Wenn die Nacht anbricht von sweet-shadow (story) ================================================================================ Kapitel 1, Teil 4 ----------------- „Was ist hier los?“, fragte Tülan so ruhig er konnte. „Solang das Licht nicht erlischt, ist alles gut, sie wagen es nicht“, erzählte ich immer noch fast wie in Trance. „Wer sind sie?“, fragte Tülan erneut, mit dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. „Sie haben keinen Namen, weil niemand sie jemals gesehen hat, keiner weiß, wie sie aussehen. Doch man kann sie fühlen… ja, das kann man nur zu gut… wenn es dunkel ist, kriechen sie aus den Schatten“, sagte ich ängstlich. Wie zur Bestätigung meiner Worte wurde das Licht im Bad merklich dunkler. „Ich mach uns mal einen Tee, ja?“, schlug Tülan vor. Ich nickte abwesend. War es nicht eigentlich ich, die in meiner Wohnung meinem Gast etwas zu trinken anbieten sollte? Doch im Moment kreisten meine Gedanken um dringlichere Sachen. Während Tülan in meiner Küche handwerkelte schlich ich zum Bad. In der Tür, die die zwei Räume verband, blieb ich stehen. Ich schaute ins Badezimmer. Niemand war dort zu sehen, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Tülan kam nun auch hinüber und schaute über meine Schulter in den Raum. Die Lampe wurde immer schwächer. Sie rang mit der Dunkelheit, den Schatten. Sie wollte nicht erlischen- war sich ihrer Aufgabe bewusst- doch es war aussichtslos. Bevor sie gänzlich ihren Geist aufgab zog ich die Tür rasch zu. „Wenn du mir nicht glaubst, wie erklärst du dir denn das?“, fragte ich und schaute ihn herausfordernd an. „Wer sagt denn, dass ich dir nicht glaube? Aber okay, dann sagen wir du vertraust mir- ja mir ist nicht entgangen, das du mir die Geschichte nicht abnimmst- und ich glaube dir deine. Was sagst du?“, fragte er und drückte mir eine Tasse Tee in die Hand. „Von mir aus“, sagte ich und zuckte die Achseln. Ich hatte wirklich andere Sorgen. Sie kamen… ich fror unwillkürlich bei dem Gedanken. Auch die warme Teetasse in meinen Händen half da nichts. Ich war mir sicher, dass ich nicht mehr fliehen konnte. Meinen Herzschlag spürte ich nun deutlich. Mein Atem ging rasch. Sie würden kommen und mich holen! „Was hast du getan?“, fragte Tülan, jedoch ohne jeglichen Anklang einer Anklage und setzte sich auf mein Bett. „Ich bin ihnen entkommen, als sie mich holen wollten. In letzter Sekunde bin ich ihnen entglitten. Ich habe sie erzürnt, wollte mich meinem Schicksal nicht beugen. Seit Wochen suchen sie mich jetzt- aber nun haben sie mich endlich. Ich konnte das unvermeidliche auch nur hinauszögern, nicht mehr…“ Ich schaute auf die Uhr, auf meinem Nachttisch: 2:06 nachts zeigte sie an. Das bedeutete, dass erst in 3 Stunden die Sonne aufgehen würde…. Das dauerte viel zu lange! „Wovor fürchtest du dich so?“, fragte er. „Vor ihnen—du wirst bald wissen, was ich meine“, sagte ich bitter. Ich setzte mich neben ihm auf’s Bett. „Mir jagt so schnell nichts Angst ein.“ Er lächelte schief. „Und ich werde schon dafür sorgen, dass diese Wesen, oder was sie sein mögen, dir und dem Ohrring nicht zu nahe kommen“. Er wollte mir Mut machen, Hoffnung geben, mir helfen, aber das vermochte zurzeit niemand. Auch er würde nichts ändern können. Ich seufzte. „Sollte man bei so einem großzügigen Angebot nicht eigentlich froh sein und mir tausend Mal danken?“, stellte Tülan gespielt gekrängt fest. Ein klägliches Lächeln huschte über mein Gesicht. „Tut mir Leid, es ist echt nett, dass du mich aufmuntern willst, aber es ist eben so, dass es keinen Sinn hat. Du wirst gegen sie auch nichts ausrichten können.“ Ich starrte ins Zimmer. Die Tasse hielt ich immer noch in meiner Hand aber ans trinken dachte ich gar nicht. Ich wusste nicht einmal, um was für eine Sorte es sich handelte. „Zweifelst du etwa an meinen Fähigkeiten? Nun gut, dann werde ich es dir eben beweisen müssen!“, sagte Tülan motiviert. Ein kurzes Schweigen kehrte ein. „Und nun? Ich sehe niemanden…“, stellte er fast enttäuscht fest. „Du wirst sie auch sehen können… wir können nur warten bis sie kommen, fliehen ist zwecklos. Überall ist es finster. Bete zu Gott, dass wir das überstehen.“ „Na wenn das so ist“, sagte Tülan gelassen und machte es sich gemütlich. Ich hing hingegen wieder meinen Gedanken nach. Hätte ich es verhindern können? Eigentlich nicht…. Es war ja keine Absicht gewesen… Die Kälte nahm zu. Auch Tülan rieb sich die Hände und stellte daraufhin die Heizung an. „Ich glaube nicht, dass das etwas bringt!“, Sagte ich düster, „sie sind es, die die Frostigkeit verströmen.“ Ich stellte meine unangerührte Tasse ab, stand auf und lugte zwischen den Jalousien nach draußen. Totale Schwärze. Waren sie vielleicht schon da? Beobachteten sie mich grade aus ihren schwarzen Augen aus? Schnell tat ich einen Schritt zurück. „Alles in Ordnung?“, fragte Tülan. „Nein, wie könnte es?“ Ich holte einen zweiten Pullover hervor und zog ihn mir über. „Wie heißt du überhaupt?“, fragte er dann. „Jelena“, antwortete ich. „Hübscher Name“, kommentierte Tülan. „Hast du dir nicht mal die Zeit genommen, auf das Schild neben meiner Haustür zu schauen?“, fragte ich leicht verblüfft, wurde denn aber um einen Antwort betrogen. Das Deckenlicht und die Nachtischlampe erloschen kurz, gingen aber sofort wieder an. „Es beginnt“, sagte ich verheißungsvoll. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)