Hidden Flowers - Loneliness of a Winter's Night von june-flower (Nebenkapitel zur Hidden-Flowers-Trilogie (ino/shikamaru)) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog - Wolkenmädchen --------------------------------- Prolog - Wolkenmädchen Hm... Hier ist es also. Ich hoffe, ihr habt meine Meinung zu den einzelnen beiden Kapiteln in der Übersicht gelesen... Sie passen nicht wirklich zusammen, was heißt, dass das hier nicht wirklich ein Prolog ist. In 5 Jahren kann viel geschehen... Egal. Viel Spaß beim Lesen!^^ Hinterlasst mir vielleicht ein Kommentar? >.< LG, june Heute habe ich wieder auf der Lichtung gelegen – du weißt schon, welche. Das weißt du genauso gut wie du weißt, was ich dort gemacht habe: Ich habe einfach in den Himmel gestarrt, als würde ich ihn nicht sehen. Aber diesmal habe ich hingesehen, und da war eine Wolke, die genauso aussah wie du. Obwohl ich nicht weiter hinsehen wollte, konnte ich meine Augen nicht davon losreißen. Gut. Eine Wolke, die aussieht wie ein Mädchen? Wie in hyperaktives, nervtötendes, ständig Mist plapperndes Mädchen? Himmel, wenn sie wirklich so wäre wie du, dann hätten die anderen Wolken da oben kaum eine ruhige Minute. Und dann würden sie einsehen, dass das Wort „Mühsam“ eigentlich gar nicht so negativ ist, wie alle denken, wenn ich es benutze... Hast du das nicht auch manchmal? Du willst etwas sagen, aber du musst vorsichtig sein und niemanden verletzen... Mühsam, nicht? Okay, also diese Wolke – eine Grausamkeit der Natur. Allein der Gedanke daran sollte mich schreien lassen. Aber ich habe trotzdem weitergeschaut. Geschaut und geschaut, bis meine Augen tränten weil ich nicht geblinzelt hatte und bis die Wolke weiterzog, mit anderen Wolken verschmolz und zu etwas Neuem wurde – man könnte sagen, so wie du, wenn du mit all diesen kichernden und gackernden Mädchen zusammen bist. Dann wirst du auch zu etwas Neuem: nur ein Teil eines Ganzen, nur ein Teil von etwas Großem – du wirst völlig anders. Also ich habe die Wolke immer weiter angeschaut, denn... Denn du warst schön. Gut, es war eine Wolke. Diese Wolke war schön, und sie sah genauso aus wie du. Aber das Ergebnis ist das Selbe. Als sie weitertrieb, hätte ich beinahe aufgeseufzt, weil du nicht mehr da warst. Und dann habe ich zum ersten Mal richtig begonnen, über dich nachzudenken. Anstrengend, das kannst du mir glauben. Nervig. Warum sollte ich darüber nachdenken, wie deine blauen Augen blitzen, wenn du lachst, oder wie dein blondes Haar in Strähnen um dich herumwirbelt, wenn du es offen trägst? Das ist nervig. Aber wirklich über dich nachdenken, wirklich mich auf das Problem zu konzentrieren, welches du darstellst, es zu definieren und zu analysieren – ich habe es mich nie getraut. Ich weiß nicht warum. Wenn ich damit anfange, kommen nur immer wieder Erinnerungen hoch, die du vielleicht vergessen und verdrängt hast – ich aber nicht. Fakt ist, dass ich es auch gar nicht vergessen will. Darüber nachzudenken, wie wir zueinander stehen, würde bedeuten, dass ich mich nicht mehr so unter Kontrolle hätte wie ich es versuche, würde bedeuten, dass ich zulassen würde, mir eingestehen würde, dass ich es so, wie es momentan ist, nicht mehr lange aushalten kann. Kannst du damit leben? Ich sehe es ja: du kannst. Du kannst es sogar sehr gut, denn nicht ich bin es, über dem du dein Herz gebrochen hast. Aber ich – ich halte es nicht mehr lange aus. Deshalb wollte ich gar nicht weiter darüber nachdenken. Denn wenn ich es tue, kommen diese Gedanken und Gefühle, die ich gar nicht fühlen will. Wann hat das eigentlich angefangen? Keine Ahnung wann ich begonnen habe zu denken, dass mein Name sich besonders anhört, wenn du ihn sagst. Es ist wirklich so. Selbst, wenn du es mit so genervter und quengelnder Stimme sagst, wie du es immer tust. Meistens zumindest. Dann frage ich mich, wie ich es nicht tun kann – wie ich es für mich behalten kann und dich weiter so behandeln kann, wie du es möchtest: abweisend und genervt. Wenn ich es ändern würde, würdest du es merken, oder. Und dann würde für dich das Kartenhaus, welches du dir so mühsam aufgebaut hast, zusammenbrechen: das fragile Haus aus Freunden und Feinden – eine Schutzmauer zwischen der Wirklichkeit und zwischen dir. Sehr wirksam. Meine Gereiztheit, mit der ich auf alles reagiere, was du sagst, ist nur ein verzweifelter Versuch gewesen, dich nicht spüren zu lassen, wie sehr ich mir wünsche, dass du mich verstehst – dass du mich siehst. Aber ich kann es nicht mehr ändern, sonst würde ich etwas sehr Dummes sagen, oder, noch schlimmer – etwas sehr Dummes tun. Jetzt ist sie ein Teil deiner zusammenbrechenden Welt, und wenn sie nicht mehr da ist, was wird dann aus dir? Ich will es gar nicht wissen. Ich will es mir nicht einmal mehr vorstellen. Du magst stur und störrisch sein, mehr auf dein Aussehen bedacht als auf das, was du im Kopf hast. Du magst nervig sein und immer nur dann ohne Pause reden, wenn man lieber seine Ruhe hätte, du magst viel zu viel auf Kleidung geben und weniger auf Training, du magst Menschen, die nicht so sind, wie du denkst, dass sie sein sollten, gnadenlos niedermachen... Aber selbst deine Fehler können in meinen Augen nicht verdecken, was du wirklich bist. Du kannst nicht verstecken – oder vielleicht schaffst du es einfach nicht, weil du nicht weißt, was wirklich in dir steckt – dass du eigentlich ein ganz anderer Mensch bist. Du sorgst dich so sehr um die anderen Menschen, dass du es versteckst, in dem du so tust, als ginge dich alles gar nichts an. Du weißt so genau, dass Innere Fähigkeiten so viel mehr zählen als Äußeres Erscheinen, dass du alles dafür tust, äußerlich perfekt zu erscheinen, weil du verbergen willst, wie viel in deinem Inneren steckt. Willst du ein Beispiel? Bitte. Meinst du, ich verstehe nicht, dass du nur deshalb auf Zicke und It-Girl machst, damit deine beste Freundin begreift, wie sie sein muss, um Sasuke Uchiha für sich zu gewinnen? Obwohl du ihn selbst genauso geliebt hast wie sie? Sakura musste dein perfektes Gegenteil sein, und sie hat es grandios geschafft. Sie hat sogar ihr Ziel erreicht: Sasukes volle Aufmerksamkeit. Vielleicht sogar seine Liebe, wer weiß das schon? Sasuke Uchiha, der nie begriffen hat, was direkt vor seiner Nase war, und erst ein Unglück musste ihn dazu verleiten, seinen arrogantes Gesicht zu senken, seine Schultern zu beugen und seine eiskalten Augen so weit nach unten zu richten, dass er sehen konnte, was all die Jahre direkt vor ihm gestanden hatte und was er nicht hatte erkennen können, weil er immer nur nach oben und nach vorne gesehen hat. In dir steckt so viel mehr, als du selbst erkennen möchtest. Und seit dem Abend weiß ich es genau. Du willst dich vielleicht nicht mehr erinnern, aber ich war auch da, an dem Abend, an dem Sasuke Uchiha das Dorf verliess. Du hast hinter dem Baum gestanden, tief im Schatten verborgen, und hast zugesehen, wie Sakura – deine beste Freundin – verzweifelt versuchte, ihn zurückzuhalten. Und gescheitert ist. Und wie er sich bei ihr bedankt hat, hast du auch gehört, oder? War das nicht der Moment, auf den du hingearbeitet hast, seit du gehört hast, dass sie ihn liebt? Ich weiß dass du immer nur das Beste für sie wolltest. Gut, zumindest hat er sich bedankt und bewiesen, dass ihre Existenz in seinem Inneren immer größer geworden war – nicht groß genug, um um ihretwillen zu bleiben, aber immerhin größer. Wahrscheinlich wünscht er sich jetzt, er wäre damals geblieben... Es hätte vielen Menschen geholfen und viel Leid verhindert. Du hast es gehört, und ich habe es auch gehört – ich saß auf dem Baum über dir, in der Krone, und beobachtete den Mond. In dieser Nacht gab es den schönsten Vollmond, den ich je gesehen hatte. Keine Wolke war am Himmel – solch eine traurige Nacht habe ich nie wieder erlebt. Und du – vor Tränen hättest du ihn sowieso nicht sehen können. Du bist dumm. Nichts essen, um schön zu sein? Kein Wunder, dass du zusammengebrochen bist, an dem Abend und an den Tagen danach. Kein Wunder, dass du kaum etwas gewogen hast – ich hätte dich nach Hause tragen können, wenn ich gewollt hätte. Ich habe dich nach Hause gebracht, und du hast auf dem ganzen Weg geweint. Er war weg, und er hatte Sakura gedankt, deine lang ausgetüftelten Pläne waren erfolgreich – aber zu welchem Preis? Ich hätte ihn zu Brei schlagen müssen, damit er nicht gehen konnte. Ich wusste, dass er einen Teil deines Herzens mit sich nahm. Ich will ihn immernoch am liebsten schlagen, wenn ich ihn sehe. Es fühlt sich noch immer schrecklich an, nichts tun zu können. Ich sehe zu, wie du dich erholst – oder wie du behauptest, dass du dich erholst, mit dem gräßlichen Lachen, das alle für erwachsen und sexy halten und welches so unecht auf mich wirkt, dass es aussieht wie aufgeklebt. Aber ich sollte dankbar sein, dass wenigstens eine Art von Funkeln in deine Augen zurückgekehrt ist. Weder ich noch irgendwer sonst wird jemals den Ausdruck auf dein Gesicht zaubern, den ich einmal an dir sah, als du glaubtest, du seiest allein – und Sasuke mit seinem Team vorbeiging. Wahrscheinlich wäre er gerannt, hätte er gewusst, dass du in seiner Nähe warst – aber er hat nie realisiert, dass du nur so reagiertest, wenn noch andere Menschen in der Nähe waren – besonders Sakura. Ich begnüge mich mit einer Fälschung der Person, die ich gerne sehen würde, mit dem Wissen, dass ich sie nie so sehen werde – ich nicht, aber auch nicht der Rest der Welt. Das ist kein Trost. Absolut keiner. Aber was soll ich tun? Ich würde alles darum geben, um das Lachen auf deinem Gesicht zu sehen, das er darauf zaubern konnte, wenn niemand es bemerkte – und ich werde es niemals sehen. Und deshalb könnte ich ihn erwürgen – er war sich niemals, zu keiner Zeit in seinem Leben, bewusst, welche Kostbarkeit er in seinen Händen hielt. Ich würde alles darum geben, das zu erhalten, was er weg warf. Wenn ich könnte, würde ich ihn packen und schütteln, aber jedes Mal, wenn ich ihn sehe, versiegt meine Wut. Ich habe nur noch Mitleid mit ihm. Wenn Sakura es nicht sieht, geht er gebeugt, mit zusammengesunkenen Schultern – wie ein uralter Mensch. Seine Augen blitzen nicht mehr spöttisch und abenteuerlustig oder eiskalt, sondern freundlich und liebevoll – wenn er Sakura ansieht. Sonst sind sie stumpf und blicklos. Sein Kampfgeist ist verschwunden, sein Rivale ist verschollen, seine Liebe ist verletzt – sein Herz ist gesplittert. Warum entdecken herzlose Menschen ihr Herz gerade dann, wenn es dabei ist zu zerspringen? Er ist nun glücklich, wenn er mit Sakura zusammen ist. Aber dafür hat er einen bitteren Preis gezahlt: sie ist durch seine Schuld für den Rest des Lebens an der Rollstuhl gefesselt. Bittere Vorwürfe und seine tiefempfundene Liebe streiten sich in seinem Kopf und seinem Herz miteinander, wenn er sie ansieht. Wahrscheinlich würde er alles, was er hat, dafür geben, wenn sie wieder gehen könnte... Du weißt als ihre beste Freundin selbst am Besten, dass es ihr nichts ausmacht. Selbst mit gelähmten Beinen kommt sie gut klar, sie kann weiter in ihrem geliebten Krankenhaus arbeiten und so der Hokage helfen. Aber Sasuke macht sich trotzdem Vorwürfe. Und du? Wie hältst du es aus? Wie kannst du sie besuchen, mit ihr sprechen, mit ihr lachen, so fröhlich und aufgekratzt wie immer? Wie kannst du Sasuke ausschimpfen und die Anderen auslachen ohne zu zeigen, wie sehr es dich verletzt? Macht es dir absolut nichts aus, die Beiden so zu sehen, eine kleine, kaputte, aber glückliche Familie? Dafür hast du doch gearbeitet, seit du klein warst. Schon bewundernswert. Eine 9-Jährige, die ein kleines, einsames Mädchen sieht und beschließt, ihre Freundin zu werden und alles dafür zu tun, um sie glücklich zu machen. Hattest du selbst genug von diesen falschen Freundinnen, die dich nur mochten, so lange du schöne Spangen und lustige Spiele hattest? Ja, nicht wahr? Sakura war deine erste wirkliche Freundin. Und du hast sie immer unterstützt – warum sollte sich jemand mit der Person, die einen selbst versteht, streiten, nur um eines Jungen willen? Du hast alles wirklich gut geplant, und dann soll man sagen, dass du keine Taktikerin bist. Nur das mit dem Schlankheitswahn – den hättest du weglassen können. Sakura hätte auch so verstanden, dass sie sich annehmen muss, wie sie ist, glaub mir. Und jetzt stehst du am Ziel deiner Träume und bist immernoch nicht glücklich. Aber du versteckst ihn gut, den bitteren, traurigen Zug um deine Lippen. Versuchst du, durch das Zusammensein mit Sakura deine Einsamkeit zu vergessen? Ich wünsche dir von Herzen, dass es gelingt. Wirklich. Da du ihn nach all der Zeit immernoch liebst und ich sicherlich niemals sagen werde, was ich denke oder fühle, schätze ich, dass es noch eine Weile so weiter gehen wird. Du beobachtest sie beide, und ich beobachte dich. Nichts ändert sich, Ino. Vor allem die Vergangenheit nicht, und die Zukunft wird sich auch nicht ändern. Selbst wenn ich könnte, ich würde nichts davon verändern. Denn dann wäre diese Wärme aus meinem Herzen verschwunden. Genauso wie die Schwere, aber beides gehört mittlerweile schon zu mir – beides gehört zusammen. Das Wissen, dass ich dich liebe genauso wie das Wissen, dass du mich nicht liebst und mich niemals lieben wirst wie du den Partner deiner besten Freundin liebst. So bitter können also Gefühle sein... Umgeben von Traurigkeit und Einsamkeit. Und weil ich bestimmt nicht der Erste von uns beiden sein wird, der sich verändert, wird alles so bleiben, wie es immer war. Irgendwann werden wir einmal alt und grau sein und noch immer beobachten, aus der Ferne, ohne näherzukommen aus Angst, das zu zerstören, was sich lange Zeit aufgebaut hat. Beobachten, statt zu leben. Du bist unerreichbar weit weg, obwohl ich Nachts aufwache und die Hand nach dir ausgestreckt habe – aber du bist niemals da, und du wirst es niemals sein. Ich wünsche mir, es wäre nicht so, aber es ist nicht mehr zu ändern. Du bist so weit weg wie die Wolken, die am Himmel ihre Bahnen ziehen. Mein Wolkenmädchen. Kapitel 2: Loneliness - Eight Years ----------------------------------- Für all die, die unbedingt wissen wollen, wie es weitergeht... *lach* Und denen ich jetzt noch ein Kapitel zusätzlich aufbrumme. Das tut mir leid! Ich hoffe, ihr habt Spaß am Lesen und bleibt noch für den Epilog. Er ist fertig und muss nur hochgeladen werden - aber damit warte ich noch ein bisschen!^^ Liebe grüße, june Loneliness - EightYears Es war kalt draußen, eisig kalt. Nicht zu vermeiden in der Jahreszeit, in welcher der Wind um die Häuser fegte, als wäre er eben erst entfesselt worden und hätte nicht schon den ganzen Herbst hinter sich. Unter dem Schleier dunkler Wolken war der Abendhimmel nicht mehr erkennbar, aber auch so hätte es nichts gegeben, das es wert gewesen wäre, es zu erkennen – es war schon seit Stunden dunkel. Dunkel und kalt. So kalt, dass er es zähneknirschend vorzog, im Inneren der verrauchten, stickigen Bar zu bleiben, in die es ihn heute Abend wundersamerweise verschlagen hatte. Nicht, dass der Rauch ihn störte, nein. Es waren eher die vielen Menschen um ihn herum. Vom Nachbartisch aus tönte lautes Gelächter zu ihm herüber, und leise Musik dudelte im Hintergrund vor sich hin. Die Menschen waren entweder zu betrunken, um sie zur Kenntnis zu nehmen, oder zu beschäftigt, um genauer hinzuhören. Shikamaru hasste solche Orte. Laut, voll, lärmend, nach Bier und sonstigen Alkoholischen Getränken stinkend. Aber nach draußen konnte er nicht – gehen konnte er jetzt nicht, nachdem Ino ihn auf seinem Heimweg gestellt und mit in diese Kneipe geschleppt hatte. Wie sie es geschafft hatte, ihn mitzuschleppen, war ihm schleierhaft – wahrscheinlich war er einfach nur mitgegangen, damit sie aufhörte, endlos auf ihn einzureden. Warum sie ihn mitgenommen hatte – darauf hatte er genauso wenig eine Antwort wie auf seine erste Frage. Er sah sie sowieso nicht oft in der letzten Zeit... In den letzten Jahren. Zeit... So schnell vergänglich. Wie lange war es her, dass seine Eltern auf einem Auftrag ums Leben gekommen waren? Unwillig runzelte der hochgewachsene Shinobi die Stirn und versuchte wie immer, sämtliche Gedanken daran zu verbannen. Sein Gesicht verschloss sich, wenn möglich, noch mehr. War es nicht das Leben eines Shinobi, welches seine Eltern gewählt hatten? Waren es nicht die Regeln der Shinobi gewesen, nach denen sie gelebt und ihn erzogen hatten? Und nun waren sie auch den Tod der Shinobi gestorben, genau so, wie es sich gehörte. Sein Vater hatte oft gesagt, dass er sich nichts Schlimmeres würde vorstellen können als der langsame, schleichende Tod im Krankenbett. Er konnte stolz auf seine Eltern sein, das hatte man ihm oft genug gesagt. Er wusste es selbst. Warum tat es dann so weh... Weil es seine Schuld gewesen war. Deshalb. Es hatte einfach seine Schuld gewesen sein müssen. Erst sein katastrophaler erster Auftrag als Chuu-Nin, dann der Tod seines Lehrers... Und schliesslich seine Eltern. Suchend, um dem ewigen Labyrinth zu entgehen, in welchem seine Gedanken sich in einer endlosen Spirale fortbewegten, ließ er seine Augen über die Köpfe der anwesenden Menschen schweifen. In dieser Kneipe versammelten sich an Tagen wie diesen die Shinobi, welche die Arbeit des Tages beendet hatten, die ihre Aufträge zu Ende gebracht hatten und nun ihre glückliche Heimkehr feierten. Vielleicht war es gerade heute so voll, weil die Menschen sich nach Gesellschaft sehnten... Männer und Frauen jeden Alters und jedweden Aussehens drängten sich um die Tische, einige mit fremden Zeichen auf den Stirnbändern und fremdartigen Uniformen, die meisten im warmen grün-schwarz der Konoha-Nin und dem passenden, wohlbekannten Stirnband. Lachend und scherzend saßen sie dort, unterhielten sich und tranken. Eine Stimme, irgendwie bekannt, wehte zu ihm herüber, und er wandte den Kopf noch weiter nach links. Anko-Sensei und Kakashi-Sensei saßen mit einigen anderen Special-Jou-Nin um einen Tisch, der silberhaarige Shinobi wie immer gedanklich abwesend – da wie immer lesend. Niemanden schien es zu stören, auch nicht die kurzhaarige, lautstarke Prüferin mit dem Faible für spektakuläre Auftritte, die hingebungsvoll die Schaschlickspieße ihrer Mahlzeit im Haar des Anderen arrangierte. Gai-Sensei und sein ehemaliger Schüler Lee veranstalteten eine Runde Armdrücken, bei dem einige andere Gäste zusahen und lautstark anfeuerten. In der frohen Runde fehlten nur noch Kurenai-Sensei und Asuma-Sensei... Aber Asuma-Sensei war tot. Shikamaru wandte den Kopf ab. Er war tot, und niemand hatte das Schlimmer getroffen als Kurenai-Sensei... Was sie für den gemütlichen, kettenrauchenden Shinobi empfunden hatte, würde wohl niemand je so genau erfahren. Sie hatte sich anscheinend schnell wieder erholt, Ino hatte so etwas in der Art erzählt, aber sie war nie wieder die Selbe gewesen. Wahrscheinlich trauerte sie immernoch um ihn. So viele Menschen, die nach langer Zeit plötzlich allein zurückblieben... Und da war es wieder: sie, die Zeit. Wann war er eigentlich zum Jou-Nin aufgestiegen? Er konnte sich nicht genau erinnern, wann. Alles um ihn herum schien zu einem weißen, dichten Nebel zu verschwimmen, wenn er versuchte, sich daran zu erinnern, was er vor einigen Tagen getan hatte, dann nahm der Nebel zu und ertränkte ihn. Eine Woche, die einzelnen Tage darin, die Stunden und Minuten... Sogar die Sekunden verschwanden, ohne dass er sich daran erinnern konnte, was er getan hatte. Es fiel ihm bereits schwer genug, immer und immer wieder Luft zu holen. Er sollte einfach aufhören zu atmen, nicht weiter Luft holen, nichts mehr tun... So, wie er schon lange nichts mehr tat. Wann war er das letzte Mal im Auftrag der fünften Hokage mit einem Team unterwegs gewesen? Auch das war endlos lange her. Es ging nur noch auf Einzelmissionen, und er wusste warum. Denn wenn jeder, mit dem er unterwegs war, entweder starb oder aufwendig erst notoperiert werden musste, dann würde sich das auf die lange Dauer nicht auszahlen, dass er ein Ninja blieb. Lieber schickten sie ihn nur los, wenn sonst niemand da war, der die Aufgaben machen konnte, und dann mit Vorliebe allein, und das war ihm recht so. Aber der Stachel im Herzen blieb. „Hey, Nara!“ Jemand sprach ihn an, ein Atem traf Shikamarus Gesicht – alkoholgeschwängert, aber der Mann stand fest auf beiden Beinen und wankte nicht. „Wie geht’s dir?“ Bei der Nennung seines Familiennamens war Shikamaru zusammengezuckt, hatte sich umgesehen und seine Augen wurden wieder dunkler. Wer genau hingesehen hatte, hätte vielleicht gesehen, dass für einen Moment ein Licht aufgeleuchtet war... Ein Licht, welches sofort wieder erlosch. Jedes Mal, wenn man ihn so ansprach, glaubte er zu wissen, dass nicht er, sondern sein Vater gemeint worden war... Jedes Mal hatte er das Gefühl, dass er hinter ihm stand, dass er sich nur umzudrehen brauchte, um wieder in das lächelnde Gesicht seines Vaters zu blicken... Der Shinobi, der Shikamaru schon seit dessen Kindheit kannte und der ein Freund seines Vaters gewesen war, stockte, als er den Ausdruck in seinen Augen sah. „Danke, gut“, sagte Shikamaru tonlos und wandte sich ab. Es hätte nicht deutlicher sein können, dass er sich mit niemandem unterhalten wollte. Besorgt zuckte der Shinobi die Schultern. Shikatos Sohn sprach mit niemandem, arbeitete mit niemandem – lebte für niemanden. Wie sollte er in einer Welt, in der es darum ging, zu überleben, um geliebte Menschen zu beschützen, lange überleben, wenn man niemanden beschützen wollte? Lautlos seufzte er auf und ging zurück an seinen Tisch. Er konnte ihm auch nicht helfen, wenn er jegliche Hilfe ablehnte. Shikamaru war sich bewusst, dass er unhöflich handelte. Aber er wollte mit niemandem sprechen, niemanden sehen und hören, nicht mehr da sein müssen, einfach verschwinden... Sein Blick ging durch das Glas des Fensters vor ihm hinaus auf die Straße. Es war dunkel, aber viele Laternen erhellten das graue Pflaster und tauchten die Straße in warmes, helles Licht. Es weckte eine Sehnsucht in ihm, die er zu unterdrücken gelernt hatte... Die Sehnsucht nach Wärme. Nach Leben, nach Liebe und nach Licht, die Sehnsucht nach anderen Menschen... Er war allein, trotz der Masse an Menschen um ihn herum, allein auf eigenen Wunsch hin. Denn wie konnte er mit Choji abhängen, wenn er ihm irgendwann den Tod bringen würde? Wie konnte er weiter mit Ino und ihm ein Team bilden, wie viele Shinobi es nun wieder taten, wenn der nächste Auftrag mit ihm ihnen das Leben nehmen würde? Die Antwort war einfach: Er konnte es nicht. Also unterließ er es. So einfach war es nun einmal: Mochte man etwas, durfte man es nicht gefährden. Jeder verwirklichte Traum fordert eines Tages seinen Tribut, so wie jede Entscheidung ihren Preis hat. So ist das nun einmal: Alles im Leben will erkämpft sein, nichts, was man wirklich liebt, dauert ewig, wenn man es nicht hegt und pflegt und Opfer dafür bringt. Auf der Straße schlenderte eine dunkelhaarige, durchtrainierte Frau entlang, Hand in Hand mit ihrer kleinen Tochter. Beider Augen blitzten glücklich. Plötzlich blieb sie stehen und zeigte zum Himmel, sagte etwas, was Shikamaru nicht verstehen konnte, weil er sich nicht die Mühe gab, von ihren Lippen abzulesen. Das kleine, ebenso dunkelhaarige Mädchen starrte mit staunendem Gesicht nach oben, den ersten fallenden Schneeflocken des Winters entgegen. Spät in diesem Jahr, aber nichts dämpfte die Schönheit des fallenden Schnees... Das Mädchen umarmte ihre Mutter innig, und die lachte und wirbelte sie herum. Was tat er hier eigentlich? Er sollte einfach nach Hause gehen, die Fenster weit aufreißen und sich ins Bett legen, warten, bis es so kalt war, dass der Spiegel Eisblumen trug... Blumen... Die Kälte erreichte ihn schon lange nicht mehr. Er fühlte sich selbst kalt, leer und kalt... Was war der Winter denn schon dagegen. Ein Busen schob sich in sein Sichtfeld, bedeckt von einem leichten, violetten Top mit weiten Ärmeln aus samtähnlichem Stoff. Violett, was sonst. Shikamarus Augen wanderten langsam über die Person vor ihm: ein Jeansrock, dunkelblau und so knapp, dass er mehr von zwei langen, perfekten Beinen enthüllte als er verdeckte, schwarze, hochhackige Sandalen (keine Stiefel? Er hätte gewettet, dass sie jetzt Stiefel trug, wie die Mode es vorgab), platinfarbenes, offenes, schulterlanges Haar. Kurzes Haar... Daran würde er sich erst noch gewöhnen müssen. Wie lange trug sie es nun schon so? Schon länger, und trotzdem. Zwei Augen, so blau wie der Sommerhimmel, blitzten ihn an. Zumindest trug sie nicht bauchfrei, fuhr es ihm durch den Kopf, sonst hätte Ino auch einen Bikini tragen können. „Was ist?“ Ihre Stimme war hell und übertönte die Hintergrundmusik und die Stimmen der Menschen mühelos – und war doch so leise. Es erstaunte ihn immernoch, dass sie, wenn sie nicht aus vollem Halse schrie, eine wundervolle Stimme hatte. Energisch stützte sie beide Hände in die Hüften, während er ihren auffordernden Blick ausdruckslos erwiderte. „Was soll schon sein?“ „Himmel, Shikamaru!“ Sie warf beide Hände nach oben. Ihre Ärmel flogen. „Du bist in einer Kneipe! Du hast Feierabend, ich hab Tsunade-Sama gefragt. Also amüsier dich!“ Ihre Brauen zogen sich unheilverkündend zusammen. „Oder muss ich das Wort erst für dich definieren?“ Er schwieg. „Hör wenigstens auf, dazusitzen wie ein Felsen und in die Gegend zu starren! Wie sieht das denn aus?“ Ein Mann drehte sich nach ihr um und sie winkte ihm zu, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Es versetzte ihm einen Stich. Dann zuckte er die Achseln. „Und wenn ich nicht will?“ „Was willst du schon!“ Ino betrachtete ihn forschend, ihre blauen Augen bohrten sich in seine schwarzen. Dann beugte sie sich zu ihm herunter und stützte die Ellenbogen auf den Tisch, so dass er unfreiwilligerweise einen tieferen Einblick in ihr Dekolleté bekam als ihm lieb war. Ino merkte das nicht. Solche Dinge merkte sie nie. Es war manchmal erstaunlich, wie naiv eine Frau sein konnte... Gab doch alles dafür, schön zu sein, und das einzige, was sie damit erreichte, war, dass sie zusätzlich zu ihrer natürlichen Schönheit noch so viel Schöner wurde, dass kein Mann sich mehr an sie heran traute. Dass sie bereits vorher Männer hätte um den Verstand bringen können – das merkte sie natürlich nie. Ino näherte sich Shikamaru noch weiter, bis ihre Nasenspitzen vielleicht noch 15cm voneinander entfernt waren. Shikamaru sah die zum Ertrinken tiefen Augen, die makellose, porzellanweiße Haut, und roch sie... Ino roch nach Blumen. Nach einem Sommertag auf einer Blumenwiese, nach einem Laden voll der exotischsten Pflanzen, nach vergangenen Zeiten... Nach Licht, nach Luft und Freiheit, Wärme und nach Liebe. Shikamaru schrak zurück und zog sich so weit wie möglich auf seinem Stuhl von ihr zurück. Für einige Sekunden spiegelte sein Gesicht deutlich seine Gefühle und Gedanken wider, aber dann wurden sie wieder durch seine ausdruckslose Maske ersetzt, die er schon seit Jahren trug. Völlig aus dem Konzept gebracht durch seine Reaktion auf ihre Nähe versuchte Ino sich daran zu erinnern, was sie hatte sagen wollen – aber es war weg. Hatte... Hatte Shikamaru sie gerade küssen wollten? Nein. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich... Aber warum...? Hastig richtete sie sich auf und strich sich ihr Haar hinter die Ohren. Sie hatte es abgeschnitten, vor einiger Zeit schon, als Sasuke und Sakura vor drei Jahren geheiratet hatten... Als wüsste Sakura, worum es ging, hatte sie ihre rosafarbenen Strähnen wieder wachsen lassen und Sasuke liebte ihr Haar. Sie konnte sich glücklich schätzen, eine Freundin wie Sakura zu haben, und Sasuke... Es war schon lange her, dass sie sich geschworen hatte, dem kleinen, einsamen Mädchen mit dem schönen Haar eine Freude zu machen und auf Sasuke zu verzichten. Allein, damit sie wieder lächeln würde... Also hatte sie ihn schon lange, lange aufgegeben. Sie konnte sich glücklich schätzen, Sakuras und seine Freundschaft gewonnen zu haben... An Freunden mangelte es Ino nie. Und körperliche Nähe zu Shikamaru hatte sie noch nie irritiert – sie war mit ihm zusammen aufgewachsen. Sie hatte ihn jeden Tag gesehen, mit ihm gespielt, mit ihm gestritten... Nur gerade eben war etwas passiert, dass sie sich nicht erklären konnte. Mühsam versuchte sie, sich zusammenzureißen. „Möchtest du ein Bier? Es geht aufs Haus!“ Ohne auf seine Antwort zu warten, floh sie wieder hinter den Tresen zurück, ihr Gesicht heiß. „Du sollst nicht mit den Kunden flirten!“, zischte die Chefin erbost. „Wie oft habe ich dir das schon gesagt – und du machst es immer wieder!“ Um ihr erhitztes Gesicht zu verstecken, verbarg sie sich hinter einem Vorhang aus blonden Haaren und nahm einen Krug aus dem Regal. „Tu ich doch gar nicht!“ Sie bemerkte selbst, wie kindisch und trotzig ihre Stimme klang. „Sie...“ Sie haben mir nichts zu sagen, hatte sie sagen wollen, Sie wissen doch gar nichts! Aber dann erinnerte sie sich, mit wem sie hier sprach, und warum - und schwieg. Wenn sie ihren Job behalten wollte, dann musste wie wohl oder übel weiter schweigen. Füllte weiter Bier in die Krüge, nahm Bestellungen auf und beobachtete hinter gesenkten Lidern hervor Shikamaru, der wieder allein an seinem Tisch saß und aus dem Fenster starrte, das Gesicht unbewegt. Er blickte auch nicht auf, als die Chefin ihm das Bier brachte, es vor seine Nase schob und mit einem Nicken wieder verschwand. Der Geruch des Bieres – falls es diesen Namen überhaupt verdiente – stieg ihm in die Nase und er schloss die Augen. Das hier war mit Abstand das schlechteste Gesöff Konoha-Gakures... Gebraut vom verdächtigsten Etablissement des ganzen Dorfes. Warum trotzdem Shinobi hier ein und aus gingen, war ihm schleierhaft. Vielleicht weil man hier immer irgendjemanden traf... Und dann arbeitete Ino auch noch freiwillig hier. Wieso bloß? Hatte sie keine Lust mehr, mit Blumen zu arbeiten? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Ino an so etwas jemals die Lust verlieren könnte. Wollte sie gegen ihre Eltern rebellieren? Er kannte niemanden, der mit 23 so etwas noch tun würde – außer Ino. Was in aller Welt konnte sie dazu bewogen haben, einen Job als Kellnerin in dieser Kneipe anzunehmen? Er war immer davon ausgegangen, dass sie eines Tages den Blumenladen ihrer Eltern übernehmen würde. Warum auch nicht... Ino ohne Blumen war unvorstellbar. Ihre gesamte Wohnung musste voll von ihnen sein. In Töpfen, Kübeln, Körben, Vasen... Ino liebte Blumen, und die Blumen liebten Ino. Shikamaru zuckte die Schultern, verschob die Frage in seinem Gedächtnis in den Ordner „Unwichtig“, überlegte es sich noch einmal und verschob sie nach „Später“. Dann griff er nach dem Bierkrug und schüttete in einem Schwall das gesamte bittere Gesöff hinunter. Es schmeckte – wie nicht anders zu erwarten – widerlich. Wären seine Gesichtsmuskeln nicht daran gewöhnt gewesen, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen, hätte er das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels verzogen – aber sie waren Bewegung nicht mehr gewöhnt und zuckten nur einmal recht schmerzhaft. Ino, die ihn von hinter der Theke immer noch beobachtete, stellte fest, dass er im Vergleich zu früher nun ein regelrechter Eisklotz geworden war. Shikamaru hätte das sicherlich als Kompliment betrachtet, aber sie hatte nicht die Intention, ihn jemals hören zu lassen, was sie dachte. Früher hatte er wenigstens noch die ihm unliebsamen Dinge – so in etwa sie – mit einem genervten „Mühsam!“ kommentiert, aber seit dem Tod seiner Eltern durch abtrünnige Ninja während eines Auftrages war er noch ruhiger geworden, zurückgezogener und stiller. Er liess alles stumm über sich ergehen, zuerst die Bestattungszeremonie und die Zeremonie, in der die Namen seiner Eltern in den schwarzen Marmorstein eingemeißelt wurden, dann die Beileidsbekundungen, nun die Arbeit und alles andere. Er tat, was man ihm als Aufgabe gab, mechanisch und ohne es zu hinterfragen, schnell und effizient. Schon früher war er gut gewesen, keine Frage... Heute war er noch besser. Verbissen erledigte er alle seine Aufträge in einer Geschwindigkeit, die ihr manchmal Sorgen bereitete. Er kümmerte sich nicht mehr darum, was mit ihm selbst geschah, das war es... Als er sich noch darüber aufgeregt hatte, dass alles zu anstrengend war, war er ihr eindeutig lieber gewesen. „Einen Martini, Ino, wie immer!“, rief eine weibliche Stimme, und Ino wandte sich der Frau an der Bar zu und lächelte. „Guten Abend, Yuzuriha“, sagte sie und griff bereits nach einem Glas. „Wie geht es dir?“ „Gut wie immer, danke“, antwortete die junge Frau, die ungefähr in Inos Alter war. „Und du? Viel zu tun?“ „Genau.“ Mit ihrem Getränk verabschiedete sie sich wieder, und Ino sah ihr lächelnd nach. Sie wusste, warum sie die Arbeit hier nicht so übel fand, wie sie sie vielleicht hätte finden können. Sie hatte damit begonnen, weil es hatte sein müssen, aber ihre anfänglichen Vorurteile hatten sich schon weitgehend wieder aufgelöst. Sie traf so viele Menschen hier, wie Yuzuriha von gerade, und sie würde es vermissen, wenn sie wieder im Blumenladen arbeiten würde... Aber auch Yuzuriha konnte nichts daran ändern, dass sie Blumen vermisste. Ohne Blumen konnte sie auf die Dauer nicht leben... Sie grinste, als sie sich an ein Gespräch mit Sakura erinnerte. „Dein zukünftiger Ehemann hat besser keine Pollenallergie“, hatte ihre beste Freundin gelacht und sich die Haare hinter die Ohren geschoben. „Nein, besser nicht!“ Sie hatte zugestimmt und den Rollstuhl weiter durch den Park geschoben. Sommer war die schönste Jahreszeit in Konoha. Obwohl auch Frühling und Herbst und Winter seinen Reiz und seine eigenen Pflanzen hatte... Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Schnell fuhr sie herum, wohl wissend, dass in ihrem Rücken Shikamaru saß – aber sie traf nicht auf dessen Augen, sondern auf die grauen Augen eines Fremden, der sie musterte. Für Sekunden hatte sie das Gefühl, dass er lediglich nach ihrem Schwachpunkt suchte, um ihr später, wenn sie die Bar verliess, aufzulauern, aber dann – so plötzlich, wie es gekommen war – war es vorbei, und der Mann winkte ihr freundlich lächelnd zu. Sie zwang sich zu lächeln und winkte zurück. Sie wusste sehr gut, warum sie die Arbeit hier nicht mochte... Aber wenigstens war Hiro nicht mehr da, um sie herumzuzeigen wie eine Trophäe. Nachdem er es tatsächlich gewagt hatte, sie zu schlagen, hatte sie sich von ihm getrennt... Sie konnte selbst nicht so genau sagen, warum sie überhaupt so lange bei ihm geblieben war. Vielleicht war es wirklich, wie Sakura gesagt hatte, die Angst gewesen, allein zu sein. Aber wer konnte das schon mit Bestimmtheit sagen? Nun ja, eines wusste sie: Hiro war ein Mistkerl gewesen. Ohne es selbst zu bemerken, strich sie sich über ihren Oberarm. Die blauen Flecken, die sein fester, brutaler Griff hinterlassen hatte, waren beinahe wieder verschwunden... Aber sie schmerzten immer noch, als sei es gestern geschehen. Sie gab es auf, darüber nachzudenken. Warum sollte sie Angst vor dem Alleinsein haben? Sie war nicht allein. Sie hatte Sakura und Yuzuriha und ihre Eltern und Tenten und Hinata und Choji und Kiba und dessen riesigen, furchteinflößenden Köter... Und Sakura hatte Sasuke und Tenten hatte Tarana, ihre kleine Tochter, und Hinata hatte Neji und Choji hatte sein Essen und Kiba seinen Akamaru... Und wenn sie sich nicht irrte, hatte er Yuzuriha gleich noch mit dazu. Und sie hatte... Ein weiterer, schon leicht angetrunkener Gast rief nach einer weiteren Runde für alle, und Ino begann, die Schnapsgläser neu aufzufüllen. Es war noch nicht lange Abend, erst später würde es ausgelassener werden. Die Zeit, in der sie sich angetrunkene Männer würde vom Leibe halten müssen, war noch nicht gekommen. Hiro hatte es nichts ausgemacht, wenn andere Männer sie betatschten. Er hatte sie als sein Eigentum betrachtet, als seine persönliche Trophäe, und mit jedem Mann, der sie ebenfalls begehrte, wuchs sein Besitzerstolz. Nur, wenn sie mit Shikamaru sprach, war er regelmäßig wütend geworden. Aber anscheinend auch, wenn sie von Shikamaru sprach, so wie das letzte Mal anscheinend... „Sieh mich an!“, hatte er gebrüllt. „Sieh nur mich an! Starr nicht durch mich hindurch, verdammt noch mal!“ Was das mit Shikamaru zu tun gehabt hatte? Sie sollte nur ihn ansehen... Dabei hatte er sie nicht einmal angesehen, wenn er sie küsste. Als sie sich die Haare abgeschnitten hatte, allein, im Badezimmer, mit einer Schere, hatte er das mit keinem Wort zur Kenntnis genommen, und dabei war der Schnitt alles andere als perfekt gewesen. Sakura hatte ihn begradigen müssen. Shikamaru in dessen... Es war das einzige Mal gewesen, dass sie gesehen hatte, wie er wieder eine Regung zeigte. Das einzige und das letzte Mal. Obwohl – und gerade, als sie sich so nahe gewesen waren. Da hatte sein Gesicht etwas sagen wollen, aber es war so schnell vorbeigegangen, dass sie es nicht hatte lesen können. Ihre Wangen fühlten sich mit einem Mal wieder heiß an. Seit wann fühlte es sich so an, in seiner Nähe zu sein? Automatisch schwenkte ihr Blick zu dem dunkelhaarigen Shinobi und verlegen – warum? – weiter – und traf erneut auf den durchdringenden Blick des Fremden. Sofort erhellte sich dessen Blick, als er sah, dass sie ihn bemerkt hatte, und er winkte ihr erneut zu. Die Art, wie er seinen Arm bewegte, war Ino nicht unbekannt... Konnte es sein, dass es gar kein Fremder war, der dort saß? Stirnrunzelnd verbarg ihre Fragen dann unter ihrem strahlenden Lächeln. Mit einem einzigen, geübten Blick nahm sie ihn in ihr Gedächtnis auf uns verglich ihn dort mit allen ihr bekannten Personen, aber er schien auf niemanden zu passen. Er war nicht sonderlich hochgewachsen, vielleicht ein wenig kleiner als sie – Ino konnte es in Puncto Größe eben noch so mit Shikamaru aufnehmen – blond, graue, geheimnisvolle Augen, die blitzten, als hätte er heimlich über sie gelacht. Muskulös, Shinobi-Mäßig eben... Und einen beinahe verschlagenen Zug um den Mund. Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, welches Naruto Ehre gemacht hätte. Ino konnte nicht anders – sie grinste zurück. „Ino!“, knurrte die Chefin, und sie drehte sich um, sich der Blicke des Fremden in ihrem Rücken mehr als bewusst. „Ja, Chefin?“, flötete sie zuckersüß. „Wollen Sie es mir vermiesen, freundlich zu sein, oder haben sie nur Angst, dass ich ihnen all die gutaussehenden Männer wegschnappe?“ Die ältere, stämmige Frau schnappte empört nach Luft, aber Ino wandte ihr wieder den Rücken zu und sah gerade noch, wie der Fremde ihr zuzwinkerte. „Bravo“, formten seine Lippen. Sie schlug die Augen nieder und sah weg, und wie zufällig wanderte ihr Blick zu Shikamaru hinüber. Er starrte immer noch aus dem Fenster... Lautlos seufzte sie und beobachtete ihn vorsichtig, damit er es nicht bemerkte. Sie wusste selbst, wie empfindlich Shinobi auf Beobachter reagierten... Wann würde er endlich damit aufhören, vor sich hinzubrüten? Seine Eltern waren seit acht Jahren tot. Er war jetzt 26 und lebte nicht – er vegetierte vor sich hin. Ein erfolgreiches Dahinvegetieren, das musste sie ihm lassen – sie kannte keinen anderen Shinobi, der es mit 17 bereits geschafft hatte, die Prüfung zum Jou-Nin mit Auszeichnung abzuschließen. Nun, mit 26, war er der Kopf des Beraterstabes der Hokage und musste nicht einmal mehr auf alltägliche Missionen gehen wie all die anderen Jou-Nin. Nur noch seine Spezialaufträge als Diplomat hatte er, und die erledigte er immer in Einzelarbeit. Ob er sich dessen bewusst war, wie sehr die kleinen Gen-Nin ihn bewunderten? Wie viel er für den reibungslosen Ablauf Konohas tat und das seine Aktionen als Botschafter in den verbündeten Ländern Konoha hoffentlich dauerhaft den Frieden gesichert hatte? Vermutlich nicht. Ino bezweifelte, dass er die Aufgaben mit sich selbst in einen Zusammenhang bringen konnte, so abwesend, wie er war. Ihr Blick wanderte über sein ausdrucksloses Gesicht. Wenn er doch wenigstens einmal lächeln würde – eigentlich war es ihr egal, ob er lächelte oder sie anbrüllte. Er sollte nur eine Regung zeigen. Nicht mehr diesen starren, eingefrorenen Blick, den er immer trug, mit dem er nichts und niemanden wahrzunehmen schien, nicht einmal sie. Ihre Aufmerksamkeit wurde gefordert, als der blonde Fremde ihr winkte und sie aufforderte, zu ihr zu kommen. Ihre Schultern straffend, legte sie das Tuch beiseite, mit dem sie hantiert hatte, und ging zu ihm, um seine Bestellung aufzunehmen. „Ein Bier, bitte“, sagte er, und seine Stimme klang samtweich und gleichzeitig glatt und kalt. „Ein Bier“, wiederholte Ino lächelnd, zückte Block und Stift und notierte. „Noch etwas dazu?“ „Oh, ich hätte da eine Bitte“, sagte er zwinkernd und hob seine Hand. Erstaunt sah Ino zu, wie er nach oben fasste und eine ihrer Haarsträhnen ergriff, sie sich vorsichtig um den Finger wickelte... Und sie daran nach unten zog. „Triff dich gleich draußen mit mir“, hauchte er, als ihr Ohr so nah an seinen Lippen war, dass sie die Wärme seiner Haut spüren konnte. „Ich habe jemanden mitgebracht, den du unbedingt sehen willst.“ Seine grauen Augen musterten sie spöttisch. „Oder willst du jetzt einen Rückzieher machen, kleine Ino?“ Um sie herum war es plötzlich still geworden, eine unwirkliche Stille, die nur in ihrem Kopf und in ihrem Herzen existierte und dennoch ihr ganzes Sein auszufüllen schien. Sie konnte nur daran denken, dass... Was? Sie wusste es nicht. Sie wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte, alles schien plötzlich den Atem anzuhalten... Mit einem in ihrer Zwischenwelt unglaublich lautem Krachen, das in Wirklichkeit gar nicht besonders laut war und auch keinen der Anwesenden Menschen aufblicken liess, schob Shikamaru seinen Stuhl zurück. Ohne einen Blick oder ein Wort wandte er sich ab, ergriff seine Jacke und ging auf die Tür zu, ohne sich noch einmal umzusehen. Die Blicke der Umstehenden, die ihn bemerkt hatten, wandten sich ihm zu, er ignorierte sie gekonnt und zog die schwere Holztür auf. Ein Schwall Schneeflocken wirbelten ihm entgegen, durchsetzt mit kaltem Wind, wie eine Befreiung setzten sie sich auf seine warme Haut. „Hey!“ Empört fand Ino ihre Stimme wieder. „Du kannst nicht einfach gehen, ohne zu bezahlen!“ Der Shinobi blieb in der Tür stehen. „Ich dachte, das Bier geht aufs Haus?“ Er liess den Türgriff los und kam wieder herein, schritt auf Ino zu, die ihn erstarrt erwartete, neben dem Tisch des Fremden. Sein Blick liess sie erschauern. Er ging durch sie hindurch, mitten durch sie hindurch und weiter, bis in die weite Ferne. Sie interessierte ihn nicht. Die Erkenntnis schmerzte unglaublich. Mehr als jeder Liebeskummer, den sie bei Sasukes Anblick verspüren konnte... Mehr als jede Wunde, die Hiro ihr zugefügt hatte... Mehr als jeder körperliche und seelische Schmerz, den sie je erlitten hatte. Ohne es zu wollen, fuhr ihre Hand hinauf zu ihrer linken Schulter, an der er sie kurz berührt hatte. Seine Hand schien wieder dort zu sein, an ihrer Wange und Sekunden an ihrer Schulter, bis sie nach unten gefallen war und er sich wieder unter Kontrolle gehabt hatte... Und dann war er zurückgewichen, als sei sie Gift. „Bitte.“ Es dauerte, bis sie den Schein, den er ihr hinstreckte, klar erkennen konnte, aber sie machte keine Anstalten, ihn zu nehmen. Shikamaru zuckte die Schultern und legte ihn neben sie auf den Tisch. Dann verschwand er endgültig aus der Tür, mit einem Ausdruck der Einsamkeit, dem selben, den sie auch verspürte und der sie hätte weinen mögen lassen, hinaus in die kalte Schneenacht. Die Kälte betäubte. Schnee wirbelte um Shikamaru herum wie weiche Watte, wie kleine Nadeln setzten sie sich auf sein warmes Gesicht, stachen einmal zu und schmolzen sofort. Wie Tränen fielen sie in seine Haare, einzelne, wunderschöne Tränen des Himmels, Tränen, die er selbst nicht weinen konnte. Aber im Gegensatz zu sonst immer konnte die Kälte sein Herz heute nicht betäuben. Im Gegenteil, es schmerzte nur noch mehr. Er wollte am liebsten laufen, loslaufen, weit, weit weg, und niemals zurückblicken. Wohin? Egal. Einfach nur weg von den Menschen, die ihn mitleidig ansahen, wenn sie glaubten, er bemerke es nicht, weg von all den Menschen Konohas, die ihn behandelten, als sei er noch einer der Ihrigen... Warum spielten sie dieses Theater? Er wusste, dass er schon lange nicht mehr dazugehörte. Er würde ihnen nur den Tod bringen. Warum blieb er dann noch? Sicherlich nicht, um irgendwen zu beschützen. Wäre dies sein Ziel gewesen, wäre er weggegangen. Warum sonst? Er konnte es nicht erklären. Vielleicht, weil das nagende, bohrende Gefühl schon immer dagewesen war... So wie jetzt auch wieder. Er wollte zurückgehen, sie noch einmal ansehen, sich bei Ino entschuldigen, dass er sich so unhöflich benommen hatte. Sie hatte ihn nur aufmuntern wollen... Er wollte ihr erklären, warum er nicht in ihrer Nähe sein konnte, selbst wenn er es wollte. Wollte sie noch einmal berühren, ihre Wärme spüren so wie in der kurzen Sekunde, in der er ihre Wange und ihre Schulter berührt hatte, wollte sie festhalten und nie wieder loslassen... Wütend und verzweifelt biss er die Zähne zusammen und ballte die Fäuste, sich der Kälte bewusst, die ihn betäubte und gleichzeitig nur noch mehr Schmerz verursachte. Wie lange schon? Er wusste es nicht. Er hatte sie aufwachsen sehen, mit ihr gelernt, gekämpft und gestritten. Zugesehen, wie sie von einem kleinen Mädchen zu einer jungen Frau heranwuchs, die... in Sasuke Uchiha verliebt war. Und er war nicht dumm. Im Vergleich zu all den anderen Leuten konnte er sehen, dass es ihr ernst war damit – bitterernst. Ino mochte von den meisten als störrisch und extravagant und launisch angesehen werden – aber er wusste, wenn sie etwas liebte, dann mit ganzem Herzen und ganzer Seele. Kurz schloss er die Augen und krallte seine Finger in den rechten Arm. Sasuke... Hatte dieser es jemals gewusst, was er in den Händen hielt? Welche Kostbarkeit? Wahrscheinlich nicht. Er hatte nicht einmal Sakura zu schätzen gewusst. Zunächst nicht. Dann doch, schliesslich, als es fast zu spät war. Er hatte Glück gehabt, ihm war eine zweite Chance geschenkt worden. Der Himmel war zu manchen gnädig. Zu Shikamaru war er es nie gewesen. Er hatte nicht einmal eine erste Chance gehabt. Ino war gereift, mental wie psychisch. Sie war klüger – klüger? – älter, vernünftiger – schöner als je zuvor. Und irgendwann hatten sie sich voneinander entfernt, er konnte nicht einmal genau sagen, wann das geschehen war. Zumindest war es schon lange her. Seit dem war sie mit vielen Männern ausgegangen, und er tat, was er immer getan hatte – er sah zu. Vielleicht, weil er nicht wusste, was er sonst hätte tun können. Vielleicht, weil er wusste, dass sie ihn immer noch nur als den kleinen, gelangweilten Jungen betrachtete, den sie gezwungen hatte, mit ihr auf die Suche nach ihren geliebten, seltenen Blumen zu gehen. Vielleicht war es ihm selbst nicht klar gewesen... Aber wenn er sah, wie sie ungezwungen mit anderen Männern flirtete, dann verspürte er... Eifersucht? Vielleicht. Aber auf jeden Fall – bohrende Einsamkeit. Sie würde ihn niemals auf diese Art und Weise ansehen – und paradoxerweise war er froh darüber. Denn selbst wenn sie es täte, er würde ihr nicht die Wahrheit sagen. Er würde sie nicht in Gefahr bringen. Er würde sie nicht töten, so, wie er seine Eltern und seinen Lehrer und beinahe seine Freunde getötet hatte. Er würde nicht das Leben Inos aufs Spiel setzen, um nichts in der Welt. Bebend holte er Atem, streckte das Gesicht dem fallenden Schnee entgegen und spürte die Kälte auf seiner heißen Stirn. Es nützte nichts. Es half nie etwas. Shikamaru öffnete die Augen, starrte eine Zeit lang in den schwarzen Nachthimmel und fasste einen Entschluß. Er würde sich wenigstens für sein Verhalten entschuldigen. Jetzt gleich. Irgendwie vielleicht. Oder besser morgen... Unwissentlich richtete sich sein Schritt wieder zurück zu der Kneipe, die er gerade verlassen hatte. Ein Teil von Ino war vollkommen ruhig. Genau und detailliert analysierte sie Shikamarus Verhalten und die Reaktion, die dieses in ihr hervorgerufen hatte, und kam zu dem Schluss, während sie lächelnd drei Betrunkene abkassierte, die versuchten, ihr an die Wäsche zu gehen, dass seine Reaktion sie nicht irritieren konnte. Er war nun einmal Shikamaru, er war nun einmal so. Von jeher hatte er wenig gesprochen, wenig gesagt, sich nicht um das gekümmert, was sie sagte oder tat. Er hatte sein Leben gelebt und sie ihres. Und seit dem Tod... Ihre Lippen verzogen sich sarkastisch zu einem Grinsen. Seit der Ermordung seiner Eltern war er noch einmal so verschlossen, lebte zurückgezogen, hielt keinen Kontakt mehr zu niemandem. Nicht einmal zu seinen ehemaligen Besten Freunden. Naruto hatte es versucht. Kiba ebenfalls und Shino und Lee und sogar Neji – aber selbst Chouji hatte ihn nicht aus dem Schneckenhaus herauslocken können, in dem er sich versteckte. Shikamaru blieb ein Shinobi, ein Brillianter in jeder Hinsicht. Aber von dem Shikamaru, den sie gekannt hatte, war nichts mehr übrig. Und der andere Teil von ihr war völlig aufgewühlt. Warum war er nur so? Warum nur ihr gegenüber? Zu jedem war er immer nett und freundlich gewesen, sogar Temari gegenüber. Aber zu ihr war er abweisend und kalt, geradezu unfreundlich. Gut, sie konnte nicht behaupten, dass sie immer liebevoll mit ihm umgegangen war – aber trotzdem... Sie biss sich auf die Lippen. Immer war er nur genervt und kalt. Deshalb hatte sie ihn vielleicht ja gemieden, seit einigen Jahren. Erst wollte sie ihm beistehen, um den Verlust seiner Eltern so gut wie möglich zu verkraften. Aber er war nicht an Hilfe interessiert und war ihr immer wieder und wieder ausgewichen. Also hatte sie ihn seinem Schicksal überlassen und abgewartet. Erst heute hatte sie ihn bei der Hokage getroffen, mehr zufällig als absichtlich – oder war er es immer gewesen, der ihr erfolgreich aus dem Weg gegangen war? Dass er es heute nicht tat, bewies ihr, wie müde er war, wie erschöpft und ausgelaugt. Irgend etwas in der Art, wie er ging und in seinen Augen flehte um Hilfe, und sie hatte dies nicht ignorieren können. Also hatte sie ihn mitgezerrt, hatte keinen Einwand gelten lassen und gehofft, dass er in der Bar vielleicht ein wenig aufleben könnte, ihm so auf irgendeine Art eine Reaktion zu entlocken – es kam jedoch keine. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er jemals eine Reaktion auf etwas gezeigt hatte, was sie getan hatte, die nicht genervt und desinteressiert gewesen war. Es hatte sich nichts verändert – bis auf die Tatsache, dass nun überhaupt keine Reaktion mehr kam. Nun ja – außer die auf ihre völlig verschnittenen Haare hin vielleicht, aber das galt nicht. Nicht einmal dann, als sie begonnen hatte, mit anderen Männern auszugehen, hatte er etwas gesagt, obwohl er wusste, dass für sie nur ein Mann wichtig war. Dabei hatte sie sich so gewünscht, er würde irgendwie zeigen, dass sie ihm wichtig war, auf irgendeine noch so kleine Art und Weise. Vielleicht hätte er ja Sasuke in ihrem Herzen ersetzen können. Wer wusste schon, was geschehen wäre wenn... Aber jetzt hatte sie es aufgegeben. Es war zu spät. Er war ihr durch die Hände geronnen wie Wasser, kühl und klar und unaufhaltsam. Ino schluckte und hätte angesichts der verpaßten Gelegenheiten weinen mögen... Und dann straffte sie ihren Schultern und richtete sich wieder auf. Sie war schliesslich nicht hier, um nur hinter der Bar herumzustehen... Ihr Blick suchte den des Fremden und traf ihn. Er grinste ihr zu. „In 2 Minuten!“, formten seine Lippen. Ino hatte keine Schwierigkeiten, sie zu lesen. Asuma-Sensei war ein guter Lehrer gewesen. „Ein paar Meter links neben der Bar. Im Torbogen zum Hof!“ Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Der Mann grinste wieder, diesmal verschlagen. „Du musst ja ganz verrückt drauf sein!“ Ehe sie etwas Passendes erwidern konnte, hatte er die Kneipe verlassen. Zurück blieb lediglich das Geld für sein Bier – und der volle Krug. Er hatte nicht einen Schluck getrunken. Ruhig starrte Ino die Tür an, die sich im Rücken des Fremden geschlossen hatte. 30 Sekunden... Sie verbot sich, jetzt zu hastig zu werden. Sie war eine Kunoichi, sie war dazu ausgebildet, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben...Sie würde sich nicht von einem einzelnen Fremden Angst machen lassen. 1 Minute. Doofer Shikamaru. Wenn das, was sie vorhatte, nicht klappte, dann war er es selber Schuld. Wenn es gelang... 1 Minute 15 Sekunden... Dann würde er vielleicht wieder eine Gefühlsregung zeigen. Vielleicht. Hoffentlich... 1 Minute 30 Sekunden. Plötzlich war Ino ihre eigene, antrainierte innere Uhr verhasst. 1 Minute 45 Sekunden Was nützte es ihr, nie zu spät zu kommen, wenn sie doch in so entscheidenden Momenten wie diesem nur eine Spannung erzeugte, die sie nicht wollte? Sie hatte es immer praktisch gefunden – und es war ein ideales Werkzeug gewesen, um Shikamaru, den gelangweilten, gemütlichen Shikamaru, zu ärgern. 2 Minuten. Mit einem einzigen vorsichtigen Blick nach Links und Rechts machte sie sich auf den Weg, durch die Masse der Menschen, ungesehen und schnell. Sie erreichte die Tür und verschwand hinaus in die kalte Winternacht. Die Laterne an der Straße tauchte die Umgebung in weiches Licht, und sie fand den Torbogen, den der Fremde gemeint hatte, ohne große Mühen. Dort stand er. Mit einem weiteren Fremden. „Guten Abend!“, grüßte der zweite, liess seinen Blick abschätzig über sie schweifen und blieb an ihren Armen und den langen Ärmeln hängen. Schützend schlang sie ihre Arme um sich selbst. Noch konnte sie die Kälte ertragen. Sie war dazu ausgebildet. Aber die Art, wie er sie ansah, liess sie erschaudern. „Ich habe meinen Teil des Deals eingehalten“, sagte er blonde Fremde und seine grauen Augen blickten nicht mehr warm und freundlich drein, sondern kalt und stahlhart. „Halte deinen.“ „Ist bereits erledigt“, sagte Ino, und ihre Stimme zitterte kein bisschen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie vor Angst zusammengebrochen wäre, hätte sie zwei solchen Menschen gegenüber gestanden... Diese Zeit war vorbei. Durchdringend musterte der Blonde sie. „Das will ich hoffen. Also dann...“ Ohne einen weiteren Gruß verschwand er hinaus in die Winternacht, und Ino war mit dem anderen Fremden allein. „Ich hätte nie gedacht, dass du so jung bist“, sagte der Andere und seine Stimme klang genauso abschätzig wie sein Blick. „Na und?“ Inos Blick stand dem seinen in Stahlhärte nichts nach. Jeder, der sie kannte, hätte nun gestaunt: das war eine andere Ino. Eine, die gelernt hatte, gekämpft hatte, besiegt worden war und dennoch nicht aufgegeben hatte... Eine Kunoichi würdig der ANBU. „Du schuldest mir etwas. Gib es mir.“ „Ich schulde dir etwas?“ Der Mann kniff die Augen zusammen. „Ich würde sagen, ein Deal geht nur über Gegenleistung. Was hast du mir zu bieten?“ „Wir hatten einen Preis vereinbart.“ „Mit dem ich nicht zufrieden bin.“ Der Mann zuckte die Achseln und trat einen Schritt näher – und packte sie mit beiden Händen an ihren Schultern, wirbelte sie herum und warf sie fest gegen die harte, kalte Steinmauer des Torbogens. Ohne die Möglichkeit zu reagieren, stöhnte Ino gequält auf und wollte sich wehren, aber ihr ausschlagendes Bein ging ins Nichts. Der Mann lachte rauh und legte den einen Arm quer über ihre Brust, so dass sie kaum atmen konnte. „Ich denke, ich würde auch mit dir zufrieden sein, Kleine“, hauchte er, und Ino wurde schlecht. „Ausnahmsweise. Und da ich mit meinen Preisen so runtergehe... Sind wir uns einig? Wie viel ist dir diese Information wert?“ Sie konnte seine schmierigen Finger an ihren Oberschenkeln spüren und er ekelte sie an. Sie hätte ihre Möglichkeiten gehabt, sich zu wehren – wenn man als einzige Frau bei einer Elitetruppe von Männern arbeitet, muss man sich irgendwie durchsetzen können. Aber in Gedanken ging sie durch, was sie diesem Mann sonst noch anbieten konnte, und kam zum Schluss, dass es herzlich wenig war. Ihr Etat war bereits vollkommen ausgeschöpft. Und es war ja nicht so, dass sie ihre Jungfräulichkeit verlor... Die Sache war es ihr wert. Absolut. Sie erschlaffte, und der Mann grinste ihr ins Gesicht. „Also sind wir uns einig. Stell dir einfach vor, ich wärme dich ein wenig... Und dann erzähle ich dir eine Geschichte. Du hörst besser genau zu, denn ich erzähle sie nur einmal...“ „Nein.“ Inos Stimme war klar und kalt. „Du erzählst sie jetzt. Dann kannst du machen, was immer du willst.“ „Ha!“ Der Mann lachte laut auf. „So Eine bist du, was? Na gut. Dann erzähle ich es jetzt.“ Seine Lippen berührten ihren Hals und sie musste sich anstrengen, nicht zurückzuzucken. „Es war einmal vor gar nicht so langer Zeit...“ Die zwei dunklen Gestalten im Hofeingang waren Shikamaru wohl aufgefallen. Aber wer war so dumm und sehnte sich nach einem Schäferstündchen im Durchzug des eisigen Winterwindes in einer Hofeinfahrt neben einer der ältesten Kneipen Konohas? Niemand, den er kannte – und niemand, der ihn etwas anging. Sein lautloser Schritt knirschte kaum auf dem frischen Schnee, der die ganze Welt zu dämpfen schien – wahrscheinlich hatte das Paar, welches dort eng umschlungen stand, ihn deshalb nicht gehört. Dezent wollte er an ihnen vorbeigehen und so tun, als hätte er nichts gesehen – als ihm auf einmal ein Lichtreflex in die Augen fiel, der seine Aufmerksamkeit erweckte. Den er zu kennen glaubte, und er wusste auch, woher. Es war der Reflex, den Sonne auf goldblondem, langen Haar zurückließ, wenn sie auf sie herabschien und in den himmelblauen Augen blitzte... Verdutzt blieb er stehen und verfluchte sich gleich darauf dafür. Und selbst wenn sie es war? Was ging es ihn an? Aber... Viele Frauen in Konoha hatten blonde Haare. Also... Langsam nur gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit im Inneren des Torbogens, und er blinzelte, um den Vorgang der Adaption zu beschleunigen. Und dann, als wolle er helfen und zum endgültigen Untergang beitragen, trat der Vollmond hinter einer dicken Schneewolke hervor und beleuchtete die Szene, und Shikamaru sah Sie. Ino. In den Armen eines Fremden. Wut schlug über ihm Zusammen wie eine Welle heißen Wassers, pulsierte durch seinen Körper und liess sein Blickfeld rot und weiß erscheinen. Nahm ihm die Luft und drohte, ihn zu ersticken, verdickte sein Blut, sodass er das Gefühl hatte, seine Gefäße würden platzen. Seine Augen zogen sich zu winzigen Schlitzen zusammen – er konnte nicht atmen, er konnte nicht mehr denken. Hätte er es gekonnt, wäre er gegangen. Er wollte Ino... Was wollte er? Sein Denken setzte aus. Vollkommen. „Guten Abend“, sagte er gepresst, mit vor Wut heiserer Stimme. Inos Kopf fuhr hoch. Und zeigte ein solches Maß an Erschrecken und Angst, dass er nur noch wütender wurde. „Shikamaru!“ stammelte sie – aber er war zu wütend, um zu erkennen, dass er zum ersten Mal in seinem Leben eine sprachlose Ino erlebte. Ihr blondes, schönes Haar war wirr und hing ihr ins Gesicht, ihr Gesicht kreidebleich – natürlich, er hatte sie schliesslich in einer unangenehmen Lage überrascht. Mit einem Laut der Wut löste sich der Fremde von ihr. Sein Gesicht war gerötet und sein Atem ging stoßweise und Shikamaru hasste ihn mehr als alle Menschen die er je gehasst hatte. Wie konnte er es wagen... Wütend starrte der Fremde den dunkelhaarigen Shinobi an. „Was willst du? Siehst du nicht, dass wir beschäftigt sind? Verschwinde!“ Jedes andere Mal hätte er wahrscheinlich der Aufforderung Folge geleistet und wäre verschwunden. Aber heute war er zu müde, zu Tode erschöpft, zu verzweifelt, zu wütend – und ein Bier oder so hatte er auch schon intus. Ohne ein Wort zu sagen schlug er zu. „Shikamaru!“, schrie Ino, vermutlich, weil er ihren Liebhaber angriff – aber da brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, denn der Mistkerl duckte sich geschickt unter dem Angriff hindurch und wich aus. „Was soll das?“, fauchte er wieder. „Wie kannst du uns einfach so stören und dann angreifen? Bin ich nicht deutlich genug, wenn ich sage: Verschwinde von hier!“ Als Antwort knurrte Shikamaru nur wie ein verwundeter Wolf und griff erneut an. Fixierte den Fremden und gab ihm alles Leid, alle Angst, Einsamkeit, Trauer und Schuldgefühle zu tragen, die ihn selbst so lange begleitet hatten, suchte sich ein Ziel und – trat diesmal zu. Mit aller Kraft, die er aufbieten konnte, trat er zu, fixierte genau den Solarplexus des Gegners und legte noch mehr Geschwindigkeit in den Tritt – er hatte nun einmal gute Lehrer gehabt. Wessen Jutsus nur auf Mittlere Distanz wirksam waren, der musste lernen, sich auf kurze Distanz hin gut zu verteidigen, hallte eine Stimme in seinen Gedanken wider... Wütend griff er an. Und wurde geblockt. Sein Gegner fing den Tritt mit einem einzelnen, ausgestreckten Arm ab und beugte sich ein wenig, um Shikamarus Fuß zu packen – und dann schleuderte er ihn herum, nutzte noch dessen eigenen Schwung vom Angriff, und Shikamaru wurde von seinem Standbein gerissen und mit der geballten Wucht zweier kampferprobter Männer – von denen einer er selbst gewesen war - zu Boden geworfen. Sein Kopf machte mit dem harten, kalten Stein Bekanntschaft, ohne dass er eine einzige Möglichkeit hatte, sich mit Händen oder Füßen abzufangen. Ino schrie auf, aber er verstand nicht, was sie sagte. In seinem Kopf explodierte ein Feuerwerk an Schmerzen, welches sich seine Wirbelsäule hinunter, in beide Richtungen in seine Schultern und sein gesamtes Rückgrat hinunter bis in seine Hüften zog und ihn kurzzeitig vollkommen lähmte. Der Schmerz nahm ihm die Luft, so wie ihm vorher die Wut die Luft abgeschnürt hatte, nur dass diese nun ebenso schnell verschwunden war wie sie aufgetaucht war. Aufstöhnend blieb er liegen und schloss die Augen, in der Hoffnung, dass die gelben und blauen Blitze, welche regelmäßig vor seinen Augen blitzten nicht auf die Gleichmäßigkeit der Schmerzimpulse hindeutete, denn ansonsten würde er noch viel vor sich haben. Agonie pulsierte durch seinen gesamten Körper... Ein Schatten fiel auf ihn. Die Gestalt des Fremden bildete sich als Silhouette vor der runden Kugel des Vollmondes ab, wie ein bizarres Schattenschnittbild vor Shikamarus Augen, die er nur unter Anstrengung offen halten konnte. „Das war dumm“, sagte der Mann kalt. „Niemand legt sich einfach so mit einem der Unsrigen an, hast du verstanden? Komm uns nicht noch einmal in die Quere, oder die Hikari werden dich ins Reich der Schatten befördern, ehe du deinen letzten Wunsch gedacht hast.“ Shikamaru wollte weder wissen wovon der Mann redete noch wer er war. Das einzige, was er wollte, war schlafen... Noch immer pulsierte Schmerz glühend heiß durch seine Schläfen. Und dann trat der Mann ihm rücksichtslos zwischen die Rippen. Unter einer neuen Welle von Schmerzen krümmte er sich zusammen, presste die Lippen zusammen, bis sie nur noch ein blutleerer Strich waren und weigerte sich, dem Mann die Genugtuung zu verschaffen und vor Schmerz zu schreien. „Das wars“, sagte der Mann verächtlich und es dauerte eine Weile, bis Shikamaru klar wurde, dass er nicht mehr mit ihm, sondern mit Ino sprach. „So haben wir nicht gewettet, Kleine. Der Deal ist geplatzt. Die Hikari schätzen es nicht, hereingelegt zu werden. Du wirst von uns hören.“ „Aber!“, rief Ino in einem letzten verzweifelten Versuch, die Situation zu retten und den Frieden zu bewahren. „Ich wusste doch gar nicht, dass... ich meine, ich hatte keine Ahnung... Woher sollte ich denn wissen, dass er ausgerechnet hier vorbeikommen würde? Ihr habt doch den Treffpunkt ausgewählt!“ Der Mann antwortete nicht. Schritte ertönten, gedämpft im fallenden Schnee, entfernten sich und wurden leiser, verschwanden schliesslich sogar ganz. Zum ersten Mal lag tiefe, wunderschöne Stille um Shikamaru herum. Zu einer Kugel zusammengerollt, blendete er alles aus: das Geräusch fallender Wassertropfen im Inneren des Bogens, die Frage nach ihrem Ziel, welches sie sich mit dem Treffen erhofft hatte, die Frage, wer dieser Mann gewesen war, was er mit ihr vorgehabt hatte und wer – im Namen sämtlicher verstorbener Hokage – diese Hikari waren. Er blendete alles aus ausser der Kälte des Windes, der durch den Torbogen pfiff, der Feuchtigkeit und Kälte des Bodens, auf dem er lag und der Stille der Winternacht. „Scheiße“, flüsterte Ino und erneut dauerte es eine Weile, bis er realisierte, dass sie weinte. Er blickte nicht auf. Sie war es selbst schuld. Was brachte sie sich auch in die Lage, sich selbst für Informationen zu verkaufen... Sie musste frieren. Wer ging nur in einem violetten Top mit weiten Ärmeln in die Kälte des Winters hinaus? „Geh rein“, hauchte er beinahe unhörbar. Seine Kraft war am Ende. „Mach schon.“ Statt sich zu entfernen, näherte sich ihre Präsenz. Plötzlich spürte er ihre Hände auf seinem Arm, als sie vorsichtig überprüfte, ob ein Knochen gebrochen war. „Shikamaru“, sagte Ino, und es klang nicht wütend. „Steh auf – oder setz dich wenigstens. Du wirst dir eine Lungenentzündung holen, wenn du weiter so liegenbleibst. Oder Schlimmeres.“ Im Gegenteil, ihre Stimme klang besorgt, und dieser absolut neue Ton liess ihn vorsichtig die Augen öffnen. Sie kniete neben ihm, ihre Lippen waren schon ganz blau und ihr Gesicht kalkweiß, ihre Hände kalt wie Eis. Vorsichtig half sie ihm dabei, sich aufzusetzen, während er versuchte, seinen Kopf so wenig wie möglich zu bewegen und sie gleichzeitig nicht anzusehen. Allein das Bewegen eines Fingers streckte Muskeln, die sich durch seinen Arm bis in den Oberarm zogen und in der Schulter weitergingen... Und es tat weh. Unglaublich weh. „Alles in Ordnung?“, fragte Ino wieder in diesem Tonfall, in dem er sie bisher nur hatte sprechen hören, wenn sie mit Kindern auf der Krankenstation arbeitete. Ino und besorgt... Wo sie früher so oft gebrüllt und gekeift hatte. Eine Ino, so viele Talente. Entschlossen schüttelte er den Kopf und bereute Sekunden später die Entscheidung, so etwas getan zu haben. Eine erneute Kakophonie von Schmerzen erhob sich hinter seiner Stirn, und er schloss die Augen, weil ihm vor ihnen schwarz wurde und er Ino deshalb sowieso nicht sehen konnte. Leicht stützte sie ihre Hände auf seine Schultern, als wolle sie ihn daran hindern, umzufallen, obwohl er mittlerweile an der Wand lehnte. Er liess die Augen geschlossen, um sie nicht ansehen zu müssen. Ihre blauen Augen verfolgten ihn in die Dunkelheit hinter seinen Augenlidern. „Warum hast du ihn angegriffen?“, fragte sie und ihre Hände drückten ein wenig zu fest auf seine Schultern. Shikamaru presste die Lippen zusammen um nicht zu schreien und antwortete nicht. Erschrocken bemerkte sie, dass die Berührung ihm Schmerzen zu bereiten schien und nahm ihre Hände weg, schlang sie stattdessen wieder um sich selbst... Es war einfach zu kalt. Und ihre Gefühle liessen sie zusätzlich zittern. Ihre Schultern bebten, und sie versuchte, es zu verstecken, in dem sie den Kopf nach vorn fallen liess. Shikamaru hatte die Augen wieder geöffnet, und anklagend wie dunkle Kinderaugen starrten sie sie an. „Ich wollte doch nur... Ich wollte doch nur Informationen von ihm, verstehst du? Er wusste etwas, was ich wissen wollte – und etwas, was Tsunade-Sama auch wichtig war. Wir dachten, wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe... Deshalb habe ich angefangen, in der Kneipe zu arbeiten. Ich habe auf die Kontaktperson gewartet. Verstehst du?“ Shikamaru antwortete nicht. Warum erzählte sie ihm das? Es ging ihn nichts an, das war eine Sache zwischen ihr und... und wem auch immer. Es war ihm egal. Sollte sie sich mit Männern treffen, wann wo und wie und warum sie wollte. Wenn die Hokage das absegnete – gut für sie. Wenn nicht, dann ging es ihn trotzdem nicht mehr an als vorher. „Shikamaru...“ Wie sollte sie es ihm sagen? Wie? Es platzte verzweifelt aus ihr heraus, sie redete wie ein Wasserfall, damit er erfuhr, wonach sie in den letzten Monaten gesucht hatte und was heute zerronnen war wie Eis in einer warmen Hand. „Er wusste, wer deine Eltern ermordet hat, Shikamaru!“ Blinzelnd starrte er sie an, als erwache er aus einem tiefen Traum und müsse sich zuerst in der Realität zurecht finden. Als habe er all das, was sie zuvor gesagt hatte, nicht wahrgenommen, aber als sei nun sein Stichwort gekommen, um ihr ab nun Aufmerksamkeit zu schenken. „Die Leute gehörten zu einer Organisation namens Hikari, hinter denen Tsunade-Sama und Jiraiya-Sama schon lange hinterher sind. Sie bestehen aus den angesehensten Shinobi des Lichtlandes... Und sind der Meinung, dass alle Menschen, die nicht von dort sind, niedere Wesen sind, die es zu töten gilt. Deshalb beginnen sie langsam, ihre Kreuzzüge im Namen des Lichtes in die Richtung der fünf Kontinente zu bewegen... In unsere Richtung. Die Hokage hat schon lange versucht, die Anführer der Hikari ausfindig zu machen, damit sie einen Weg finden kann, sie unschädlich zu machen... Und gerade eben bot sich die Gelegenheit!“ Shikamaru hatte nichts von all dem gehört. Mit schwarzen Augen, so tief und dunkel wie die endlosen Ozeane, starrte er sie an und in seinem Gesicht stand etwas, das sie am allerwenigsten zu sehen erwartet hatte: Hoffnung. Hoffnung auf Rache – Rache an den Menschen, die ihm seine Eltern genommen hatten. Hoffnung auf einen Neuanfang... "Wer?" Seine Stimme war heiser und fast nicht zu hören, seine Augen starrten sie fieberisch an. Er hoffte darauf zu erfahren, wer Schuld war, wer seine Eltern getötet hatte... Es war ein verzweifelter Versuch, die Schuld, die so schwer auf ihm lag, zu mindern, es war ein Funke Hoffnung in den Augen, die das Wort schon nicht mehr zu kennen schienen... Ino hasste sich selbst in dem Moment mehr als alles andere. Noch mehr als die Mörder seiner Eltern, noch mehr als die Akatsuki, noch mehr als Orochimaru und diejenigen, die ihre Freundin zu einem Leben in einem Rollstuhl verdammt hatten, sogar noch mehr als sie ebendiese Freundin gehasst hatte, weil sie ihr die Liebe ihres Lebens gestohlen hatte. Sie hatte es nie zugegeben, doch sie hatte Sakura gehasst... Aber das war vorbei. Und jetzt hasste sie nur noch sich selbst dafür, dass sie Shikamaru falsche Hoffnung gegeben hatte. „Ich weiß nicht“, flüsterte sie, und Tränen liefen ihr das Gesicht hinab und tropften leise auf den Boden. „Du bist gekommen, bevor er es gesagt hat...“ Verzweifelt schlang sie die Arme noch fester um sich selbst, um sich vor Trauer und Enttäuschung zu schützen, die nun aus seinem Blick flossen, aber auch um die Kälte, die ihre Glieder langsam lähmte, auszuschliessen... Es gelang nicht. Sie sah zu, wie sich Hoffnung in Luft und Kälte auflöste... Shikamaru fühlte sich noch leerer als je zuvor. Er hatte sich gehen lassen. Es war seine Schuld gewesen, nicht Inos, er war dazwischen gegangen und hatte verhindert, dass sie wertvolle Informationen erhielt. Es war wieder seine Schuld und jetzt war der Informant samt der Information verschwunden. Weil er eingegriffen hatte. Aber, sagte eine leise Stimme in seinem Kopf. Aber... Ino? Hättest du das zulassen können? Hättest du einfach zusehen können – hättest du das gekonnt? Wie könntest du ihr dann je wieder ins Gesicht sehen? Die Antwort war klar. Sollte Konoha noch so oft unter den Angriffen dieser Hikari untergehen – es war ihm egal. Nicht für diesen Preis. Nicht für Ino. Unter Anstrengung schob er sich an der Wand in eine einigermaßen aufrechte Position und hob den Kopf. „Nicht noch mal“, presste er zwischen den Zähnen hervor. „Mach das nicht noch einmal, hast du verstanden?“ Schockiert sah sie ihn an. „Ich will es nicht wissen. Ich will es nicht. Sie sind tot, verstehst du? Sie sind tot!“ Mit jedem Satz wurde er lauter, bis er den letzten Satz beinahe schrie. Wie konnte er ihr sagen, dass es ihm egal war, wer seine Eltern getötet hatte? Sie würde es nicht verstehen. Das Einzige war: sie war noch am Leben. Und er würde nicht zulassen, dass sich das änderte, egal, wie oft er sie verletzten musste... Wie? Wie? Entsetzt stellte Ino fest, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Sein Kopf hämmerte. Shikamaru konnte plötzlich die Leere um ihn greifen: Seine Eltern waren tot. Er begriff, dass er in den letzten Jahren die Wahrheit nicht hatte akzeptieren wollen. In seinem Innersten hatte er immer gehofft, dass sie eines Tages wieder vor der Haustür stehen würden, so wie immer. Seine Mutter und sein Vater, eine herrische, laute Frau und ihr ruhiger Ehemann, der Pantoffelheld des Dorfes... Aber sie waren liebevolle Eltern, ein Ehepaar, das aus Liebe geheiratet hatte und dessen Bindung bis zu letzt nicht an Stärke eingebüßt hatte. Sie waren seine Eltern gewesen, und sie würden es immer bleiben. Und sie waren tot. Schmerz fuhr durch seine Schultern hindurch, als er sich aufrichten wollte, und mit einer Mischung aus Stöhnen und Schluchzen sackte er wieder in sich zusammen und rieb sich mit den Handrücken über das Gesicht. „Ich will es nicht wissen, okay? Denn nicht einmal das... Niemand... und Nichts... Wird sie je wieder zurückholen können.“ Er konnte nicht atmen. Einsamkeit, der vertraute Begleiter. Seit so vielen Jahren schon. Ino war erstarrt vor Kälte und Traurigkeit und Angst um ihn. „Ich rufe einen Arzt“, sagte sie bibbernd und machte Anstalten, aufzustehen. Sie konnte ihm nicht helfen, sie war überfordert... Als Medizinerin konnte sie sagen, dass es ihm körperlich gut ging, aber seelisch war er am Ende. Warum hatte das noch niemand zuvor bemerkt? Jemand - irgendwer - hätte ihn zu einem Psychologen schicken müssen. Wer hatte zugelassen, dass er in dieser Verfassung weiter seiner Arbeit nachging? Warum hatte sie das nicht früher bemerkt? Vielleicht weil er ihr aus dem Weg gegangen war... Trotzdem machte sie sich Vorwürfe. Sie hätte es sehen müssen... Sie hätte da sein müssen, ob er es wollte oder nicht... Shikamaru hinderte sie nicht daran, was ihr nur noch mehr Grund zur Sorge gab. Er war leichenblass, vor Schmerz vermutlich gleichermaßen wie vor Kälte, und seine Augen starrten mit dem abwesenden Blick durch sie hindurch der ihr so bekannt war und ihr immer wieder das Herz brach. Er hatte es nicht verstanden, dachte sie und die Tränen flossen wieder, er hatte nicht verstanden, dass ihr egal war, was mit ihr geschah, so lange er nur ein bisschen Glücklicher sein würde... Was konnte sie nun noch tun? Sie hatte ihm nicht helfen können, diese Mission war ein Fehlschlag gewesen. Es war ihr egal, was die Hikari tun würden, wenn sie nach Konoha kamen... Sie wollte Shikamaru helfen, so sehr, so sehr... Aber wie? Ihr Herz zog sich zusammen vor Traurigkeit und Liebe... Liebe zu ihm. Aus einem verzweifelten Impuls heraus, den ihr Herz ihr vorgab, obwohl sie ihn nicht genau verstand, beugte sie sich vor und küsste ihn auf seine kalten Lippen. Kalt waren ihre Lippen, und kalt war auch der Kuss, kalt und flüchtig wie die Sonne im Winter. Nasse Tropfen fielen auf sein Gesicht und schienen dort zu Schneekristallen zu erstarren. Sie schlang ihre beiden Arme um seinen Oberkörper, legte ihren Kopf an seine Brust und drückte ihn an sich, so fest sie konnte, aus der verzweifelten Angst heraus, er würde sich auslösen, sobald sie ihn losließ... Wie er erstarrt dasaß, sah er so klein und verletzlich aus, dass sie ihn nur noch mehr liebte. „Bitte...“, flüsterte sie erstickt und ihre Tränen rollten in seine Jacke. „Bitte...“ Jahre schienen zu vergehen. Er sollte nicht verschwinden, flehte Ino innerlich und drückte ihn noch fester an sich. Er reagierte nicht. Blieb kalt und Reglos, wie ein Stein in ihren Armen. Sie hatte das Gefühl, dass er sich gleich auflösen würde, und sie wusste nicht was sie tun würde ohne ihn. „Shikamaru...“ Sie hauchte seinen Namen nur noch, ohne rechte Überzeugung. Er wollte nicht zurück. Er reagierte nicht mehr. Sie hatte ihn verloren... Noch eine Weile wollte sie ihn festhalten – aber sie zwang sich, ihn loszulassen, ihre Arme von ihm zu lösen. Und in dem Moment spürte sie, wie Shikamaru seine Arme um sie legte, sie noch näher zu sich heranzog und sie so fest an sich drückte, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Er klammerte sich an sie, als wäre sie der letzte feste Punkt in seiner sich auflösenden Welt und vergrub sein kaltes Gesicht an ihrer Halsbeuge, roch ihre Haare, ihren Duft, spürte ihre Anwesenheit so deutlich wie nie zuvor. Sie verstand die Worte nicht, die er flüsterte, aber den groben Zusammenhang und der Rest war egal. Ihre blonden Haare vermischten sich mit seinen dunkelbraunen Strähnen, während sie die Augen schloss und Shikamarus Wärme sie einhüllte wie eine angenehme, weiche Decke... Und auf einmal war die Nacht nicht mehr ganz so kalt. Nicht mehr ganz so windig, endlos und schwarz, nicht mehr ganz so furchteinflößend... Die Winterkälte war plötzlich nicht mehr ganz so einsam. Leise fiel der erste Schnee des Winters, lautlos in der Dunkelheit der geteilten Nacht. I love you... Kapitel 3: Epilog - Traum einer Blume ------------------------------------- Einen wunderschönen guten Abend. Ich bin in Eile, denn Morgen schreibe ich eine Chemieklausur und ich hab höllische Angst... Ich muss weiterlernen. Ich weiß zwar nicht was aber wer weiß das schon. Nicht schön zu wissen, dass das Genie des Kurses meint, die Klausur könnte nicht so schwer werden. Wenn Madame (die übrigens sehr nett ist, ich will nicht über sie herziehen) meint sie schafft die Klausur, heißt das noch lange nicht, dass ICH das auch schaffen werde... Und Momentan siehts eher schlecht aus. Wünscht mir Glück. Für diejenigen, deren Zuspruch mich hat weitermachen lassen... Ganz besonders für Sandi-Chan. Vielen, vielen Dank. Ich hab sogar schon wieder ein One-Shot fertig^^ Aber das muss mit dem Abtippen bis nach den Klausuren warten. So bis Ostern. Und für diejenigen, die zuerst hier sind weil sie gut aufgepasst haben *lach* Euch allen alles, alles Gute. Und tausend Dank. Epilog - Traum einer Blume Groß. Klein. Groß. Klein. Die Welt ist groß. Sie besteht aus einer runden, großen Kugel mit einem weiten, großen Meer und großen Kontinenten, die „Land des Feuers“ und „Land des Windes“ und so weiter heißen. Auf jedem dieser unterschiedlichen, großen Kontinente gibt es eine Vielzahl großer Städte und vielleicht nochmal so viele, halb so große Dörfer, von Menschen und von Shinobi. Zusammen macht das eine einzige, unendlich große und unüberschaubare Welt. Groß. Größer. Riesig. Aber meine Welt ist gar nicht so groß. Meine Welt ist sogar recht klein. Sie besteht aus einem einzigen kleinen Dorf, eines unter Vielen im großen Reich des Feuers. Es ist das Dorf, welches unauffindbar für Feinde versteckt hinter den Blättern der großen, undurchdringlichen Bäume liegt – hinter seinen Mauern spielt mein ganzes Leben. Es ist die kleine Wohnung unter dem Dach, in der ich lebe, das Haus meiner Eltern, in dem ich aufgewachsen bin und ihr Blumenladen. Die Akademie, in der ich Teile meiner Kindheit verbrachte, das Haupthaus, das ich früher so gerne sehen wollte und nicht durfte und in das ich mich heute ab und zu wieder gezwungenermaßen begeben muss, das Krankenhaus von Konoha, in dem ich arbeite, wenn ich nicht mit einer Mission unterwegs bin und der große Wald, der innerhalb der Mauern beginnt und sich davor unendlich weiter zu ziehen scheint als habe er überhaupt kein Ende. Natürlich weiß ich dass es auch außerhalb der Mauern eine Welt gibt. Vor den Toren von Konoha geht das Leben weiter und ich war schon oft dort draußen. Es ist nicht so, dass ich nicht genug von der Welt gesehen habe – Gutes wie Schlechtes – um nicht zu wissen, dass die Welt unendlich groß ist. Aber meine Welt ist es nicht. Meine Welt sind die Menschen, denen ich täglich begegne. Die blinde Frau, die unter mir wohnt, die Kinder, die auf der Straße spielen, deren Fußbälle in den Blumenkübeln des Ladens landen und die schon wissen, dass sie lieber die Flucht ergreifen sollten wenn mir der Kragen endgültig platzt. Meine Welt sind die Menschen im Krankenhaus, jung und alt, die Leute, denen ich auf der Straße begegne, meine Eltern, die jedes Mal, dass ich sie besuchen komme, ausser sich sind vor Freude und mich fragen, ob ich nicht bald vorhabe zu heiraten. Die Menschen, die ich schon mein ganzes Leben lang kenne. Mit denen ich gespielt, gelernt und trainiert habe, mit denen ich gekämpft habe und denen ich, ohne zu zögern, mein Leben anvertrauen würde. Meine Vorgesetzten, meine ehemaligen Lehrer, die ehrwürdige Hokage... All das sind die Menschen, die mein Leben sind. Und dann gibt es noch die winzigen Kleinigkeiten, die da sind, die man aber nicht immer sofort bemerkt weil sie selbstverständlich erscheinen oder als unwichtig erachtet werden. Wie die Sonne, die nach einem langen, kalten Winter hell in mein Zimmer scheint. Oder die farbigen, duftenden Blumen auf der Lichtung im Wald. Das Lächeln der Kinder, wenn sie wissen, dass sie bald entlassen werden und nach Hause dürfen... Das alles ist mein Leben. Meine Welt. Heute war in Konoha nicht viel zu tun. An Tagen wie heute, wenn der Winter und endlich aus seinem Griff freigibt und es fast so ist, als wäre der Frühling übersprungen worden nur um gleich in den Sommer überzugehen... An solchen Tagen möchte kein Mensch freiwillig arbeiten. Jeder wünscht sich nur nach Hause zu kommen und den Sonnenschein mit seiner Familie genießen zu können. Auf seine eigene Weise den Frühling zu begrüßen... Ich brauche nicht in die Stadt zu gehen um zu wissen, dass die Cafés trotz der eigentlichen Kühle die Tische bereits nach draußen gestellt haben und dass diese voll sind von Menschen in warmen Mänteln, die jeden warmen Sonnenstrahl in sich aufsaugen als wäre es lebensrettende Medizin. Der Platz vor dem Haupthaus wird voll sein von Menschen und wird von ihren Stimmen brummen, die Hokage wird einen angenehmen Ausblick auf die Köpfe von vielen, vielen Menschen haben die miteinander lachen, reden und witzeln während die Kinder schreiend um die kleinen, jungen Bäume in der Mitte des Platzes herumtoben. Der Konoha- und der Sakurabaum werden schweigend zusehen und ihre zarten Äste in den Himmel strecken – Sakura hätte sich gefreut. Die Menschen um sie herum glücklich zu sehen war ihr immer das Wichtigste. Meine Eltern haben sich über meinen Besuch gefreut. Es kommt nicht mehr so oft vor, dass ich sie sehe, ich wohne in meiner eigenen Wohnung, habe meine Arbeit und sie haben ihr Haus und ihren Laden. Trotz der Zeit, die nicht spurlos an ihnen vorbeigeht, werden sie für mich immer so bleiben, wie sie immer waren: Ewig jung, ewig besorgt um mich und ewig glücklich. Ewig zusammen. Für heute Abend hatten sie sich leider schon mit Freunden verabredet, deshalb bin ich wieder gegangen. Ich hatte Zeit. Es war, als ob mich heute niemand sehen wollte, niemand mich brauchte. Im Krankenhaus haben sie mir frei gegeben, Shizune hat mich praktisch rausgeworfen. Die Hokage brauchte mich nicht, der Laden war versorgt. Also habe ich Sakura einen Besuch abgestattet. Kirschblüten sind zu dieser Jahreszeit absolut nicht aufzutreiben, das Einzige, das ich ihr anbieten konnte waren einige Narzissen und Schneeglöckchen, aber sie freut sich immer über alles. Sie ist meine erste wirkliche Freundin und in vielerlei Hinsicht auch meine letzte. Obwohl ich glaube, dass sie niemals verstanden hat warum. Ich bin froh, dass ich ihr nie den Grund dafür erzählt habe. Es hätte für sie nur eine zusätzliche Last bedeutet – aber da sie nichts wusste, konnte sie glücklich werden. Was sie gesehen hat, wenn sie sich selbst in seinen Augen sah? Was sehe ich, wenn ich in den Spiegel sehe? Eine hochgewachsene, vielleicht etwas zu große Frau, blonde Haare – vielleicht zu blonde Haare. Warum konnte ich früher Stunden vor diesen Dingern verbringen? Es ist doch nur ein Spiegelbild und ich mag es nicht einmal mehr besonders. Meine Haare sind kurz, meine Augen blau, meine Nase... Nicht der Rede wert. Der Grund für meine Diäten und meinen Schönheitswahn ist nicht mehr vorhanden. Er verschwand, als Sakura glücklich wurde. Sind das da Falten um meine Augen? Mein Gott. Erst 25 Jahre und schon fühle ich mich alt. Uralt. Der Zug um meine Lippen ist müde. Ich weiß, ich bin müde. Es geht gar nicht anders. Ich arbeite beinahe rund um die Uhr als Ärztin im Krankenhaus. An den Wochenenden helfe ich meinen Eltern im Blumenladen – und wenn die Hokage oder Ibiki-San mich brauchen, habe ich keine andere Wahl als alles stehen und liegen zu lassen und zu tun, was immer sie mich tun heißen. Dabei sind die Beiden noch viel gestreßter als ich es bin – das kann ich mir vorstellen. Ich fühle mich auch nicht gestreßt – nur müde. Und eigentlich finde ich auch keinen Grund, mich über mein Leben zu beklagen. Mir geht es gut. Die Menschen um mich herum sind glücklich und darüber bin ich glücklich und mehr möchte ich auch nicht. Wenn es einen Gott gibt, dann möchte er sie bitte beschützen und ihnen seinen Segen schenken. Um mich braucht er sich nicht zu sorgen. Ich habe eine Arbeit, die ich sehr liebe. Es gibt nichts Schöneres, als den Kindern zu helfen – und auch nichts Traurigeres, als ihnen nicht helfen zu können. Deshalb gebe ich mein Bestes. Ich versuche zu lernen und zu verstehen – und zu helfen, wo ich kann. Ich genieße die Wochenenden bei meinen Eltern. Dort kann ich mich entspannen, mit meiner Mutter plaudern, meinen Vater ärgern – dann ist es, als wäre ich niemals erwachsen geworden und sie nicht älter. Meine Eltern mögen in der Vergangenheit streng mit mir gewesen sein, aber ich weiß, sie lieben mich und wünschen mir nur das Beste. Heute kann ich erkennen, dass die Dinge, die sie mir früher verboten haben und die mich zu Wutanfällen veranlaßt haben, nur zu meinem Besten waren. Und die Arbeit im Laden geht wie von Selbst vor sich – als bräuchte ich eigentlich nicht da zu sein, um sie zu erledigen, so sehr ist sie mir in Fleisch und Blut übergegangen. Mag mein Leben nicht einfach gewesen sein und mag meine Arbeit mich manchmal bis an den Rande der Erschöpfung bringen, ich würde kein anderes Leben und keine andere Arbeit wählen. Es ist das, was ich immer wieder tun würde, hätte ich die Wahl. In meiner Welt herrscht Frieden. Zwar hart erkaufter, manchmal unsicherer Frieden, aber immerhin Frieden. Konoha korrespondiert heute oft und herzlich mit Suna und unsere Diplomaten sind genauso oft im Land des Windes wie deren Diplomaten uns Besuche abstatten – und Temaris Anblick treibt mich noch heute zur Weißglut, obwohl er das nicht mehr zu tun braucht. Ich habe nicht untätig herumgesessen, ich habe gelernt und trainiert und kann es heute mit der Wieseltussi locker aufnehmen. Und Oto steht unter der Führung der vereinten Shinobi-Dörfer und wird streng überwacht, damit so etwas wie mit der Oberschlange Orochimaru nicht noch einmal geschieht. In meiner kleinen Welt herrscht Frieden. Ich habe viele Freunde und ich bin froh darüber. Dabei steht mir deutlich vor Augen, dass niemand Sakura wird jemals ersetzen können – aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass ich diesen Menschen vertraue und sie mir vertrauen. Dass sie mir ohne zu zögern ihr Leben anvertrauen würden und ich das selbe tun würde, dass ich mit ihnen Spaß haben kann, mit ihnen streiten kann und dann nichts zu sagen brauche, um mich wieder mit ihnen zu versöhnen. Diese Menschen kennen mich zwar nicht In- und Auswendig – das kann wohl nur einer von sich behaupten – aber sie wissen, wer und was ich bin. Und das Beste ist, das ihnen das nichts ausmacht. Sie akzeptieren mich so, wie ich bin. Am liebsten unterhalte ich mich mit Yuzuriha - und mit Hinata. Früher wusste ich nicht viel mit ihr anzufangen – sie war das genaue Gegenteil von mir. Aber sie sagt, ich habe mich verändert, und ich bin mir sicher, sie hat es auch getan – und deshalb sind wir gute Freundinnen geworden. Ich bin sehr froh, dass sie endlich ihr Glück gefunden hat. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde das nie geschehen – es war ein Kampf in ihrem Innersten, bei dem ich ihr nicht helfen konnte. Sie wusste, egal, wie sie sich entscheiden würde, jemand würde dabei unglücklich werden. Aber sie hat es durchgestanden und sie ist es, mit der ich mich über alles unterhalten kann, wenn ich die Lust dazu verspüre. Und Chouji und Kiba und Shino sind wunderbare Kameraden. Lee ist eine Sache für sich... Trotzdem, ich könnte mir keine besseren Freunde wünschen. Dabei ist es nicht einmal so, dass ich sie jeden Tag sehe. Im Gegenteil. Manchmal sehen wir uns für Wochen nicht, weil jemand von uns auf einer Mission ist – und dann treffen wir uns zufällig auf der Straße wieder und es ist, als wäre nie jemand weg gewesen. Es gibt nur eine einzige Person, bei der ich das Gefühl habe, als wäre sie Lichtjahre weit weg von mir, selbst wenn sie direkt vor mir steht – je näher sie mir ist, desto größer ist die Entfernung, selbst wenn ich nur die Hand auszustrecken brauche um sie zu berühren. Shikamaru bleibt Shikamaru. Seit seine Eltern ermordet wurden hat er sich immer weiter zurückgezogen, er lebt in seiner eigenen Welt – lebt er überhaupt noch? Ich weiß, ich kann seinen Schmerz nicht verstehen, ich kann ihn nicht lindern und nicht verschwinden lassen. Ist es so falsch, mir zu wünschen, dass ich es könnte? Ist es falsch, ihn gern lächeln sehen zu wollen? Aber mir steht es nicht zu zu glauben, diejenige sein zu können, die ihn versteht, die bei ihm sein kann. Ich kann ja doch nichts nachvollziehen. Die untergehende Sonne bricht sich in den Prismen vor meinem Fenster und streut Regenbögen auf mein Gesicht. Die Strahlen sind noch nicht warm, aber hell... Deshalb habe ich darauf bestanden, direkt unter dem Dach zu wohnen. Deshalb musste das Sofa direkt unter dem Dachfenster stehen. Denn von hier aus kann man die Sonne und die Wolken betrachten und die unendliche Weite des Himmels. Man sieht außerdem noch einige Schornsteine, Antennen und Fahnenstangen... Aber der erste Sonnenstrahl im Frühling gehört mir, genau so wie die ersten Flocken fallenden Schnees im Winter. Die kleinen Wolken, die neu geboren werden... Ihr Anblick gehört mir als Allererste. Würde Shikamaru diesen Anblick doch auch sehen können. Er weiß genau, wo ich wohne. Er weiß, dass der Schlüssel unter dem vierten der vielen Blumenkübel vor der Tür liegt – das ist der einzige Nachteil an einer Dachgeschosswohnung. Keine Blumenkästen vor dem Fenster – stattdessen schmücke ich den Flur. Meine blinde Nachbarin liebt die Blumen und ihren Duft genauso sehr wie ich. Ist es so falsch.... Die Nacht bricht an. Hinata sagt, ich bin stark... Immer wenn ich mich mit der Oberschwester anlege oder unter migräneartigen Kopfschmerzen das Chaos in der Kinderstation unter Kontrolle bringe oder wenn ich die grünen Lümmel herunterputze, die tagsüber in den Fluren Rennen mit Rollstühlen veranstalten und Nachts am offenen Fenster heimlich rauchen... Dann sagt sie fast bewundernd, sie hätte gerne meine Stärke. Ich bin nicht stolz darauf. Und ich bin auch nicht wirklich stark. In mancherlei Hinsicht bin ich viel schwächer als sie, die sie schon mit 26 einen Ehemann und eine kleine Tochter hat, den wichtigsten Clan Konohas mit Rechts managt und mit Links weiter im Krankenhaus arbeitet. Deshalb fühle ich mich auch nicht besonders oder sogar besser, wenn ich so tue als sei ich stark. Deshalb hebe ich mir das müde Lächeln für mich selbst und für meinen Badezimmerspiegel auf. Dabei weiß ich auch sehr genau, dass ich zu den Menschen gehöre, die wirklich keinen Grund zu Depressionen haben. Mir geht es gut. Meinen Eltern und meinen Freunden – ja, ich habe Freunde, danke der Nachfrage – geht es gut, ich habe eine Arbeit, eine Wohnung und Geld für Essen und für Kleidung. Ich von allen darf mir nicht anmaßen zu denken, mir ginge es schlecht. Deshalb wird jedes Gefühl der Müdigkeit mit einem Gefühl der Einsamkeit begleitet und dieses wiederum von Schlechtem Gewissen. Mir geht es gut. Meine Welt ist hier und sie ist gut, so wie sie ist. Andere Menschen verlieren ihre Eltern, stoßen ihre Freunde weg, ziehen sich zurück und verlieren das Vertrauen in sich selbst und in ihre Welt... Manche Menschen können den Grund, aus dem ich mich Leer fühlen sollte, einfach nicht verstehen. Was ich nicht verstehen kann – wen ich nicht verstehen kann – ist Shikamaru. Oder kann ich ihn zu gut verstehen? Vielleicht beides. Vielleicht ist es nichts von beidem. Ich kenne ihn schon so lange. Ich hatte gehofft, dass er nach seiner langen Isolation nur Zeit braucht, um wieder zurück ins Leben zu finden... Ich hatte gehofft, dass er nach der Begebenheit vor einem Monat versuchen würde, wieder zu leben. Acht Jahre und ein Monat... War das genug Zeit? Ich weiß nicht, wie lange ich noch Geduld haben soll. Ich weiß nicht, wie ich sein Verhalten verstehen soll. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann... Diese Unsicherheit, diese Unverpflichtung. Er taucht einfach so auf, zwischen zwei Missionen, in einer seiner Pausen, steht plötzlich im Krankenhaus und gibt kein Wort von sich. Er sieht zu, wie ich Kinder untersuche und ist plötzlich weg, wenn ich mich umsehe. Ich treffe ihn auf Besprechungen mit der Hokage, auf denen weder er noch ich Zeit haben, ich kann sehen, dass er mich sieht – aber dann ist er wieder verschwunden. Er spricht mich nicht an, er berührt mich nicht einmal – und trotzdem ist er immer wieder da. Erwartet er etwas? Wartet er auf etwas? Wie soll ich reagieren? Ich wünschte nur... Der Tag klingt aus. Die Geräusche der Eltern, die mit ihren Kindern auf dem Weg nach Hause sind, werden lauter als sie näher kommen und verklingen in der Ferne wieder. Die Sonne ist schon fast hinter den Baumriesen verschwunden – in dem Moment, in dem sie endgültig versinkt, taucht sie die gesamte Umgebung für eine Sekunde in ein abgrundtiefes Scharlachrot, dann wird es dunkel. Wenn es einen Gott gibt, hört er meine Gebete? Wo immer er gerade sein mag, von dort möge er heil zurückkehren... Leise und rhythmisch tickt eine kleine Uhr in Form einer Blüte, ein Geschenk eines alten Freundes von vor langer Zeit. Der Frau auf dem Sofa sind die Augen zugefallen... Sie muss sehr, sehr müde gewesen sein. Ihr Gesicht, über das sie im Schlaf keine Kontrolle hat, zeigt deutlich die Spuren der Erschöpfung. Sie ist schön, eine fremde Schönheit die durch ihre Blässe sogar noch verstärkt wird. Sie ist dünn und zerbrechlich, im einfallenden Licht des Mondes leuchten ihre goldblonden Haare silbrigweiß. Sie hört nichts. Sie hört weder das Scharren und Gurren der Tauben auf dem Dach, die sich auf den noch von den letzten Strahlen der Sonne warmen Dachschindeln einen windgeschützten Schlafplatz suchen noch die Glocken, die leise vom Dach des Haupthauses die Uhrzeit künden. Sie waren eine Revolution, diese zwei kleinen Glocken... Sie hört das leise Summen des Kühlschranks nicht und auch nicht das Knacken des Holzes oder die vorsichtigen Schritte, welche die Treppe zum Dachgeschoß hinaufsteigen. Einige Zeit herrscht tiefe Stille, dann dreht sich ein Schlüssel im Schloss. Mit den lautlosen Schritten eines Shinobi tritt eine dunkle, hochgewachsene Gestalt in die kleine Wohnung und sieht sich um. Er kann sie nicht sehen, weil ihre dünne Gestalt von der Lehne des Sofas verdeckt wird, also schließt er die Tür hinter sich und kommt ganz herein. Erst, als er alle Zimmer kurz angeschaut hat – was nicht lange braucht, denn es gibt außer dem Wohnzimmer nur noch die Küche, ein kleines Bad und ein Schlafzimmer – sieht er sie schlafend auf dem Sofa liegen. Er nimmt alles an ihr wahr: ihre lange, unglaublich zarte Gestalt, ihre seidigen Haare, wie eine Korona um sie herum ausgebreitet, ihr erschöpftes Gesicht, ihre Hände, die sich im Schlaf immer wieder zu Fäusten ballen und wieder öffnen. Sie wirkt so zerbrechlich, dass er Angst um sie bekommt, ein dicker Kloß sitzt plötzlich in seiner Kehle und lässt ihn kaum atmen. Scheinbar stundenlang steht er da und sieht sie einfach nur an. Erst als sie sich unwillkürlich bewegt und seufzt, schreckt er auf, aber sie schläft unruhig weiter. Da nimmt er die warme Decke vom Fußende des Sofas und legt sie über sie. Dabei muss er sich über sie beugen und sein Pferdeschwanz fällt ihr kurz ins Gesicht. Ino atmet tief sein. „Shikamaru...“ Wie erstarrt bleibt er stehen, wagt sich nicht zu rühren, aber sie träumt noch immer. Und schliesslich tritt er einen Schritt zurück, wendet sich zum Gehen – und zögert. Er möchte diese Wohnung noch nicht verlassen. Alles hier ist erfüllt von ihrer Gegenwart, es ist, als schliefe sie nicht sondern stünde wach und lächelnd direkt hinter ihm... Es herrscht absolute Stille – er weiß selbst nicht genau, was er hier empfindet. Ist es Frieden? Auf jeden Fall will er nicht gehen. Deshalb geht er leise in die Küche und zieht sich einen der beiden Stühle zurück – warum sie zwei Stühle hat, wenn sie doch allein wohnt? – und setzt sich. Erst, als er den Kopf auf die Arme legt, merkt er, wie müde er eigentlich ist. Und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit, schläft er ruhig und traumlos einen erholsamen Schlaf. Die Vögel wecken ihn am frühen Morgen. Er ist ausgeruht wie nie, trotz der eher unbequemen Haltung. Nachdem er aufgestanden ist, muss er erst seine Arme ausschütteln, bevor auch sie wach werden... Und ein bohrender Schmerz fährt durch seine rechte Schulter und er lässt es lieber bleiben. Dann sieht er aus dem kleinen Fensterchen und streicht sich abwesend durch das Haar. Was macht er überhaupt hier? Gestern Abend ist er einfach dahin gegangen, wo ihn seine Füße hintrugen... Nach der Mission, die ein wahrer Horror war, führte sein Weg ihn zuerst zur Hokage. Und dann zu einem winzigen Blumenladen, der natürlich geschlossen hatte... Zu einem großen, verlassenen Haus, welches so aussah, als stünde es schon seit Jahrzehnten leer, in Wirklichkeit waren es nur ungefähr Acht Jahre. Auf der Mission war alles schief gelaufen, was nur hatte schieflaufen können... Er hatte den Rückzug seiner Leute gedeckt, wie immer, und wenn Shura ihn nicht sofort zusammengeflickt hätte, nachdem er sie wieder eingeholt hatte, am Ende seiner Kräfte, hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft... Der Schmerz in seiner Schulter ist beinahe abgeklungen, anders sieht es mit seinem Kopf aus. Aber heute ist das schmerzhafte Pochen in den Hintergrund getreten. Dann war er zum Krankenhaus gegangen, wo man seinen Verband erneuert hatte und hatte vergeblich nach einer bestimmten Person Ausschau gehalten. Und dann... Irgendwie ist er dann in dieser Wohnung gelandet. Als Ino wach wird, spürt sie zuerst den dünnen Strahl der Sonne in ihrem Gesicht, der so früh im Jahr zwar noch keine Kraft aber genug Helligkeit besitzt, um auch den letzten Rest des Schlafes aus ihren Gliedern zu treiben. Dann spürt sie die Wärme der Wolldecke, die auf ihr liegt. Zuerst blinzelt sie nur schläfrig, dann fährt sie überrascht hoch. Sie weiß, sie hat sich nicht zugedeckt, als sie gestern eingeschlafen ist... Aber auch dieses Wissen wird sehr schnell aus ihrem Kopf verdrängt, als sie sich des Gefühls in ihrem Magen und ihrem Kopf bewusst wird. Aufstöhnend drückt sie sich die Hände an die Schläfen, aber der bohrende Schmerz hört nicht auf. Er ist so stark, dass ihr davon schlecht wird... Taumelnd schleppt sie sich ins Badezimmer und übergibt sich. Aus dem Spiegel blickt ihr eine leichenblasse, krank aussehende Frau entgegen. Langsam geht sie ins Wohnzimmer zurück und lässt sich wieder auf das Sofa sinken, zieht die Beine hoch und schlingt die Arme um ihre Knie. Arzt, heile dich selbst... Starr sieht sie vor sich hin. Und dann hört sie die Schritte. Leise, für einen normalen Menschen nicht wahrzunehmen, aber Ino ist eine ausgebildete ANBU. Blitzschnell fährt sie herum und ihr wird schwarz vor Augen. Die Schritte verstummen. Shikamaru kann sehen, dass sie ihn nicht sieht als sie herumfährt. Deshalb bleibt er stehen bis sie blinzelt und die Hand unwillkürlich zum Kopf hebt – und dann sieht sie wer da steht und lässt sie wieder sinken. Wortlos sieht er sie an. Ihre Haare sind vom Schlaf zerzaust, sie trägt einen knöchellangen Rock und Wollsocken und einen warmen Pullover – sie hat in ihrer Kleidung geschlafen. Sie ist schön wie eh und je – und sieht trotz den über 12 Stunden Schlaf noch erschöpft aus. War sie immer schon so zerbrechlich? War ihr Haar immer schon fast silbern? Wann hat es seinen Goldschimmer verloren? Wann ist der rechthaberische Zug aus ihrem Gesicht verschwunden? Genauso stumm starrt Ino zurück. Was sie sieht, ist ein großer, muskulöser Mann mit einem dunklen Pferdeschwanz, aus dem sich Strähnen gelöst haben. Er trägt noch immer die grüne Weste mit dem Konoha-Symbol am Oberarm, ein Verband schaut aus dem rechten Ärmel. Schwarze, unergründliche Augen bohren sich tief in die ihren, scheinen sie völlig zu durchschauen und sie schaudert unbehaglich. Als würden die Dinge, die sie nicht sagt, zwischen ihnen stehen wie eine durchsichtige, unüberbrückbare Wand... Aber sie sagt nichts. Sie hat gelernt zu schweigen, abzuwarten, mit den Augen zu sprechen und mit dem Herzen zu hören. Und als niemand von Beiden etwas sagt, überbrückt Shikamaru die kurze Distanz zwischen ihnen mit wenigen Schritten und hockt sich vor sie hin, so dass er mit Ino auf einer Augenhöhe ist. Ihre blauen Augen blicken ihn an – sie zeigen keine Angst oder Wut, lediglich Fragen. Tausend Fragen und ein Geheimnis. Vorsichtig hebt er eine Hand und berührt ihr Haar und sie reagiert auch nicht, als er seine Hand in ihrem glatten, seidigen Haar vergräbt und sie zu sich zieht. Dann erst klammert sie sich an ihn wie eine Ertrinkende, die Augen weit geöffnet, er spürt ihr Haar unter seinen Lippen, ihre weiche Haut... Seine Hände wandern über ihren Rücken hinunter bis zu ihren Hüften und wieder hinauf, nehmen alles in sich auf: ihre Wärme, ihren Duft, ihre zerbrechliche Gestalt – hat sie abgenommen? Als er sie küssen will, dreht sie ihren Kopf weg und stattdessen berührt er ihren Hals mit den Lippen. Sie hat ihm keine Vorwürfe gemacht, hat nicht einmal ein Wort gesagt und ihn nur umarmt, aber trotzdem muss er es sagen. „Entschuldigung.“ Seine Worte sind so leise, dass sie sie fast nicht mehr hören kann. „Entschuldige bitte... Ich hatte vergessen.“ Sie sieht ihn an, sie weiß nicht, was er sagen will, aber er fährt fort und es scheint ihm schwer zu fallen. Aber je mehr er spricht, desto schneller strömen die Worte aus ihm heraus. „Ich hatte vergessen, dass ich nicht der Einzige bin... Und dann hat Hinata...“ Er schluckt. „Hinata hat gesagt, dass...“ Sie hält ihn auf, lässt ihn nicht weiterreden, sie versteht jetzt, was ihn hierher geführt hat, warum er bei ihr ist. Sie will nicht hören, was er weiß weil Hinata es ihm gesagt hat – sie hat gewusst, dass er es eines Tages würde erfahren müssen. Trotz allem. Es ist egal, was in Zukunft noch geschehen wird und ob sie es überleben wird oder nicht. Das Einzige, was zählt, ist Shikamaru. Und er ist hier, bei ihr, er hält sie fest und sie kann ihn spüren, seine Wärme, seinen Herzschlag, seinen Atem an ihrem Hals. Nichts spielt mehr eine Rolle, weil er da ist. Der Traum einer Blume, zart und durchsichtig, so fein wie Spinnweben und so flüchtig wie der Kuss des Windes auf ihren Blüten... Eine Blume lebt nie lange. Aber während sie dort steht und wartet, träumt sie. Wenn eines Tages derjenige vorbeikommt, für den sie bestimmt ist, wird sie sich ihm ganz schenken, mit allem was sie besitzt, mit all ihrer Schönheit und ihren Träumen. Und selbst wenn ihr Glück nicht von Dauer ist so werden die wenigen Momente für sie das Kostbarste sein, was sie in ihrem ganzen, kurzen, flüchtigen Leben erfahren hat... Ende ~***~ Kommen euch die Gedanken bekannt vor? Ich denke oft dass andere sich viel zu sehr in Selbstmitleid versenken und dass es anderen noch schlimmer geht als mir... Aber jedem ist sein eigenes Leid am Nächsten. Aber obwohl es verglichen mit anderen Dingen nur Kleinigkeiten sein mögen, leidet man doch genauso darunter wie andere Menschen unter viel schlimmeren Bedingungen... Meine Welt ist so klein wie die von Ino und ich bete für sie, dass sie glücklich sein kann. Für all die Menschen, die ich liebe, aber auch für die in der großen Weite außerhalb meiner Gedanken... Werdet glücklich. Findet Frieden. Genießt eure Zeit. Das Leben ist nicht lang... Möge es für euch ein erfülltes Leben sein. Ist jemandem eine Idee gekommen, was Hinata Shikamaru wohl erzählt hat? Was ist da genauer los? Wers genau wissen will muss sich noch ein wenig gedulden - fürchte ich. Wenn jemand Fragen oder Ähnliches hat stehe ich gerne zur Verfügung^^ Es gibt nichts schöneres als über FFs zu sprechen - wenn sie denn gefallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)