Himmel und Erde von matvo (Schatten und Licht, Interlude 1) ================================================================================ Kapitel 12: Was ist passiert? ----------------------------- Als Allens Verstand wieder auf genug Sauerstoff zurückgreifen konnte, um zu erwachen, fand er sich noch immer auf kargen Fels liegend in der Tropfsteinhöhle wieder. Die Schmerzen in seinem Unterleib ließen ihn leise Stöhnen, während er versuchte sich aufzurichten. Plötzlich wurde er sich dem schmalen Gegenstand in seinen Händen bewusst und hielt inne. Auf seinem Körper sah er das charakteristische Blinken scharfen Metalls. Vorsichtig hob er die Klinge an und stellte überrascht fest, dass sie mehr wog, als er es gewohnt war. Dann fiel sein Blick auf das zerbrochene Schwert, dessen Einzelteile neben ihm verstreut auf dem Boden lagen und ebenfalls ihm schwachen Licht der dunkelroten Sonne glänzten. Es konnte nicht viel Zeit vergangen sein, seitdem er von…Seine Gedanken überschlugen sich, als er sich die Waffe in seiner Hand genauer ansah. Ein scharf geschliffener Diamant in der Spitze, ein schwarzer, hölzerner Griff ohne Handschutz…Allen wog Siris Klinge ehrfürchtig in seiner Hand. Er hielt das Schwert nicht zum ersten Mal in seiner Hand, dennoch versetzte das Meisterwerk ihn in Staunen. Warum sie es wohl zurückgelassen hatte? Immerhin, so überlegte er, war sie in diese Höhle gekommen um…Merle! Der Gedanke an seine Gefährtin lies ihn hochschrecken. Besorgt stand er auf und rief laut ihren Namen. Es antwortete ihm jedoch nur das tosende Wasser und sein Herz wurde nach jeder Sekunde ihres Schweigens immer schwerer. Schließlich wagte er sich die Höhle vor. Das Licht, das durch den Wasserfall drang, wurde immer schwächer. Zusehens passten sich seine Augen der Dunkelheit an und er konnte eine zusammengesackte Gestalt erkennen, die gegen einen Felsen lehnte. Erließ das Schwert fallen und nahm Merle ins einem Arme. Nochmals sagte er laut ihren Namen, doch sie schien nicht zu reagieren. Während Allen sich Milernas Lektionen eine nach der anderen ins Gedächtnis rief, fühlte er Merle Puls an ihrer Halsschlagader und war dankbar dafür, einen zu finden. Was jetzt? Stabile Seitenlage! Möglichst behutsam breitete Allen sie auf den Boden aus, dann rollte er sie auf ihre Seite und brachte ihre Arme in eine korrekte Position. Was jetzt? Eigentlich müsste er Hilfe holen, besonders wenn sich herausstellen sollte, dass sie nicht gleich aufwacht, aber dann wäre niemand mehr hier, der ihre Atmung kontrollieren und im Notfall Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen könnte. Tragen konnte er sie nicht. Das Risiko, dass er dabei nicht bemerken würde, wie sie an ihrem eigenen Speichel oder Erbrochenen erstickt, war zu groß. „Allen?“ Die schwache Stimme lies Allens Herz höher schlagen. Zwei schwach glühende Linsen wandten sich ihm zu. „Ein Glück, du bist wach!“, stieß er erleichtert aus. „Wo bin ich?“, fragte Merle verwirrt und sah sich, so gut es ihr möglich war, um. „In der Tropfsteinhöhle.“, antwortete Allen. „Was? Ich muss wohl eingeschlafen sein.“, vermutete sie, woraufhin sich ihre Augen wieder schlossen. „Schlaf bitte nicht ein! Hörst du, Merle? Bleib hier!“, sagte er besorgt und legte ein Hand auf ihre Schulter. Ihre Augenlider hoben sich nur langsam. „Hast du sie eingeladen?“, hauchte sie. Im ersten Moment wusste Allen nicht, worauf sie hinauswollte. Doch dann riss er seinen Blick von ihr los und sah sich um. Aus dem Höhleninnern sah er zwei tanzende Lichter näher kommen. Zu allem entschlossen tastete Allen nach Siris Schwert und nahm es an sich. „Wer seid ihr?“, fragte er laut und deutlich, nachdem er vier Männer im Licht zweier Öllampen erkannt hatte. „Wir sind die dritte Sanitätseinheit der Festung Orio.“, identifizierte sich der Anführer. „Man sagte uns, dass man hier unsere Hilfe braucht.“ Misstrauisch beäugte Allen die uniformierten Männer, die einen sicheren Abstand zu seiner Klinge wahrten und abwarteten. Hatte Siri ihnen Bescheid gesagt? Wer sonst hätte es tun können? Erst das Schwert, jetzt diese Soldaten. Warum? „Sie ist rückwärts gegen einen Felsen geprallt und hat sich dabei den Kopf gestoßen.“, sagte Allen, wies auf Merle und trat zurück. Panik durchbrach ihre Wut, als Siri ihr Handgelenk zu fassen bekam und sie herum schleuderte. Dem schmerzhaften Aufprall ihres Rückens folgte ein Stoß auf ihrem Hinterkopf, der ihr die Sinne raubte. Über ihr Bewusstsein legte sich ein Nebel und einen Moment lang gab es nichts weiter als ihre Angst und die Faust, die blitzschnell auf ihr Gesicht zukam. Dann löste sich alles in blendendes Weiß auf und formte sich binnen eines Augenblicks zu zwei Wänden und einem Vorhang, vor dem ein gut aussehender, blonder Mann stand und sie besorgt musterte. „Wie kommt es, dass du immer da bist, wenn ich aufwache?“, fragte Merle schief lächelnd. Allen zuckte mit den Schultern. „Schicksal.“, vermutete er. „Hattest du einen Alptraum?“ Sie blinzelte überrascht. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie aufrecht im Bette saß und Schweiß ihr Fell durchnässte. „Ja, ich hab gerade geträumt, wie S…“ Allen räusperte sich und wies sie mit einer unauffälligen Geste an zu schweigen. Merle braucht nicht einmal einen Blick an die Decke zu werfen, um sich davon zu überzeugen, dass sie überwacht wurde. Für die Wanzen fingen beide ein Gespräch an, bei dem sie nur Floskeln austauschten. Es vergingen nur Minuten, dann wurde der Vorhang beiseite geschoben. Sander und ein kleiner Mann mit weißem Haar, faltigen Gesicht und einer weißen Robe über seiner Kleidung betrat ihre Ecke. „Wie geht es ihnen?“, fragte der alte Mann mit sachlicher Stimme. „Mein Kopf tut etwas weh, abgesehen davon geht es mir gut.“, antwortete Merle nach einer kurzen Eigeninventur ihres Körpers. „Haben sie noch andere Beschwerden?“ „Nein, keine.“ „Wissen sie, wo sie sind?“ „In einem Zimmer offensichtlich, aber ich kenne diesen Raum nicht.“ „Erinnern sie sich an den Unfall?“ „Ja, ich…rutschte auf dem Boden der Tropfsteinhöhle aus und schlug mit dem Kopf auf.“ Der Arzt nickte zufrieden und machte sich Notizen. „Wir konnten keine strukturellen Schäden an ihrem Gehirn feststellen, dennoch werden sie weitere zwölf Stunden unter Beobachtung stehen. Die Auswirkungen der Gehirnerschütterung werden sie höchstens noch dreißig Tage lange zu spüren bekommen, dann sollte alles abgeklungen sein. Es kann aber auch sehr viel schneller gehen. Die nächsten Wochen sollten sie es ruhiger angehen lassen und körperlich anspruchsvolle Handlungen meiden.“ „Ich habe mich bereits mit Farnelia in Verbindung gesetzt. Euer König wünscht, dass eure Behandlung in seinem eigenen Land fortgesetzt wird. Sobald die Katzenpranke hier ist und ihr für reisetauglich erklärt werdet, brecht ihr auf.“, erklärte Sander und warf Allen einen viel sagenden Blick zu. „Ich nehme an, Ritter Allen wird euch begleiten.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, verließen beide Merles Bereich und zogen hinter ihnen den Vorhang wieder zu. „Ich hätte nie gedacht, dass jemand so schroff und höflich zu gleich sein kann.“, kommentierte Merle das kurze Treffen. „Ich nehme an, das liegt an seinem Gespräch mit Van.“, spekulierte Allen und verzog seine Lippen zu einem Lächeln. „Eine königliche Bitte, dich mit Respekt zu behandeln, passt mit Sicherheit nicht in Sanders Weltanschauung.“ „Stimmt. Ich war so lange nicht mehr in Farnelia, dass ich ganz vergessen habe, wie praktisch es ist mit ihm befreundet zu sein.“, kicherte sie. „Praktischer wäre es, wenn es diese Freundschaft auch auf dem Papier gäbe.“, sagte er leise. „Was?“, fragte sie verwirrt, doch er winkte ab. „Vergiss es!“ „Wie war die Feier gestern?“ „Ich war nicht anwesend.“ „Wegen mir? Aber…“ „Nein, aber nachdem ich dich…gefunden hatte, war ich nicht mehr vorzeigbar. Und da ich die feinen Damen nicht warten lassen wollte,…“, rechtfertigte sich Allen. „… hast du dich seitdem nicht mehr bemüht, irgendetwas an deinem Erscheinungsbild zu ändern.“, beendete lächelnd Merle seinen Satz und musterte seine schmutzige Paradeuniform. „Ist das eine Aufforderung es jetzt zu tun?“, erkundigte er sich mit spielerischem Ernst. „Meine feine Nase bittet darum.“, erwiderte sie im gleichen Tonfall. „Ein Wunder, dass man euch in dieser Verfassung herein gelassen hat.“ Allen, der sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte, erhob und verbeugte sich. „Ich verabschiede mich, Fräulein.“, verkündete er und schob den Vorhang beiseite. „Schlaf gut!“, sagte Merle, woraufhin er sich verdutzt zu ihr umdrehte und sie ihre Aufforderung mit einem Grinsen unterstrich. Als er den Vorhang passierte, trat eine Krankenschwester mit einem Tablett in den Händen an ihm vorbei. Ein paar Augenblicke sah sie ihn hinterher und wandte sich dann Merle zu. „Sie können von Glück reden Ritter Allen als Freund zu haben, Fräulein.“, sagte sie, bevor sie die Beine des Tabletts ausklappte und es über Schoß der Patientin legte. „Mein Geruchsinn war gerade anderer Meinung.“, entgegnete Merle, während sie spekulierte, welche Art von Freund die Schwester wohl meinte, und ihre Nase mit dem Duft des Tees entschädigte. „Das wäre er nicht, wenn er wüsste, dass Ritter Allen die ganze Nachte hindurch an eurem Bett gewacht hat. Selbst als wir euch waschen wollten, lies sich der Ritter nur sehr schwer zum Gehen bewegen.“ „Wahrscheinlich wusste er es, hat es mir aber aus Höflichkeit verschwiegen.“, sagte Merle und verbarg ihre Empörung. Was hatte sich Allen dabei gedacht, sie die ganze Nacht hindurch beim Schlafen zu beobachten. Warum hatte das Krankenhauspersonal dies gebilligt? Naive Vorstellungen von Romantik seitens der Krankenschwestern, vermutete sie und fragte sich im nächsten Augenblick selbst, warum sie sich überhaupt darüber aufregte. In der letzten Woche hatten sie und Allen jede Nacht im selben Bett verbracht, wenn auch mit mindestens einem Meter Abstand. In der letzten Nacht hatte er wahrscheinlich Wache gehalten, was sein aufdringliches Verhalten erklären würde. Bedeutete das, dass Siri noch immer nach ihrem Leben trachtete? Bei der Gelegenheit viel Merle auf, dass sie gar nicht wusste, warum sie noch am Leben war. Was war passiert, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte? Allen hatte angegeben, dass er sie gefunden hatte, doch er hatte ihr und der Überwachungstechnik in diesem Raum etwas verschwiegen. Merle nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit herauszufinden, was es war. „Wo wir schon mal dabei sind…Wann kann ich mich waschen?“ Als Allen die Sanitätseinrichtung der Festung Orio verließ, stellte er überrascht fest, dass Sander an einer Wand gelehnt auf ihn wartete. „Haben sie uns getrennt, damit Merle ein leichteres Ziel abgibt?“, erkundigte er sich bei dem Festungskommandanten. „Möglich.“, wich Sander der Antwort aus. „Sie haben mit dem Leben des Mädchens gespielt!“, warf Allen ihm vor. „Sie haben mit dem Leben von jedem meiner Männer gespielt, da sie uns die Existenz dieser Höhlen verschwiegen haben.“, konterte Sander. „Scheint so, als wären wir quitt.“ Allen schnaubte verächtlich und trat an ihn vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)