Himmel und Erde von matvo (Schatten und Licht, Interlude 1) ================================================================================ Kapitel 21: Ankunft ------------------- „Allen, komm her und setz dich!“, rief Merle von der Brücke aus in das Schiffsinnere. „Ich geh gleich runter.“ „Bin sofort da.“, schallte es zurück. Wenige Augenblicke später erschien der blonde Ritter zwischen dem Türrahmen der Brücke und spähte neugierig nach draußen. „Sind wir schon in Sichtweite?“ „Du meinst wohl Funkreichweite.“, verbesserte sie ihn kichernd. „Eh man uns am Boden sehen würde, wären wir schon weg.“ „Und?“ „Fast. Deswegen will ich den Vogel jetzt runter bringen.“ „Wie schnell kann dieses Ding fliegen?“, staunte Allen, während er sich auf seinen Sitz neben ihr niederließ und sich anschnallte. „Keine Ahnung.“, gab Merle zu. „Hab ich noch nie ausprobiert. Siehst du den roten Bereich auf dem Geschwindigkeitsmesser?“ Er begutachtete das ihm gezeigte Instrument. Es bestand aus einer Anzeigenadel auf einer unterbrochenen Kreisscheibe, die am linken Ende grün war, nach einer Zweidrittelumdrehung kurz rot wurde, dann wieder grün war und mit dunkler werdendem Orange endete. „Was passiert bei Rot?“ „Keine Ahnung. Ich bin nicht besonders erpicht darauf mein Leben wegzuwerfen.“, erwiderte Merle und zwang das Schiff in eine Abwärtsbewegung. „Wir fliegen momentan mit etwa tausend Kilometern pro Stunde, also etwas langsamer als im kritischen Bereich angezeigt.“ „Das heißt wohl, die Zeiten, in denen man den Crusador als Hochgeschwindigkeitsschiff bezeichnen könnte, sind vorbei.“, seufzte Allen scherzhaft. „Bedank dich bei den Zaibachern!“, grinste sie zurück. „Hast du dir schon überlegt, wie du das Schiff den Verantwortlichen vor Ort erklärst? Ein vergleichbares ist denen unter Garantie noch nicht vor die Augen gekommen.“ „Glaub ich nicht. Es würde mich sehr wundern, wenn Chuzario sich nicht auch ein paar Zaibacher Wissenschaftler gekrallt hat.“ „Trotzdem wird man wissen wollen, wie Farnelia an diese Technologie heran gekommen ist.“, wandte Allen ein und sah zu, wie der Horizont stetig anstieg. „Wie wär’s mit der Wahrheit?“ „Gegenüber einem Hafenmeister?“ „Natürlich nicht, aber dem König sollten wir reinen Wein einschenken. Er verfügt über ausgezeichnete Spione und weiß über diesen Schiffstyp auf jeden Fall Bescheid. Vielleicht ist ihm sogar bekannt, dass Farnelia dieses hier besitzt.“, erklärte Merle geduldig. „Außerdem wird die Invasion von Gezeichneten so schon schwer genug zu vermitteln sein, auch ohne eine Lüge.“ „Stimmt.“, gab Allen zu. „Kann es sein, dass du in letzter Zeit Unterricht bei Hitomi genommen hast?“ „Kann sein.“, antwortete Merle schief lächelnd, woraufhin er sie verdutzt anstarrte. Doch anstatt sich zu erklären, wies sie ihn an das Funkgerät zu aktivieren. Allen gehorchte und sie sprach laut und deutlich: „Hier spricht die Gesandte seiner Majestät König Van de Farnel, Merle de Farnel, an Bord des Luftschiffs Rasender Falke auf diplomatischer Mission. Ich bitte den Luftschiffhafen Sarions um Landeanweisungen.“ Lange Zeit blieb es still. Sie wollte ihre Durchsage gerade wiederholen, als eine überhebliche, männliche Stimme verkündete: „Mit allem nötigen Respekt, Fräulein, uns ist weder etwas von einer Gesandten mit ihren Namen bekannt, noch kennen wir ihr Schiff und angemeldet sind sie auch nicht.“ Allen setzte schon zu einer Antwort an, doch Merle unterband diese mit einem Kopfschütteln. „Ich habe einen Brief meines Königs bei mir, der meinen Auftrag bestätigt.“, versicherte sie und fügte nach einem Gedankenblitz hinzu: „Ich würde mich über eine Eskorte zum Landepunkt freuen.“ „Einverstanden.“, knisterte es. „Geben sie uns ihre Position durch und halten sie diese.“ Merle bremste bereits ab, während sie die Koordinaten durchgab, und aktivierte die Rotoren in den Flügeln. „Lass mich raten…der Architekt, der die Kuppel auf Vans Villa gebaut hat, kam aus Chuzario.“, sagte Allen, während der sandfarbenen Gebäude um sich herum in Augenschein nahm. „Wie kommst du nur darauf?“, fragte Merle rhetorisch und folgte daraufhin seinen Blick zu den aus Halbkugeln bestehenden Dächern. „Er hat sich inspirieren lassen, als er nach dem Krieg hier zu Besuch war.“ Mit einem freundschaftlichen Nicken zum Berater, der die beiden auf den größten Markt Sarions begleitete, fügte sie hinzu. „Seine Majestät König Franziskus war sogar so freundlich für das Honorar des Architekten aufzukommen.“ Der Berater erwiderte ihre Geste, erwiderte jedoch nichts. Mit seiner bunten Tunika stach er förmlich aus der Menge hervor, die den Markt bevölkerte. Selbst Allen in seiner blauen Ausgehuniform und Merle in ihrem roten Diplomatengewand waren farblos im Vergleich zu ihm. „Allen, sieh!“, reif Merle begeistert und zog ihn zu einem Stand mit seidenen Stoffen. Unter den Vorwand die Ware genauer zu betrachten, steckten sie die Köpfe zusammen. „Kaum haben wir uns eingerichtet, schmeißt man uns aus unseren Zimmern. Unglaublich!“, knirschte Allen. „Sie brauchen Zeit um unser Gepäck und das Schiff zu durchsuchen.“, flüsterte sie und strich dabei mit ihren Fingerkuppen über einen türkisfarbenen Stoff, der es ihr angetan hatte. „Du klingst gerade so, als würdest du damit einverstanden sein.“, meinte er. Scheinbar unbeabsichtigt berührte er ihre Hand, als er den gleichen Ballen einer Prüfung unterzog. „Hey!“, beschwerte sie sich, während ihre Hand zurück zuckte. „Meine Adoption ist hier kaum mehr als ein Gerücht und ein Brief von Van, so echt er auch sein mag, dürfte kaum ihre Zweifel zerstreuen.“ „Und dann dieser Berater…“ „Er ist nur eine Ablenkung, sowohl für das Volk als auch für uns. Die fünf Beschatter sind diejenigen, über die wir uns Gedanken machen sollten.“, belehrte Merle ihn. „Sechs.“, berichtigte Allen. „Einer beobachtet uns von einem Dach aus, südlich von hier.“ Für einen Moment wurde Merles Blick leer, dann sah sie ihn staunend an. „Du hast Recht. Wie hast du ihn bemerkt?“ „Keine Ahnung.“, behauptete er und wich ihrem Blick aus. „Ein Kleid in dieser Farbe würde dir ausgezeichnet stehen. Was glaubst du?“ „Sicher.“, antwortete sie misstrauisch. Zu der Verkäuferin gewandt, fragte sie: „Können sie in den Palast liefern?“ „Bitte entschuldigen sie Fräulein.“, bat eine aalglatte Stimme hinter ihr. Höflich drängelte sich der Berater an den Stand. „Lassen sie mich das machen. Ich kenne eine ausgezeichnete Schneiderin, die ihnen hieraus ein Kleid zaubern wird, dass ihre kühnsten Träume übertrifft.“ Merle war gerade dabei sich zu bedanken, als Allen schlagartig seinen Kopf herumriss. Verwundert beobachtete sie, wie sein Blick die vorbeiziehende Menge absuchte und dann einen Punkt fixierte. Bevor sie ihn fragen konnte, was los war, rannte er in die Masse hinein. So schnell, wie ihr Gewand es zuließ, folgte sie ihm. Einen Moment lang verlor sie ihn aus den Augen, doch als sie ihn wieder fand, hielt er einem jungen Mann in Botenuniform seine Klinge an den Hals. Panisches Kreischen kam auf und die Passanten stoben auseinander. „Allen Shezar! Was in aller Welt ist in dich gefahren?!“, fragte sie wütend, aber der Ritter heftete seine Augen weiterhin auf den Gefangenen. „Seht genau hin, Botschafterin. Ist er nicht einer derjenigen, die wir suchen?“ Verdutzt runzelte Merle ihre Stirn, ehe sie ihren Sinn für die Aura eines Lebewesens zur Rate zog. Sie spürte Allens mühsam kontrollierte Wut. Im Takt seines Herzens schwappten starke Wellen durch seine natürliche Barriere. Von seinem Opfer jedoch empfing sie nichts. Nicht einmal das Plätschern eines Rinnsals. Alles, was sie fühlte war eine Leere, ähnlich der eines Strudels, der alles Wasser verschluckte, die auf ihn traf. Die Erkenntnis, dass dieser scheinbar verängstigte Botenjunge seine Gedanken mit einer Barriere umgab, traf sie wie ein Schlag. „Was ist hier los?“, erkundigte sich der Berater streng. „Erklärt eurer Verhalten, Allen Shezar!“ „Dieser Mann wird verdächtigt Mitglied einer bewaffneten Miliz zu sein, die auf die Vernichtung der Allianz aus ist.“, warf Merle gebieterisch ein. „Könnt ihr diesen Verdacht erhärten? Denn, wenn nicht, müsst ihr ihn freilassen!“, verlangte der Berater unbeeindruckt. „Ja, es steht alles in den Unterlagen, die ich bei mir trage.“, antwortete Merle. „Der Verdächtige braucht uns nur sein Gebiss zu zeigen, um seine Unschuld zu beweisen.“ „Sein Gebiss?“ „Die Miliz verfügt über ein Erkennungsmerkmal.“ „Tun sie es!“, befahl der Beamte den Boten, doch dessen Gesicht, das bis eben noch seine Panik widerspiegelte, verhärtete sich abrupt. „Pass auf!“, rief Merle, aber bevor sie ihre Warnung ausgesprochen hatte, brachte sich der Mann mit einem Satz nach hinten in Sicherheit. Allen, der nicht ansatzweise mit der Geschwindigkeit seines vermeintlichen Gefangen mithalten konnte, teilte mit seinem Schwert nur Luft. Rücksichtslos stieß der Flüchtige die Zuschauer beiseite und tauchte ab. Merle, die nun keinen Zweifel mehr an der Schuld des Verdächtigten hegte, nahm verbissen die Verfolgung auf. Am Rande ihres Bewusstseins schlich sich die Erkenntnis ein, dass zwei Schatten es ihr gleich taten und aus anderen Richtungen auf den Boten zustießen. Weitere Eindrücke gingen durch den Tunnelblick unter, den sie auf den Gezeichneten richtete. Die Schneise ausnutzend, die der Gejagte hinterließ, holte sie ihn zusehends ein. Schließlich verließ der Mann jedoch den Markt und rannte in eine enge Gasse zwischen zwei Gebäuden. Vor ihm türmte sich eine vier Meter hohe Mauer auf, die den dahinter liegenden Innenhof von der Gasse trennte. Als wäre es ein Kinderspiel, sprang der Flüchtige auf eine Hauswand zu, stieß sich von ihr ab und machte so einen Satz über die Mauer. Zähne knirschend kam die junge Frau vor der Mauer zum Stehen. Mit ihrem Gewand und dem Kleid darunter konnte sie diesen Sprung unmöglich nachahmen. „Was war das?“, fragte eine ungläubige Stimme hinter ihr. Die Schatten hinter ihr waren zwei unauffällig gekleidete Bürger, die einen respektvollen Abstand hielten. „Das war der Grund, warum ich unbedingt mit eurem König sprechen muss.“, erwiderte Merle eindringlich. „Ich habe verstanden.“, meinte einer der Männer und wies mit einer Geste aus der Gasse heraus. „Bitte folgt mir zum Palast. Seine Majestät wird euch so schnell wie möglich empfangen.“ „Vielen Dank.“, erwiderte sie milde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)