Santa ... Seto? von moonlily (Eine schöne Bescherung) ================================================================================ Kapitel 2: Nächtliche Überraschung ---------------------------------- Hallo, da bin ich wieder mit dem nächsten Teil von Santa ... Seto?, ich hab die Weihnachtstage natürlich kräftig zum Schreiben genutzt. Kapitel 2 Nächtliche Überraschung Er blieb bis zum Abendessen in seinem Büro und ließ seine Wut an der Tastatur aus. Es dauerte, bis er sich beruhigt hatte, zumal er ständig Tippfehler produzierte, die das Feuer seines Zorns neu anfachten. Als das Telefon klingelte und Mokuba ihn bat, zum Essen herunterzukommen, war er noch lange nicht so weit, wie er geplant hatte. Seto sah auf die Uhr, es war halb acht. Eigentlich hatte er überhaupt keinen Appetit. Aber er konnte sich ja zumindest zu seinem Bruder setzen, wenn dieser aß. Er sah kurz seine Akten durch. Seine Marketingabteilung hatte ihm gestern das neue PR-Konzept vorgelegt, das er noch durchlesen musste. Den Ordner unter den Arm geklemmt, stand er auf und machte sich auf den Weg ins Esszimmer. Über Weihnachten hatte der größte Teil des Personals frei und Mokuba hatte in Setos Lieblingsrestaurant The Garden Sushi bestellt, das vor einigen Minuten geliefert worden war. Er hatte es bereits auf großen Tellern angerichtet und mit den Sojasoßenschälchen aus der Küche gebracht. Seto ließ sich auf seinem Platz nieder und legte den Ordner neben sich. Er versenkte sich in die Vorschläge seiner Marketingexperten und war gerade auf der ersten Seite der Kostenkalkulation angelangt, als ein leises Zischen ihn aufblicken ließ. Vor ihm flammten mehrere weiße Kerzen auf, die in einem silbernen Leuchter steckten. Mokuba blies das Streichholz aus und setzte sich. „Hast du heute so viel zu tun, dass du dir auch zum Essen Akten mitnehmen musst?“, fragte er mitleidig. „Als CEO hat man nun mal so viel zu tun“, antwortete Seto und wandte sich seiner Akte zu. „Also musst du noch lange arbeiten?“ Mokuba griff mit den Stäbchen nach einem Stück Sushi, tauchte es kurz in die Soße und schob es sich in den Mund. „Davon kannst du ausgehen. Es wird heute wahrscheinlich sehr spät werden.“ „Schade, ich hab gedacht, wir setzen uns noch zusammen und sehen fern. Heute läuft Dickens Weihnachtsmärchen.“ „Diesen Geisterunsinn tu ich mir nicht an“, murmelte Seto. „Diese Geschichte ist ja fast so haarsträubend wie Yugis dauernde Fantasien von dem angeblichen Geist eines Pharao, der in seinem Puzzle lebt.“ „Gelebt hat“, korrigierte ihn sein Bruder ruhig. „Erinnere dich mal an diesen Sommer, als wir alle in Ägypten waren.“ „Hör mir bloß mit diesem Quatsch auf, von wegen er sei ins Totenreich gegangen. Ich glaube, du verbringst zu viel Zeit mit Yugi.“ „Aber findest du es nicht merkwürdig, dass vor zwei Monaten sein angeblicher Cousin Atemu hier aufgetaucht ist und fast genau wie er aussieht?“ „Das nennt man Familienähnlichkeit“, sagte Seto. „Oder willst du behaupten, er wäre jetzt auch noch zurückgekommen, weil es ihm im Jenseits zu langweilig war?“ „Es war ja nur eine Vermutung“, sagte Mokuba. „Willst du nichts essen?“ „Ich hab keinen Hunger.“ „Nicht mal auf einen kleinen Happen Sushi?“, versuchte er es weiter. „Wenn du heute noch lange arbeiten willst, kannst du dich schließlich nicht mit leerem Magen hinsetzen.“ Er sah von seinen Papieren auf, die er während ihres gesamten Gesprächs weiter gesichtet hatte. Mokuba hatte ordentlich zugelangt, der Kleine hatte eigentlich immer einen guten Appetit. Nur sein eigener Teller war noch genauso makellos, als wäre er eben erst aus dem Schrank geholt worden. Mit zögernden Bewegungen griff Seto nach den aus dunklem Holz gefertigten Stäbchen und nahm sich etwas von dem Essen. „Und, wie schmeckt es?“, fragte Mokuba, während sein Bruder kaute. „Gut, aber ich habe trotzdem keinen Hunger. Ich mache mir gleich noch einen Kaffee, der beruhigt mich im Moment eher.“ Er blätterte eine Seite in seiner Akte um. „Kannst du deine Arbeit nicht wenigstens zum Essen beiseite legen?“, beklagte sich Mokuba. „Heute ist schließlich Heiligabend und –“ „Ja, ja, ich weiß, dass du auf deine Geschenke wartest, aber die paar Stunden wirst du dich wie jeder andere auch noch gedulden müssen.“ Mokuba sah erst aus, als wollte er noch etwas sagen, drehte sich dann jedoch weg und schwieg. Seto vertiefte sich erneut in die endlosen Reihen von Zahlen und so bemerkte er nicht die wenigen Tränen, die seinem Bruder aus den Augen traten, auch nicht seine hastigen Bewegungen, mit denen er sie sich aus den Augenwinkeln wischte. „Möchtest du noch etwas essen?“, fragte er. Als Seto den Kopf schüttelte, räumte er das Geschirr zusammen und trug es rüber in die Küche. Die zweite Portion Sushi war noch fast vollständig, doch ihm war mittlerweile auch der Appetit vergangen. Er verstand seit einer Weile nicht mehr, was mit seinem Bruder los war. Seit sie aus Ägypten zurück waren, hatte sich so vieles geändert. Seto vergrub sich seither nur noch in seiner Arbeit. Sie waren bislang noch nicht einmal mit ihren Plänen für eine Kette von Vergnügungsparks weitergekommen. Dabei hatte er sich so auf die Zusammenarbeit mit seinem Bruder gefreut. Wohn- und Esszimmer waren in der Villa zu einem großen Raum zusammengefasst. Mokuba ließ sich im Wohnbereich auf der riesigen L-förmigen Couch nieder und schaltete den Fernseher an. Es lief gerade noch Werbung, doch es konnte sich nur noch um wenige Minuten handeln, bis der Film anfing. Er schlürfte an der Cola, die er sich aus der Küche mitgenommen hatte, und spähte zu Seto herüber. Dieser saß nach wie vor am Esstisch und sah mit konzentrierter Miene auf seine Arbeit. Darüber konnte er alles und jeden um sich herum vergessen und Mokuba war sich sicher, dass er selbst das Essen vergessen hätte, wenn er ihn nicht daran erinnert hätte. Auf dem Bildschirm tauchte der Nachrichtensprecher auf, der seinen Kollegen aufforderte, den Wetterbericht abzugeben. Für die nächsten Tage wurde eine Mischung aus Schnee und Regen angesagt, wobei der Regen überwiegen sollte. Das waren ja schöne Aussichten, dann würde es dieses Jahr wieder nichts mit den Weißen Weihnachten. Der Nachrichtensprecher verabschiedete sich und der Film begann. Mokuba lehnte sich entspannt zurück. Seto streckte sich und sah zufrieden auf den Bildschirm seines Laptops. In den letzten Stunden seit dem Abendessen hatte er noch eine Menge geschafft und das, was durch seinen Besuch im Waisenhaus liegen geblieben war, fast komplett aufgearbeitet. Er hatte sich den Rechner nach dem Essen nach unten geholt, um Mokuba nicht allein zu lassen. Sein Blick glitt zu der Uhr, die über dem Kamin hing. Es war beinahe halb zwölf. Heute konnte er es sich wohl leisten, etwas eher Schluss zu machen. In den letzten Wochen war er häufig gezwungen gewesen, wegen der Arbeit lange aufzubleiben und nach ein paar Tagen immer total übernächtigt. Zeitweise waren die dunklen Ringe unter seinen Augen ein Dauerzustand geworden. Nach einem letzten Abspeichern ging der Laptop zu. Für heute reichte es. Als er sich erhob, nahm er die Geräusche wahr, die aus dem Wohnzimmerbereich drangen. Er löschte die Esszimmerlampe und näherte sich den Geräuschen. Der Fernseher lief noch, es kam gerade eine dieser kitschigen Weihnachtskomödien. „Mokuba, es wird Zeit fürs Bett“, sagte er, doch er bekam keine Antwort. Ein paar weitere Schritte in Richtung Sofa zeigten ihm den Grund, nachdem er zu einem weiteren „Moku–“ angesetzt hatte. Sein Bruder lag zusammengerollt auf dem Sofa und schlief tief und fest. Seto schüttelte den Kopf und fragte sich, wie lange Mokuba schon so dalag. Er schaltete den Fernseher aus. Der Kleine murmelte im Schlaf etwas Unverständliches, als Seto ihn vorsichtig aufhob und in sein Zimmer trug. Er zog ihm den Schlafanzug an, legte ihn ins Bett und deckte ihn zu. Mokuba bekam nichts davon mit, er kuschelte sich in die weichen Kissen und schlief friedlich weiter. Seto schloss leise hinter sich die Tür und begab sich in sein eigenes Schlafzimmer. Auf der blauen Bettdecke lag die neue und verbesserte Version seiner Duel Disk. Er hatte sie sich sozusagen selbst zu Weihnachten geschenkt. Natürlich war es nur ein Prototyp, man befand sich noch in der Testphase. Was er jedoch bislang gesehen hatte, war sehr viel versprechend. Die Disk war etwas kleiner als ihre Vorgängerin und produzierte bessere Hologramme der Monster. Bis zur Massenproduktion dieser neuen Duel Disks würde es allerdings noch dauern. Derzeitig existierte nur eine weitere Disk dieses Typs und Seto wusste ganz genau, wann er sie zum Einsatz bringen würde. Da kam für ihn nur eine Gelegenheit infrage, die dieser besonderen Erfindung würdig genug war, nämlich sein Duell mit Yugi an Neujahr. Er nahm die Duel Disk hoch, sie war sehr leicht, und legte sie an. Ein leichter Knopfdruck genügte und sie war einsatzbereit. Sein Deck bewahrte er in einem kleinen Kasten aus Ebenholz auf, das auf dem Nachtschrank stand. Seto holte die Karten heraus und ließ seinen Blick für eine Weile auf jenem Monster ruhen, das sich stets ganz zuoberst von seinem Deck befand: Der Weiße Drache mit eiskaltem Blick. Er wollte die Karten gerade in den Halter der Duel Disk schieben, als er über sich einen dumpfen Knall vernahm, gerade so, als wäre etwas auf das Dach gefallen. Hatte sich der Wind etwa unbemerkt zum Sturm entwickelt und einen Ast von einem der Bäume gerissen? Seto erstarrte in der Bewegung und horchte. Erst war nur das leise Ticken der Uhr zu hören, dann so etwas wie ein Klopfen. Das konnte doch unmöglich ein Ast sein, es hörte sich fast so an, als wäre jemand auf dem Dach. Aber wer sollte es sein, ein Einbrecher? Und wie kam er dann überhaupt dahin? Die Leitern, die von seinen Gärtnern für das Beschneiden der Bäume benutzt wurden, standen alle in einem alarmgesicherten Gartenhaus. Er musste herausfinden, was los war. Seto verließ missmutig das Zimmer, die Disk am Arm, das Deck noch in der Hand. Wenn es ein Einbrecher war, würde er seine heiß geliebten Drachen garantiert nicht ungeschützt lassen. Er eilte die Treppen herunter und durch die Eingangshalle, griff im Vorbeigehen nach seinem Mantel und warf ihn sich über. Draußen wurde er von eisiger Kälte empfangen. Natürlich hätte er gleich die Sicherheitsfirma rufen können, die Alarmschalter waren über die ganze Villa verteilt. Wenn es sich aber nur um ein paar freche Eichhörnchen handelte, die sich auf das Dach verirrt hatten, würde er sich bis auf die Knochen blamieren. Ihm persönlich wäre das gleichgültig gewesen, aber wenn er wegen einiger rotbrauner Nager einen Großalarm auslöste, würde das seinem Ansehen bei seinen Geschäftspartnern nur schaden. Wie sollten sie ihn dann noch richtig ernst nehmen? Seto musste erst mehrere Schritte nach hinten gehen, um überhaupt etwas vom Dach zu sehen. Er konnte nicht verhindern, dass ihm der Mund aufklappte. Mitten auf dem Dachfirst parkte ein Schlitten, vor den acht – Setos Augen weiteten sich, als er die Geweihe sah – Rentiere gespannt waren. Eine dicke Gestalt machte sich an dem Schlitten zu schaffen, die Seto den Rücken zugekehrt hatte. Er blinzelte mehrmals, das musste eine Sinnestäuschung sein. Aber sie verschwand nicht, auch nicht, nachdem er die Augen geschlossen und bis drei gezählt hatte. Das war verrückt, völlig irrational. Die Wolken schoben sich auseinander und der Mond kam zum Vorschein. Sein blasses Licht fiel auf die Villa und Seto fand sich end-gültig davon überzeugt, an Wahnvorstellungen zu leiden, hervorgerufen durch Überarbeitung und Schlafmangel. Die Gestalt auf dem Dach trug einen langen, roten Mantel. Ganz ruhig, jetzt denk mal nach, überlegte er. Es gibt keinen Weihnachtsmann. Das ist nur ein Einbrecher, der sich verkleidet hat. Zugegeben ... gut ist die Maske ja, er hat an alles gedacht. Aber das sind keine echten Rentiere. Just in dem Moment bewegte eines von ihnen den Kopf nach hinten, schnaubte und stieß gegen die Gestalt. Diese ließ die Zügel fallen und drehte sich, die Arme in die Seiten gestemmt, zu dem Tier um. „Aber Comet, was soll das denn?“, sagte eine tiefe Männerstimme. Seto glitten die Karten aus der Hand. Der Stapel löste sich auf und flatterte wie Blätter, die der Herbststurm vom Baum gerissen hatte, durch die Luft und zu Boden. Eine der Karten wurde von einer leichten Böe erfasst, zurück nach oben getragen und landete auf der Duel Disk, wo sie sich aktivierte. Seto fuhr vor Überraschung zusammen, als plötzlich vor ihm sein Weißer Drache auftauchte und mit einem Brüllen seine Ankunft verkündete. Der Mann auf dem Dach fuhr herum. Seine Augen weiteten sich – ob ebenfalls vor Überraschung oder vor Schreck, ließ sich nicht sagen. Der Drache musterte ihn aus blauen Augen, die die gleiche Kälte ausstrahlten wie die seines Herrn. Der Mann trat einen Schritt zurück, hinein in die Schlaufe seiner Zügel, ein weiterer Schritt – Er spürte noch, wie sein Stiefel auf einen glatten Dachziegel stieß und abrutschte. Er versuchte sich an seinem Schlitten festzuklammern, bekam den Rahmen zu packen. Von einer Sekunde zur andern geriet der ganze Schlitten samt Rentiergespann und Fahrer ins Rutschen. Die Tiere bemühten sich verzweifelt, den Schlitten am Absturz zu hindern und mit ihm abzuheben, doch ihre Beine waren völlig durcheinander geraten. Als sie die Dachrinne streiften, schaffte der Mann es, die Verbindung zwischen Schlitten und Gespann zu lösen. Die Rentiere, nun von der Last des schweren Schlittens befreit, trabten an und – Seto blieb fast das Herz stehen – flogen davon. Im gleichen Moment wurde er vom Schwanz des Drachen erfasst, nach hinten gefegt und wirbelte kurzzeitig selbst durch die Luft. Er landete äußerst schmerzhaft mit seinem Hinterteil auf dem Rasen, der von einer Schicht Reif überzogen war. Dass der Boden steinhart gefroren war, war seiner Landung alles andere als zuträglich. Nur wenige Meter von ihm entfernt, genau dort, wo er bis eben noch gestanden hatte, war ein durchdringendes Krachen zu vernehmen. Holz barst, Splitter flogen in alle Richtungen auseinander. Die Rentiere schnaubten aufgeregt, flogen eine Kurve und landeten neben dem hölzernen Schrotthaufen, der bis vor kurzem noch ein schön bemalter Schlitten gewesen war. Seto stand langsam, mit etwas gequältem Gesicht auf und rieb sich die Kehrseite, die morgen mit großer Wahrscheinlichkeit ein blauer Fleck zieren würde. Auf dem Vorplatz seiner Villa hatte sich eine riesige Menge bunt verpackter Päckchen verteilt, dazwischen die Reste des Schlittens und inmitten dieses ganzen Chaos lag der Mann mit dem roten Mantel. Der größte Teil seines Gesichts war von einem dichten weißen Bart bedeckt. Das kann doch nur ein Albtraum sein, dachte der CEO. Er näherte sich dem Mann bis auf wenige Schritte und beobachtete ihn. Er stöhnte leise und hielt sich die Hand an die Stirn. Also war er nicht tot. Zumindest etwas. Eine Leiche in seinem Garten hätte ihm gerade noch gefehlt. Noch so ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse von Domino. Und wie hätte er das bitte schön der Polizei erklären sollen? Seto baute sich, die Arme vor der Brust verschränkt, um möglichst eindrucksvoll zu wirken, vor ihm auf. Er ärgerte sich, dass er in der Eile die Waffe, die er sich für den Notfall besorgt hatte, im Haus gelassen hatte. Sein strenger Blick wanderte zu dem Mann herunter, der gerade die Augen aufschlug. „Wer sind Sie und was haben Sie hier auf meinem Grundstück zu suchen?“, fragte Seto mit schneidender Stimme. Statt einer Antwort drang ihm nur ein weiteres Stöhnen entgegen. „Ich rate Ihnen zu antworten oder ich rufe sofort die Polizei und lasse Sie wegen Einbruch und Ruhestörung verhaften.“ Der Mann sah auf und blickte ihn mit gütigen Augen an, die das komplette Gegenteil von denen des Hausherren waren. „Guten Abend, Seto Kaiba. Du hast mir einen ganz hübschen Schrecken mit deinem Drachen eingejagt.“ „Antworten Sie mir endlich, wer sind Sie?“ „Oh, ist das nicht offensichtlich? Ich bin der Weihnachtsmann.“ Das breite Lächeln ließ in Seto die Lust anwachsen, ihm seine Faust ins Gesicht zu schlagen. „Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen. Sagen Sie mir auf der Stelle Ihren Namen.“ „Ich heiße Santa Claus. Aber ich bin auch als Sinter Klaas oder Weihnachtsmann oder Père Noël bekannt – such dir einen Namen aus.“ Setos Hand ballte sich zu einer Faust. „Hören Sie auf damit. Ich will Ihren richtigen Namen wissen.“ „Den habe ich dir eben gesagt, mein lieber Seto. Würdest du einem alten Mann vielleicht aufhelfen?“ „Ich rufe jetzt die Polizei“, sagte Seto und drehte sich weg. Der Mann versuchte allein aufzustehen, zuckte dann jedoch zusammen und stieß einen kurzen Schrei aus, gefolgt von einem tiefen Brummen. „Verflixt, das hat mir gerade noch gefehlt und auch noch ausgerechnet heute.“ „Was ist jetzt wieder?“, knurrte Seto. „Ich muss mir bei dem Sturz das Bein gebrochen haben.“ „Das ist nicht mein Problem. Dann kann ich wenigstens sicher sein, dass Sie mir nicht weglaufen, während wir auf die Polizei warten“, erwiderte er. Er zog entschlossen sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Polizei. Es klingelte kurz, dann hörte er am anderen Ende eine Frauenstimme, die ihm sagte, dass sein Anruf in der Notrufzentrale von Domino City eingegangen sei, er seinen Namen und den Grund seines Anrufes angeben sollte. Seto setzte zum Sprechen an, doch genau in der Sekunde wurde er von einem kurzen Piepen unterbrochen. Sein Blick richtete sich auf das Display seines Handys und er musste fassungslos feststellen, dass der Akku sich mit gefährlicher Geschwindigkeit der Nullgrenze näherte. „Es tut mir leid, Seto, aber das kann ich leider nicht zulassen“, sagte der Mann. Bei diesen Worten zog er selbst ein Handy aus einer Tasche seines Mantels und drückte auf eine Taste. „Hallo Timothy? Ich habe ein kleines Problem, Code 417. Nein, das ist leider kein Scherz, beeilt euch.“ „Wer ist Timothy?“, fragte Seto und beäugte seinen ungebetenen Besuch misstrauisch. „Mein Oberelf natürlich, was hattest du denn gedacht?“, sagte der Weihnachtsmann. „O-ber-elf“, wiederholte Seto wie mechanisch. „Natürlich. Und Sie sind der Weihnachtsmann.“ „Wie ich sagte.“ Nun begann Seto zu lachen. „Und das soll ich Ihnen glauben? Das wäre ein guter Witz – wenn ich dafür Humor hätte.“ Im nächsten Moment verstummte sein Gelächter. Ein paar Meter von ihnen entfernt begann die Luft zu flackern, als würde sie in Flammen stehen, Funken stieben umher und aus ihnen tauchten zwei Menschen auf. Obwohl ... nein, kein Mensch der Welt konnte so spitze Ohren haben. Die beiden Gestalten, die vor ihnen standen, waren in lange, weite Umhänge gehüllt. Das Mädchen mit den braunen Haaren schien ein wenig jünger als er zu sein, ihr Begleiter wirkte etwas älter. Er hatte seine langen blonden Haare zu einem Schwanz zusammengebunden. Die Kleidung der beiden wirkte ... nun, antik war vielleicht das falsche Wort, aber es lag nahe dran. Seto fühlte sich bei ihrem Anblick in das ausgehende 19. Jahrhundert hineinversetzt. Das Mädchen versteckte die Hände in einem großen Muff aus Fuchspelz. Seto verschlug es bei ihrem Anblick nicht zum ersten Mal an diesem Abend die Sprache. Das alles wurde immer verrückter. Er beschloss, gleich morgen einen Psychologen aufzusuchen, auch wenn er eigentlich überhaupt nichts von diesen Seelenklempnern hielt, die einem nur das Geld aus der Tasche zogen. Aber was er hier sah, war eindeutig nicht mehr normal zu nennen. Die beiden Elfen musterten Seto kurz, dann stieß das Mädchen einen entsetzten Schrei aus, als es den Mann am Boden liegen sah. „Santa, was ist mit dir passiert?!“ Sie stürzten an Seto vorbei und auf den Weihnachtsmann zu. „Timothy, Bianca, danke, dass ihr so schnell gekommen seid. Helft mir mal bitte auf.“ „Santa, ich halte es nicht für besonders klug, wenn du dich allzu viel bewegst“, erwiderte der als Timothy angesprochene Elf und betrachtete das rechte Bein des Rotgewandeten, das in einem seltsamen Winkel abstand. „Eindeutig gebrochen. Aber hier draußen ist es zu kalt, wir bringen dich ins Haus. Fass mal zu und hilf uns, Seto.“ „Äh – wie bitte?!“ Seto fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Jetzt wurden ihm auf seinem eigenen Grund und Boden auch noch Befehle erteilt wie einem Hausdiener. Als er sich nicht bewegte, brummte Bianca etwas, das er nicht verstand, aber alles andere als freundlich klang, fasste den Weihnachtsmann an den Schultern, Timothy nahm vorsichtig seine Füße und gemeinsam schleppten sie ihn Richtung Haustür. „He, Augenblick mal“, löste sich Seto endlich aus seiner Starre, sammelte hastig seine Karten zusammen und folgte ihnen. „Was soll das werden, wenn’s fertig ist?“ „Er muss ins Warme, Seto, und dein Haus ist schön warm“, gab Bianca zur Antwort und stieß mit dem Ellbogen gekonnt die Haustür auf. Sie trugen den Weihnachtsmann – obwohl Seto nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie das machten, beide waren zierlich und ihr „Gepäck“ war alles andere als ein Federgewicht – durch die Eingangshalle und in das Wohnzimmer. Dort legten sie ihn auf dem Sofa ab und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Bianca zog ihm mit größter Vorsicht den Stiefel aus und krempelte ihm das Hosenbein hoch. Der Knöchel war dick und blau angeschwollen. „Oh, oh, das sieht gar nicht gut aus“, sagte sie, während sie sein Bein untersuchte. „Ein glatter Bruch.“ „Immer dann, wenn man viel zu tun hat“, antwortete der Weihnachtsmann und ließ sich gegen die Sofalehne zurücksinken. „Wie soll ich denn so die Schornsteine herunterkommen, geschweige denn den Sack schleppen? Hätte das nicht warten können, bis ich fertig war?“ „Anstatt zu jammern, sollten wir uns überlegen, was wir jetzt machen, Santa“, erwiderte Timothy. „Über die Hälfte der Strecke liegt noch vor uns und der Schlitten ist auch zerstört. Wenigstens scheint der Sack den Sturz unbeschadet überstanden zu haben und von den Rentieren ist auch keins verletzt. Aber wir brauchen dringend einen Ersatz für dich.“ „Wie stellst du dir das vor?“, sagte Bianca. „Wo sollen wir mitten in der Weihnachtsnacht –“ Ihr Kopf wandte sich zu Seto um, der bisher mit verschränkten Armen in der Zimmertür gestanden hatte. Er schluckte, als er ein Funkeln in ihren Augen sah. Timothy folgte ihrem Blick. „Oh nein, Schwesterchen“, fing er an, doch Bianca hob die Hand, was ihn zum Schweigen brachte, und deutete auf Seto. „Wir nehmen ihn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)