegen verschwunden und auch die befahrenen Straßen waren wie leergefegt, da sich niemand auf den rapiden Einbruch des Winters vorbereitet hatte. Der Schnee, welcher vor wenigen Tagen in Osaka gefallen war, war nur kurz liegen geblieben und hatte die Stadt bis dahin in ein schmutziges und nasses Grau getaucht, doch nun konnte man mit einem glänzenden Weiß rechnen.   Heiji hatte beide Hände voll mit Essenstüten, und Shinichi „durfte“ das Feuerwerk tragen. Zur Freude der beiden hatten sie sogar noch Lebkuchen kaufen können, der kurz vor dem Ausverkauf stand.   Die Eingangshalle des Apartmenthauses war wohltuend warm und diese penetrante Weihnachtsmusik im Fahrstuhl störte nicht einmal mehr die beiden Detektive. Ein wenig umständlich versuchte Heiji an seine Haustürschlüssel zu kommen, da er die Tüten nicht abstellen wollte. Nach schier endlos langer Zeit und genervten Seufzern von Shinichi hatte er es endlich geschafft den Schlüssel zu finden und die Tür zu öffnen.   „Wo soll ich die Tüten hinstellen?“, fragte Shinichi.   „Lass sie hier im Flur. Wir brauchen sie ja erst in einer Woche.“   Eine Woche. Es war merkwürdig, wenn er drüber nachdachte. Früher konnten sie sich glücklich schätzen, wenn sie mal ein Wochenende zusammen waren. Und nun war so unglaublich viel Zeit, dass es Shinichi schon mulmig wurde. Er mochte Heiji, er kannte ihn wie kein Zweiter und leider wusste er auch, dass umso länger er hier in Osaka bliebe, umso mehr er später Probleme haben würde zu fahren.   „Shinichi, wo bleibst du?“, rief sein Freund aus der Küche.   Er antwortete nicht, sondern ging schweigend in die Richtung aus der die Stimme kam. Heiji war gerade dabei den Kühlschrank einzuräumen.   „Da bist du ja. Hast du noch Hunger? Wenn ja, würde ich was für uns kochen.“   „Nein, aber... Du, Heiji. Das Gespräch von heute Nachmittag, als du mich gefragt hast, ob wir nicht zusammen arbeiten wollen.“   „Ich habe dir doch gesagt, dass es ein Scherz war...“   „Eigentlich würde ich sehr gerne öfters mit dir arbeiten und ich finde, dass es keine schlechte Idee ist“, sagte Shinichi leise. „Und ich könnte ganz gut einen Tapetenwechsel vertragen, von daher würde ich sogar nach Osaka ziehen. In Tokyo hält mich ja nichts, außer meinem Studium und das kann ich auch woanders fortsetzen.“   „Öhm...“, stotterte Heiji und schloss die Kühlschranktüre. „Also, meinst du das etwa ernst?“   Für einen Moment blieb Shinichi das Herz stehen. Es hörte sich so an, als ob Heiji wirklich einen Scherz gemacht hatte und nun war er gerade dabei sich zu blamieren, indem er ihm gestand, dass er gerne öfters bei ihm sein würde. Shinichi schwieg, aber nickte zaghaft. Er versuchte es zu vermeiden sein Gegenüber anzusehen und starrte stattdessen auf den Fußboden.   „Das ist ja Wahnsinn! Du willst ehrlich?!“, lächelte Heiji und umarmte seinen Freund stürmisch, löste sich jedoch schnell wieder.   Verlegen kratzte sich Shinichi am Arm. Mit so einem Gefühlsausbruch hatte er nicht gerechnet. Heiji schien die ganze Sache auch peinlich zu sein, doch er versteckte es gekonnt. Er war schon immer eher der Verdränger gewesen und Shinichi sah man im Vergleich immer an, was dieser fühlte.   „Dann wäre das ja geklärt. Ich zieh nach Osaka“, bestätigte der Noch-Tokyoter.   „Lass uns das mal lieber im Wohnzimmer besprechen. Das Thema ist mir dafür zu schade um es in der Küche zu diskutieren“, sagte Heiji und setzte zum Gehen an.   Shinichi folgte ihm. Beide nahmen auf der Couch Platz und Heiji legte seine Füße hoch. Er war aufgeregt, aber zeigte es nicht. Niemals hatte er sich so ein Weihnachtsgeschenk erträumen lassen. Sein bester Freund wollte mit ihm ein Detektiv-Büro eröffnen...   „Wenn das für dich wirklich ok ist, bleiben wir hier in Osaka. Ich wär' dir aber auch nicht böse, wenn du in Tokyo bleiben willstwegen deinem Studium, dann ziehe ich einfach zu dir in die Hauptstadt“, säuselte Heiji und zupfte nervös an seinem Hemd.   „Nein, mir ist Osaka lieber um ehrlich zu sein. Die Stadt hier ist um einiges ruhiger als Tokyo und das gefällt mir. Das Studium kann ich, wie gesagt, auch hier fortsetzen. Ich habe gehört, dass ihr einen sehr guten Psychologie-Professor habt, den sogar die Polizei ab und an zu Rate zieht.“   „Oh ja, Professor Tsuki. Er ist ausgezeichnet in allen Gebieten der Psychologie. Von ihm könntest du sicher noch einiges lernen“, feixte Heiji und stupste seinen Kumpel in die Seite.   „Was meinst du, wie wir an das Geld rankommen? Also wegen der Detektei“, fragte Shinichi und schaute Heiji gespannt an. "Ich will meine Eltern nur ungern fragen."   „Ich verkaufe das Apartment.“   „Was?!“   „Du hast schon richtig gehört. Mein Vater wird zwar stinksauer sein, so wie ich ihn kenne, da er es mir gekauft hat, nachdem ich die Schule gut abgeschlossen habe, aber das ist mir egal.“   „Das kannst du doch nicht einfach machen!“   „Das denkst du!“, lachte der Gebräunte. „Das Loswerden dürfte nicht schwer werden. Eher eine billige Wohnung für uns beide zu finden und ein Büro, dass bezahlbar ist.“   „Zusammenziehen?“, stotterte Shinichi und schaute ein wenig verdutzt.   „Ich dachte, dass das klar wäre“, schmunzelte Heiji.   „Hm ja, natürlich.“, versuchte Shinichi zu erwidern.   „Na dann... Nach den Feiertagen machen wir uns auf die Suche. Möbel und alles nehmen wir einfach aus meiner Wohnung hier mit, und lassen den Rest, den du mitnehmen willst aus Tokyo her senden.“   Shinichi fühlte sich zwar ein bisschen überrumpelt von den ganzen Planungen und die Schnelle, die Heiji an den Tag legte. Doch er wusste, dass der Detektiv aus Osaka es auch durchziehen würde, wenn er sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte.   Shinichi atmete tief durch. „Ich freue mich“, sagte er leise.   „Ich mich auch“, lächelte Heiji. „Ich hätte nie gedacht, dass das wirklich mal was werden sollte. Zusammen werden wir ein bombastisches Geschäft machen! Sherlock Holmes war nichts dagegen!“   „Na na“, sagte Shinichi und fuchtelte drohend mit seinem Zeigefinger, während er ein gespielt böses Gesicht machte.   „Ich weiß, wir dürfen den Gott nicht verspotten“, giftete Heiji und zog eine Schnute.   Nun war es passiert. Shinichi warf sich auf den überraschten Heiji und fing an ihn zu kitzeln. Der Osakaner zuckte zusammen und musste sein Gelächter unterdrücken. Dieser Überraschungsangriff war zu spontan gekommen und die Last lag schwer auf seiner Brust.   „Na? Wer ist der beste Detektiv aller Zeiten?“, fragte Shinichi erhaben.   „Sherlock Holmes, Sherlock Holmes“, japste Heiji und versuchte sich aus dem festen Griff zu befreien.   „Den meine ich nicht“, grinste Shinichi fies und kitzelte den Gebräunten noch einmal richtig durch, bevor es diesem zu bunt wurde und er den Kleineren überwältigte.   Sein jahrelanges Training hatte sich bezahlt gemacht und nun lag der zuvor Dominantere unter ihm und keuchte erschrocken auf, als er bemerkte, dass die Plätze vertauscht wurden. Heiji saß auf Shinichis Becken und hatte dessen Handgelenke fest umklammert.   „Ich weiß schon... Du wolltest nicht so offensichtlich sagen, dass ICH der beste Detektiv aller Zeiten bin“, sagte Heiji und beugte sich ein Stück herunter.   Shinichis Herz klopfte vor Aufregung. Damit hatte er nun ganz und gar nicht gerechnet. Es war weniger, dass Heiji ihn festgenagelt hatte, mehr, dass dessen Gesicht so nah an seinem war und er den warmen Atem spüren konnte. Heijis Augen schienen ihn zu durchbohren und nicht loszulassen. Es wirkte wie eine Hypnose und Shinichis Augen schienen ein wenig schläfrig.   „Ja... Du... Du bist der Beste“, stammelte Shinichi, ohne es wirklich zu realisieren.   „Wa- was?!“, rief Heiji verblüfft und ließ die Handgelenke seines Opfers los.   „Ich hm... Hm...“, stockte Shinichi und war durch seine Worte nicht weniger geschockt. „Also das war jetzt nicht so gemeint...“   Umständlich befreite sich der Kleinere aus den Fängen und krabbelte von der Couch. Shinichi stammelte schnell ein „Gute Nacht“ und verschwand so lautlos wie möglich aus dem Zimmer. Zurück blieb der verdutzte Heiji. Er sah auf die kürzlich geschlossene Türe und senkte seinen Kopf. Shinichi hatte ihn mit solch verklärten Augen angesehen und dann noch gesagt, dass Heiji der Beste wäre. Es wirkte nicht gelogen, wenn er denn versuchte den Blick zu deuten.   Langsam stand er auf und ging in sein Schlafzimmer, wo er Shinichi im Bett liegen sah. Er hatte sich unter die Decke gegraben und versuchte keinen Laut von sich zu geben. Heiji zog sich leise aus und legte seine Sachen auf einen der Stühle. Sachte schlüpfte er unter seinen Teil der Bettdecke und konnte neben sich ein raschelndes Geräusch hören. Shinichi hatte sich umgedreht und schien nun zur Türe zu starren, die man in der Dunkelheit so oder so nicht mehr sehen konnte.   „Shinichi...“   Der Angesprochene sagte nichts, aber hatte zusammen gezuckt, als dessen Name fiel. Heiji konnte das stockende Atmen hören.   „Hör mir zu“, fing Heiji von neuem an, „ich hab mich nur erschrocken, weil es so klang, als, ob du es ernst gemeint hast.“   „Hab ich ja auch“, sagte Shinichi leise und drehte sich wieder um.   Das Zimmer war nicht sonderlich beschienen, da die Gardinen einen großen Teil des Mondlichts dämmten.   „Mir ist es zwar nur rausgerutscht, aber es stimmt. Du bist der Bessere von uns beiden. Du bist dir nicht zu fein Geld von deinen Eltern anzunehmen, trainierst wie ein Besessener, hast Fälle bis zum Abwinken und ich fliehe aus Tokyo, weil mir alles zu viel ist.“   „Warum machst du dich runter? Du hast das nicht nötig.“   „Warum nicht?“, schnaubte Shinichi verächtlich.   „Weil du viel zu intelligent bist, um dich so abfällig zu bewerten. Du bist mein bester Freund und glaube mir, du wärst es nicht, wenn du nicht so logisch, schlau und... lieb wärst.“   Lieb? Hallo... Waren wir hier gerade in einer Seifenoper und schnulzten 'rum? Shinichi musste bei dem letzten Wort ungewollt lächeln und hörbar einatmen. Es war lange, viel zu lange her, dass er solche Worte gehört hatte und er war glücklich, dass sie von Heiji kamen.   „Ich bin froh, dass ich in Osaka bin“, nuschelte Shinichi ins Kissen.   Heijis Atem ging schneller. Er merkte regelrecht, dass sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Die ganze Zeit hatte er gedacht, dass es ihm schlecht ging, doch Shinichi fühlte sich um einiges mieser, als er gedacht hatte. Unbedacht rutschte er ein Stück näher an den Körper neben sich und nahm Shinichi in die Arme. Seufzend erwiderte der Kleinere die Umarmung und kuschelte sich an den nackten Oberkörper.     Shinichi wachte mit Kopfschmerzen auf. Er spürte regelrecht, dass seine linke Schläfe zu platzen drohte, doch der Rest seines Körpers keinen negativen Mucks machte. Ganz im Gegenteil. Es war kuschelig warm. Dann kam plötzlich die Erinnerung der gestrigen Nacht zurück und er schreckte hoch, da er die Quelle der Wärme realisierte. Heiji lag längs im Bett und schien noch tief zu schlafen. Shinichi jedoch starrte auf den Körper neben sich und musste lächeln. Sein derzeit einziger richtiger Freund hatte ihn getröstet. Und es beruhigte ihn ungemein.   So leise wie möglich versuchte er aus dem Bett aufzustehen, doch eine Hand an seinem Arm hinderte ihn.   „Wo willst du hin?“, fragte Heiji.   „Ich wollte ins Wohnzimmer und ein bisschen Fernsehen gucken, da du anscheinend noch geschlafen hast“, antwortete Shinichi und krabbelte wieder zurück unter die Decke.   „Und mich alleine in dem eisigen Zimmer lassen?“, säuselte Heiji und setzte einen Hundeblick auf.   „Nein, also...“, räusperte sich Shinichi und wurde ungewollt rot.   „Willst du frühstücken?“   „Ich habe noch keinen Hunger, aber, wenn du willst dann-“   „Nein“, gähnte Heiji und kuschelte sich demonstrativ in die Bettdecke. „Ich würde viel lieber hier bleiben und noch ein bisschen dösen.“   Vorsichtig näherte sich Heiji wieder an seinen Freund an. Seine Füße berührten die von Shinichi und dieser zuckte ungewollt zusammen. Als hätte sich Heiji verbrannt zog er seine Füße zurück.   „Tut mir Leid. Ist es dir unangenehm?“   „Nein, viel eher sind deine Füße kalt“, lachte der Kleinere und grinste ihn an.   „Meinst du nicht auch, dass wir uns komisch verhalten? Ich meine, zwei Männer, halbnackt im Bett, das könnte man zweideutig sehen.“   „Wie siehst du es denn?“, fragte Shinichi und zog sich die Decke bis über die Nase.   „Ich weiß nicht. Ich will ja schließlich nicht, dass sich irgendwas zwischen uns ändert.“   „Dann stehen wir besser auf, bevor noch irgendwas passieren sollte“, lachte Shinichi und verschwand blitzschnell aus dem Zimmer.   Zurück ließ er den entgeisterten Heiji. Es war komisch. Sogar mehr als komisch, wenn er es sich genauer betrachtete. Er mochte Shinichi unglaublich gerne und konnte es sich nicht vorstellen, ohne ihn zu leben. Mit wem würde er dann Verbrecher jagen, Fressorgien veranstalten können oder einfach nur stillschweigend dasitzen und TV schauen? Aber es war noch viel mehr, es war Shinichis Anwesenheit, die ihn beruhigte und die Strapazen mit seinem Vater besser ertragen ließ.   Seufzend ließ er sich zurück auf die Kissen fallen. Ihm war bewusst, dass er seine Beziehung zu ihm zerstören würde, wenn er so weitermachte. Aber was sollte er tun? Wenn es Shinichi nicht gut ging, spürte er regelrecht, dass sich auch in ihm etwas zusammenzog und er sich nichts weiter wünschte, als seinen Freund wieder lachen zu sehen. Das war doch nicht normal für eine platonische Freundschaft.   Zitternd goss sich Shinichi heißes Wasser über seinen Teebeutel und konnte den fruchtigen Geruch erschnuppern, der aus der Tasse empor stieg. Es war zu viel für ihn. Er fühlte sich so unglaublich wohl bei Heiji und ahnte bereits, was das zu bedeuten hatte, doch er wollte es nicht wahr haben. War er wirklich in seinen besten Freund verliebt? Und dann Heijis Reaktion vorhin, als er aufstehen wollte... „Und mich alleine in dem eisigen Zimmer lassen?“ Empfand Heiji vielleicht wie er? Oder wollte Shinichi sich einfach nur einreden, dass sein Freund für ihn dasselbe empfand?   Aber selbst wenn es so sein sollte, würde ihre Beziehung die Freundschaft kaputt machen. Das war Shinichis größte Angst. Dass er seinem Freund nicht mehr in die Augen sehen konnte und er danach völlig alleine war. Doch ewig konnten sie sicher nicht so weiter machen. Heiji machte ganz offensichtlich Annäherungsversuche und er versuchte ihnen auszuweichen, doch es gelang ihm nicht.   „Pass auf, dass du dich nicht verbrennst“, flüsterte Heiji in sein Ohr.   Unbemerkt war er in die Küche getreten und Shinichi war so mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, dass er Heiji nicht bemerkt hatte. Das Kochwasser war bereits über den Tassenrand gelaufen und er hatte es nicht gemerkt.   „Mist“, zischte Shinichi und rupfte sich einige Blätter der Küchenrolle ab um die Teepfütze trockenzulegen.   „Mach dir keinen Stress so früh am Morgen. Das steht dir nicht“, grinste Heiji und half seinem Freund.   „Ich kann das auch alleine. Du brauchst mir nicht zu helfen“, sagte Shinichi und warf die nassen Blätter in den Müll.   „Bist du sauer auf mich?“   Shinichi seufzte, „Nein, bin ich nicht, aber...“   „Was aber? Hast du Angst, dass ich dich anfalle?“, lachte der Polizeisohn.   „Nein, also... Nein. Heiji, was tun wir hier?“   „Wir kochen Tee.“   „Das meine ich nicht. Gestern Abend hast du mich getröstet und heute früh im Bett-“   „Du hast also doch Angst, dass ich über dich herfalle?!“, lachte Heiji und goss sich nun ebenfalls eine Tasse Tee ein. „Gestern Abend habe ich dich getröstet, weil du es gebraucht hast und weil ich es wollte. Dass heute früh war eine Affekthandlung. Konnte ich denn wissen, dass ich dich so verschrecke?“   „Du hast mich nicht verschreckt, eher erschreckt“, verteidigte sich Shi'nichi. „Es war nur diese plötzliche Berührung... Und... Weil ich es schön fand.“   „Du findest es schön, wenn ich dich berühre?“, fragte Heiji noch einmal, um sich zu bestätigen.   „Ja...“, sagte Shinichi zaghaft und drehte sich ein Stück weg.   Heiji musste schmunzeln. Es schien wie eine Einladung. Langsam näherte er sich dem Jungdetektiv und umarmte ihn von hinten. Der Kleinere atmete in einem langen zug aus und legte seinen Kopf zurück. Sein Herz schien sich zu verkrampfen und gleichzeitig Luftsprünge zu machen. Heiji ging es nicht anders. Sein Körper durchzog ein wohliges kribbeln und zeitweise brachen Hitzewallungen über ihn ein, in die er seufzen musste.   „Shinichi...“, flüsterte Heiji leise in dessen Ohr.   Zitternd drehte sich dieser in der Umarmung um und sah Heiji in die Augen. Sie wirkten so tief. Heiji hob einen Arm und strich seinem Gegenüber die wuscheligen Strähnen aus dem Gesicht. Shinichi lächelte zaghaft. Gott, wie schmolz Heijis Herz dahin, wenn dieser lächelte. Er wollte, dass sein Freund dies immer tat.   Der Atem von Heiji beschleunigte sich noch einmal und sein Herz ebenfalls. Zitternd leckte er sich über die Lippen und sah Shinichi dabei tief in die Augen. Langsam kam er dem Gesicht seines Gegenübers näher. Shinichi begann sich in das weiße Hemd von Heiji zu krallen, als er merkte, was sein Freund vorhatte. Und dann geschah es. Heiji verschloss seine Lippen mit den seinen. Beide schlossen ihre Augen und gaben sich dem Gefühl hin, welches sie durchströmte. Heiji hatte Kazuha schon öfters geküsst, ebenso wie Shinichi Ran geküsst hatte, doch beide hatten noch nie so viele Schmetterlinge in ihren Bäuchen gehabt, wie jetzt.   Shinichi drängte sich näher an sein Gegenüber. Heiji musste in den Kuss schmunzeln und begann langsam den Nacken des Jungdetektivs zu kraulen, dem gleich darauf ein wohliges Stöhnen entrann. Nie hätte er gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, einen Mann zu küssen, nein... Shinichi zu küssen.   Heiji wusste, dass er sich kaum noch zurückhalten konnte und besser jetzt als später aufhören sollte. Also löste er den Kuss langsam und küsste zum Abschluss noch einmal die gerötete Wange. Shinichi sah ihn mit verschleierte Augen an und konnte noch gar nicht richtig glauben, was sie da gerade getan hatten. Heiji lächelte ihn an und nahm ihn noch einmal in den Arm. Vorsichtig streichelte er über Shinichis Rücken.   „Was hat uns da nur gerade überkommen?“, fragte Shinichi und wurde noch ein ganzes Stück röter.   „Der Weihnachtszauber“, antwortete Heiji und musste lachen.   „So kitschig...“   „Das war auch nicht ernst gemeint... in Wirklichkeit denke ich einfach, dass wir so unglaublich scharf auf einander sind, dass wir es keinen weiteren Tag mehr ausgehalten haben.“   „Heiji!!!“, schrie Shinichi und schupste ihn ein Stück zurück.   Herzhaft begann der Größere zu lachen. Das war so typisch Heiji, doch nach ein paar Augenblicken begann Shinichi nun auch zu schmunzeln.   „Lass uns frühstücken“, sagte Heiji und streichelte seinem Freund kurz über den Kopf.   „Endlich mal eine gute Idee von deiner Seite“, sagte der Tokyoter verlegen und schüttelte seinen Kopf. Kapitel 2: ----------- „Ok, du legst es drauf an, nicht mehr mit mir arbeiten zu wollen, habe ich Recht?“, fragte Shinichi Kudô zischend und verschränkte dabei seine Arme vor der Brust. „Nein, so-“ „Sei ruhig! Ich habe gesagt 'Nein, geh da nicht rein. Wir warten auf Otaki.' Und was tust du? Schleichst dich hinter meinem Rücken in das Gebäude und-“ „Ich sagte doch, so war das nicht!“, warf ihm Heiji entgegen. „Wenn wir noch länger gewartet hätten, wären die Typen mit den Drogen und dem Geld abgehauen.“ „Eine Minute warten hätte nichts an unseren Ermittlungen kaputt gemacht. Aber du! Mann, ich kann es nicht fassen. Wie alt bist du überhaupt?“, fauchte Shinichi und fuhr sich durch die Haare. „Ich habe nicht den Nerv auf dich aufpassen zu müssen, wenn wir solche Aktionen starten.“ „Ist doch nichts passiert“, antwortete Heiji engelhaft. „Wir haben den Drogendeal verhindert und Otaki und seine Kollegen haben sie festgenommen. Alles locker flockig. Und morgen kriegen wir dann unser Geld für den Job.“ „Nichts passiert?“, fragte Shinichi mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Und warum... sitzen wir dann in einem Krankenwagen auf dem Weg zum Krankenhaus?!“ Der Detektiv aus Tokyo konnte es nicht fassen. In seinen Augen war dieser Tag einfach nur ein Reinfall gewesen. Shinichi und Heiji hatten einen Auftrag angenommen, bei dem es um Geldwäsche in einer Firma ging. Bald hatte sich herausgestellt, dass einer der höheren Angestellten in Drogendeals verwickelt war. Dazu hatte er das Geld der Firma genommen und versucht, es mit Buchhaltungsmanipulation zu vertuschen. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie waren dem Firmenangestellten einige Tage gefolgt und hatten herausgefunden, dass dieser sich heute mit dem Drogendealer in einem verlassenen Gebäude treffen wollte, um über weitere Geschäfte zu reden und einen aktuellen Deal abzuschließen. Shinichi hatte nicht lange gezögert und Otaki angerufen, da der Drogendealer einer vom Muziko Clan zu sein schien. Er hatte sich nur für einen Moment rumgedreht und telefoniert und schon war Heiji auf eigene Faust ins runtergekommene Gebäude und dabei die Übergabe zu zerschlagen. Doch leider hatte dies nicht ganz so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Yakuza hatte nicht lange gefackelt und mit seiner Waffe auf Heiji geschossen, der zu seinem Glück nur in die Schulter getroffen wurde. In der Zwischenzeit war auch die Polizei aufgetaucht und alles versank im Chaos. Heiji lag blutend am Boden, Otaki und seine Kollegen waren im Raum verteilt und Shinichi hatte mit einem gekonnten Handgriff die chaotische Situation ausgenutzt und den Yakuza am Boden festgenagelt. Der Firmenangestellte hockte derweilen verstört in einer Ecke und versuchte sich aus der Affäre zu ziehen. Und jetzt saß Shinichi Kudô hier, im Krankenwagen und fuhr zusammen mit seinem Freund Schrägstrich Arbeitskollegen ins Krankenhaus, weil dieser mal unbedingt wieder den Helden spielen musste. Dabei war es doch erst einen Monat her, dass Heiji ins Krankenhaus musste, weil er von einem Verbrecher einen mit der Metallstange über den Kopf gekriegt hatte. Wie alt war er eigentlich? Zehn? Ja, nur kleine dumme Kinder hatten keinen Sinn für Gefahr. „Ist ja gut, Kudô, du solltest vielleicht nicht so laut rumschreien. Schließlich sind wir gleich in einem Krankenhaus.“ „Tsk.“ Genervt seufzte Shinichi auf und sah aus dem Fenster des Krankenwagens. Wahrscheinlich würde Heiji sich nie ändern, was das anging. Selbst später im Krankenhaus tat er so, als ob es nichts Schlimmes wäre, angeschossen zu werden. Es war zwar nur ein tieferer Streifschuss, der genäht werden musste, aber nichtsdestotrotz war er verletzt. Wieder einmal. Shinichi hatte die Schnauze voll und das gehörig. Er hatte zwar zugestimmt mit seinem Freund eine Detektei zu eröffnen und zusammen Fälle zu lösen, aber nicht, dass er alle paar Wochen diesen ins Krankenhaus begleiten musste. Was ihn jedoch am meisten aufregte war die offensichtliche Tatsache, dass sich Heiji nicht viel um sein Leben zu scheren schien! Sonst würde er mehr aufpassen. So war er wirklich immer gewesen! Kurzschlussreaktion sollte Heijis zweiter Vorname sein. „Hey, bist du immer noch sauer?“, fragte Heiji, als beide aus dem Krankenhaus kamen und sich ein Taxi suchten. „Natürlich bin ich das! Du lernst einfach nicht dazu.“ „Hm... Tut mir leid.“ „Spar dir das für zu Hause“, seufzte der Detektiv aus Tokyo und winkte eines der gelben Autos heran. „Ich will in der Öffentlichkeit keine Szene machen.“ Die Fahrt wurde von einer Totenstille begleitet. Wahrscheinlich wusste keiner der Beiden wer zuerst etwas sagen sollte. Heiji war reumütig, das wusste Shinichi. Doch so einfach war es dann eben doch nicht ihm seinen Willen zu lassen. Nach gut einer halben Stunde Fahrt waren sie dann an ihrer Wohnung angekommen. Ja, Heiji hatte wie damals abgesprochen sein Apartment in Geld verwandelt und dies dafür benutzt, um die ersten Wochen eine Wohnung für sie beide zu finden, die sie auch als Detektei nutzen konnten. Das dreistöckige Gebäude erinnerte Shinichi immer wieder an Kogoros alte Detektei. Im Erdgeschoss befand sich eine kleine französische Bäckerei und im ersten Stockwerk hatten sie ihre Detektei und Wohnung. Im zweiten Stock wohnte eine ältere Frau mit ihrem Bruder, die ihnen ab und an etwas zu Essen brachte, wenn sie zu viel gekocht hatte. Das musste Shinichi seinem Freund wirklich eingestehen, er hatte eine recht gute Wohnung für sie gefunden. Wenn man die Haustür aufschloss, kam man gleich in die Detektei und erst dahinter befanden sich ihre Wohnräume. Es war ausreichend für sie, vor allem weil sie einen Teil der Detektei als Wohnzimmer nutzten. Die Küche war klein, aber jeder hatte sein eigenes Zimmer. Vor allem Shinichi hatte darauf bestanden, weil er nach wie vor für die Uni lernen musste und seine Ruhe dazu brauchte. Träge stiegen beide aus dem Taxi und schlürften die Stufen nach oben. Beide hatten auf der Fahrt wirklich kein einziges Wort mehr geredet und das war wohl auch der Grund, warum Heiji zusehends mehr Gewissensbisse bekam. Er wusste, warum sein Freund sauer auf ihn war. Auch, wenn dieser ihm im Krankenwagen keine Standpauke gehalten hätte, hätte dieser es gewusst. In seinen Augen konnte er aber wirklich nichts dafür. Er liebte die Gefahr oder liebte die Gefahr ihn? Wie er es auch sah, er schien Verletzungen förmlich anzuziehen. In dem halben Jahr, in dem sie nun schon zusammen wohnten und arbeiteten, hatte er sich bei ihren Aufträgen insgesamt drei Mal verletzt. Nun, auf den ersten Blick schien das nicht viel, aber wenn man es auf ein Jahr und dann zwei und dann drei hochrechnen würde, sah die wahrscheinliche Verletzungsrate doch schon ein wenig riskant aus. „Ich mache das restliche Essen warm, willst du auch was?“, fragte Shinichi monoton, während er die Haustür aufschloss und sich seiner dunkelgrünen Krawatte entledigte. „Ich... ja... uhm“, sagte Heiji leise und sah seinen Freund aus dem Augenwinkel dabei an. „Gut“, gab Shinichi knapp zu verstehen und ging dann in Richtung Küche. Das gab es doch nicht. Jedes Mal, wenn Heiji eine Verletzung hatte, verfielen sie in das Schema eines Paares, die seit 20 Jahren verheiratet waren, sich stritten und dann nur das Nötigste miteinander redeten. Wie sehr Heiji dies doch hasste. Der geborene Osakaner kratzte sich am Hinterkopf und schloss kurz seine Augen. Sein Blick schweifte durch das Büro und blieb an seinem geliebten Sofa hängen. Er ließ von seinen dunkelbraunen Haaren ab und schlenderte zum diesem, um sich dort fallen zu lassen. Was für ein Tag. Er konnte nur hoffen, dass sein Freund nicht mehr lange sauer auf ihn sein würde. Sein Freund... Sie arbeiteten zwar zusammen, doch privat waren sie nach wie vor ein Paar. Bisher wusste noch niemand davon, weder ihre Eltern noch Freunde. Es kam niemanden komisch vor, dass sie zusammen wohnten, da sie bekanntlich die besten Freunde waren. Es war ebenfalls weniger so, dass sie sich nicht trauten, sie hatten einfach noch nicht die passende Gelegenheit gefunden und auch noch nicht wirklich darüber nachgedacht, schließlich waren sie erst ein halbes Jahr zusammen. Während sich Heiji auf seinem Heiligtum tummelte, war derweilen Shinichi dabei, den Rest der Gemüsepfanne aufzuwärmen und den Reis auf zwei Schalen zu verteilen. Er stellte fest, dass es köstlich roch, obwohl es sich nur um Reste handelte. Nun, dies war kein Wunder, schließlich hatte ER es gestern Abend gekocht. Heiji war nach wie vor ein unverbesserlicher Koch, der es sogar schaffte, Suppe anbrennen zu lassen. Aber solang der, wie Shinichi ihn heimlich nannte 'Kansai Idiot' in der Lage war grandiosen Kaffee zu kochen, beschwerte er sich nicht. Mit geschickten Handgriffen verteilte er das fertige Gemüse auf einen Teller und stellte alles auf den kleinen Esstisch. „Essen ist fertig!“, rief er in die Wohnung und sah kurz darauf, wie Heiji mit gesenktem Kopf in die Küche kam und sich ihm gegenüber setzte. Man könnte meinen, dass er beinahe so aussah wie ein begossener Pudel. Kurz murmelte der Detektiv aus Osaka ein „Itadakimasu“ und fing dann an zu essen. Shinichi seufzte und widmete sich nun ebenfalls seinem Reis. Immer wieder schielte er zu seinem Freund und sah wie dieser versuchte keinen Blickkontakt aufzubauen. Eine ganze Weile klappte das auch, bis es Shinichi dann wohl doch zu reichen schien. Schwungvoll knallte er seine Essstäbchen auf den Tisch und schnaubte hörbar auf. „Jetzt hör mal...“, fing er an und rieb sich die Augen. „Ich habe mich doch schon entschuldigt“, verteidigte sich Heiji schnell. Er ahnte, dass die Standpauke, die im Krankenwagen angefangen hatte, nun weitergeführt werden würde. „Ich bin sauer auf dich, aber das weißt du ja.“ „Mhm.“ „Und warum bin ich sauer auf dich?“ „Weil ich mich wieder habe verletzen lassen, wir ins Krankenhaus mussten, wir morgen bei Otaki antanzen dürfen wegen einer Aussauge und weil wir deswegen wieder Ärger mit der Polizei kriegen.“ „Und?“ „Und was?“ „Denkst du, das stört mich? Das ist mir doch mittlerweile alles völlig egal. Otaki ist das auch nicht anders von dir gewohnt. Ich bin aus einem anderen Grund sauer.“ „Bist du?“, fragte der Detektiv aus Osaka mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du scheinst bei deinen Aktionen nie an mich zu denken!“, schrie Shinichi auf einmal. Sie hatten öfters kleine Streitigkeiten, vor allem wegen der Arbeit, aber noch nie hatte Shinichi mit so einer Lautstärke geredet. „Wie-“ „Wir sind doch nicht nur irgendwelche Arbeitskollegen! Wir sind Freunde, wir sind... zusammen! Manchmal glaube ich, dass du das zu vergessen scheinst und nicht mal eine Spur an mich denkst, wenn du den Helden spielen willst. Hast du denn die geringste Ahnung wie es mir jedes Mal geht, wenn du verletzt wirst? Du kannst froh sein, dass das heute nur ein Streifschuss war. Ein paar Zentimeter weiter nach oben und die hätten vielleicht deinen Kopf getroffen! Ist dir dein Leben denn gar nichts wert?“ „Shinichi, wir sind Detektive... Manchmal kann man es nicht ver-“ „Das heute war fahrlässig, Heiji. Wenn du dich noch einmal so in Gefahr stürzt, dann...“, Shinichi stockte. Er wusste nicht wie er diesen Satz beenden sollte. Womit hätte er seinem Freund schon drohen können? Dann hör ich auf zu kochen? Dann schmeiß' ich die Detektei? Dann verlass ich dich? Mal abgesehen vom Kochen waren die anderen Optionen für ihn selber nicht tragbar. „Dann was?“, hakte Heiji nach und versuchte den verzweifelten Blick seines Gegenübers einzufangen. „Lässt du das alles hier... uns fallen?“ „Nein, natürlich nicht“, seufzte Shinichi und rieb sich wieder seine schmerzenden Augen. „Du weißt, wie ich das meine.“ „Ja“, seufzte Heiji und legte seine Stäbchen neben den Teller. Heiji wusste ganz genau, was sein Freund meinte. Ehrlich gesagt hatte er bisher noch nie wirklich darüber nachgedacht. Er hatte immer geglaubt, dass Shinichi sauer wäre, weil sie Ärger mit Otaki kriegen würden und einen Haufen Papierkram erledigen müssten. Aber dass Shinichi es so sah? Er hätte es früher merken müssen. Langsam stand er von seinem Stuhl auf und ging geschickt um den Tisch, so dass er nun neben Shinichi stand und zu ihm hinunter sehen konnte. Verwirrt hatte dieser den Blick nicht von seinem Freund abgewendet und seine Bewegungen aus dem Augenwinkel verfolgt. Er erkannte, dass Heiji in die Hocke ging mit seinen Händen Shinichis Stuhl erfasste und diesen nun zu sich drehte. Der Detektiv aus Tokyo hob eine Augenbraue und sah seinen Freund an. „Was ist?“, fragte Shinichi noch immer leicht gereizt. „Noch sehr sauer?“, fragte Heiji und legte seine Hände auf die Oberschenkel seines Gegenübers. „Wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann mach ich solche Aktionen nicht mehr. Aber du weißt, wie ich bin...“ Heiji kratzte sich am Kopf und sah verlegen nach links. „Ich bin ein impulsiver Idiot. Tut mir leid, dass ich nicht an dich gedacht habe.“ Shinichi schloss kurz seine Augen und atmete tief ein, bevor er seine Hände auf die von Heiji legte und sie leicht drückte. „Gut, dass du es einsiehst. Noch so eine Unterhaltung möchte ich nicht führen. Ja? Einmal ist eigentlich schon zu viel, aber diese Unterhaltung hatten wir nun schon oft genug. Und ich bin... müde, was das angeht“, sagte Shinichi mit einer gekränkten Stimme. „Ja, natürlich. Versprochen“, sagte Heiji leise und wanderte mit seinen Händen die Oberschenkel seines Freundes nach oben und umschloss dessen Unterkörper. Den Kopf hatte er auf die Oberschenkel gelegt und seine dunklen Augen waren nun geschlossen. „Bist du jetzt etwa in Schmusestimmung? Willst du mich damit weich klopfen? Vor einer Minute hatten wir uns noch in der Wolle.“ „Willst du nicht?“, fragte Heiji unschuldig und streichelte Shinichis Rücken. „Ich dachte, du hättest Hunger?“, hakte der Detektiv aus Tokyo nach, während er den Kopf seines Freundes kraulte. „Hmm... Das kann noch warten. Es ist hier gerade so warm“, sagte Heiji. Man konnte förmlich sein Lächeln spüren. „Wollen wir dann vielleicht wohin gehen, wo es bequemer ist? Da kann ich dich noch mehr wärmen“, flüsterte Shinichi verschmitzt. 'Verflucht, er schafft es einfach immer wieder, dass ich nicht lange böse auf ihn sein kann.' Er folgte wieder Heijis Bewegungen – wie dieser sich aus der Umarmung löste und aufstand. Schnell schnappte sich dieser die Hand von Shinichi und schleifte ihn regelrecht ins Wohnzimmer. Der Detektiv aus Osaka ließ sich auf das Nächstbeste, das Sofa, fallen und zog Shinichi auf sich. Dieser saß nun auf dem Schoß seines Freundes und sah ihn lachend an. „Jemand hat es aber eilig mit dem Aufwärmen“, säuselte Shinichi und machte es sich auf den Beinen von Heiji bequem. „Immer und überall“, konterte Heiji und legte seine Arme wieder um Shinichi, um ihn ein Stück näher zu sich zu ziehen. Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, legte Heiji seine Lippen auf die seines Freundes und bettelte beinahe um Einlass. Er leckte noch kurz über die leicht feuchten, warmen Lippen und drang dann mit seiner Zunge in die ihm wohlbekannte Mundhöhle ein. Der Kuss wurde ohne lange darüber nachzudenken leidenschaftlich erwidert. Heiji spürte wie sein Freund erschauderte. Vorsichtig wanderte seine Hand in den Nacken von Shinichi und fing ihn an zu kraulen, während ihre Lippen weiterhin versiegelt waren und die Zungen einen Machtkampf hatten. Er wusste, dass sein Freund dies liebte. Er konnte die aufgestellten Härchen unter seinen Fingern fühlen und wie sich dort eine Gänsehaut ausbreitete. Shinichi hatte seine Augen geschlossen und wollte sich nur auf dieses Gefühl konzentrieren, welches wie kleine Stromschläge durch seinen Körper zuckte. Der Geruch von Heiji, wie dieser schmeckte, sich anfühlte, es war einfach zu unwiderstehlich. Während Shinichi sich den Berührungen und dem Kuss hingab, ließ Heiji seine Hand weiter nach unten, den Rücken entlang wandern und fand dann den Weg unter Shinichis Hemd. Er fühlte die warme Haut und wie Shinichi anfing leise in den Kuss zu schnurren. Das schrie doch geradezu nach Versöhnungssex und ihm war es nur Recht. Er wollte nicht, dass Shinichi sauer auf ihn war und mit dem hier würde er das letzte bisschen Gereiztheit aus ihm herauskitzeln und ausmerzen können. Seine Hand wanderte tiefer zum Gürtel und ließ sie dann schließlich weiter runter, bis zu Shinichis Hintern wandern. Er fühlte das leicht trainierte Pofleisch unter seinen Fingern und wollte gerade zu greifen und anfangen es zu massieren, als ein unfreundliches Geräusch seine Aktion störte. „Heiji“, nuschelte Shinichi in den Kuss. „Das Telefon.“ „Lass es“, sagte der Detektiv und fuhr weiter mit seiner Aktion und fing nun an kleine Küsse auf den Hals seines Gegenübers zu verteilen. „Vielleicht ist es wichtig“, sagte Shinichi und löste sich von dem Klammergriff seines Freundes, um sich zum Telefon zu beugen, welches neben dem Sofa auf einem kleinen Tisch stand. „Ja, bitte? Hier Detektei Hattori & Kudô.“ „Shin-“ Shinichi hatte seine freie Hand auf den Mund von Heiji gelegt, um diesen zum Schweigen zu bringen. Einen dazwischen redenden Hattori konnte man bei Telefongesprächen wirklich nicht brauchen. „Oh, Guten Abend. Ja, ja, ich weiß“, antwortete der Detektiv aus Tokyo am Hörer und seufzte nach einigen Sekunden auf. „Heute noch? Um wie viel Uhr?“ Heiji verdrehte seine Augen. Shinichi tat das doch gerade nicht wirklich? Ein Auftrag? Und dann würde der Klient auch noch heute kommen? Es war bereits nach 20 Uhr. Eigentlich hatten sie längst „Ladenschluss“. „In einer halben Stunde? Nun gut. Bis nachher“, sagte Shinichi und legte den Hörer wieder auf. Toll. Der Abend war also auf jeden Fall schon mal gelaufen. „Worum geht es? Eine Frau, die glaubt, dass ihr Ehemann sie betrügt und nun verzweifelt ist?“, fragte Heiji genervt, während er seine Augen rollte. „Nein, es war Otaki. Er hat gesagt, dass er heute noch vorbeikommen will.“ „Was?“, fragte Heiji und überlegte angestrengt. Vielleicht hatte seine heutige Aktion ja doch mehr Folgen als gedacht. „Meinst du, ich bekomme meine zweite Standpauke? Und das auch noch bei mir zu Hause?“ „Ich weiß nicht“, grinste Shinichi ihn gehässig an. „Doppelt hält bekanntlich besser.“ „Und jetzt? Wir haben noch eine halbe Stunde“, sagte Heiji und legte seine Hand wieder auf das Hinterteil von seinem Freund, der weiterhin auf ihm saß. „Vergiss es“, grinste der Detektiv aus Tokyo und ergriff die wandernde Hand. „Lass uns die Zeit lieber nutzen, um das lauwarme Essen zu verspeisen, bevor Otaki mit was weiß ich für einer Nachricht zu uns kommt.“ Otaki schien die Angewohnheit entwickelt zu haben, die beiden Detektive bei den ungünstigsten Gelegenheiten zu stören. Das heute war nichts das erste Mal, nein, ganz sicher nicht. Aber was sollten sie tun? Heiji aß grummelnd an seinem nicht mehr ganz warmen Essen herum und sah ab und an mit Hundeaugen zu Shinichi, der das alles mit einem Lächeln abtat. Am liebsten würde er seine Hände für etwas anderes benutzen, als die doofen Stäbchen zu halten. Kaum eine halbe Stunde später schallte es dann an ihrer Haustür. Beide waren gerade erst mit dem Abwasch fertig geworden und Heiji hatte einen weiteren Annäherungsversuch begonnen, der nun gezwungenermaßen abgebrochen werden musste. Shinichi ging zielstrebig zur Haustür, während es sich sein Freund wieder halbwegs auf dem Sofa bequem machte und eine genervte Miene aufsetzte. Vielleicht konnte er es schaffen, Otaki mit seiner nunmehr schlechten Laune zu vertreiben und sich wichtigeren Dingen widmen. „Kommissar Otaki, Guten Abend.“ „Abend, Kudô“, sagte der Polizist als gerade das Wohnbüro betrat. „Otaki, warum zum Henker belästigen Sie uns so spät abends?“, warf Heiji in die Runde, während er an seinen frisch aufgebrühten Kaffee nippte. „Wenn es dich nicht gäbe, wäre ich gar nicht hier!“, rief Otaki leicht sauer dem verdatterten Detektiv entgegen. „Wie meinen?“, hakte der Angesprochene bissig nach, während er seine linke Augenbraue nach oben zog. „Wollen Sie vielleicht auch eine Tasse Kaffee? Oder ist Tee besser?“, fragte Shinichi schnell, um die Stimmung zu beschwichtigen und eine Eskalation zu verhindern. „Ein grüner Tee wäre mir lieb“, antwortete der Kommissar und schenkte dem Detektiv ein freundliches Lächeln. Schnell verschwand Shinichi in die angrenzende Küche und setzte Wasser auf. „Also warum sind Sie zu uns gekommen? Wegen der Festnahme von heute oder gibt es einen anderen Grund?“ „Von beidem etwas. Ich bin hier wegen eines gewissen stumpfsinnigen Detektivs, der nicht weiß, wann er aufhören soll“, seufzte Otaki und setzte sich in den Sessel gegenüber von Heiji. „Damit meinen Sie doch hoffentlich nicht mich?“ „Und ob ich dich damit meine!“, warf ihm Otaki entgegen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, in was für einem Schlamassel du steckst?“ „Was meinen Sie?“, fragte Shinichi, der mit der Tasse Tee aus der Küche kam und sie Otaki reichte. Otaki bedankte sich mit einem Kopfnicken und wandte sich dann wieder dem Ursprung des Übels zu. „Du hast wirklich keine Ahnung?“ „Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“ „Dein Vater. Reicht es dir, wenn ich dir das sage?“ „Nein, nicht ganz. Bitte gehen Sie ins Detail. Mein Vater was?“ „Dein Vater hat Wind davon bekommen, was du heute geleistet hast. Er hat die letzten Male drüber hinweg gesehen, aber das heute! Ich sage dir: Er tobt und wütet. Dass du dich mit den Yakuza anlegst, wenn auch nicht mit Absicht, ist zu viel des Guten.“ „Und was gedenkt mein Herr Vater nun zu unternehmen?“ Heiji verschränkte seine Arme vor der Brust. Dieses Thema brauchte er im Moment wirklich nicht. Seit er sein Apartment verkauft und auf eigene Faust eine Detektei eröffnete hatte, stand er praktisch auf Kriegsfuß mit seinem Vater. Dieser hatte es sowieso schon nicht gerne gesehen, dass sein Sohn eigene Ermittlungen startete und sich nach Gutdünken sogar in die Sachen der Polizei einmischte. „Solltest du uns, der Polizei, noch einmal Extraarbeit bereiten, wird dein Vater alles tun, damit eure Detektei geschlossen wird.“ „Bravo“, sagte Shinichi gespielt fröhlich. Er hatte sich auf die Sofalehne neben Heiji gesetzt und den beiden zugehört. „Ist das nicht eine tolle Nachricht?!“ „Nicht schon wieder, Shinichi, das hatten wir doch bereits vorhin“, seufzte der Osakaner und rieb sich die Augen. „Ich wollte dich nur noch mal dran erinnern“, grinste Shinichi ihn unschuldig an. „Also?“, hakte Otaki nach und trank einen Schluck aus der Tasse. „Was wirst du tun?“ „Nichts. Erstens wird sich mein Vater schon wieder beruhigen, das hat er bisher immer getan und zweitens“, Heiji sah aus seinem Augenwinkel zu seinem Partner, der seinen Blick auf Otaki gerichtet hatte, „wird so etwas Achtloses wie heute nie wieder passieren. Versprochen.“ „Und das vor einem Monat?“, fragte Otaki ernsthaft nach. „So etwas... auch nicht“, hustete Heiji und wurde um die Nasenspitze rot. „Gut, das wollte ich nur nachprüfen. Ich mag euch beide und fände es schade, wenn eure Detektei wegen solcher Achtlosigkeiten untergehen würde.“ „Das ist nett, Kommissar Otaki“, sagte Shinichi, während er sich die Ärmel hochkrempelte. „Könnten Sie vielleicht noch mal mit Polizeipräsident Hattori reden? Ich versichere Ihnen persönlich, dass Heiji keinen Mist mehr bauen wird.“ „Auf dein Wort kann ich mich wenigstens verlassen“, lachte Otaki. „Auf das von Heiji, naja, du weißt schon.“ „Machen sie sich keine Sorgen. Er wird ein braver Junge sein“, grinste Shinichi böse und ließ seine Hand zur verletzten Schulter seines Freundes wandern. Er drückte leicht zu. „Ja, natürlich doch“, lachte Heiji und schloss für einen kurzen Moment seine Augen. Er versuchte, sich nicht auf seine schmerzende Schulter zu konzentrieren. „Gibt es denn sonst noch was? Außer, dass mein Vater einen Wutanfall hatte?“ „Um ehrlich zu sein, nicht wirklich“, fing Otaki an und nippte an seinem Tee. „Oh, aber da fällt mir aber doch noch was ein - habt ihr schon ein Hochzeitsgeschenk?“ „Was für ein Hochzeitsgeschenk?“, fragte Heiji und schüttelte sich endlich von Shinichis schmerzhaften Griff frei. „Wer heiratet denn?“ „Du... ihr... wisst es nicht?“, fragte Otaki verwundert und zog seine Augenbrauen zusammen. „Hm... Dann ist es wohl nicht wichtig.“ „Jetzt sagen sie es einfach“, lachte Shinichi. „Sie sollten nicht mit so etwas anfangen, wenn sie genau wissen, dass Heiji solange keine Ruhe gibt, bis er weiß, um wen es geht.“ Otaki seufzte und betrachtete den Detektiv aus Osaka, der seinem Partner mit einem Kopfnicken zustimmte. „Ich bin mir sicher, dass du es früher oder später auf irgendeine Art sowieso erfahren würdest, wenn du bisher noch nicht Bescheid weißt. Wobei ich es ein wenig merkwürdig finde...“ „Sagen Sie es doch einfach“, grummelte Heiji, während er geräuschvoll seinen Kaffeebecher auf den Tisch stellte. „Herr Toyamas Tochter heiratet in zwei Monaten“, sagte der Kommissar knapp. „Was? Kazuha?“, fragten Heiji und Shinichi zur gleichen Zeit und im selben überraschten Ton. „Warum... wer? Ich...“, Heiji stockte in seinem Reden und schien angestrengt nachzudenken. „Ich dachte, dass gerade du es wissen solltest, Heiji. Ihr wart doch mal so eng befreundet. Jeder dachte, dass ihr eigentlich mal heiraten würdet.“ „Nun, das ist“, sagte Heiji mit einer unsicheren Stimme, „lange her. Wir waren Kinder und sie wissen ja, wie das dann ist.“ „Deswegen frage ich mich ja, warum sie dir nicht einmal Bescheid gegeben hat. Habt ihr euch gestritten?“ „So kann man es sagen“, seufzte Heiji. „Ich werde sie und ihren Verlobten in einer Woche bei der offiziellen Verlobungsfeier sehen. Wenn du willst, könnte ich ihr sa-“ „Lassen Sie es besser“, sagte Heiji, während er sich in das Sofa zurücklehnte. „Ich will ihr nicht die Feier und erst recht nicht die Hochzeit versauen. Aber wer ist denn ihr Verlobter?“ „Ein Jurastudent aus ihrer Uni. Er kommt aus einer guten Familie, soweit ich weiß.“ „Das ist schön. Ich freue mich für sie. Aber bitte versuchen sie ihr nicht zu sagen, dass ich davon weiß. Das würde ihr, glaube ich; wirklich nur die Stimmung verderben.“ „Nun gut, wie du es willst“, seufzte Otaki und stand von dem Sessel auf. „Ich werde mich dann mal wieder auf den Weg machen. Meine Familie wartet auf mich. Kudô, Heiji, bis morgen. Vergesst nicht, dass ihr noch eine Aussage machen müsst.“ „Tun wir nicht, schönen Abend noch, Kommissar Otaki“, sagte Shinichi, als er den Besucher zur Haustür begleitete. Heiji hob zum Abschied seine Hand und seufzte dann hörbar auf. Kazuha würde heiraten. Und das schon in zwei Monaten. Er hatte keine Ahnung gehabt. Weder sein Vater, noch seine Mutter oder gemeinsame Freunde hatten ihm davon erzählt. Wahrscheinlich hatte Kazuha allen gesagt, dass sie es für sich behalten sollten. 'Miss Nachtragend' sollte ihr zweiter Vorname sein! „Was hast du? Ist es wegen Kazuha?“, fragte Shinichi und ergriff die halbleere Teetasse von Otaki. „Ja, ich...“, Heiji stockte kurz und tat es mit einem Lächeln ab. „Was ist denn?“, hakte Shinichi nach und sah seinen Freund interessiert an. „Sie heiratet. Das ist schon überraschend, findest du nicht? Ich meine sie hat mich nicht eingeladen, aber das habe ich auch nicht erwartet“, stöhnte der Braunhaarige und rieb sich seinen Nacken. „Ich frage mich nur, warum sie so früh heiratet. Meinst du... Nein, das ist Schwachsinn.“ „Was?“ Ein merkwürdiges Geräusch verließ Heijis Kehle. „Meinst du, sie ist schwanger? Wer auf Erden würde denn sonst mit 20 heiraten wollen? Sicher ist sie gerade dabei, eine Familie zu gründen und ich wusste nicht mal annähernd was davon! Wir sind gleich alt und ich habe noch nicht mal einen Gedanken an so was verwendet. Warum auch?!“ „Hei-“, sagte Shinichi und stockte. Er glaubte einen Kloß in seinem Hals zu haben. Kurz schüttelte er seinen Kopf und versuchte die aufkommenden Gedanken herunterzuschlucken, die sich in ihm ausbreiteten. Stattdessen machte er sich auf den Weg zur Küche, um die Teetasse abzuwaschen, die im Moment um so vieles wichtiger zu sein schien. „Hm? Wolltest du was sagen?“, fragte der Osakaner nach und hielt Shinichi somit auf. „Warum... habt ihr euch eigentlich getrennt? Du hast es mir nie genauer erzählt“, fragte der Detektiv aus Tokyo, ohne wirklich nachgedacht zu haben. Schnell das Thema wechseln war alles was Shinichi in seinem Kopf hatte. Nun, das Thema ganz zu wechseln war ihm nicht gelungen. Es ging weiterhin um Kazuha. Ganz toll, warum war ihm keine andere Frage eingefallen? Was wollen wir morgen nach der Aussage machen zum Beispiel? Oder wollen wir am Wochenende zum Sommerfest gehen? Aber nein, er musste ja unbedingt das fragen, was ihm schon seit einer Ewigkeit auf der Zunge lag und er sich nie getraut hatte auszusprechen. Sein Unterbewusstsein musste die Erwähnung von Kazuha als Chance gesehen haben. Das war die einzige mögliche Erklärung. „Ah“, stöhnte Heiji. „Das ist eine blöde Geschichte. Du weißt sicher, dass ich damals für einige Wochen diesen Serienmordfall in einem Bergdorf in Sapporo hatte?“ „Ja, das hattest du erwähnt.“ „Ehrlich gesagt, gab es dort kein Telefon und ich konnte Kazuha nie anrufen. Ich habe es dann aber doch einmal geschafft, als ich mit der Dorfvorstandstochter, Mina hieß sie, glaube ich, zur nächsten Stadt gefahren bin. Kazuha war damals völlig ausgerastet und hat sich aufgeregt. Sie hatte sogar geglaubt, dass ich etwas mit Mina habe“, lachte Heiji bitter. „Schlimmer wurde es, als ich dann zurück nach Osaka kam.“ Der Detektiv stöhnte wieder auf und wuschelte sich durch die dunkelbraune Mähne vor Verzweiflung. Sich daran zu erinnern schien ihn ganz verrückt zu machen. „Mina wollte immer schon Osaka sehen und da dachte ich mir, klar, warum nicht? Sie kann bei meiner Mutter bleiben, die wird sich freuen, dass sie jemanden hat, den sie bekochen und rumführen kann. Du kennst sie ja. Doch dann kam ausgerechnet Kazuha an, als ich mit Mina am Bahnhof ankam und den Rest kannst du dir denken.“ „Oh, uhm... Ja, kann ich, glaube ich“, grinste der Detektiv aus Tokyo schief. Er hatte die Wutausbrüche von Kazuha gut in Erinnerung. „Sie hat mich schlussendlich total blamiert. Der ganze Bahnhof hat sich nach uns umgedreht. Ich meine... Ich habe nicht mal was getan!“ „Aber du kanntest sie doch... Du hättest wissen müssen, dass, wenn sie dich mit ihr sieht, dass du-“ „Eigentlich sollte meine Mutter zum Bahnhof kommen, aber die Frau kam von ihrer Nachbarschaftssitzung nicht los und dann hat sie Kazuha geschickt. Ist also alles ein bisschen blöde gelaufen damals. Im Grunde ist meine Mutter schuld, finde ich.“ Shinichi wollte in diesem Moment so viel fragen, als er das schiefe Lächeln seines Freundes sah, doch das Einzige, was er herausbrachte, war ein „So kann es eben gehen: Mütter.“ „Ja, das stimmt“, lachte Heiji halbherzig. Shinichi merkte, wie er die Tasse in seiner Hand fester umfasste. Er hätte nicht fragen sollen. Nein, eigentlich hätte er schon nicht ans Telefon gehen sollen und dem Besuch von Otaki zustimmen. Was war das nur für ein beschissener Tag?! „Heiji? Ich gehe langsam ins Bett, glaube ich.“ War ein anstrengender Tag und wir müssen morgen früh los.“ „Oh, ok... Ich schaue noch etwas TV und gehe dann auch schlafen.“ „Gute Nacht“, sagte Shinichi leiser als beabsichtigt. Heiji schenkte ihm ein kurzes Lächeln. „Wünsche ich dir auch.“ Gedanken, die Shinichi bisher noch nicht mal gehabt hatte, nein, verdrängt hatte wäre besser ausgedrückt, waren nun klar in seinem Kopf und ließen ihn nicht mehr los. Sie schwammen praktisch in seinem Gehirn und wollten herausgelassen werden. 'Willst du eine Familie?' 'Kinder?' 'Hast du es jemals bereut, nicht mehr mit Kazuha zusammen zu sein?' 'Was ist mit der Zukunft? Hast du darüber jemals nachgedacht? Habe... ich darüber nachgedacht?' 'Würden wir es jemals unseren Freunden, Eltern sagen können?' ---------------------------------------------------- Ein eigentlich freier Tag war für Shinichi und Heiji flach gefallen. Sie mussten kurzfristig einen Auftrag annehmen. „Die Rechnungen bezahlen sich nicht von selber!“, hatte Shinichi dem halbwachen Heiji gegen Mittag gesagt. Und so verfolgten sie bis zum späten Abend eine Ehefrau, die in Pachinkohallen das Geld ihres Mannes durchbrachte. Nach einem „arbeitsreichen“ und mehr als nur heißen Tag konnten es sich die beiden endlich in ihrer Wohnung gemütlich machen. Heiji hatte sich als erstes seiner Hose entledigt und rekelte sich nun praktisch vor der Klimaanlage, die ihm die erwünschte Kühle bescherte, während Shinichi dabei war, sich ein Glas mit Wasser und Eiswürfeln zu füllen. Wie sehr er doch diese unbändige Hitze hasste. Eigentlich hasste er alles, was unter 10 Grad und über 25 Grad lag. Seit zwei verfluchten Tagen hatte sich das Wetter in Osaka von 'das ist eine angenehme kühle Brise' in 'mir schmilzt meine Haut vom Körper' geändert. „Shinichi, bring mir bitte auch was Kaltes zu trinken aus der Küche“, hörte der Detektiv aus Tokyo es aus dem Wohnzimmer rufen. Kurz musste er schmunzeln, bevor er ein zweites Glas füllte und mit diesem zu Heiji ging, der auf dem Boden lag und sich akklimatisierte. „Hier“, sagte Shinichi und hockte sich neben seinem Freund, um ihm das Glas einfacher geben zu können. „Danke“, sagte Heiji ächzend und nahm sich in einem flinken Handgriff das Glas, um es in einem Zug auszutrinken. „Puuuuh. Es geht nichts über Wasser.“ „Idiot, passe lieber auf, dass du dir bei diesen Temperaturschwankungen keine Sommererkältung holst. Das brauchst du im Moment sicher nicht“, erklärte Shinichi in einem rationalen Ton. Er wollte sich gerade wieder aufsetzen, als er am Handgelenk festgehalten wurde. Shinichi ließ seinen Blick von den schlanken Fingern, die ihn festhielten, über den leicht trainierten Arm wandern zu dem halb entblößten Schlüsselbein, welches mit kleinen Schweißperlen versehen war und schließlich zu dem Gesicht, welches er so sehr liebte. „Komm her“, sagte Heiji leise und festigte seinen Griff, um Shinichi näher an sich ziehen zu können. „Ich weiß, dass du was für die Uni machen musst, aber ein paar Minuten hast du sicherlich Zeit.“ „Heij-“ Shinichi konnte nichts weiter sagen. Sein Mund wurde sofort in Beschlag genommen. Es geschah so schnell. Heiji hatte mit seiner freien Hand den Hinterkopf von ihm ergriffen und ihn zu sich gezogen. Für Heijis Geschmack war es einfach zu lange her, dass sie Zeit für sich hatten und diese mit „unterhaltsameren“ Sachen als Detektivarbeit verbringen konnten. Immer noch überrumpelt von dem plötzlichen Überfall öffnete Shinichi seinen Mund und ließ die heiße Zunge seines Freundes eindringen und mit seiner spielen. Von null auf hundert fing das Herz von Shinichi an zu rasen. Am liebsten würde er den ganzen Tag so bleiben und Heiji nah sein. Heiji streichelte mit der Hand, die immer noch an Shinichis Handgelenk war dessen Haut und hatte es sich zur Aufgabe gemacht mit der anderen Hand den Weg unter dessen Shirt zu suchen und die Brust zu massieren. Seine Finger strichen über die zarter Haut, die unfassbar heiß zu sein schien. Er überlegte nicht lang und zog Shinichi, während sie sich küssten noch weiter zu sich, bis dieser halb auf ihn lag. Shinichi wusste nicht, was er machen sollte. Auf der einen Seite hatte er immer noch diese nervenaufreibenden Gedanken in seinem Kopf, auf der anderen wollte er diesen Moment einfach genießen und an nichts denken müssen. Sein Körper schrie geradezu danach, sich hingeben zu wollen. Er fing an den Kuss feurig zu erwidern und seinen Körper zu entspannen. Heiji wusste einfach viel zu gut, wo er seinen Freund berühren musste, damit dieser nachgab. Schlüsselbein, die empfindliche Haut seines Handgelenks, seine Wirbelsäule und Brustwarzen... wie könnte er den Berührungen des Mannes, den er liebte nur widerstehen? Der Gedanke daran war viel zu abwegig. „Shinichi“, flüsterte Heiji dicht an seinem Ohr, als er den Kuss nach einigen Momenten gelöst hatte. „Ich will dich so sehr. Es ist schon viel zu lange her, dass wir miteinander geschlafen haben.“ Shinichi öffnete seine Augen ein wenig und sah die gebräunte Haut seines Freundes. „Es ist noch nicht mal eine Woche...“ „Das ist schon viel zu lang für mich“, sagte Heiji grinsend und leckte über das Ohrläppchen seines Freundes. „Ich will die verlorene Zeit nachholen.“ Das Herz des Detektivs aus Tokyo setzte kurz aus. 'Verlorene Zeit... nachholen.' Er wusste, was sein Freund damit meinte, es war mehr als eindeutig. Aber warum tauchten dann plötzlich wieder diese dunklen Ideen in seinem Kopf auf? Die verlorene Zeit mit einer Frau... Familie... Shinichi kniff seine Augen zusammen und holte tief Luft, bevor er sich von seinem Freund langsam wegdrückte. „Shinichi?“, fragte der Detektiv aus Osaka verwirrt, als sich sein Freund komplett von ihm gelöst hatte. „Sorry, aber ich muss meine Thesenarbeit für Morgen noch fertig machen. Wenn wir jetzt damit anfangen würden, würden wir die ganze Nacht damit verbringen.“ „Vielleicht“, lachte Heiji schräg. „Sei doch nicht so, hm?“ Heiji ergriff Shinichis Schulter, um ihn zu sich zu drehen, doch bevor es ihm völlig gelang, hatte sich dieser bereits aufgesetzt und seinem Freund zur Beschwichtigung kurz durch die Haare gewuschelt. „Ich muss das wirklich noch machen. Lass uns das erst einmal aufschieben“, sagte Shinichi und ging zu seiner Zimmertür. „Shi-“ „Ah, da fällt mir noch ein“, sagte der Jungdetektiv schnell und drehte sich zu seinem Freund um. „Kannst du dir vielleicht alleine etwas zu Essen für heute Abend kochen? Ich weiß nicht, ob ich dazu kommen werde.“ Kurz blinzelte Heiji und nickte dann. „Ja, natürlich. Viel Erfolg mit deiner Arbeit.“ „Danke“, sagte Shinichi und verschwand dann in seinem Zimmer. Heiji sah noch einige Sekunden lang auf die geschlossene Tür und setzte sich dann gelassen in einen Schneidersitz hin. Seine Augen waren geschlossen und seine Augenbrauen zeichneten Sorgenfalten ab. „Shit“, wisperte er. „Irgendwas stimmt nicht. Na ganz toll.“ Heiji hatte es genau gesehen. Als er seinen Freund an der Schulter ergriffen hatte und ihn zu sich drehen wollte, hatte er dessen Gesicht gesehen, wenn auch nur für einen Bruchteil einer Sekunden. Warum war das Gesicht seines Freundes nur so traurig gewesen? So hatte er ihn noch nie gesehen. Eines war ihm bewusst, er würde nicht eher aufgeben, bis sein Freund mit der Sprache herausrücken und ihm sagen würde, was los war, denn hier war eindeutig etwas faul im Staate Dänemark. Kapitel 3: ----------- „Shinichi! Hey, Shinichi, Telefon für dich!“, rief Heiji durch die Wohnung, doch er bekam keine Antwort. 'Ah, stimmt, er musste ja zur Uni...' „Ich habe nicht gesagt, dass du nach ihm rufen sollst!“, hörte der Detektiv am anderen Ende des Hörers und versuchte sich nun wieder auf die Stimme zu konzentrieren. „Hm warum?“, antwortete Heiji. „Soll ich ihm irgendwas ausrichten?“ „Nein, das wird nicht nötig sein, wir wollten sowieso eher mit dir reden.“ „Oh? Wie muss ich das verstehen?“ „Hmm... Wir wollen ihn überraschen. Wir sind in einigen Tagen in Japan und dachten, dass wir bei euch vorbei kommen“, lachte die Frau am anderen Ende des Hörers. „Wann wollen Sie und Ihr Mann denn kommen, Frau Kudô?“ „Oh, ich bin mir da noch nicht so sicher. Eigentlich wollten wir noch einen Zwischenstopp machen. Aber ich denke so in vier, fünf Tagen vielleicht?“ „Ich bin mir sicher, dass er sich freuen wird. Sie haben sich ja auch schon lange nicht mehr gesehen, nicht wahr?“ „Das stimmt allerdings“, seufzte Frau Kudô am anderen Ende des Hörers. „Dürften gut zwei Jahre her sein. Aber ihm scheint es ja gut zu gehen, wenn er mit Hattori-kun zusammen wohnt. Ist er sehr anstrengend?“ „Nein, kein bisschen. Ich bin eher derjenige, der anstrengend ist“, lachte Heiji schief, während er mit seinem Finger die Telefonschnur umwickelte. „Dann sehen wir uns also in ein paar Tagen, ja, Hattori-kun? Und vergiss nicht, dass es eine Überraschung sein wird.“ „Mache ich nicht. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.“ „Danke, bis bald!“ Na super, das konnte er im Moment wirklich gebrauchen. Shinichis Eltern würden zu Besuch kommen und das auch noch jetzt! Seit gut einer Woche war sich Heiji mehr als nur sicher, dass etwas mit seinem Freund nicht stimmte. Es hatte ihre Arbeit bisher nicht beeinflusst, doch immer wieder erwischte sich Heiji dabei zu grübeln, was los war. Ungewollt vergaß er dabei ab und an seine Arbeit, doch Shinichi schaffte es immer wieder, ihn aus der Gedankenwelt zurück zu holen. Shinichi jedoch vermied es praktisch ihre private Zeit gemeinsam zu verbringen. Oftmals hatte er die „Uni-Entschuldigung“ parat, als ob er wüsste, dass Heiji dagegen kein Argument hatte. Mehr als nur einmal hatte er versucht etwas aus seinem Freund herauszukriegen, doch immer war er erfolglos geblieben. Heiji hatte ehrlich gesagt mittlerweile den Punkt erreicht, an dem es ihm zu viel wurde. Heute, wenn er den passenden Augenblick fand, würde er Shinichi darauf ansprechen und das nicht durch die Blume, sondern direkt. Er würde nicht locker lassen, bis er eine Antwort hatte, die ihn zufrieden stellte. Abgesehen davon, dass ihn die Unsicherheit und Neugier schier wahnsinnig machte, gefiel ihm der Gedanke ganz und gar nicht, dass Shinichis Eltern sie in dieser Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte, besuchen würden. Gerade wollte er sich wieder in seine Gedankenwelt vertiefen, als die Haustür aufsprang und sein gestresster Lieblingsdetektiv die Wohnung betrat. „Aaah~ wie nervig. Das Wetter bringt mich eines Tages noch mal um!“ „Wie ich sehe, war dein Tag mal wieder wunderbar“, lachte Heiji und besah sich seinen schweißnassen Freund. Die letzten Tage war die Thermometeranzeige noch mal um einige Grad gestiegen. Jeder, der nicht unbedingt das Haus verlassen musste, verschanzte sich in der kühlen Wohnung und versuchte sich so wenig wie möglich sich anzustrengen. Der in Tokyo geborene Detektiv hatte leider nicht so viel Glück wie diese Menschen. Er hatte sich zur Mittagssonne rausschleppen und zur Uni durchschlagen müssen. „Ich geh' erst mal duschen, du kannst ja solange den Kaffee aufsetzen.“ „Kaffee?“, fragte Heiji verwundert. „Wir haben doch noch welchen.“ „Frischen Kaffee. Wir bekommen doch in einer halben Stunde einen Klienten.“ „Oh... Ah! Stimmt, ja genau“, lachte Heiji verlegen und ging in Richtung Küche. „Du hast es vergessen, nicht wahr?“, fragte Shinichi nach. „Nein, natürlich nicht“, sagte der ertappte Osakaner schnell. 'Fuck, ich denke die ganze Zeit daran, was mit dir nicht stimmt und vergesse darüber wirklich noch unseren Job... Mehr als sonst.' „Nun gut, ich bin dann mal eben im Bad.“ Heiji nickte schnell und verließ dann das Wohnbüro, während Shinichi eilig damit beschäftigt war, sich seiner feuchten und stinkenden Kleidung zu entledigen und das Wasser in der Dusche anzustellen. „Jetzt muss ich auch noch für zwei denken“, nuschelte Shinichi leise und stellte sich unter das kühle Nass. Der Tag hatte für ihn so wie die letzten nicht sonderlich gut angefangen. Er war mit einem schlechten Gewissen aufgewacht und hatte sich damit durch den Tag geschleppt. In der Uni war es auch nicht sonderlich gut gelaufen, da er seine Hausarbeit zu Hause vergessen hatte. Die Kopfschmerzen, die er wegen all dem hatte, waren auch nicht wirklich besser geworden – sogar im Gegenteil. Sie schienen schlimmer geworden zu sein. Nach einigen missglückten Minuten der Entspannung unter dem Wasser, trat er aus der Dusche, trocknete sich schnell ab und versuchte seine Haare in einer Windeseile zu föhnen. „Verflucht, ich habe keine frischen Sachen mitgenommen“, stellte er genervt fest, als er sich umblickte. Er legte den Föhn seufzend beiseite und nahm sich stattdessen ein Handtuch, welches er sich schnell um die Hüften wickelte und aus dem Bad trat, um sich in seinem Zimmer anzuziehen. „Hui~“, grinste Heiji, der gerade aus der Küche kam und seinen Freund dabei beobachtete, wie er nur mit einem Stück Stoff bekleidet durch die Wohnung ging. „Tsk“, ließ Shinichi verlauten und ging in sein Zimmer gefolgt von Heiji. Automatisch öffnete er seinen Kleiderschrank und überlegte angestrengt, was er sich anziehen sollte. Bequem, luftig und am besten noch halbwegs professionell. Letzten Endes wollte er bei dem neuen Klienten keinen schlechten Eindruck hinterlassen. „Shinichi“, säuselte Heiji dicht an seinem Ohr. Der Detektiv aus Osaka hatte sich gekonnt von hinten herangeschlichen. „Soll ich dir dabei helfen, etwas zum anzuziehen zu finden?“ „Nein, danke“, antwortete Shinichi und versuchte die Gänsehaut und Aufregung zu unterdrücken, die ihn überkam. „Das schaffe ich auch noch alleine.“ „Ach wirklich?“, grinste Heiji und legte seine Hände an beide Seiten von Shinichis Hüfte, um mit dem Ansatz des Handtuchs zu spielen. Er konnte unter seinen Fingern spüren, dass die helle Haut noch feucht und kühl von der Dusche war. 'Nun, ein letzter Versuch ist es Wert...' „Lass das, der Klient müsste jeden Moment da sein“, zischte Shinichi und fischte sich ein weißes Hemd aus dem Schrank hervor. 'Bereite mir bitte nicht noch mehr Kopfschmerzen für heute...' „Ich will aber nicht“, sagte Heiji mit einer festen Stimme und ergriff nun das Handtuch, um es von der weichen Haut zu streifen. Der Detektiv aus Osaka ließ das Handtuch achtlos zu Boden gleiten und widmete sich sofort der ihm dargebotenen Haut, die vor ihm war. Fest umfasste er wieder die Hüften und vergrub sein Gesicht in die Halsbeuge vor ihm. „Du riechst so gut“, nuschelte er, als die frisch gewaschenen Haare an seiner Nase kitzelten. Heiji wollte ihn umarmen. Ihm nahe sein, am liebsten vergessen, dass irgendetwas nicht stimmte und nur diese Nähe genießen. Doch lange durfte er dies nicht daran ergötzen, denn nicht nur Shinichi war dabei ihn wegzudrücken, um sich somit Raum zu verschaffen, nein, auch die Haustürklingel schien sein Vorhaben nicht gerade gut zu finden. Kurz biss er sich auf die Lippen, nicht wegen der Klingel, sondern weil sein Freund ihn wieder abzuwimmeln schien. „Shinichi“, sagte er und versuchte so sanft wie möglich zu klingen. „Sag mir ehrlich, warum bist du in letzter Zeit so abweisend?“ „Was?“, fragte Shinichi hektisch, während er sich ein Hemd zuknöpfte. „Geh lieber zur Haustür. Warum stehst du hier noch so 'rum?“ „Ist ja gut, ist ja gut“, stöhnte Heiji und stapfte aus dem Zimmer. 'So einfach kriegst du mich heute nicht los.' Shinichi stand derweilen noch unsicher in seinem Zimmer und versuchte mit zitternden Händen die Knöpfe seines Hemdes zu schließen. Sein Körper fühlte sich so schwer an. Das hatte er alles nur den Berührungen seines Freundes zu verdanken, fluchte er. Doch das war nicht die ganze Wahrheit. Er hatte sehr wohl gehört, was Heiji gefragt hatte. „Warum bist du in letzter Zeit so abweisend?“ Keine Chance, dass er es nicht hätte hören können! Heiji hatte etwas gemerkt! Das war genau das, was er vermeiden wollte, doch er war wohl kläglich gescheitert. Ihm war zwar aufgefallen, dass Heiji seit einiger Zeit ihn immer wieder fragte, wie es ihm geht und ob er noch immer so viel zu tun hätte, doch diese Frage war neu im Repertoire des Detektivs. Vielleicht war nun endgültig der Zeitpunkt angekommen, an dem er nicht mehr schweigen konnte, jetzt, da Heiji offensichtlich Verdacht schöpfte. Er sollte wohl doch endlich reinen Tisch machen. Shinichi musste bei dem Gedanken seufzen und sich augenblicklich alle möglichen negativen Konsequenzen ausmalen, die seine Beichte auslösen könnte. -------------------------------------------------------- Der Klient war nichts Aufregendes. Eine junge Frau, die mehr über die neue Geliebte ihres Vaters herausfinden möchte, da dieser wohl die Absicht hegte wieder zu heiraten. Wie bereits gesagt: nichts Aufregendes. Was jedoch besonders war, war Heiji, der an dem Gespräch rege teilnahm und sich sehr dafür zu interessieren schien. Vielleicht lag es auch daran, dass die Klientin eine ausgesprochene Schönheit war. Shinichi wollte lieber nicht weiter darüber nachdenken, doch an was anderes hätte er schon denken sollen? 'Ich bin nicht eifersüchtig', schrie er sich selber immer wieder an. Die Wahrheit war, dass er sich schrecklich fühlte. Er hatte für einen kurzen Moment ungewollt daran denken müssen, dass Heiji SO eine Frau, wie ihre Klientin, haben könnte. Sie verstanden sich jedenfalls schon mal blendend. Schnell schüttelte der Jungdetektiv seinen Kopf und widmete sich dann wieder dem Gespräch, welches sich Stunden hinzuziehen schien, bis die Frau dann endlich nach einer Gefühlten Ewigkeit aus dem Büro verschwand und die beiden Detektive mit den nötigsten Informationen zurück ließ. „Nee, Shinichi, ging es vielleicht noch unfreundlicher? Was ist denn los? Nur, weil es kein aufregender Mordfall ist, musst du nicht gleich so tun, als ob das hier unwichtig wäre“, sagte Heiji, als er seinen Kaffee austrank. „Du weißt doch, dass sich meistens diese unscheinbaren Fälle als was Besonderes herausstellen. Vielleicht hat dies Geliebte ihres Vaters ja richtig Dreck am Stecken.“ „Ja, das musst du mir nicht sagen. Sorry, aber ich habe Kopfschmerzen und lege mich in meinem Zimmer für eine Weile hin“, antwortete Shinichi reumütig. „Nein.“ Shinichi blinzelte einige Male und betrachtete dann seinem auf dem Sofa sitzenden Freund. Was ging denn jetzt ab? „Wie bitte?“ „Tut mir leid, wenn du Kopfschmerzen hast, aber wir müssen noch was bereden.“ „Ich habe mich schon entschuldigt wegen eben.“ „Das ist es nicht.“ Shinichi fing an ein ungutes Gefühl zu kriegen. Was sollte das? Heiji hatte noch nie so einen ernsten Ton an den Tag gelegt. Noch nie! Wahrscheinlich war jetzt die Stunde der Wahrheit gekommen. „Worum geht es dann?“, fragte Shinichi leise und kreuzte seine Arme vor der Brust. 'Dumme Frage, natürlich weiß ich worum es geht...' „Ich habe lang genug zugesehen, wie du dich die letzten Tage verhalten hast. Deswegen frage ich dich jetzt in aller Deutlichkeit und möchte eine Antwort. Was ist los mit dir?“ „Tut mir leid, ich-“ „Sag jetzt bitte nicht wieder, dass es die Uni oder was weiß ich ist. Denn das ist es nicht!“, sagte Heiji in einer für ihn nicht normalen Lautstärke. „Was zum? Lass mich doch wenigstens ausreden!“, schrie nun Shinichi zurück. Er merkte, dass er unbewusst wieder auf seine Unterlippe biss und sichtlich nervös wurde. Auf einmal hörte er Schritte und sah nur einen Augenblick später Heiji wenige Zentimeter vor sich. „Ich will, dass du mit mir redest. Was bedrückt dich? Habe ich irgendetwas gemacht? Ist es meine Schuld, dass du dich in letzter Zeit so distanziert hast? Wir sind zusammen und da erzählt man sich doch Probleme.“ „Ich habe nichts gesagt, WEIL wir zusammen sind“, platzte es aus Shinichi heraus. Kurz herrschte Stille, die nur von dem offenen Fenster und denen darunter fahrenden Autos unterbrochen wurde. Die Luft wirkte für Shinichi auf einmal drückend und unerträglich. „Also doch, ich habe etwas getan und du nimmst es mir übel. Was war es?“ „Heiji“, seufzte der Jungdetektiv. Shinichi glaubte, dass sein Kopf kurz vorm platzen war. Würden die Kopfschmerzen weggehen, wenn er seinem Freund endlich alles sagen konnte? Was hatte er schon zu verlieren? Eigentlich praktisch alles, wenn Heiji nun auch anfangen würde über diese Dinge nachzudenken. „Als Otaki vor zwei Wochen hier war und von Kazuhas Hochzeit erzählt hat, da hast du so... so merkwürdig reagiert danach.“ Heiji schloss seine Augen und überlegte angestrengt. Wie hatte er reagiert? Er war überrascht gewesen. Hatte sich gefragt, warum Kazuha so früh heiraten würde. „Ich war einfach nur überrumpelt, glaube ich. Das wäre jeder.“ „Ja, aber du“, Shinichi stockte kurz in seinem Reden und massierte sich leicht seine Schläfen. „du... bereust du es nicht?“ „Was bereuen? Ich habe gerade keine Ahnung, wovon du redest.“ Shinichi seufzte und versuchte seine Probleme in seinem Kopf zu ordnen. Warum konnte er sich nicht normal und organisiert ausdrücken? Was war nur mit ihm passiert? Er war doch immer so rational gewesen und hatte versucht seine Kontrolle zu behalten. Immer! Aber seit er sich seiner Gefühle für Heiji bewusst geworden war, war seine Beherrschtheit und Rationalität zu Grunde gegangen. Auf einmal war ihm alles egal. Er hatte das Gefühl keinen Tag mehr länger mit diesem Schweigen leben zu können. „Bereust du es, nicht mehr mit ihr zusammen zu sein? Ihr könntet noch ein Paar sein, wenn das damals nicht passiert wäre. Dann wärst du es vielleicht, der sie heiraten würde. Ihr würdet irgendwann Kinder kriegen... Eure Eltern könnten Großeltern werden. Aber stattdessen bist du mit mir zusammen“, Shinichi holte kurz Luft und redete dann ohne Punkt und Komma weiter. „Wir haben bisher noch niemanden von uns erzählt! Wir werden auch keine Kinder haben. Ist dir das bisher eigentlich schon bewusst gewesen? Wir werden nie ein normales Leben haben, wie die anderen. Hast du schon mal darüber nachgedacht?!“ Moment. Stopp, zurückspulen und noch mal auf Play drücken. Was hatte Shinichi da gerade gesagt? Heijis Kopf hatte merklich Schwierigkeiten alles zu verarbeiten, doch er hatte es gehört. Alles. Das war es? All diese Gedanken spukten in Shinichis Kopf herum und das seit beinahe zwei Wochen? Er hatte keine Ahnung gehabt. Er wäre nie darauf gekommen, wenn er seinen Freund nun nicht doch endlich zur Wahrheit gedrängt hätte. Heiji musste merklich nach Luft schnappen, als er das immer noch aufgewühlte und gehetzte Gesicht seines Gegenübers sah. Darüber nachgedacht? Hatte er das? Er war seit einem halben Jahr mit ihm zusammen, doch noch nie hatte er an so etwas denken müssen, das musste er sich eingestehen. Sie waren einfach so zusammen gekommen, als ob sie mit dem Strom geschwommen wären. Völlig natürlich. Er hatte nie an die Konsequenzen gedacht, wenn es denn da überhaupt welche gäbe. Doch was Shinichi da gerade alles gesagt hatte, waren doch Konsequenzen, oder nicht? „Und? Hast du?“, fragte Shinichi nun noch einmal „Hast du darüber nachgedacht?“ „Ich... Nein, habe ich nicht“, antwortete Heiji ehrlich, doch mit einem schlechten Gefühl. „Das dachte ich mir“, seufzte Shinichi, während er betrübt auf den Boden sah. „Es tut mir leid, dass ich laut geworden bin. Ich habe immer noch Kopfschmerzen und ich gehe, glaube ich, besser ins Bett.“ Mit jedem Wort, das Shinichi gesprochen hatte, wurde er leiser, bis sein Freund es kaum noch verstehen konnte. Er konnte es nicht fassen, dass alles einfach so aus ihm herausgebrochen war. Und wie er es bereits vermutet hatte, hatte Heiji sich noch nie damit auseinandergesetzt. Normalerweise würde man so etwas ausdiskutieren, aber im Moment konnte er einfach nicht mehr. Er wollte nicht hören, was Heiji dazu zu sagen hatte. Er hatte zu viel Angst davor. „Nacht“, nuschelte er schließlich und verschwand, so schnell es ging, in sein Zimmer, um sich achtlos seiner Klamotten zu entledigen und nur mit seiner Shorts bekleidet unter der Bettdecke zu verkriechen. 'Ich bin so ein Idiot. Er wird nun drüber nachdenken und zu dem Entschluss kommen, dass das alles mit uns ein Fehler war und er sich den Rest seines Lebens nicht so vorgestellt hat. Super gemacht, Shinichi. Besser hättest du es echt nicht machen können.' Während Shinichi in seinem Zimmer war, stand Heiji noch genau an demselben Platz und starrte auf den leeren Fleck vor ihm. Es mochte stimmen, dass er noch nie darüber nachgedacht hatte, über all die Dinge, die sein Freund ihm gerade regelrecht entgegen geschrien hatte, doch das hieße doch noch lange nicht, dass... „Was zum Geier ist da gerade nur passiert?“, fragte sich Heiji leise und seufzte daraufhin. „Verflucht, ich glaube, ich brauch jetzt ein Bier.“ Gesagt, getan. Heiji steuerte auf den Kühlschrank in der Küche zu und nahm sich das erstbeste Bier heraus, das er finden konnte. Während er sich an den kleinen Küchentisch setzte, öffnete er die Flasche und trank einen großen Schluck daraus. „Wie kommt er nur auf so bescheuerte Ideen?“, nuschelte er und fuhr sich mit der freien Hand durch die Haarpracht. 'Wie kann er nur glauben, dass ich es bereuen würde, nicht mehr mit Kazuha zusammen zu sein?' Er versuchte in Gedanken alles Revue passieren zu lassen. Eigene Kinder, Ehrlichkeit zu den Eltern, ein „normales“ Leben, die Zukunft. Das alles waren Worte, die ihm so weit weg vorkamen. Unabsichtlich schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Shinichi hatte darüber nachgedacht und das anscheinend recht intensiv. Er hatte über sie BEIDE nachgedacht. Irgendwie machte das Heiji glücklich. Er hatte die letzten sechs Monate für selbstverständlich genommen. Shinichi war einfach da, an seiner Seite. Sie taten das, was sie schon immer gemacht hatten – Fälle, große und kleine lösen. Nur waren sie jetzt in Paar, was Heiji noch glücklicher machte. Er hätte nie gedacht, dass es Probleme geben würde. Wenn er seine Augen schloss, da war Shinichi. Schon lange und nichts anderes. Er brauchte keine Kinder, keine Sicherheit im Leben, keine Zustimmung seiner Eltern und auch sonst nichts. Er wollte nur bei ihm sein. Bei dem Menschen, den er liebte. „Liebe...“, flüsterte er und trank wieder einen Schluck aus seiner Flasche, bis er diese beinahe fallen ließ. Es traf ihn wie der Schlag. Er liebte Shinichi, das wusste er! Er war sich einer Sache noch nie so sicher gewesen. Damals mit Kazuha hatte er auch gedacht, dass er sie liebte, doch im Vergleich zu jetzt war das nicht viel mehr als eine kleine Liebelei gewesen. Aber wie konnte das sein? Er hatte Shinichi noch nie gesagt, dass er ihn liebte. Als Heiji die bewusst wurde, fiel ihm gleich danach auf, dass sein Freund ihm das ebenfalls nie gesagt hatte. Er dachte, es wäre klar gewesen, dass sie auch unausgesprochen ihre Gefühle übermitteln konnten. Vielleicht war Shinichi tief drinnen verunsichert? „So einfach... Es ist so einfach, nicht wahr?“, sagte Heiji und stellte die Flasche schließlich auf den Tisch um ruckartig aufzustehen. Ohne anzuklopfen oder zu zögern, trat er in das Zimmer seines Freunds und versuchte dessen Gestalt im Dunkeln auszumachen. Es dauerte nicht lange bis er ihn in der Bettdecke eingekuschelt ausmachte. Zielsicher näherte er sich dem Bett und setzte sich neben Shinichi. „Was willst du?“, fragte Shinichi erschöpft. „Gut, du bist noch wach“, sagte Heiji erleichtert. 'Natürlich bist du noch wach...' „Mhm...“ Heiji musste sich ein Grinsen verkneifen, stattdessen legte er nun seine Beine auf das Bett und kuschelte sich an Shinichi heran, der mit dem Gesicht der Wand zugewandt war und seinem Freund somit nur den Rücken darbot. „Was soll das?“, fragte Shinichi als er merkte wie sich der Arm seines Freund um seine Hüfte schlang und ihn näher zu sich zog. „Ich will schlafen. Geh in dein Zimmer.“ „Shinichi, ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast.“ „Nachgedacht? Es ist kaum eine halbe Stunde her. Ich glaube kaum, dass du wirklich darüber nachgedacht hast. Außerdem hast du eine Fahne...“ „Ich hatte nur in halbes Bier. Also hörst du mir jetzt zu?“ „Kann das nicht bis morgen warten?“ „Das glaube ich nicht“, sagte Heiji und legte seine Wuschelmähne auf eine freie Stelle des Kopfkissens. „Hör mir bitte bis zum Ende zu.“ Heiji sah nach einigen Momenten, dass Shinichi nickte und sich daraufhin noch ein wenig mehr in die Decke zu vergraben schien. „Ich werde das jetzt nur einmal sagen und glaube mir, ein zweites Mal wird dies nicht wieder zu Sprache kommen. Es ist wahr, dass ich nie über all diese Sachen nachgedacht habe, aber nicht, weil ich es vielleicht verdrängt habe oder versuchte habe es zu vermeiden, sondern weil es für mich belanglos ist.“ Heiji hörte wie sein Freund scharf die Luft einsog und sich anspannte. Shinichi hatte seine Augen fest zusammen zugekniffen, als ob dies helfen würde nichts von der Ansprache seines Freundes hören zu müssen. „Es ist auch wahr, dass ich wirklich überrascht war, dass Kazuha heiratet und irgendwann eine eigene Familie gründen wird. Aber hör mir zu: Ich habe es, seit wir zusammen sind und bereits auch vorher, nicht bereut, nicht mehr mit ihr zusammen zu sein. Ich bin auch nicht eifersüchtig auf sie. Ich brauche keine Frau oder Kinder, um glücklich zu sein. Ich komme mit Kindern sowieso nicht zurecht.“ Heiji konnte sich nicht zurückhalten ein wenig zu lachen. Er hatte zwei linke Füße und Hände, was Kinder anging und das würde sich wohl auch nie ändern, das wusste er schon seit Jahren. Sein Radar war wohl einfach nicht für Menschen unter 16 Jahre eingestellt. „Mir ist es auch egal, was unsere Eltern dazu sagen werden. Ich meine, wenn du es deinen Eltern gerne sagen willst, dann unterstütze ich dich, aber die Zeit drängt nicht. Dafür können wir uns Zeit lassen, bis du bereit bist. Wenn du willst, werde ich es meinen Eltern dann auch sagen. Ich weiß nicht wie sie reagieren werden, aber das ist mir eigentlich recht egal. Ist ja nicht so, dass sie mich auf Lebenszeit verstoßen können.“ Heiji atmete tief ein und lächelte daraufhin entspannt. Er hätte nie gedacht über so ein ernstes Thema, so leicht reden zu können und sogar ein Stück Freude dabei zu empfinden. „Ich weiß auch nicht, was die Zukunft für mich... uns bringen wird. Ein bisschen Abenteuer macht das Leben bekanntlich aufregender“, lachte Heiji wieder ein wenig. „Was ich damit sagen will ist, dass du meine Familie bist und ich mir nichts anderes vorstellen könnte, kann und will.“ „Wa- warum?“, Shinichis Stimme schien zu zittern. „Muss ich das wirklich noch sagen?“, flüsterte Heiji und kuschelte sich näher an Shinichi an, um ihm direkt in sein Ohr reden zu können. „Weil ich dich liebe.“ Er hatte es wirklich gesagt! Shinichi glaubte im Erdboden versinken zu müssen, so peinlich war ihm die ganze Situation auf einmal. Noch nie hatte er sich so gut und gleichzeitig so unwohl gefühlt. Er hätte nie gedacht, das Heiji derjenige wäre, der es aussprechen würde. Das, was sie beide fühlten. Bei Shinichi schien dieser kleine Satz Wunder bewirkt zu haben. All die Gedanken, die schlechten Vorstellung, das „was wäre wenn“, schien sich in Luft aufzulösen und ihn endlich frei zu lassen. „I- idiot!“, nuschelte Shinichi nervös. „Was sagst du da?“ „Was? Soll ich es für dich auch noch sagen?“ „Was? Nei-“ „Du hast dir diese verrückten Gedanken gemacht, weil du mich auch liebst. Sonst hättest du die letzten zwei Wochen nicht so viel Energie daran verschwendet. Ich glaube nach all dem, was wir erlebt haben, ist es endlich an der Zeit die 'drei magischen Worte' zu sagen“, erklärte Heiji schelmisch. „Ich glaube, ich sterbe gleich“, stöhnte Shinichi beschämt. „Hehe, wirklich? So schlimm?“, grinste Heiji in das Haar seines Freundes hinein. Heiji hörte ein grummelndes Geräusch. Es war sicher Wochen her, dass er dachte, dass Shinichi süß war. Er konnte praktisch in der Dunkelheit erkennen, wie sein Freund vor Scham errötete. „Hey, kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“, fragte Heiji plötzlich. „Hm? Aber mein Bett ist nicht wirklich für zwei Personen gedacht.“ „Macht nichts, ist nur kuscheliger“, lachte der Detektiv aus Osaka und stand nun vom Bett auf, um sich bis auf die Shorts auszuziehen. Shinichi blickte über seine Schulter zu seinem Freund, den er in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte. Es fühlte sich so gut an die Sorgen von zwei Wochen los zu sein. Er hatte sich wahrscheinlich noch nie so unsagbar dankbar gefühlt... Und lächerlich, weil er sich so sehr in die Sache hineingesteigert hatte. Er sah, wie Heiji den Gürtel seiner Hose öffnete. Unwillkürlich musste er wieder erröten. Schnell drehte er sich der Wand zu und versuchte sich auf die weiße Tapete zu konzentrieren, was ihm jedoch kläglich misslang. Heiji hatte ihm wirklich gesagt, dass er ihn liebte! Shinichi biss sich auf seine Unterlippe und schluckte daraufhin. Warum fühlte er sich plötzlich wie ein Schulmädchen? Dieser verfluchte Kansai-Idiot schaffte es immer wieder ihn aus der Fasson zu bringen. „Heiji?“, fragte Shinichi leise. „Hm?“ „Ich liebe dich auch“, ´nuschelte der Jungdetektiv mit Herzklopfen. „Was? Sag das noch mal, ich habe es nicht richtig verstanden. Du musst lauter reden.“ „Du weißt genau, was ich gesagt habe!“ „Hm, habe ich das?“, grinste er wieder und gesellte sich nun unter die Bettdecke zu seinem Freund. „Sag es noch einmal.“ Der Detektiv aus Osaka hörte ein weiteres unzufriedenes Grummeln seines Freundes. „Ich liebe dich auch, Heiji“, sagte Shinichi nun etwas lauter und mit glühendem Gesicht. „Hmmm“, schnurrte Heiji und küsste den Nacken seines Freundes. „Hast du eigentlich noch Kopfschmerzen?“ „Hm? Uhm“, Shinichi schien kurz nachzudenken. „Ja, schon.“ „Schade. Dann müssen wir den Sex wohl auf Morgen verlegen.“ „Trottel“, nuschelte Shinichi und drehte sich im Bett um, um seinem Freund in das Gesicht sehen zu können. Er lehnte sich ein Stück vor und gab seinem Freund einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Sie trennten sich bereits wenige Sekunden später voneinander und lächelten sich leicht an. „Du siehst wirklich fertig aus“, sagte Heiji und schloss seine Arme um Shinichi. „Lass uns schlafen.“ Shinichi nickte kurz und legte sich dann an die Schulter seines Freundes. Er schloss seine Augen und glaubte endlich nach all den Tagen mal wieder friedlich schlafen zu können. ------------------------------------------------------------ Einige Tage später saßen beide gemütlich vor ihrem Wohnbürofenster und versuchten sich in Kombination mit der Klimaanlage und dem Ventilator Kühle zu verschaffen. Shinichi hatte seinen Rücken an Heiji angelehnt und las ein Buch, während Heiji sich seiner Variety-Show im Fernsehen widmete. „Könntest du vielleicht nicht so viel lachen? Du bist meine Rückenlehne, hast du das vergessen?“, fragte Shinichi und blätterte eine Seite seines Krimis um. „Hey, ich kann nichts dafür! Das ist die blöde Show“, verteidigte sich der Osakaner und drehte seinen Kopf ein Stück zur Seite. „Du musstest dich ja unbedingt an mich anlehnen, das war nicht meine Ide- Oh nein, Besuch.“ Heijis Stimme ließ verlauten, dass er sich eher freiwillig zum Militär melden würde, als aufzustehen und zur Tür zu gehen. „Ist ja gut, ich geh schon“, seufzte Shinichi und legte sein Buch zur Seite. Mit trägen Schritten näherte er sich der Haustür und öffnete sie. „Überraschung!“ „Was zum? Mom, Paps, was tut ihr hier?“ „Überraschungsbesuch“, sagte Shinichis Vater, während er sich mit einem Fächer Luft zuwedelte. „Na los, lass uns rein, wir vergehen hier draußen“, sagte Shinichis Mutter und drängelte sich, mitsamt verschiedener Koffer, durch die Tür. „Hallo, Hattori-kun.“ „Guten Tag“, sagte Heiji, der sich langsam aufsetzte, um Shinichis Eltern zu begrüßen. „Wie ich sehe, haben Sie ja doch einen längeren Zwischenstopp eingelegt.“ „Ja~, wir wurden doch glatt fünf Tage in Sapporo festgehalten, weil unser Bekannter so ein guter Gastgeber war.“ „Zwischenstopp? Was?“, fragte Shinichi und sah von seinen Eltern zu Heiji und wieder zurück. „Was ist hier los, Heiji? Du hast doch nicht etwa-“ „Na, na, na, mein Sohn, sei mal nicht so. Es war unsere Idee. Sei du lieber auch ein guter Gastgeber und bring deinen Eltern mal was Kühles zu trinken. Danach können wir weiterreden“, sagte Herr Kudô, während er sich auf den Sessel setzte. „Schön“, seufzte Shinichi. „Heiji, du hilfst mir!“ „Uhm, gerne doch“, sagte der Osakaner schnell und folgte seinem Freund in die Küche. Während Shinichi Eiswürfel aus dem Tiefkühlfach holte, schickte er seinem Freund stechende Blicke. „Schau mich nicht so an! Sie haben vor ein paar Tagen angerufen und mir gesagt, dass ich meine Klappe halten soll.“ „Na toll, was machen wir jetzt mit denen?“ „Ich würde mal sagen, erstens ihnen etwas Kaltes zu trinken geben und zweitens...“ „Zweitens?“ „Ihnen sagen, dass sie einen Schwiegersohn kriegen.“ „Spinnst du? Nie im Leben!“, schrie Shinichi mit tiefrotem Gesicht. „Ist alles in Ordnung, Shin-chan?“, hörte man seine Mutter durch die Wohnung rufen. „Ja, alles in Ordnung, Mom, wir kommen gleich.“ „Sorry, ich konnte es mir nicht verkneifen“, lachte Heiji und wuschelte seinem Freund durch die Haare. „Na los, lass uns gute Gastgeber sein und danach unternehmen wir irgendwas in der Stadt. Vergiss einfach, was ich gesagt habe.“ „Nicht heute“, nuschelte Shinichi, während er den kalten Tee, zusammen mit Eiswürfeln auf ein Tablett stellte. „Was nicht heute?“ „Ich will es ihnen heute noch nicht sagen, aber wenn sie das nächste Mal kommen.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich denke schon.“ Heijis Lippen umspielte ein Lächeln. Er stellte sich neben Shinichi und nahm ihm das Tablett ab. Kurz sah er zur halb geöffneten Küchentür und gab seinem Freund einen kurzen Kuss auf den Mundwinkel. „Wie lange braucht ihr denn?“, zeterte Shinichis Vater und stapfte nun ohne Vorwarnung in die Küche herein. „Ich will kein Fünf-Gänge-Menü, nur was zu trinken.“ „Eh, eh, wir kommen“, stotterte Shinichi und schubste Heiji vor sich her, damit dieser ins Wohnzimmer ging. Dieser blickte über seine Schulter in Shinichis leicht errötetes Gesicht und schenkte ihm ein Lächeln, welches ohne Zögern erwidert wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)