Von Traum und Wirklichkeit. von harakiri ================================================================================ Leben, leben, leben… -------------------- A/N: Ich bin mir durchaus im Klaren, dass viele, die Fanfics in dieser Sektion lesen, sicherlich nur die normalen Saiyuki-Mangas kennen und deswegen mit Folgendem zum Teil nicht viel werden anfangen können. Darum habe ich es mir erlaubt, den groben Handlungsverlauf des für das Verständnis wichtigen vorangegangenen Geschehens in der Charakterbeschreibung kurz zu skizzieren, um auch diesen Lesern zu ermöglichen, den Hintergrund für ein paar bestimmte Handlungsstränge im Text einigermaßen nachvollziehen zu können. (Ich kann allerdings schon im Voraus sagen, dass der Großteil aus frei erfundenen, bzw. für meine Zwecke zugeschnittenen, aus den Saiyuki-Bänden 1-9 auf jeden Fall bekannten Sachverhalten besteht.) Wer besagten Text von den betroffenen Personen noch nicht gelesen hat sollte dies jetzt also noch schnell tun. Nun noch kurz die Pflichtlektüre, bevor es losgeht: Nüschts mir, die Charaktere und Rechte gehören Kazuya Minekura, sowie einige zitierte Textstellen (kursiv geschrieben) - die ich übrigens frei aus dem Englischen übersetzt habe, also verzeiht das Fehlen der Dialekte Hazels und Gokus, da ich mir nicht anmaßen wollte, zu versuchen, die Fähigkeiten hoch bezahlter (?) professioneller Übersetzer zu imitieren -, und wie immer für alle, die lesen können. Musik: "Something I Can Never Have" von Nine Inch Nails. Am Ende des 6. Reload-Bandes sieht man Sanzo und Goku in ein Gespräch über das Thema der Wiederauferstehung verstrickt. Alles weitere kann man sich mit ein bisschen Überlegung aus folgender Geschichte zusammenreimen. ~~~~~~~~~~~ 'Nah, ist schon okay...' "Warum seit ihr zurück gekommen?" "Ich suche nach einem Youkai. Ich habe gehört, dass ein furchtbarer Dämon hierher unterwegs ist. Und ich bin gekommen, um ihn zu fangen. Wenn die Geschichten wahr sind und er versucht ist, Menschen zu töten, werde ich ihn wohl vernichten müssen…" Die Schüsse hallten wie Peitschenhiebe durch die Nacht, fast physisch spürbar, mit einem vetraut-bitteren Nachgeschmack. Unbarmherzig durchschnitten sie die Luft und alles, was ihnen im Weg stand und nicht fest genug war, ihren tödlichen Feldzug aufzuhalten - dabei einen Windzug nach sich ziehend, der dort, wo er die Haut knapp verfehlte, ein eigenartiges Prickeln hinterließ, als wüsste sie, wie es sich angefühlt hätte, wäre die Kugel nicht nur wenige Zentimeter an ihr vorbei geschliffen. Dort, wo sie trafen, bohrten sie fingerdicke Klüfte in das Fleisch, zerfetzten das Gewebe unter ihm und blieben krachend in den festen Knochen stecken, wenn sie nicht sogar noch diese splitternd durchbrachen, endlich das Freie fanden und jeder Fliehkraft beraubt in einem Regen aus Blut klirrend zu Boden fielen. Einige Kugeln verfehlten ihr Ziel auch ganz und fuhren donnernd und jaulend gegen das Mauerwerk, das sich als noch unnachgiebiger als der Kalk der Knochen erwies, weshalb die silbernen Geschosse von der Kraft ihrer Geschwindigkeit einige Zentimeter weit in den Stein getrieben wurden, wo sie sich zusammendrückten und zum Teil in eigenartig verschobenen Formen wieder aus ihren Löchern herauskullerten. Als auch der letzte Schuss verklungen war legte sich eine seltsam undurchdringliche Stille über die Szenerie. Die Zeit schien stehen geblieben, oder doch zumindest um ein Vielfaches verlangsamt, sodass jede Bewegung und jedes folgende Geräusch unglaublich lang gezogen wurde und gleichsam seine Zeit brauchte, von den Sinnen aufgenommen zu werden und über die Nervenbahnen zum Gehirn zu gelangen, in dem sie erst mit Verzögerung verarbeitet wurden. Dem einer Statue gleich war der entsetzte Ausdruck Gokus in sein Gesicht gemeißelt. Sanzo hatte den Eindruck, ein Bild zu betrachten, welches sich unweigerlich in seine Erinnerung einbrannte und so real war, dass er selbst zu einem Spiegelbild dessen wurde, mit weit aufgerissenen Augen, und den Mund geöffnet zu einem stummen Schrei. '…Ist schon okay…' Als Sanzo die Wirklichkeit einholte war Goku schon mit einem dumpfen Aufschlag zusammengebrochen. Reglos war er auf der von der kalten Nacht ausgekühlten Erde liegen geblieben. Noch immer schien der bleierne, jedes Geräusch verschluckende Vorhang die Umgebung zu verhüllen, durch den der Schrei nur als weit entferntes Murmeln des Windes hindurch drang. Sanzo registrierte erst später, dass es sein eigener Schrei gewesen war. Der leblose Körper zu seinen Füßen war zu keiner Lautäußerung mehr in der Lage. 'Es ist schon okay…' Sanzo zitterte. Nicht unmerklich - nein, sein Körper bebte so stark, dass er kaum das Gleichgewicht auf seinen wackligen Beinen halten konnte, geschweige denn einen Schritt tun. Als der Mönch seinen linken Fuß etwas vorschob versagten ihm die Knie den Dienst und ließen ihn stolpernd und strauchelnd nach vorne fallen, dass er kniend über Gokus Kopf kauerte, welcher zur einen Hälfte mit Dreck und zur anderen mit Blut befleckt war, das die ungewöhnlich blasse Haut des Jungen hinab lief, rote Striemen hinterlassend, die schon nach kurzer Zeit zu einer braunen Kruste trockneten und die Haare, die in sein Gesicht hangen, verklebten. 'Es wäre schon in Ordnung so, denke ich…' ...Warum? "…Ihr müsst euch alle irgendwann einmal gefragt haben: 'Was wäre, wenn ich jemanden ins Leben zurückbringen könnte?" "Ich dachte, jemanden zurückzubringen… wenn es alle glücklich machen würde, wäre es okay. Aber ich weiß nicht… Was, wenn es an mir wäre? Wenn alle… Oder wenn jemand wie du stürbe, Sanzo, und es wäre an mir… Würde ich es tun? Würde ich versuchen, dich zurückzuholen?" "Was ist mit dir, Goku? Wenn du dein Leben verlieren würdest… Würdest du wollen, dass wir dich zurückholen?" "Hmm… Nah, ist schon okay. Ich denke, es wäre in Ordnung so. Das ist der Grund, warum ich sichergehen werde, nicht zu sterben." "Jeder muss irgendwann sterben, Goku… Das ist die Art und Weise, wie die Welt funktioniert." Mit einem schmerzhaften Ruck, der seine Eingeweide verkrampfen und ihn ganz leise aufstöhnen ließ, fuhr Sanzo hoch, in der Bewegung die Augen weit aufreißend, vor denen das mentale Bild des blutüberströmten, leblosen Körpers geisterte, obwohl um ihn herum eine undurchdringbare Dunkelheit herrschte. Kaum, dass er sich aufgesetzt hatte, spürte er auch schon, wie seine Ellbogen wieder nachgaben, nicht fähig, ihn zu tragen, sodass er nach links wegknickte, mit der rechten Hand an seinen verhärteten Bauch fassend, bis er schließlich mit dem Kopf auf das weiche Federkissen fiel, das ihn einsinken ließ und ihm ein Gefühl von Geborgenheit gab, worauf sich sein vom Albtraum aufgeregt rasendes Herz und sein Atem beruhigen konnten. Was jedoch blieb war das krampfende Gefühl in der Magengegend. Abermals blitze das Bild in seinen Gedanken auf, Sanzo dazu veranlassend, panisch wieder hochzukommen, diesmal auf die Hände gestützt, die Beine unter seinen Körper gezogen, um so umständlich vom Bett zu steigen, dass er sich mit dem linken Fuß in dem aufgewühlten Laken verfing und für einen Augenblick ohne Halt in der Luft hing, ehe er mit ihn selbst überraschender Geschwindigkeit das rechte Bein nachzog und gerade noch rechtzeitig laut stapfend auf den Boden zu setzen vermochte, bevor er ganz zur Erde gestürzt wäre. Noch immer festhängend hüpfte er unbeholfen auf dem rechten Fuß herum, von einem solch heftigen Adrenalinstoß durchfahren, dass er momentan nicht denken konnte und sich kopflos und halb auf allen Vieren in die Richtung warf, in der sein Unterbewusstsein die Tür zu erahnen glaubte, sie auch ein paar Sekunden später geräuschvoll fand und sich dann an ihrem Holz entlang tastend auf den Lichtschalter stürzte. Das Licht war für seine ans Dunkel gewöhnten Augen so unglaublich grell, dass Sanzo für einen Moment stöhnend an der Wand unter dem Lichtschalter hinabsank, seine Augen vor dem Licht schützend, und sich dann aber doch erneut aufraffte, um blind in die Richtung, aus der er gekommen war, zu taumeln. Am über und über mit dem üblichen Müll der Sanzo-ikkou beladenen Tisch vorbei fand der Blinde zielsicher Gojyos im Schlaf weit von sich gestreckte und entblößte Beine, die ihm seinen Sturm auf das ebenfalls auf dem Boden neben dem Hanyou liegende Bündel wesentlich vereinfachte und vor allem -kürzte. Hektisch hob Sanzo die Bettdecke hoch und warf sie achtlos über die Schulter hinter sich. Für einen Moment hatte sein Herz ganz sicher ausgesetzt, hatte die Decke die zusammengerollte Form des jungen Dämons doch vollkommen verdeckt gehabt. Sanzo wusste nicht, was er getan hätte, wäre Goku nicht da gewesen. Erbarmungslos verformte sich der Körper vor seinen Augen zu einer grotesk verzerrten, grausamen Version seines Traumbildes, das seinen Verstand überflutete und Kontrolle über seine Reflexe übernahm. All das Blut und diese sich dem Tod bewussten Augen… Diese goldenen Augen…! "Sanzo!" Wie unter Schmerzen zuckte der Mönch zusammen, paralysiert von dem plötzlichen Durchbrechen des bleiernen Schleiers, der ihn von der Außenwelt abschirmte. Hakkai saß hoch aufgerichtet in seinem Bett gleich links von Goku, gegenüber dem am Fenster stehenden Schlaflagers Sanzos, und starrte verwirrt und mit geblendet zusammengekniffenen Augen auf das Geschehen. Auch Gojyo hatte begonnen, sich unverständlich grummelnd auf seinem Feuilleton hin- und herzuwälzen, sicherlich noch mit sich ringend, ob der Tonfall Hakkais wohl alarmierend genug gewesen war, um es Wert zu sein, seine tonnenschweren Lider zu heben. Einzig Goku, der unwissende Urheber des Aufruhrs, träumte noch immer selig und sein Kissen fest an sich gedrückt vor sich hin. Sanzo blickte Hakkai sekundenlang verstört an. Schließlich spürte er, wie sich der Hanyou neben ihm doch noch erhob und ihm die geballte Faust in die Rippen stieß und Sanzo dazu veranlasste, seine heikle Position zwischen Gojyo und Goku und schräg über letzteren hängend zu realisieren, woraufhin er auch sofort aufstand und sich sogar noch ein paar Schritte entfernte. Goku drehte sich auf die rechte Seite. "Sanzo, was ist los?" "Das würd’ ich aber auch gerne mal wissen - ich habe zwar nichts gegen hübsche Blondinen, aber ich bevorzuge dann doch die weibliche Variante." Sanzo, Gojyos Kommentar ignorierend, konnte Hakkai keine wirkliche Antwort geben, wusste er doch selbst nicht, was in ihn gefahren war. Dieser Traum, er war so entsetzlich real gewesen… Mit in Falten gelegter Stirn ging er noch ein paar weitere Schritte rückwärts, bis er mit dem Fuß gegen das Holzbein eines Stuhles stieß, auf den er sich erschöpft sinken ließ. Automatisch suchte seine Hand nach der Zigarettenschachtel, die neben einem hoffnungslos überfüllten Aschenbecher lag. Die fragenden Blicke der andern beiden mied er. Seine Gedanken schweiften ab, zurück in den Kinzan-Tempel, ein oder zwei Jahre zuvor. Sanzo war eines Morgens aufgewacht und Goku war nicht mehr da gewesen. Zuerst hatte er sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht und die ungewöhnliche Stille genossen. Sicherlich war der Affe nur irgendwo spielen gegangen. Doch nachdem er nach dem Mittagessen noch immer nicht zurück war und damit unglaubliche zwei Mahlzeiten ausgelassen hatte, schickte Sanzo dann doch einen der Mönche, nach dem Verschwundenen zu suchen. Er konnte ja nicht ahnen, dass besagter Kuttenträger ausgerechnet zu den extrem konservativen gehörte und es nur begrüßte, dass dieses unreine Wesen nicht länger den heiligen Boden des Tempels mit seiner Gegenwart befleckte. Als Sanzo zwei Stunden später eine Pause von seinen Nachforschungen, die er für die drei Götter anstellte, nahm und den Mönch entspannt im Garten dösen sah war seine Verstimmung unbeschreiblich gewesen. Verdammte Mönche. Er dachte, er hätte ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass der Affe unter seiner Obhut stand und deshalb sehr wohl im Tempel geduldet werden sollte. Kurzerhand ließ er seine Arbeit Arbeit sein und machte sich selbst auf den Weg, das dumme Kind zu suchen, das ihm nichts als Ärger machte und sicher bald für eine vorzeitige Ergrauung seines goldenen Schopfes verantwortlich sein würde. Als hätte ein Sanzo nichts Besseres zu tun, als sein entlaufenes Haustier zu suchen. Der Priester wollte es sich nicht eingestehen, doch nach anderhalbstündiger erfolgloser Durchsuchung des an den Tempel angrenzenden Waldstückes fing er dann doch langsam an, sich zu fragen, ob dem Affen wohl etwas passiert war. Mittlerweile hatte er das Haus, in dem Gojyo und Hakkai etwas außerhalb der Stadt am Ende des Waldes wohnten, erreicht, in der Annahme, Goku würde den beiden auf die Nerven gehen. Stattdessen kam Sanzo gerade zu dem Zeitpunkt hinzu, an dem Gojyo und Hakkai bepackt mit mehreren Tüten ihr Haus betraten. Sie waren den Nachmittag über in der Stadt einkaufen gewesen. Goku hatten sie schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen, nicht seit ihrem letzten gemeinsamen Besuch, dem Sanzo nur zugestimmt hatte, weil Goku drauf und dran gewesen war, vor lauter Langeweile und weil er Hausarrest bekommen hatte die gesamte Arbeit Sanzos der letzten Wochen zum Üben des Faltens von Papierflugzeugen zu benutzen. Sanzo saß grübelnd bei einem dampfenden Tee an Gojyos Küchentisch und zog geistesabwesend an seiner zweiten Zigarette. Hakkai hatte soeben die letzten Einkäufe verstaut und setzte sich mit gewohnt optimistischer Laune dazu. "Ich kann es nur noch einmal wiederholen: wahrscheinlich hat er sich im Wald verlaufen und wird bald - wenn nicht schon in diesem Augenblick - wieder im Tempel sein und sich lauthals darüber beschweren, dass er doch kurz davor ist, seinem übermäßig großen Hunger zu erliegen." Gojyo nickte zustimmend, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, weshalb die Bewegung etwas merkwürdig aussah, doch Sanzos einzige Reaktion bestand aus dem Ausdrücken seiner Zigarette im Aschenbecher, der zwischen ihm und dem Hanyou stand. "Wenn es dich beruhigt: Gojyo und ich können gerne Augen und Ohren offen halten, falls er heute nicht mehr zurückkommen sollte. Was ich natürlich nicht hoffe." sprach Hakkai weiter. Der Blonde zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wenn er nicht zurückkommt habe ich einen Klotz weniger am Bein. Es ist nur Schade um die Zeit, die ich mit der Suche nach ihm verschwendet habe." Gojyo rollte hinsichtlich dieser betont frigiden Formulierung die Augen. Hakkai lächelte nur sein gewohnt unbekümmertes Lächeln. "Vielleicht ist es besser, wenn er weg bleibt." Kurz entschlossen machte Sanzo Anstalten, sich zu erheben. "Meinst du das wirklich ernst?" hielt ihn Hakkais warme Stimme dann aber doch zurück. "Gib's doch zu, der dumme Affe ist dir ans Herz gewachsen." mischte sich auch Gojyo mit einem höhnischen Unterton ein. "Ansonsten hättest du dir wohl kaum die Mühe gemacht, nach ihm zu suchen." Sanzo warf ihm einen giftigen Blick zu. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich nun endgültig und verließ erhobenen Hauptes das Haus. Die geschlossene Tür schon im Rücken blieb er noch einmal stehen. Was für einen Schwachsinn die beiden doch wieder redeten. Als würde er sich um den blöden Affen Sorgen machen… Sanzo hätte niemals zugegeben, dass er absichtlich einen Umweg zurück zum Tempel nahm. Der Mönch hatte seine Zigarette gerade aufgeraucht, als Gojyo es endlich schaffte, den tief und fest schlummernden Goku zu wecken. Verschlafen blinzelte der gegen das grelle Licht an und rieb sich die müden Augen. Als er Sanzos Blick auf sich ruhen spürte schaute er ihn fragend an. "Was'n los…?" "Ich bewundere deine Arglosigkeit, mit der du bei dem ganzen Tumult eben schlafen konntest" antwortete Hakkai and Sanzos Stelle und schenkte dem Kleineren ein besonders freundliches Lächeln. Auch jetzt hatte es etwas Gezwungenes an sich. "Ich hatte einen seltsamen Traum…" setzte Goku zu einer Erklärung an und zog die Stirn in Falten bei dem Versuch, sich an den Inhalt zu erinnern. "Ich glaube, es war eher eine Erinnerung… Weißt du noch, Sanzo, der Hund, den ich mal gefunden habe?" Der Mönch zeigte keine wirkliche Reaktion, erinnerte sich jedoch sehr wohl an das Tier, das zusammen mit Goku den halben Tempel auf den Kopf gestellt hatte. Das war an dem Tag gewesen, an dem sie Sha Gojyo und den sich damals noch auf der Flucht befindenden Mörder Cho Gonou kennen lernten. Er hatte nur darauf gewartet. 'Irgendwann wirst vielleicht auch du eine Stimme hören können…' Sanzo hatte die Worte seines Meisters immer verflucht. Ihnen hatte er es zu verdanken, dass er sich den Affen aufhalsen musste. Jahrelang war er von dem Gejammer verfolgt worden, Tag und Nacht… Wie konnte es sein, dass er es jetzt wieder hörte? Sanzo blieb stehen und drehte sich noch einmal zum Haus Gojyos und Hakkais um, vielleicht war die Stimme ja doch nicht nur in seinem Kopf. Doch das Haus lag still da, das Licht, das aus den Fenstern schien, Boden und Gestrüpp vor ihm erhellend, während Sanzo selbst schon von der einsetzenden Dunkelheit verschluckt wurde. Und das Klagen hielt an. Wie schon ein paar Jahre zuvor wusste er instinktiv, in welche Richtung er sich zu wenden hatte. Obwohl es um ihn herum immer dunkler wurde bewegte er sich sicher auf dem unebenen Untergrund, durch die Jahre, die er allein durch Wald und Feld strich auf der Suche nach dem Erbe seines Meisters, an das Wandern unter solchen Umständen gewöhnt. Es dauerte nun nicht mehr lange, bis er die Quelle des Geheules gefunden hatte. Auf einer kleinen mondbeschienenen Lichtung saß eine Figur auf einem flachen Felsen, die Konturen silbern schimmernd und Stirn und Arme auf die angezogenen Knie gebettet Das Gejammer erstarb, sobald Sanzo die Lichtung betrat. Er zögerte nur kurz und näherte sich dann der Gestalt, bis er nur ein paar Schritte von ihr entfernt stehen blieb. Als sein Gegenüber keine Reaktion zeigte fragte er schließlich: "Was ist los?" und konnte einen leicht genervten Unterton nicht unterdrücken. Der andere schluchzte leise. Sanzo trat noch etwas näher heran. Er versuchte es mit der Offensive: "Wegen dir bin ich den halben Tag im Wald herumgelaufen." Goku hob langsam den Kopf und stützte sein Kinn auf die Arme. Er schaute ihn nicht an. "Koro ist tot…" sagte er mit leiser Stimme. Sanzo zog fragend eine Augenbraue nach oben. "Wer?" "Koro. Mein Hund." Der Mönch verstand noch immer nicht. Wie, um ihm einen Denkanstoß zu geben, richtete sich Goku etwas auf und betrachtete gedankenverloren seine dreckbesudelten Hände. Da fiel es Sanzo wieder ein - der Hund, den der Affe einmal mit in den Tempel geschleppt hatte. Der Mönch runzelte die Stirn. "Hatte ich dir nicht befohlen, ihn wieder zurückzubringen?" Goku nickte. "Er hatte doch aber kein zu Hause…" "Du hast ihn hier versteckt?!" Der Mönch sah sich prüfend um. Tatsächlich entdeckte er nicht weit entfernt eine kleine von Gesträuch verdeckte Höhle, eher eine Art Fuchsbau, wo Goku den Hund wohl untergebracht hatte. "Ich bin jeden Tag zu ihm gegangen, wenn du keine Zeit hattest…" Es sollte gar nicht nach einem Vorwurf klingen, doch irgendwie regte sich trotzdem etwas in Sanzo. "Und ich habe ihm zu Essen gebracht, wie du früher." Sanzo sah den Youkai überrascht an. Er hatte ihm gar nicht zugetraut, über seine primitiven Instinkte hinaus zu denken und sogar sein Essen zu teilen. Für den Bruchteil einer Sekunde stahl sich fast so etwas wie der Anflug eines Lächelns auf sein Gesicht. Unentschlossen blieb er noch einen kurzen Moment stehen und trat dann vollends an den Findling heran, auf dem Goku ein wenig zur Seite rutschte, um ihm Platz zu machen. Der Mönch setzte sich bedächtig und etwas zu sehr darauf bedacht, dass seine Robe auch ja nicht im Dreck hing. Penibel betrachtete er wortlos den Boden zu seinen Füßen. Tatsächlich wusste er nicht, was er sagen sollte. Es war nicht unbedingt seine Stärke, anderen Trost zu spenden. Plötzlich spürte er, wie Goku an seinem Ärmel zog. Sanzo schaute auf ihn hinab. "Ist es meine Schuld, dass er tot ist?" Sanzo war ehrlich überrascht. "Wie kommst du darauf?" Goku zögerte eine Weile, ehe er sagte: "Wenn ich mich nun nicht genug um ihn gekümmert habe...?" Der Mönch war nun zutiefst erschrocken. "Was…?" fragte er gepresst, nur mit Mühe seine Stimme unter Kontorolle haltend. "Ich hab ihn doch immer so lange allein gelassen… Er war bestimmt einsam…" Sanzo sagte nichts. Plötzlich fühlte er sich sehr unwohl in seiner Haut. "Ich hätte ihn beschützen können, wenn ich da gewesen wäre…" Die Reaktion bestand aus einem geistesabwesenden "Wie meinst du das?". Goku sah zu dem Mönch auf. "Wenn ich da gewesen wäre, dann hätte ich die bösen Dämonen töten können." Sanzo war sich nicht sicher, was verstörender war - die weitere Last auf seinem stetig wachsenden schlechten Gewissen oder die Selbstverständlichkeit, mit der das "Kind" neben ihm davon sprach, einem anderen das Leben zu nehmen, um einen Freund zu schützen. Er fühlte sich miserabel. Er glaubte nicht, dass Goku es beabsichtigte, doch erinnerte ihn diese Situation viel zu sehr an die zwischen ihm selbst und dem Affen. Vernachlässigung. Alleinsein. Gefahr… Was, wenn Goku irgendwann einmal nicht mehr zurückkam? Sanzo hatte noch nicht einmal bemerkt, dass der Affe so lange Zeit jeden Tag stundenlang im Wald zugebracht hatte. Was, wenn er irgendwann einmal derjenige war, der mit dreckbesudelten Händen vor einem kleinen und schlichten Grab saß…? "Wenn du dein Leben verlieren würdest, würdest du wollen, dass wir dich zurückholen?" "Jeder muss irgendwann sterben…" Es war schon spät, als sie am nächsten Tag die Stadt erreichten. Der Vorfall der letzten Nacht stimmte die reisende Gesellschaft noch immer etwas nachdenklich, doch hatte ihn Sanzo mit der Begründung, einfach nur schlecht geschlafen und einen Albtraum gehabt zu haben, von allen weiteren Diskussionen ausgeschlossen. Er besaß genug Autorität und Respekt in der Gruppe, damit die anderen sich daran hielten. Auf dem Weg in die Stadt war die Sanzo-ikkou einem einsamen Wanderer begegnet - mit strahlend gelben Augen -, den sie jedoch glücklicherweise ohne Zwischenfall passieren konnten. Zumindest wussten sie jetzt, was - oder eher wer - sie wohl schon erwartete. Um weiterzufahren und in der nächsten Stadt ihr Glück zu versuchen war es einfach schon zu spät - und im Freien zu übernachten kam in dieser Gegend, die berüchtigt war, von vielen blutrünstigen "Monstern" bewohnt zu sein, nicht in Frage. Wie nicht anders zu erwarten dauerte es nicht lange, bis die vier Reisenden nicht mehr allein am Abendbrotstisch saßen. Sie versuchten, die zwei unerwünschten Tischpartner so gut es ging zu ignorieren und sprachen selbst kein Wort, um möglichst schnell wieder verschwinden zu können. Während Sanzo noch bezahlte standen die anderen schon auf und gingen demonstrativ. Hazel hielt Sanzo am Ärmel seiner Kutte zurück. Der blickte mit solch missbilligendem Blick auf die Hand des Bischofs, dass dieser sie sofort zurückzog und ein halbherziges entschuldigendes Lächeln hinterher warf. Bevor Hazel jedoch mit seinen Schmeicheltiraden loslegen konnte unterbrach ihn Sanzo auch schon herrisch. "Wir wollen mit deiner falschen Wundergabe nichts zu tun haben." sagte er selbstsicherer und ruhiger, als er sich eigentlich fühlte. Der Traum der letzten Nacht hatte ihn schlimmer getroffen, als er sich einzugestehen bereit war. Hazel lächelte mit geheucheltem Verständnis. "Wäre es denn aber nicht schade, einen deiner Dämonenfreunde zu verlieren, Sanzo-han?" "Soll das eine Drohung sein?" Sanzos Blick verfinsterte sich. Hazel tauschte einen kurzen Blick mit Gato aus. "Ich erzählte doch bei unserer letzten Begegnung davon, dass wir auf der Suche nach einem gefährlichen Youkai sind…" Hazel erhob sich gemächlich. Er rief den Wirt erneut heran und bezahlte seinerseits für das Essen. Sanzo starrte ihn mit wachsender Ungeduld an. "Habe ich eigentlich erwähnt, woran ich ihn erkennen werde, Sanzo-han?" Hazel trat an dem Mönch vorbei, ohne noch einmal zurückzublicken. "Es heißt, er hätte goldene Augen…" Zum Abschied hob er kurz seinen Hut und verließ dann, Gato im Schlepptau, das Lokal. Sanzo sah ihm erschüttert hinterher. Er brauchte ein paar Minuten, ehe sich zu den anderen nach draußen begab. Sanzo fiel es in dieser Nach besonders schwer, Schlaf zu finden. Er hatte den drei anderen nichts Näheres von seinem Gespräch mit dem Bischof erzählt, fühlte sich dadurch aber keinen Deut besser. Er war sicher gegangen, dass sie nicht in der gleichen Unterkunft wie die beiden Westler unterkamen. Der Traum der letzten Nacht verfolgte ihn. Doch noch schlimmer waren die Erinnerungen, die Gokus eigener Traum in ihm wieder geweckt hatte. Schließlich gab es Sanzo auf, zu versuchen, doch noch einzuschlafen, erhob sich, zog seine Robe über und ging nach draußen, an die frische und kühle Luft, wo er sich sofort eine Zigarette anzündete. Nur kurze Zeit später hörte er das Näher kommen von Schritten und befürchtete für einen Moment, Hazel wäre ihm wieder gefolgt, doch zu seiner - wenn auch nicht vollkommenen - Beruhigung war es Goku, der um die Hausecke bog und auf ihn zugelaufen kam. Die Empfindung eines starken Déjà-vus kam in ihm auf, sodass er sich kaum auf das konzentrieren konnte, was Goku ihm mit nachdenklichem Ton erzählte. Doch die Vertrautheit seiner Worte alarmierten Sanzo. Er hatte sie schon einmal gehört. "Was, wenn es an mir wäre? Wenn du sterben würdest, Sanzo, und es wäre an mir… Würde ich es tun? Würde ich versuchen, dich zurückzuholen?" "Was ist mit dir, Goku? Würdest du wollen, dass wir dich zurückholen?" Die Schüsse hallten wie Peitschenhiebe durch die Nacht. Nah, ist schon okay… ~Owari~ Auch wenn das jetzt die Stimmung ruiniert noch ein paar kleine Anmerkungen hintendran: "Koro" ist ein typischer japanischer Hundename - das hat mir zumindest Google gesagt - und hat somit keine weitere Bedeutung für die Interpretierfreudigen unter euch. Außerdem meint Goku an einer Stelle im Text, Sanzo hätte ihm früher zu Essen gebracht. Hierbei beziehe ich mich auf die Burial-Saga der Reload-Mangas, die es mittlerweile auch als OVA gibt (zu finden auf Y00t00b und Kohorten, in diesem Fall die 2. OVA, also Gokus Geschichte). Dort erfährt man, dass Sanzo Goku, nachdem er ihn gefunden hatte, vorerst in einer abgelegenen Hütte versteckt hielt, während er noch überlegte, was er mit ihm anfangen sollte. Da er Goku verbot, die Hütte zu verlassen, kam er jeden Tag zu ihm und brachte ihm seine Mahlzeiten. Ansonsten Danke fürs Lesen, und wenn ihr mir eure Kritik und Verbesserungsvorschläge in Form eines Kommileinchens hinterlasst bin ich euch dafür ebenfalls sehr dankbar. :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)