Return von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 1: Return ----------------- Hallo ^^ Das ist mein Beitrag zu einer kleinen Challenge auf halloqueer.de.vu Ist nicht sonderlich viel *hust*, also nur ein Kapitel meine ich, das aber ist so ziemlich das längste Kapitel meiner bisherigen schriftstellerischen Karriere, die es zugegebener Maßen nicht einmal gibt... Also nun noch das übliche: Sowohl die Charas als auch die Handlung sind meinem kranken Hirn entsprungen, jegliche Ähnlichkeiten mit Lebenden, Toten, sonstigen real existierenden Menschen oder Orten sind rein zufällig uns keines Falls beabsichtigt. Das war das, und nun... viel Spaß beim Lesen ^^ Eure Naoko Return „Du siehst so süß aus, Ashley!“ „Mum!“ „Entschuldige bitte, ich hatte nur für einen Augenblick vergessen, dass du nicht Ashley genannt werden willst.“ Die Tochter unserer Nachbarn hieß zufälligerweise auch so, weshalb mich alle anderen damit aufzogen, dass ich wie dieses verwöhnte Gör hieß. „Das… auch, aber ich bin nicht süß!“ „Doch, mein kleiner Pirat, genau das bist du.“ Ich stand vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer meiner Eltern und sah einem finsteren Piraten ins Gesicht, das sich noch weiter verfinsterte als meine Mutter an meinem überaus bösen Kostüm zupfte. Das erste Mal hatte ich mein Halloweenkostüm selbst aussuchen dürfen, das erste Mal war ich nicht Spiderman oder Superman gewesen. Nein, jetzt war ich siebenjähriger Knirps einer der Bösen, und ich liebte diese Rolle. Zugegeben, das Fiese in mir schlummerte unter einer engelsgleichen Fassade, aber das fand ich umso besser, da ich auf diese Art fast alle Freiheiten genoss, die man nur genießen kann. Alles an mir war perfekt, der Unschuldsblick, das gute Benehmen, einfach alles. Nur wenige wussten, wie wohl ich mich in der Rolle des Fieslings fühlte. Einer, um genau zu sein. Und der klingelte gerade als ich meine Mutter anfahren wollte, dass Piraten fies, hinterhältig und mordlustig sind, aber auf keinen Fall süß. „Ash, Jake und Jacky sind hier, komm runter“, rief mein Vater die Treppe rauf, die ich nur eine Sekunde später runter rannte. „Endlich“, sagte ich zu meinem besten Freund, griff mir den mit Kürbissen und Fledermäusen bedruckten Beutel und Jakes Arm und zog ihn in Richtung Straße. Seine Schwester, zehn Jahre älter als wir, folgte uns unter den ständigen Ermahnungen meiner Eltern, auf den Verkehr zu achten und auch ja nicht mit Fremden mitzugehen. Vorausgesetzt natürlich, ein Fremder würde sich jemals in unsere Stadt verirren. Ich glaube, sie hatten Angst, dass wir etwas anstellen würden wie immer, aber wir mochten Jacky zu sehr, um ihr das anzutun. Sie behandelte uns nicht wie Kinder, und sie war nicht auf unsere Rollenverteilung reingefallen. Jacob, genannt Jake, und Ashley, genannt Ash, waren berühmt berüchtigt in der Stadt, in der wir wohnten. Keiner war vor uns sicher und das wussten alle. Sie hatten nicht direkt Angst, wie auch bei siebenjährigen? Aber sie waren vorsichtiger, wenn wir in der Nähe waren. Und total ahnungslos. Alle glaubten immer, Jake wäre derjenige, der sich die Streiche ausdachte, der mich anstiftete. Nur Jacky wusste, dass ich es war, der die Ideen hatte, und dass Jake immer versuchte, es mir auszureden. Meinem Engelsgesicht konnten sie nicht misstrauen, also schoben sie alles auf Jake und seine – nicht wirklich vorhandenen – Überredungskünste. Ich war der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz und liebte es. Ein wenig kleiner als Jake, ein wenig schwächer… aber dennoch war es bei uns eher so, dass Ritter von Piraten beschützt wurden, und das seit ich denken konnte. An diesem Abend war es etwas anders. Jacky ging mit uns zum stadteigenen Spukhaus und erzählte uns zum ersten Mal die Geschichte der drei Schwestern, die hinter diesen Wänden von ihrem eigenen Vater ermordet worden sein sollen. Mir jagten solche Geschichten immer Angst ein, aber ich liebte diese Angst, genauso wie ich Halloween liebte. Jake hingegen gab nichts auf Gruselgeschichten, er war irgendwie schon immer zu alt dafür gewesen. Und so war er es, der mich von dem Haus wegzerrte, auf das ich wie hypnotisiert starrte, und der ständig davon redete, dass das alles nicht wahr sei. Damals glaubte ich ihm kein Wort. Und auch die ganzen Jahre später nicht, in denen ich wie besessen ständig zu dem verwilderten Garten gezogen wurde und Stunden damit verbringen konnte, auf die dunklen, zerbrochenen Fenster zu starren. Doch nie kam ich auf die Idee hinein zugehen. Na ja, einmal doch… aber das war elf Jahre später, kurz bevor ich unsere neuenglische Kleinstadtidylle verließ um in Kalifornien zu studieren. Drei Jahre war ich nicht zu Hause, habe meinen bis dato besten Freund nicht gesehen. Er war in der Nähe geblieben, lebte selbst als Student noch bei seinen Eltern. Und wie es kommen musste, lebten wir vom Tag meiner Abreise an verschiedene Leben. Bald waren unsere Telefonate nicht länger als fünf Minuten, unserer Schriftverkehr beschränkte sich auf Drei-Satz-E-Mails. Doch nun war es soweit. Dank eines kleinen Teufels, der den halben Campus meines Colleges in Brand gesteckt hatte, unter anderem auch mein Wohnheim, hatten wir – bis genügend Ausweichquartiere zum Wohnen und Unterrichten gefunden waren – Zwangspause. Wer nach Hause fahren wollte, konnte auf Uni-Kosten reisen, ein Angebot, welches ich auf Drängen meiner Mutter annahm. Am Flughafen stieg ich in ein Taxi, dessen Fahrer mich müde und gleichgültig ansah. Er erkannte mich nicht, obwohl wir jahrelang in die gleiche Klasse gegangen sind, die Sommer im selben Feriencamp verbringen mussten und unsere Mütter noch heute miteinander befreundet waren. Aber zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich mich im Gegensatz zu ihm seit der High School verändert hatte, und zwar in fast jeder Hinsicht. Das kurze Hellbraun meiner Haare war schulterlangem Schwarz gewichen, die Normaloklamotten abgewetzten Jeans und einem schwarzen Rollkragenpullover, gegen die Herbstkälte noch ein wenig hilfreiches Jackett und ein eilig am Flughafen gekaufter roter Schal. Fertig war ein 21-jähriger Student, den keiner hier je gesehen hat. Es war der 31. Oktober, ein Tag, den ich als Kind so sehr geliebt habe, und der jetzt nur noch ein trauriges Abbild der Vergangenheit zu sein schien. Als wir auf den leeren Straßen durch die Stadt fuhren krochen unzählige Erinnerungen in mein Gehirn, von den viel zu heißen Sommertagen, den winterlichen Schneeballschlachten, aber die meisten stammten von Halloween. Die mit Kürbissen, Fledermäusen und Spinnweben geschmückten Terrassen waren wie damals, als sie für mich das größte waren. Für mich und Jake. Wobei ich einfach alles an diesem Tag liebte, Jake hauptsächlich die Süßigkeiten, die wir sammelten und die Streiche, die wir spielten. „Wir sind da! Ich sag es kein viertes Mal“, meldete sich der Fahrer vom Vordersitz und riss mich damit aus meinen Erinnerungen. „Reg dich nicht so künstlich auf, JJ. Wie viel bekommst du? Ah… hier, behalt den Rest.“ JJ guckte ziemlich blöd aus der Wäsche als er sich langsam zu mir umdrehte und anscheinend erst langsam auf den Zusammenhang zwischen diesem Fremden und dem Haus, vor dem wir standen, kam. Eigentlich hätte es schneller gehen müssen, schließlich haben nur Jake und ich ihn JJ genannt, weil er, als wir ihn am ersten Schultag fragten, wie er hieß, stotterte bei dem Versuch, das Wort Jason auszusprechen. Soweit ich weiß hat er nur dieses eine Mal gestottert, weshalb ist mir ein Rätsel. „Ash?“, fragte er ungläubig. „Sag bitte erstmal niemandem, dass ich hier bin, okay?“ Mit diesen Worten stieg ich aus und ging, nur mit einer Laptop-Tasche bewaffnet (mehr war von meinem Zimmer eh nicht übrig geblieben), auf das Haus zu, das ich noch immer als „unser Haus“ bezeichnete, obwohl ich es schon längst nicht mehr als mein Zuhause ansah. Ich hatte irgendwie das Gefühl zu träumen und nur der kalte Wind konnte mich vom Gegenteil überzeugen. Nur langsam öffnete ich die Tür, von meinem Schlüssel hatte ich mich nie trennen können… „Hallo?“, rief ich als ich in den Flur trat. Keine Antwort. Nichts hatte sich verändert, ausgenommen vielleicht ein paar neue Zimmerpflanzen und Sofakissen im Wohnzimmer. Die Veranda war genauso geschmückt wie alle anderen, an der Haustür hing wie in jedem Jahr ein Pappskelett, drinnen neben der Tür stand eine große Schüssel mit Süßkram für die Kinder, die am Nachmittag und frühen Abend die Straßen bevölkern würden. Ich stellte meine Tasche ab, nahm mir einen Bonbon aus der Schüssel und stieg die Treppe hinauf. Durch halb geöffnete Türen konnte ich sehen, dass sich auch hier nichts geändert hatte. Weder im Schlafzimmer meiner Eltern, noch in den Zimmern meiner älteren Brüder. Als ich dann schließlich mein eigenes Zimmer betrat, kam es mir vor, als stünde ich in dem Zimmer eines Fremden. Alles war wie immer, das Zimmer eines achtzehnjährigen, mit Postern von Bands, deren Musik ich nicht mehr hörte, und Filmen, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Es sah so aus, als würde der Bewohner jeden Moment von der Schule oder sonst woher kommen, das Bett war gemacht, kein Staub war zu sehen. Nichts hatte sich verändert und doch war es ungewohnt, hier zu stehen, daran zu denken, dass ich heute Nacht wieder in diesem Bett schlafen würde, dass ich morgen früh wieder über diesen Boden zum Bad schlürfen würde wie vor Ewigkeiten das letzte Mal… Nichts hatte sich verändert außer mir und dem Umschlag auf dem Schreibtisch, an den ich mich nicht erinnern konnte. Ich ging zum Tisch und hob den Umschlag auf. „Für Ash bei seiner Wiederkehr.“ Leise las ich mir die Worte, die mit einer alten Schreibmaschine geschrieben waren, immer wieder vor. Einmal. Zweimal. Drei… „Ashley!“ Erschrocken von der jubelnden Stimme meiner Mutter ließ ich den Umschlag fallen und steckte Millisekunden später in einer rippenbrechenden Umarmung fest, die ich nur zu gerne erwiderte. Viele Menschen hatte ich nicht vermisst, aber sie gehörte ohne Zweifel zu den wenigen Auserwählten. „Lass dich mal ansehen.“ Sie löste sich von mir und drehte mich, sodass sie mich von allen Seiten ausgiebig betrachten konnte. Obwohl ich mir vorkam wie ein Stück Vieh, dass verkauft werden sollte, musste ich einfach grinsen. Ja, ich hatte sie wirklich vermisst, auch wenn ich es nie gemerkt hatte. „Als du uns das letzte Mal ein Foto geschickt hast, wollte ich ja nichts sagen, aber wir sollten wirklich mal wieder deine Haare schneiden. Die Farbe wächst doch wieder raus, oder?“ Okay, zugegeben, nicht alles hat mir gefehlt. „Meine Haare bleiben, wie sie sind.“ „Und essen solltest du auch mehr, du hast ja kaum noch Fleisch auf den Rippen. Du ernährst dich doch auch noch von anderen Dingen als Kaffee, oder?“ „Ja, Mum, das tue ich.“ „Und seit wann trägst du eigentlich wieder Brille?“ „Seit meine Kontaktlinsen einem kleinen Feuer zum Opfer gefallen sind und ich an dem Tag zufällig die Brille aufhatte.“ Ich sagte ihr nicht, dass ich seit zwei Jahren fast nur noch Brille trug… „Wenigstens eine Veränderung die dir steht, auch wenn es eine unfreiwillige ist.“ „Mum!“ „Aber diese Plastikgestelle sind ja wieder in Mode, oder? Hat dir ein Mädchen dazu geraten?“ „Nein.“ „Schade, aber wenn du eine Freundin hast, würden dein Vater und ich sie gerne einmal kennen lernen.“ „Momentan habe ich aber keine Freundin, also kann ich euch auch niemanden vorstellen.“ Sie seufzte lautstark. „Na ja, du bist ja noch jung und hast noch etwas Zeit. Tob dich ruhig noch etwas aus bevor es ernst wird.“ „Werde ich auch, keine Angst.“ Mit diversen Freunden. Frauen waren einfach nichts für mich. Aber zwei schwule Söhne und einer, der keine Beziehung länger als eine Woche aufrechterhalten konnte? Ich fürchtete, das wäre dann doch etwas zu viel für meine Mutter gewesen, zumal sie in ihrer Hoffung auf Enkelkinder nur auf uns drei setzten konnte… „Schön, schön, aber erstmal musst du etwas essen“, stellte sie fest und zog mich auch gleich runter in die Küche. „Und dann kümmern wir uns um deine Haare.“ „Mum!“ „Wenigstens den Gefallen könntest du mir tun, wenn du schon nicht Bescheid sagst, dass du vier Stunden früher kommst.“ „Darf ich euch denn nicht mal mehr überraschen?“ „Doch… Was tust du da?“ „Dir helfen.“ „Wag es dir ja nicht!“ „Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass du meine Brüder nie so behandelt hast, wenn sie vom College nach Hause kamen…“ „Deine Brüder sind auch fast jedes Wochenende hier aufgetaucht und haben mir nichts als einen leeren Kühlschrank und eine überarbeitete Waschmaschine zurückgelassen.“ Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm. „Du bist die Beste.“ „Wie komme ich denn zu der Ehre?“, fragte sie verwirrt. „Du bist mir nicht böse, weil ich solange nicht hier war?“ „Nein.“ „Genau deswegen bis du ja die Beste.“ „Nimm sofort die Hände von meiner Frau!“ Langsam tat ich was mir befohlen wurde, meine Mutter schaute sauer an mir vorbei, ich grinste und drehte mich um. „Hallo, Dad!“ „Dann hat sich das mit dem Zum-Flughafen-fahren wohl erledigt.“ Erst sah er mich ausdruckslos an, dann umarmten auch wir uns. „Willkommen zu Hause, Ash.“ „Danke!“ „Haare schneiden?“ „Vergiss es.“ „Dann solltest du nachts die Tür deines Zimmers zuschließen, sonst läuft deine Mutter noch mit der Schere in der Hand Amok.“ „Danke für den Tipp.“ „Hier, iss erstmal was“, mischte sich meine Mutter wieder ein und drückte mir ein Truthahnsandwich in die Hand, welches ich aus diplomatischen Gründen auch aß. „Wo ist eigentlich dein Gepäck? Oben?“, fragte mein Vater. „Nein, im Flur.“ „Aber da ist doch gar nichts.“ „Doch, mein Laptop. Mehr ist es nicht.“ „Wieso denn nicht?“ „Das habe ich euch doch schon am Telefon gesagt, mehr ist nicht übrig gewesen, und das auch nur, weil ich den Laptop mit hatte an dem Tag, ein glücklicher Zufall…“ Meine Mutter sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich schätze, dass sie es mir bis dahin nicht wirklich geglaubt hatte. „Dann hast du nur noch das, was du anhast?“, fragte mein Vater. „Na ja, ein paar Socken und etwas Unterwäsche habe ich auch noch in der Tasche, aber sonst… ja, mehr ist nicht.“ „Einen Mantel habe ich auch nicht gesehen…“ „Mal ganz ehrlich, wann hast du an der kalifornischen Küste das letzte Mal einen Mantel gebraucht, Dad?“ „Das reicht! Schatz, gib deinem Sohn einen Mantel von dir, wir gehen einkaufen.“ „Mum, das ist nicht…“ „Doch, das ist es. Wir kaufen dir jetzt neue Sachen zum Anziehen, oder willst du etwa jeden Abend deine Sachen waschen, damit du am nächsten Tag auf die Straße gehen kannst!?“ „Nein“, gab ich klein bei. „Gut, dann gehen wir gleich los, wenn du aufgegessen hast.“ Das taten wir dann auch und mir fiel auf, dass ich es kein bisschen vermisst hatte, mit meiner Mutter einkaufen zu gehen, seit ich zwölf war schon nicht. Und während sie versuchte, mir Klamotten anzudrehen, die mir alles andere als gefielen, erzählte sie mir allerlei Kleinstadtgeschichten. Jacky ließ sich gerade scheiden und die verwöhnte Göre von nebenan, die mir meinen Namen geklaut hatte (ich hieß schließlich schon ein paar Monate früher so), war zum zweiten Mal schwanger und ihr Vater hatte eine Affäre mit ihrer besten Freundin. Alle anderen Geschichten waren eigentlich noch banaler, aber ich sog sie regelrecht in mich auf. Den Brief auf dem Teppich in meinem Zimmer hatte ich schon wieder vergessen. Am Abend kamen meine Brüder zum Essen. Alex wie eigentlich fast immer zwischen zwei Beziehungen und Adrian mit Dauerfreund. Und es dauerte auch nicht sonderlich lang, da fing meine Mutter wieder an. Erst feuerte sie auf Alex, dann auf uns beide. „Mum“, setzte Alex sich zur Wehr, “das mit Sheryl und mir ist seit nicht mal einer Woche vorbei, gib mir Zeit.“ „Aber…“, begann sie. „Er hat Recht“, unterbrach ich. „Lass ihm Zeit, diese Beziehung hat immerhin schon fast neun Monate gehalten.“ Ich war zwar nicht da gewesen, aber dank der stundenlangen Telefonate, in denen meine Mutter sich über Alex aufregte, wusste ich ziemlich gut Bescheid. „Danke, Brüderchen.“ Ich hatte fast vergessen, wie sarkastisch Alex manchmal klingen konnte. „Wenn du es mal länger als zwei Wochen mit jemandem aushältst, sag es mir, dann gebe ich dir einen aus.“ „Ashley würde es länger als zwei Wochen aushalten, er hat bis jetzt eben nur nicht die richtige Frau gefunden“, verteidigte meine Mutter mich. Adrian und ich sahen uns an, er war der einzige am Tisch, der wahrscheinlich einigermaßen nachvollziehen konnte, was in meinem Kopf vorging. „Ash, kann ich mal kurz unter vier Augen mit dir reden?“, fragte er. „Klar.“ Wir entschuldigten uns und gingen in mein Zimmer. Adrian war vier Jahre älter als ich und arbeitete bei einer Zeitung in Boston. Es ist blöd, einen Bruder dem anderen vorzuziehen, aber ihm hatte ich mich schon immer näher gefühlt als Alex. Ich liebte sie nicht unterschiedlich stark oder so, aber mit Adrian konnte man einfach besser reden und ihm besser Geheimnisse anvertrauen, die bei Alex alles andere als sicher waren. „Sie hat keine Ahnung“, stellte er trocken fest als die Tür zu war. „Wovon?“ „Davon, dass du auf Männer stehst. Und tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede.“ Ich schüttelte den Kopf, den Blick zum Boden gewandt, und sah etwas Weißes aus dem Augenwinkel heraus. Ich hob den Brief wieder auf. „Hast du zufällig eine Ahnung, was der hier soll?“, fragte ich. „Zeig mal.“ Der Brief wanderte von mir zu ihm. „’Für Ash bei seiner Wiederkehr.’ Ich hab keine Ahnung, von wem der ist, aber ich glaube der liegt seit drei Jahren da.“ Ich nahm den Brief wieder an mich und machte mich daran ihn zu öffnen. „Ich lass dich dann mal lieber allein“, lächelte Adrian. „Ich hab dich vermisst, Kleiner.“ Wir umarmten uns kurz. „Ich dich auch.“ In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. „Übrigens… dein neuer Stil steht dir.“ Dann war ich wieder allein mit dem Brief, den ich nun langsam auseinander faltete. Auch der Text an sich war mit Schreibmaschine geschrieben. ‚Lieber Ash, vor ein paar Stunden bist du in Kalifornien angekommen und es gibt so viele Dinge, die ich dir nicht gesagt habe. Es tut weh, dich gehen zu lassen, aber ich weiß, dass es das Beste für dich ist. Hier würdest du nur untergehen, und du verdienst mehr. Du musst hier raus, ich kenne dich gut genug, um das zu wissen. Und weil ich es weiß, habe ich nie etwas gegen deine Pläne gesagt. Ich hoffe nur, es dauert nicht zu lange, bis du diesen Brief liest. Oder besser doch, dann habe ich das hier vielleicht schon wieder vergessen… Ich habe dir nie gesagt, wie sehr ich dich jetzt schon vermisse, auch weil es mir zu peinlich wäre. Ich habe dir nicht gesagt, dass meine Eltern sich scheiden lassen und dass ich mich von Mary getrennt habe, vorhin erst, zu spät… Einfach weil ich nicht noch mehr dazu beitragen wollte, dass du dir Gedanken über deinen Weggang machst. Du sollst gehen und dein Leben leben, so wie du es dir vorstellst und dir erträumst. Du wirst alles erfahren, weißt das alles wahrscheinlich schon längst. Aber… um ehrlich zu sein, hatte meine Trennung von Mary einen bestimmten Grund, der der eigentliche Anlass dieses Briefes ist, zumal ich für so etwas wie eine direkte Konfrontation zu feige bin. Ich war nicht ehrlich zu euch beiden und auch nicht zu mir, es tut mir Leid. Ich liebe dich. Jacob’ Das laute Schlagen meines Herzens dröhnte mir in den Ohren, das Papier in meiner Hand zitterte bevor es zu Boden glitt. Es war als würde mir die Kehle zugeschnürt werden. Ich brauchte Luft, musste atmen, musste raus. Mit wenigen Schritten war ich wieder unten. „Ich geh spazieren“, rief ich nur, schnappte mir meinen neuen Mantel und stand draußen in der so kalten, so angenehmen Luft. Eigentlich wollte ich zu Jake, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Ich redete mir ein, dass ich ja nicht einmal wüsste, ob er zu Hause war, und dass ich ja eh keinen blassen Schimmer davon hatte, was ich ihm sagen wollte, wenn ich vor ihm stehen würde. Aber in Wirklichkeit hatte ich nur Angst. Ich bog nicht in seine Straße ein, sondern ging weiter, um festzustellen, dass sich weniger verändert hatte, als ich angenommen hatte. Das Rathaus, die Highschool, die beiden Supermärkte, sogar das alte Spukhaus, das mich als Kind so fasziniert hatte und vor dem ich schließlich stehen blieb… alles war, wie unser Haus, genauso wie ich es in Erinnerung hatte. Vor drei Jahren hatten Jake und ich uns einmal ein paar Bier genehmigt und sind auf die Idee gekommen, hinein zu gehen. Wir waren nicht die ersten, die diese Idee hatten, aber die ersten, die es wirklich getan hatten. Alle anderen hatten sich von den morschen Verandadielen und den Spinnen so erschrecken lassen, dass die wenigsten es bis durch die Haustür schafften. Wir hingegen waren drinnen gewesen, sind bis ins Zimmer der Schwestern vorgedrungen. Vor lauter Freude über unseren Erfolg hatte ich Jake damals geküsst, etwas, das ich schon länger hatte tun wollen, aber unsere Freundschaft war immer heilig gewesen, unantastbar… Einen Tag später reiste ich ab. Nicht ohne aus Jakes Mund gehört zu haben, dass er mich hasste (wofür er sich einige Tage später schriftlich entschuldigte). Und noch während die Erinnerungen mir vor Augen führten, wie er mich in diesem dunklen, verstaubten Zimmer erschrocken anstarrte und mich anschrie, was das denn solle, und dass ich gefälligst meine Finger von ihm lassen soll, und dass wir keine Freunde mehr seien, und dass er mich hasste, fiel mir das schwache Licht auf, welches aus eben jenem Zimmer schien, wie das Licht einer einzelnen Kerze. Neugierig schob ich mich zwischen zwei verbogenen Stangen des Eisentores hindurch und ging auf das Haus zu. Die Tür stand einen Spalt weit offen und fast wirkte es wie Absicht. Es war schon immer ein altes Haus gewesen; diversen Legenden zufolge stand es schon zweihundert Jahre an diesem Ort, aber ganz genau wusste das keiner. Auf jeden Fall aber war es einst ein herrschaftliches Haus gewesen, mit mehr Zimmern als nötig und einer mehrere Zentimeter dicken Staubschicht auf allen Oberflächen. Früher hätte ich alle Zimmer eingehend untersucht, aber jetzt interessierte mich nur dieses eine, dessen schwache Beleuchtung durch die halb geöffnete Tür auf dem Flur im Obergeschoss schien. Der Staub absorbierte jedes Geräusch, das ich sonst auf dem Boden gemacht hätte, und der laut heulende Wind tat sein übriges. Nichts außer ihm war zu hören, sodass ich annahm, niemand wusste, dass ich mich auf das Zimmer zu bewegte. Doch als ich vorsichtig die Tür weiter auf schob, drang dennoch eine Stimme aus dem Schatten zu mir. „Ich habe auf dich gewartet.“ „Wer bist du?“, fragte ich. „Du weißt genau, wer ich bin.“ Ich hatte keine Ahnung und die Figur, die sich aus dem Schatten ins Flackerlicht der Kerze schob, half auch nicht weiter. Soviel zum Tragen von Zylindern und Masken… „Erinnere dich, kleiner Ashley.“ Er nahm den Zylinder ab und kam auf mich zu. „Du willst mir doch nicht sagen, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst?“ Das Problem war eher, dass seine Stimme zu leise und der Wind zu laut war, um ihn richtig verstehen zu können. Und ich kannte niemanden, der in seiner Freizeit gerne schwarze Anzüge, Masken und auffällig hohe Hüte trug… „Ich bin enttäuscht, dabei habe ich so lange auf dich gewartet.“ Er stand direkt vor mir, sah mir in die Augen. Sein Gesicht war nur Zentimeter von mir entfernt, aber durch das spärliche Licht und die Maske konnte ich von seinen Augen nicht mehr ausmachen als ein entferntes Glänzen. „Du hast mir ganz schön Angst gemacht“, sagte er leise und enttäuscht. „Angst?“ Ich verstand nur Bahnhof. Wer stand denn hier und wollte mir nicht sagen, wer er war? Wer zeigte denn hier sein Gesicht nicht? „Ich dachte schon, du willst gar nicht mehr mit mir reden…“ „Mit dir reden?! Wovon bitte sprichst du? Ich weiß ja noch nicht einmal, wer du bist!“ „Im letzten halben Jahr hast du nicht einmal bei mir angerufen, hast auf keine meiner E-Mails geantwortet, hast nicht einmal mir gesagt, dass du wieder kommst. Nein, dass habe ich erst heute Abend vom kleinen Jason auf einer Party erfahren. Und weißt du, was er mir noch gesagt hat? Er hat gesagt, du willst nicht, dass jemand erfährt, dass du hier bist, nicht einmal ich!? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ „Nimm endlich diese bescheuerte Maske ab und sag mir, was du willst, Jake!“ Mittlerweile hatte er mich gegen die Wand gedrängt, stützte sich mit den Händen neben meinen Schultern ab. „Nicht so ungeduldig, Kleiner, du wirst mein Gesicht schon noch früh genug sehen.“ Ich konnte seinen Atem spüren, ihn riechen, Reste seines Aftershaves, das Bier, das er getrunken hatte, und eine ihm eigene Note, die ich drei Jahre lang in der Nase gehabt hatte. „Mistkerl!“, zischte ich. Besser gesagt, ich hoffte, dass es wütend und zischend klang, wahrscheinlicher ist, dass es leicht ängstlich und unsicher klang. Diese verdammte Maske und der Hauch Boshaftigkeit in seiner Stimme gaben mir immer noch das Gefühl einem völlig Fremden gegenüber zu stehen. „Musst du gerade sagen“, flüsterte er und im nächsten Moment schob sich seine Zunge in meinem Mund. Die Sekunde, da wir uns berührten, in der er mir seinen Kuss aufzwang, war die Sekunde, in der ich aufgab. „Du wehrst dich doch gar nicht mehr“, sagte er gehässig und atemlos als er sein Gesicht wieder von meinem löste. „Wieso sollte ich? Du bringst doch nur zu Ende, was ich vor drei Jahren angefangen habe. Aber nimm bitte diese Maske ab.“ „Nein!“ „Ich will dir in die Augen sehen, wenn ich dir sage, dass es mir Leid tut, dass ich ein Feigling war.“ Ich sah ihn mit besonders großen Hundeaugen an und hoffte, dass es half. Ich wollte ihm endlich wieder in die Augen sehen. Aber er wand sich ab, ging von mir weg. „Es geht nicht.“ Ich folgte ihm, streckte die Hand aus und löste die Schleife, die die Maske hielt. „Du warst schon immer theatralisch veranlagt, zu theatralisch für meinen Geschmack“, sagte ich gelassen, seine Maske in einer Hand, die andere auf Jakes Schulter. „Warum hast du das getan?“, fragte er irgendwo zwischen Resignation und Enttäuschung. „Weil ich dir endlich wieder in die Augen sehen will.“ Langsam drehte ich ihn zu mir um, er wehrte sich nicht. Quer über seinem Rechten Auge verlief eine selbst im flackernden Licht gut sichtbare Narbe, die ich mit einem Finger entlang fuhr bevor ich noch wusste, was ist tat. Doch Jake schob meine Hand weg. „Lass das! Ich sagte doch, ich will die Maske nicht abnehmen.“ „Wegen dieser Narbe? Findest du das nicht etwas übertrieben?“ Aber anstatt zu antworten stieß er mich von sich, ich stolperte nach hinten und fiel auf eines der Betten, die im Raum standen. Eine riesige Staubwolke nahm mir für einen Moment den Atem. „Was willst du jetzt machen? Mich schlagen?“, fragte ich als sich der Staub gelegt hatte. „Es ist nur eine Narbe. Und sie steht dir, wenn man das so sagen kann…“ „Halt endlich die Klappe!“ Jake stand über mir und sah mich mit wütend funkelnden Augen an, ließ sich dann fallen, die Hände neben meinem Körper stützten ihn, sein Gesicht hing direkt über meinem. Ungezählte Minuten, Stunden, Sekunden lagen wir so da, der Wind heulte durch das Dachgeschoss, die Kerze brannte flackernd weiter, vorm Tor hörte ich Jugendliche etwas sagen wie „Scheiße, da spukt es ja wirklich!“, dann eilige Schritte, die in der Ferne verhallten. Seine gefährlich grünen Augen zogen mich in ihren Bann, wie sie es nie zuvor getan hatten. Und nie zuvor hatte ich keine Ahnung, was dahinter vorging. Ich war gelähmt, obwohl nur noch Adrenalin durch meinen Körper floss, angereichert mit einigen Tropfen Blut. Langsam und automatisch hob sich mein Kopf, und in der Hoffnung, dass er sich nicht bewegte, schlossen sich meine Augen, berührten meine Lippen seine, schlangen sich meine Arme um seinen Körper. Ich glaube, nicht einen Kuss habe ich bis dahin so genossen, vor keinem hatte ich so viel Angst. Aber er ließ es zu, ließ sich darauf ein, sodass bald ein dichter Staubnebel über dem Bett hing, auf dem wir hin und her rollten, immer versuchend, den anderen so sanft wie möglich zu unterwerfen. Fast erinnerte es mich an die Raufereien unserer Kindheit, nur dass es um tausendmal mehr ging. „Ich liebe dich“, flüsterte Jake atemlos, legte seine heiße Wange an meine. Ich lag wieder unter ihm, drückte ihn fester an mich und blickte über seine Schulter hinweg in drei freudig erregte, unnatürlich blasse und durchscheinende Gesichter. Ich erkannte sie, aber noch bevor ich reagieren konnte, gaben die Balken in der Decke ein gefährliches Ächzen von sich, von weiter oben kam ein Geräusch wie von berstendem Holz. Jake fuhr hoch und sah mich erschrocken an. Da ich eine Ahnung hatte, was gleich passieren würde, verschwendete ich keine Zeit mit den Erklärungen, die er hören wollte. Ich sprang auf, griff mir seinen Arm und zerrte ihn aus dem Zimmer, das in sich zusammenfiel als wir die Treppe erreichten. In der sprichwörtlichen letzten Sekunde waren wir unten bevor der erste Stock über unseren Köpfen zusammenstürzte wie ein Kartenhaus. Wir stürmten durch die Haustür und den Garten, zwängten uns durch die Eisenstäbe des Tores, ohne auch nur einmal zurück zu schauen. Durch den ohrenbetäubenden Lärm war deutlich genug, was hinter uns vor sich ging. Erst als wir zum Luftholen auf der gegenüber liegenden Straßenseite stehen blieben, sahen wir wieder zu dem Haus. Es war nur noch ein riesiger Trümmerhaufen davon übrig, der erst nur an einer Ecke brannte, bald überall. Offensichtlich war die Kerze nicht ausgegangen. „Was… was ist das?“, fragte Jake und zeigte auf drei weiße Gestalten, die durch den Garten auf uns zukamen. Drei lächelnde junge Frauen in langen, altmodischen Sommerkleidern. Sie alle nickten uns freundlich dankend zu bevor sie, eine nach der anderen, verblassten und schließlich verschwanden. „Die Schwestern“, flüsterte ich nur und grinste vor mich hin. „Aber die sind schon ewig tot, das weißt du genauso gut wie ich.“ „Und jetzt können sie in Frieden ruhen. Ich glaube, dank dir.“ „Hör auf, mir irgendwelchen Scheiß zu erzählen, und sag mir lieber, was du weißt!“ Dafür, dass er noch nie an Geistergeschichten geglaubt hatte, klang Jake ziemlich ängstlich, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass wir es gerade noch aus einem einstürzenden Haus geschafft haben. „Erinnerst du dich daran, was uns Jacky erzählt hat, als sie uns das erste Mal hier her brachte?“ Er schüttelte den Kopf. „Die Schwestern wurden von ihrem Vater ermordet, weil sie verliebt waren und heiraten wollten. Doch genau das gefiel dem alten Griesgram nicht, hatte er doch schon seine Frau an einen anderen Mann verloren. Er sah seine Töchter lieber tot als in den Armen ihrer Geliebten. Allerdings nicht, weil er um sie Angst hatte, sich Sorgen machte. Nein, es war immer sein höchstes Ziel gewesen, Dinge zu besitzen. Das Haus, größer als alle anderen damals, ein erfolgreiches Geschäft und die daraus resultierenden Gewinne… Er sah seine Frau und seine Töchter ebenfalls als sein Eigentum an, und er hasste es, sein Eigentum zu verlieren. Ich glaube, er hat nie einen Menschen wirklich geliebt. Und nie hat jemand in diesem Haus die Worte ‚Ich liebe dich’ gesagt und es so gemeint. Der Alte nicht, seine Frau nicht, und die von ihm aufgezogenen Mädchen wussten bis kurz vor ihrem Tod wahrscheinlich nicht einmal, was sie bedeuteten. Du warst der erste. Und aus einem mir immer noch schleierhaften Grund hat das den Zauber, der auf dem Haus lag, gesprengt, es zum Einsturz gebracht und die Schwestern aus ihrem Geisterdasein befreit.“ „Woher…?“, fragte Jake verwundert. „Woher ich das weiß? Ich habe recherchiert. Was meinst du, warum ich immer in der Bibliothek saß und die alten Chroniken gelesen habe?“ „Es gibt keine Geister und keine Magie“, wehrte er sich kopfschüttelnd. „Du hast sie gesehen. Sie waren da, schon immer, standen hinter den Fenstern und beobachteten uns, wie wir unsere Leben lebten. Wahrscheinlich hofften sie auch, durch uns leben zu können.“ „Ich habe sie nie gesehen!“ „Weil du nie richtig hingesehen hast!“ So wie er mich ansah, wusste ich, dass er mir kein einziges Wort glaubte, Geistergeschichten waren eben nie sein Ding gewesen. „Und wie kommst du eigentlich darauf, dass ich ernst gemeint habe, was ich vorhin gesagt habe?“ Entweder hatte er den springenden Punkt erst jetzt entdeckt, oder aber er hatte ihn bis jetzt ignoriert. Ich halte Variante Zwei für die richtige. „Deine Augen“, antwortete ich und schleuderte ihm mein liebstes Lächeln in sein todernstes Gesicht. „Du warst noch nie besonders gut darin, deine Gefühle zu verbergen.“ Jake seufzte. „Gut. Und was wird jetzt?“ „Jetzt bringe ich erstmal JJ um und dann nehme ich dich in den Arm und lasse dich nie wieder los.“ „Und du meinst, ich lasse das zu?“, fragte er. Er würde. „Klar. Schließlich würdest du alles für mich tun.“ „Nun übertreib mal nicht gleich!“ „Tu ich doch gar nicht… Aber sag mal, wo hast du eigentlich diese überaus sexy Narbe her?“ Er nahm mich in den Arm und sah mich wieder einmal ernst an. „An der bist du Schuld.“ „Ich? Ich war doch gar nicht hier, wie soll ich dann daran Schuld sein?“ „Eben, du warst nicht da. Kannst du dich an den Schrotthaufen erinnern, den ich früher mein Auto nannte?“ Ich nickte. „Mit dem wollte ich diesen Sommer eigentlich zu dir fahren… Ich bin bis Detroit gekommen und dort mit einer ziemlich sturen Leitblanke aneinander geraten.“ „Du wolltest zu mir?“ „Ja, und dich verprügeln, weil du es nie hier her geschafft hast.“ „Jetzt bin ich hier. Und wenn du lieb bist, bleibe ich vielleicht…“ Anstatt zu antworten, küsste er mich kurz; in der Ferne ertönten die ersten Feuerwehrsirenen. „Ich glaube, wir sollten gehen, sonst machen die uns noch für das Feuer verantwortlich“, sagte ich lächelnd. „Aber das sind wir doch auch…“, grinste Jake. „Das müssen die doch nicht wissen.“ Arm in Arm gingen wir weg, ein Anblick, den wahrscheinlich selbst Hollywood nicht hätte kitschiger inszenieren können. „Sieht nach Happy End aus“, sagte Jake auf einmal leise als wir in meine Straße einbogen. „Meinst du?“ „Jepp, und ich hasse Happy Ends.“ „Keine Angst, wir sind jung, das ist erst der Anfang. Außerdem sagen wir jetzt meiner Mutter, dass sie sich das mit den Enkeln lieber abschminken sollte.“ „Sie hat doch noch Alex…“ „Sag ich doch, keine Enkel. Sie wird ausrasten.“ „Du hast Recht, kein Happy End.“ The End (Morddrohungen bitte direkt an meinen Anwalt, andere Kommis zu mir, danke ^^) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)