Wache des Lichts von abgemeldet (Geschichte 1) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Mühsam stieg die schon etwas ältere Frau die Treppe hinauf. An ihrer Seite baumelte eine ausgebeulte Handtasche, in der sich auch das Ticket nach Memmingen befand. Sie hatte es gerade noch an dem, für sie viel zu verwirrenden, Automaten gekauft. Doch es war spät und der Schalter hatte schon lange nicht mehr auf. Nach Luft schnappend kam sie oben an, was musste auch der dumme Aufzug kaputt sein. Die Handtasche weiter an der Seite baumelnd ging sie auf den gelben Fahrplan zu. Vorbei an der von gelangweilten Jugendlichen beschmierten Bank und dem schon fast überquellendem Mülleimer. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie zu entziffern was auf dem gelben Papier hinter der Glasscheibe stand. Das Alter tat ihren Augen auch nicht besonderst gut. Langsam ließ sie ihren Blick über die Abfahrtszeiten wandern. Der letzte Zug war erst vor ein paar Minuten gefahren und der nächste würde erst in einer halben Stunde kommen, hatte sie sich mal wieder umsonst so beeilt. Ein plötzlicher Windstoß ließ sie zusammenzucken und sie in ihrer beigen Winterjacke frieren. Dabei war es gerade eben noch so mild gewesen. Und auf einmal war da wieder diese Melodie in ihrem Kopf. Die gleiche die sie auch schon verfolgt hatte, als sie sich spontan dazu entschieden hatte ihre Schwester zu besuchen. Sie benebelte sie und ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dann stand da dieser junge Mann, sie konnte sich selbst nicht mehr daran erinnern ihn vorher gesehen zu haben. Sie musste ihn wohl übersehen haben. Er war blass, als hätte er schon längere Zeit keine Sonne mehr gesehen. Seine Jeans war an mehreren Stellen zerrissen und trotz der eisigen Kälte hatte er nur einen schwarzen Pullover an. Lächelnd, als würde sie einen alten Bekannten begrüßen, ging sie auf ihn zu. Dabei schimpfte sie sonst nur über solche Leute. Faules Pack das nur auf Kosten des Staates lebe, nannte sie sie dann und unterschied dabei nicht zwischen denen die wirklich so waren und denen die nicht so waren. Für sie war die gesamte Jugend faul, egoistisch und undankbar. Doch heute war das anders. Die Melodie rief sie und die Melodie ging von ihm aus. Mehr zählte für sie in diesem Moment nicht. Benommen nahm sie noch im Laufen den dicken Wollschal um ihren Hals ab. Lächelnd blieb sie vor ihm stehen und bot ihm ihren Hals an, wie eine Dienerin ihrem König einen Krug Wein. Plötzlich veränderte sich der Mann. Die Zähne krümmten sich, wurden länger und spitz. Verloren sämtliche Menschlichkeit. Kurz verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht, als er zubiss, kehrte dann aber wieder zurück und blieb. Diesmal für immer. 1. Kapitel ---------- Tagwache Noch nicht ganz wach, aber trotzdem von einer Vorahnung geplagt, stand sie auf. Durch das kleine, ziemlich alte Fenster fiel das Licht einer Straßenlaterne. Nicht sonderlich elegant stieg sie aus dem unter ihr ächzenden Bett. Missmutig sah sie aus dem Fenster. Der, vor langer Zeit als Werbegeschenk erhaltene, Wecker bestätigte ihren Verdacht. Es würde noch über eine Stunde dauern bis ihre Schicht begann. Resigniert ging sie durch den engen Flur Richtung Bad. Einschlafen könnte sie jetzt sowieso nicht mehr. Es dauerte einige Zeit bis sie den Schalter zu der trüben Glühbirne in dem kleinen Bad fand. Sich selbst eine Grimasse zeigend, betrachtete sie sich im Spiegel. Die dunkelbraunen, seit einem Brandüberfall auf sie nur noch bis zur Schulter reichenden, Haare waren glanzlos und stumpf. Und unter ihren schlammbraunen Augen lagen tiefe Schatten. Sie war zu einem Gespenst ihrer selbst geworden. Die vielen Überstunden und Streifen hatten sie zwar kurzzeitig ablenken können, auf lange Sicht jedoch nur weiter zerstört. Es war Zeit damit aufzuhören. Die Vergangenheit konnte sie nicht mehr ändern. Die Bilder, die sie jede Nacht quälten, würden nicht verschwinden, wenn sie sich weiter zugrunde richtete. Ein leises Klopfen ließ sie aus ihren Gedanken schrecken. Hektisch spritzte sie sich etwas Wasser ins Gesicht. Wer konnte zu so früher Zeit etwas von ihr wollen? Noch halb ihr Gesicht abtrocknend, eilte sie zur Tür. In Gedanken jeden durchgehend der vor der Tür stehen konnte, durchsuchte sie den Schlüsselbund der an der Türklinke hing. Sie konnte die Aura des frühen Besuchers nicht einordnen. Sie musste die eines Menschen sein oder, was äußerst merkwürdig wäre, abgeschirmt. Noch immer grübelnd steckte sie den, endlich gefundenen, Schlüssel ins Schloss und sperrte auf. Ein junger Vampir lächelte ihr entgegen. Einen Moment lang völlig verdutzt, starrte sie ihn an. Auch er musterte sie und wurde dann rot. Peinlich berührt schaute sie an sich herab. Noch immer hatte sie das ausgeleierte Shirt und die alte Jogginghose an, die sie immer zum Schlafen benutzte. „Tschuldige, das ich so reinplatze Laurena.“ Verlegen kratzte er sich am Kopf. Sie lächelte ihn an und hoffte, dass es nicht so traurig aussah wie sie sich fühlte. „Macht doch nichts Kolja. Komm herein.“ Noch immer leicht betreten, ging er an ihr vorbei Richtung Küche. Sorgfältig verschloss sie die Türe hinter ihm. Leise seufzend ging sie ihm nach. Als sie die Küche betrat, sah sie, dass er bereits an dem kleinen, wie der Rest der Wohnung, alten Tisch hockte. Sich auf ihre Gastgeberpflichten besinnend, ging sie Richtung Kühlschrank. „Hast du Hunger?“ Er wich ihrem fragenden Blick aus. „Nein, danke. Ich hab schon was getrunken. Mach dir keine Umstände.“ Einen Moment lang konnte sie fast spüren wie die Stimmung im Raum sank. Er reagierte noch immer sehr empfindlich auf die Nahrungsaufnahme zu der er gezwungen war. Als sie den Kühlschrank öffnete entspannte sich die Situation. „Hast du irgendwelche Neuigkeiten?“ Der Versuch die Situation zu entschärfen schlug fehl. Während sie lustlos den geringen Inhalt des Kühlschrankes betrachtete, konnte sie förmlich spüren wie es ihm widerstrebte mit der Wahrheit herauszurücken. Schließlich überwand er sich. „Am Bahnhof hat es wieder einen Überfall gegeben. Eine alte Frau wurde vollkommen ausgesaugt aufgefunden. Die Nachtwache hat ihre Leute bereits losgeschickt. Der Chef will das wir uns darum kümmern.“ Einen Moment lang sah sie ihn perplex an. „Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?“ Leicht angewidert stellte sie den Joghurt, den sie in der Hand gehabt hatte, zurück. Sie hätte ihn sowieso nicht runter gebracht. Hastig lief sie zurück in ihr Schlafzimmer. Neben dem noch immer ungemachten Bett, aus dem sie sich vor kurzem erst herausgequält hatte, stand einer der beiden Schränke, die sie vom Sperrmüll geholt hatte. Er enthielt die wenigen Kleidungsstücke die sie besaß. Die Auswahl war nicht sonderlich schwer, da das meiste in schwarz gehalten war. Sie brauchte weit weniger als fünf Minuten um sich anzuziehen, ins Bad zu eilen, und sich fertig zu machen. Da sage noch jemand Frauen bräuchten ewig im Bad. Mit ihrer letzten, einigermaßen heilen, Jeans und dem wärmsten Kapuzenpullover den sie noch im Schrank gehabt hatte, stand sie nun im Flur und zog die schwarz-braunen Schuhe an die ihr am wärmsten erschienen. Nicht das sie eine große Auswahl gehabt hätte. Noch halb den schwarzen Wintermantel, den einzigen Luxus den sie sich in den letzten Jahren gegönnt hatte, zuknöpfend, öffnete sie die Tür. Mit der einen Hand Kolja zur Eile bewegend und der anderen versucht die Schlüssel in die Tasche zu stopfen, eilte sie die Treppen hinunter. Kolja, der ohne Jacke auskam, folgte ihr schweigend. Er hatte nicht glauben können, als man ihm erzählt hatte, wie sehr sie sich verändert hatte. Sie kannten sich jetzt schon seit fast zehn Jahren und es war noch nie vorgekommen, dass sie sich bei etwas so verausgabte. Das konnte einfach nicht gesund sein und er hatte Angst vor den Folgen die eintreten würden. An der Tür, die aus dem tristen Wohnblock führte, wartete sie schon ungeduldig auf ihn. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen. Die kleinen Dampfwolken die ihr Atem in der kalten Luft bildete, machten für ihn den Unterschied nur schmerzhaft deutlicher. Er hatte seit so langer Zeit schon keinen Atem mehr, der in der kalten Luft gefrieren konnte. Seit 16 Jahren war er tot und doch zum existieren verdammt. Nachtwache Das erstarrte Lächeln auf den Lippen der Frau, war für sie wie ein Tiefschlag. Sie war neu in der Wache, gerade erst mit der Ausbildung fertig. Und dann passierte so etwas. Natürlich hatten sie auch in der Ausbildung Opfer von Vampiren gesehen. Das gehörte einfach dazu. Dennoch, gleich am zweiten Arbeitstag unvorbereitet zu so etwas losgeschickt zu werden war hart. Sie spürte wie es in ihrem Magen rumorte. Dabei war der Anblick als solcher nicht schlimm. Keine Blutlache, verdrehte Gliedmaßen oder ähnliches. Nur die Erinnerung, die der Anblick hervorrief, machte ihr zu schaffen. Sie sah aus als würde sie schlafen, wären die beiden kleinen Löcher in ihrem Hals nicht gewesen. Ein Laie hätte die beiden, präzise gesetzten Löcher vielleicht als nicht ausreichend angesehen. Sie jedoch hatte in ihrer Ausbildung genug gelernt um einen echten Biss von einem makabren Scherz zu unterscheiden. Und dies war eindeutig kein Scherz, sondern traurige Realität. Bevor sie mit ihrer Arbeit begonnen hatte, hatte man ihr die besondere Problematik erklärt die hier herrschte. Durch den Bahnhof konnten viele Andere anreisen die sich, bedingt durch das Gefühl nicht erwischt werden zu können, meist nicht an den Großen Vertrag hielten. Wut kochte in ihr hoch. Auch wenn sie wusste, dass sie weder die Kraft noch die Befugnis, die Dunklen zu vernichten, jemals bekommen würde, hoffte ein Teil von ihr doch darauf. Natürlich war es verboten, jeden Dunklen der einen über den Weg lief zu vernichten. Denn das Gleichgewicht zwischen dem Licht und dem Dunklen musste bewahrt werden. Zum Wohle der Menschheit. Und das war ihr klar. Ihre Mutter war von einem wildernden Jungvampir getötet worden. Es war so schnell vorbei gewesen, das sie sich nur undeutlich daran erinnern konnte. Nachdem ihre Mutter den jungen Mann hereingebeten hatte, war ihr schwindelig geworden und das erste was sie wieder wahrgenommen hatte, war das ihre Mutter blutete. Sie hatte den Notruf gewählt, doch nicht die Polizei sondern die Wächter der Nacht waren gekommen. Und das hatte ihr Leben verändert. Denn während zwei die Verfolgung des Vampires aufgenommen hatten, blieb der Dritte da um ihr Gedächtnis zu verändern. Was jedoch nie geschah, da herauskam das sie eine potenzielle Andere war. Sie hatte sich bereit erklärt zu einer Anderen zu werden und, nach kurzem Überlegen, auch der Wache bei zu treten. Wie immer wenn sie an jenen Tag, der ihr Leben so dramatisch verändert hatte, zurückdachte, war sie froh von der Nachtwache gefunden worden zu sein. Der Gedanke, dass sie genauso gut von der Tagwache gefunden hätte werden können, war für sie ein Gräuel. Missgelaunt sah sie sich auf dem Bahnsteig um. Er war von der Leitung gesperrt worden. Die Menschen die jetzt mit dem Zug hätten fahren wollen, vergaßen es einfach oder es fiel ihnen etwas Wichtigeres ein. Sie hatten weniger als eine halbe Stunde noch um mit ihrer Arbeit hier fertig zu werden. Dann würde der nächste Zug auf diesem Gleis eintreffen. Um den gesamten Bahnsteig war ein Zauber gelegt worden. Kein Mensch würde bewusst zu ihnen hinüber sehen und wenn es einer unbewusst doch tat, würde es ihm nicht wichtig genug erscheinen. Es war noch nicht einmal annähernd hell, trotzdem konnte sie schon die unzähligen Krähen in den Bäumen hören. Schweigend trat ihr Partner neben sie. Er war ein Hoher und somit neben dem Leiter der Buchloer Nachtwache, der stärkste Lichte Andere im Umkreis. Sein Name war Thomas und er hatte Dienst gehabt als das mit ihrer Mutter geschehen war. Schweigend betrachtete er die tote Frau, dann schüttelte er leicht den Kopf. „Eindeutig“, murmelte er eher zu sich selbst. Besorgt sah sie ihn an. Er schien in Gedanken versunken, was sie verunsicherte. Noch nie hatte sie ihn so nachdenklich gesehen. „Thomas? Ist alles in Ordnung?“ Verwirrt starrte er sie an, schien dann erst zu begreifen und nickte. „Ja, natürlich. Warum auch nicht.“ Langsam begann sich Unruhe in ihr breit zu machen. Sein Verhalten war nicht normal. Irgendetwas musste ihn verunsichert haben. Aber was nur? Bevor sie jedoch auch nur anfangen konnte darüber nachzudenken, hörte sie wie jemand die Treppen zum Bahnsteig hochging. Verwirrt drehte sie sich Richtung Treppe um. Thomas neben ihr tat es ihr nach, jedoch sah er relativ gelassen aus. Wer auch immer da kam, er musste ihn also erwartet haben. Mühsam versuchte sie die Aura des Kommenden zu finden. Sie fand zwei. Bevor sie jedoch starten konnte die Auren der beiden genauer unter die Lupe zu nehmen, erschienen sie. Ihre Miene verfinsterte sich. Eine Dunkle Magierin auf dem dritten Grad und ein weiterer Mann dessen Aura sie jedoch nicht sofort identifizieren konnte, erschienen. Erst als er näher kam konnte sie die Aura identifizieren. Er war ein Vampir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)