Picture of you von Deryan (für Dahlie) ================================================================================ Kapitel 1: Picture of you ------------------------- Sooo...hier melde ich mich wieder mit einem neuen OS~ Genauergenommen ist das ein Wichtel-OS, den ich für Dahlie geschrieben habe. Ich hoffe, dass ich dein Geschmack getroffen habe und sie dir gefällt!! Aufjedenfall ist sie, bis jetzt, der längste One-Shot, den ich je geschrieben habe. Aufjedenfall wünsche ich euch viel Spaß mit dem One-Shot. Eure Deryan Picture of you ~Wann wurde dir bewusst, dass du ohne sie nicht mehr leben kannst? Wann wurde dir klar, dass du ihre Nähe mehr als alles andere auf der Welt brauchst? War es an dem Tag, als du ihren ersten Kuss stahlst? Oder war es an dem Tag, als du sie Lächeln sahst? Vielleicht aber auch, als du begonnen hast, auf jeden ihrer Schritte zu achten? Oder war es vielleicht auch an dem Tag gewesen, als sie dich zu Leben lernte? Also, wann wurde dir bewusst, dass du ohne ihr Lachen, ihre Heiterkeit und ihrem Wesen nicht mehr leben willst? Kennst du die Antwort? Nein...? Komisch, dabei liegt sie doch auf der Hand ... ~ Denn dieses eine unbeschreibliche und fremde Gefühl, das plötzlich in deinem inneren auftauchte und sich so unsagbar fremd anfühlte, begann schon an dem Tag, als du sie das erste Mal sahst. An den Tag kannst du dich noch sehr gut erinnern, oder? Es war ein bewölkter Nachmittag gewesen. Eine dicke, graue Wolkenschicht bedeckte den Himmel und verbarg die kugelrunde Sonne, die eigentlich so wohltuend für diesen kalten Dezembertag sein sollte- es aber leider nicht war. Du saßest in einem pechschwarzen Auto, das deiner Tante gehörte und wolltest ihren Worten, die sich deiner Meinung nach immer und immer wieder wiederholten, nicht mehr folgen. Zumal es dich auch kaum interessierte. Deine Augen fixierten ohne jegliche Emotionen zu offenbaren oder zuzulassen einen beliebigen Fleck und starrten ihn immer zu an. Und dein Körper lehnte sich auf eine anmutige Weise gegen den schwarzen Ledersitz. Ja, du sahst desinteressiert aus und wirktest, wie eine leblose Puppe, die man zum Bewegen zwang. Und die Worte, die in dein Unterbewusstsein drangen und von deiner Tante stammten, wurden langsam wirklich zu einer kleinen Qual. »Ich kann es immer noch nicht glauben.«, sagte die Frau vorwurfsvoll und ihre Finger umklammerten das Lenkrad ein bisschen fester, »Du hast dir schon viele Dinge geleistet, aber das ist nun wirklich der Gipfel.« Sie unterbrach sich kopfschüttelnd und schaute zur Seite. Ihr Neffe saß noch immer auf diese lässige Art und Weise auf dem Sitz und demonstrierte ihr, eigentlich wie üblich, diese Desinteresse, die ihr langsam zu viel wurde. Sie atmete einmal tief ein und fragte sich innerlich, was sie eigentlich in seiner Erziehung falsch gemacht hatte. Warum er so viel Unsinn anstellte und nie Reue zeigte- nicht einmal ein kleines bisschen. Warum er nie Rücksicht auf ihre Gefühle nahm oder nie zu Nachdenken wagte, wenn er wieder eine unsinnige Tat anstellte. Und irgendwie waren ihm die Konsequenzen auch egal gewesen, zumindest wirkte es auf sie so. Daraufhin seufzte die Frau unmerklich und blickte ihren Neffen noch immer mit einem prüfenden Blick an. Vielleicht lag es auch einfach an dem Tod seiner Eltern, den er nie wirklich verarbeiten konnte? Das könnte in der Tat ein Grund für seine ganze Rebellion sein. Doch auch wenn dieser Grund in ihrem Unterbewusstsein umherkreiste und sie ihn auf eine Art und Weise verstand, musste sie auch streng zu ihm sein. Denn so konnte es doch nicht weitergehen, oder? »Was um Himmels Willen hat dich zu so einer Tat getrieben?« Ihre Stimme nahm an Strenge zu, gleichzeitig offenbarte sich auch, eine leichte Unsicherheit, die er deutlich wahrnehmen konnte. »Ist doch egal.«, antwortete er mit der üblichen kalten Stimme. Seine rabenschwarzen Augen blickten nicht zur Seite, um einen Augenkontakt mit seiner Tante herzustellen, viel mehr sah es so aus, als ob er dem entgehen wollte. »Egal?« Ihre Stimme klang sprachlos. »Sag mal, spinnst du? Wie kann es egal sein, wenn du 70 Sozialstunden ableisten musst?! Obwohl ich glaube, dass diese dir gut tun werden, Sasuke.« Nun bebte sie und Sasuke merkte, wie sie ihre Wut zu unterdrücken versuchte. »Wie auch immer.«, sagte sie nach einer kleinen Pause, »Ich werde dich in drei Stunden wieder abholen.« Seine Tante wandte sich nun endgültig von ihrem Neffen ab und starrte aus dem Fenster. »Ach ja.«, setzte sie noch hinzu und ihre dunklen Augen wandten sich wieder zur Seite, »Sei so gut und versuche dich zu benehmen. Wenigstens ein bisschen.« Sasukes Finger umklammerten den Türgriff und machten schließlich die Tür auf. Ohne einmal aufzuschauen oder seiner Tante eine Antwort zu geben, stieg der junge Mann aus dem Auto. Das einzige, was die dunkelhaarige Frau hörte, war das Zuknallen der Autotür gewesen, das sich komischerweise sehr laut anhörte. Sasuke hingegen verzog spöttisch seine Augenbrauen, als er das riesige Gebäude vor sich sah, das nun wirklich nicht einladend auf ihn wirkte. Hohe Fenster erstreckten sich gebieterisch und luden ihn förmlich ins grauenvolle Innere ein. Die Mauern leuchteten in einem matten, bräunlichen Farbton, das trostlos auf ihn wirkte und als er den Namen des Hauses las, das in einer schönen Schrift geschrieben wurde, wurde ihm endgültig bewusst, dass er seine Strafe wirklich ableisten musste. Selbst sich dieser Tatsache bewusst, sah man keine einzige Regung auf seinem hübschen Gesicht, das irgendetwas verraten konnte. Sasuke spürte den kalten Wind, der seine Glieder hinauffuhr und einen leichten Schauer zurückließ, als er die Stufenpracht hinaufging. 70 gemeinnützige Stunden waren seine Strafe gewesen, die er von einem Gericht auferlegt bekam und in einem Seniorenzentrum ableisten musste. Für eine Tat, die in seinen Augen nicht nennenswert erschien, um so eine hohe Stundenanzahl zu fordern. Er trat in das innere des Zentrums und sofort stieg ihm dieser bekannte Geruch von alten Menschen in die Nase, die er verabscheute. Seine dunklen, rabenschwarzen Augen blickten sich einmal flüchtig um und erhaschten sofort eine kleine Anzahl von alten Menschen, die sich auf einer Couch ausruhten. Die Wandfarbe leuchtete in einem milden Gelb und Sasuke erkannte einige Gemälde, die sich in diesem riesigen Raum graziös verteilten. Ein riesiger Kronleuchter ruhte an der Decke und funkelte atemberaubend den Menschen entgegen. Einige Pflanzen standen perfekt organisiert an Ecken und verliehen diesem Raum etwas Spezielles. Und in der Mitte, es stach Sasuke sofort ins Auge, stand die Rezeption mit einer Dame darin, die sich ihrem Computer widmete. Eine spitzförmige Brille ruhte auf ihrer Nase und verlieh der älteren Frau etwas Strenges. Kleine, schmale Augen lugten hervor und konzentrierten sich auf den Bildschirm, den Sasuke nur halb sehen konnte. Unbekümmert und mit einer undefinierbaren Miene schritt er zur besagten Dame. Unwillkürlich blieb er am Tresen stehen und bemerkte erst in diesem Augenblick ein Mädchen neben ihm, das der Dame, die wie eine gemeine Hexe aussah, freundlich zu lächelte. Sein Blick verharrte für eine einzige Sekunde an ihr, doch genügte es ihm, um ihre kurzen, rosa Haare zu erhaschen, die sie nicht gebunden trug. Ihre blasse Haut, die irgendwie perfekt mit seiner harmonierte, ihre schmale Nase, die er seitlich sehen konnte und die rötlichen Wangen, die ihm zu erkennen gaben, dass sie sich vor wenigen Augenblicken noch draußen in der Kälte aufgehalten hatte. Und er wusste nicht wieso, aber als er ihre Stimme hörte, glaubte er, für einen Herzschlag, zu Erstarren. Sich einfach nicht mehr Bewegen zu können, so, als ob der riesige Zeiger der Zeit stehen blieb und somit die ganze Welt um ihn herum auch. Es war ganz merkwürdig für ihn. Merkwürdig und gleichzeitig auch fremd, als er sogar merkte, dass seine Stimme zu versagen drohte, als er zum Sprechen ansetzen wollte. Und viel merkwürdiger erschien ihm die Tatsache, dass diese Reaktion doch tatsächlich durch eine Stimme ausgelöst worden war. Nur eine einzige Stimme, von einem Mädchen, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte und doch etwas in ihm auslöste, das schwer zu definieren war. »Sie befindet sich wie immer im dritten Stockwerk.« Die Stimme der älteren Frau riss Sasuke aus der vermeidlichen Starre. Seinen Ellenbogen lehnte er lässig an einer Kante des Tresens und somit baumelte seine Handfläche in der Luft. In seinem inneren herrschte für den Moment eine große Verwirrung, dessen Ursprung er nicht ganz glauben konnte. Eines war Sasuke jedoch bewusst. Dieses eine Gefühl verspürte er noch nie in seinem 18-jährigen Leben und irgendwie wirkte es auf ihn erschreckend und auch unglaubhaft. Vielleicht hatte er sich diese Gefühlsregung aber bloß auch eingebildet? Seiner momentanen Lage konnte er es sich zu trauen. Schließlich war er noch immer etwas benebelt von den Ereignissen der letzten Tage, die auf eine stürmische Art in sein Leben drangen. Wie auch immer. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. »Dankeschön.«, antwortete das Mädchen und wieder glaubte Sasuke, als er ihre zarte Stimme hörte, dass er seinen Körper nicht mehr bewegen konnte und unbewusst zu einer Säule erstarrte. Es war in der Tat einfach merkwürdig und unbegreifbar, dass es schon wieder passierte. Nur wegen einer Stimme. Einer gewöhnlichen Stimme, die einem gewöhnlichen Mädchen gehörte. Und doch, löste sie etwas in ihm aus, das er nicht verstehen konnte. Und der Gedanke, dass er diese Gefühlsschwankung nicht einmal bei seiner Freundin je gespürte hatte, erschütterte ihn gleichermaßen. Schließlich waren sie seit zwei Jahren ein Paar und es gab nie so ein Gefühl, das er mit dem jetzigen vergleichen konnte. Im nächsten Moment, es war der Bruchteil einer einfachen Sekunde gewesen, ging das Mädchen mit den rosa Haaren an ihm vorbei. Ohne einen Blick zur Seite zu werfen und den Schwarzhaarigen zu erhaschen, ging sie einfach Richtung Fahrstuhl. Sie drehte sich nicht einmal um, was Sasuke ein wenig beleidigte. Schließlich übte er eine gewisse Anziehungskraft auf Mädchen aus, die er hauptsächlich seinem Äußeren zu verdanken hatte. Doch sie? Sie drehte sich nicht nach ihm um. Ja, es erschien ihm beinahe so, als ob sie ihn gar nicht bemerkte, ihn einfach übersah. Und das war auch das erste Mal an diesem bewölkten Tag, dass er sein Gesicht leicht verzerrte. Es war Verwirrung, was man in seinem Antlitz lesen konnte. Verwirrung und das nicht Verstehen, weshalb er eine derartige Gefühlsregung spürte. Aber das würde er niemals zugeben. Und so nahmen seine dunklen Augen den gewohnten, strengen Blick wieder an, der nichts offenbaren konnte, außer der eisigen Kälte, die er seinen Mitmenschen präsentierte. Er wandte sich der streng aussehenden Frau zu, die ihn erwartungsvoll anblickte und mürrisch fragte: »Sie wünschen?« Obwohl er endlich in den Mauern seines neuen Gefängnisses ankam und tatsächlich schon eine Stunde überlebt hatte, reichten ihm diese jedoch voll und ganz aus. Sein schwarzer Tag begann schon mit seinem Aufstehen und nahm einen weiteren brüchigen Lauf, als er das Seniorenzentrum erreichte und auf die unfreundliche Empfangsdame traf, die ihn mit ihren giftigen Blicken fast töten wollte. Als er endlich das besagte Zimmer erreichte, in dem seine Aufsichtsperson arbeiten sollte, fand Sasuke leider keinen Mann vor, der ihn eine Arbeit zu weisen konnte, dem er nicht positiv entgegen fieberte. Viel mehr beschränkte sich seine Aufgabe auf ein langes Warten, das sich zu einer kleinen Ewigkeit verwandelte, bis schließlich der vermeintlich, verschollene Mann auftauchte und sich nach weiteren langen Minuten, als ein widerlicher Kaus entpuppte, der ihn, Sasuke Uchiha, in der Tat, als ein Werkzeug ansah, das man überall in den Räumen, vor allem im riesigem Garten, gebrauchen konnte. Nicht nur, dass es der jüngste Spross der Uchihafamilie als entwürdigend ansah, solche niedrigen Arbeiten zu vollziehen, es kamen weitere Dinge hinzu, die er niemals in seinem Leben tun würde, es aber leider tun musste. Schließlich zwang ihn das Gericht dazu und so sprang er nach einer langen Diskussion über seinen eigenen Schatten und bekam Mopp und Besen in die Hand gedrückt. Bodenwischen, war die einzige Aufgabe, die ihn an diesem Nachmittag erwartete. Und so schrubbte der Uchiha nicht wollend und mit einem undefinierbaren und tödlichen Blick den Boden des dritten Stockwerks, bis schließlich das Umfallen des Eimers, gefolgt von einem heftigen Aufprall, ihn aufhorchen ließ. Sofort schleuderten seine Augen zur Seite und erblickten mit zusammengezogenen Augenbrauen eine Person, die leicht wimmernd auf den Boden kauerte. Sasuke grummelte wütend. »Kannst du nicht aufpassen, verdammt?!« Sein Tag war doch schon längst im Eimer. Warum musste noch das I-Tüpfelchen geschehen und ein Mädchen gegen den Eimer laufen? Er sah, wie blitzschnell sich das schmutzige Wasser ausbreitete und eine riesige Lache entstand, in der noch immer das Mädchen lag. »Entschuldigung.«, murmelte die weibliche Stimme leise. Ihre Finger spürten die Nässe, die sich auf den Boden ausbreitete und irgendwie wirkte ihr Blick etwas benommen, »Ich glaube, ich bin ausgerutscht.« Sasuke schaute noch immer nicht auf sie herab, als das Mädchen ihm diese Antwort gab. Viel mehr konnte man ein Zischen wahrnehmen, das aus seiner Kehle drang. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die seinen Ärger eine Prise Stärker zeigen sollten. »Und dabei hast du den Eimer umgeworfen.«, zischte er kalt und mit zorniger Stimme und vollendete gleichzeitig ihren Satz. »Das tut mir wirklich leid.« Das Mädchen setzte sich auf die Knie und tastete mit ihren Fingerkuppen vorsichtig den Boden nach dem Eimer ab, doch leider war ihre Suche vergebens. »Ich werde Ihnen Helfen, die Sauerei wegzuwischen.« Sasuke rollte genervt mit seinen Augen und mit einer ebenso genervten Stimme zischte er wieder: »Fassen Sie hier nich-« Er unterbrach sie abrupt. Denn beim schnellen Sprechen schleuderte er endlich seine rabenschwarzen Augen auf das Mädchen, das auf den Boden saß und war einfach nicht mehr fähig, seine dunkle und kalte Stimme erklingen zu lassen. Viel mehr hoben sich seine Augen unwillkürlich, bei der Erkenntnis, wer diesen kleinen Unfall fabriziert hatte. Sie war es wieder ... Das Mädchen, das er am Empfang traf. Das Mädchen mit dieser einen Stimme, die plötzlich in seinen Gedanken widerhallte und einfach nicht erlosch. Der Schwarzhaarige schluckte schwer und irgendwie fühlten sich seine Beine so unendlich schwer an. Seine Finger, die noch immer den Besen umschlossen, drohten ihn fallen zu lassen. Schweigend blickte er auf sie herab, nicht fähig nur ein Wort über seine Lippen zu bringen. Wieder dieses eine Gefühl, was er nicht spüren wollte. Wieder dieselben Symptome, die er bei ihrem aller ersten Treffen verspürte. Das alles sollte aufhören, verdammt! Doch hörten sie einfach nicht auf, blieben da und zwangen den stolzen Sasuke Uchiha zu fühlen. Und dann war da gleichzeitig etwas merkwürdiges, als er das Mädchen stumm beobachtete. Ihr halbes Gesicht blieb ihm weiterhin verschleiert, so dass er ihr Gesicht nicht richtig sehen konnte, aber ihm fiel sofort auf, dass dieser geradeaus starrte und nicht auf den Boden ruhte. Ihre nassen Finger tasteten sich behutsam voran, bis sie nach weiteren Sekunden, den Eimer berührte und ihn vorsichtig auf seine richtige Position stellte. Ihr Gesicht erstrahlte und präsentierte Sasuke ein Lächeln, das er lieber nicht sehen wollte. »Jetzt müssen wir nur noch das Wasser wieder aufwischen.« Hörte er sie wieder sprechen. Ihre Stimme klang so freundlich und zart, dass ihm beinahe übel werden konnte. Komisch, nicht wahr? Wie schnell sich die Gefühle eines Menschen verändern konnten, wenn er es wollte. Wenn ihm etwas gefiel, was er nicht zugeben wollte, konnte er es so wenden, dass es für ihn richtig erschien. Und in diesem Fall war es, schlicht und einfach, diese heftige Reaktion in seinem inneren einfach zu leugnen und das Gegenteil zu behaupten. Sasuke sah, wie ihre Finger wieder den nassen Boden berührten und sich auf die Suche nach dem Lappen machten. Und wieder entstand so etwas wie Verwirrung, das man in seinen Augen ablesen konnte. Sah sie denn den Lappen nicht? Er lag einige Zentimeter neben dem Eimer entfernt. Es waren nicht einmal zehn gewesen. Das war auch gleichzeitig der Moment, als er wieder klar denken konnte und der einzigartige Bann, der ihn gefangen hielt, zerbrach. Seine Füße eilten mit einem riesigen Schritt zu ihr und seine Finger griffen nach dem Lappen, den das Mädchen mit ihrem Finger kurz berührte. »Ich mache das alleine.«, sagte er schroff und blickte ihr gleichzeitig das erste Mal in die Augen, was ihm einen innerlichen Schlag versetzte. Leer ... Das Mädchen mit den rosa Haaren hatte leere grüne Augen gehabt, die durch ihn hindurch zu schauen schienen. Er schluckte, als in seinem Kopf eine vage Vermutung kreiste, die er nicht auszusprechen wagte. »Und ich kann Ihnen wirklich nicht helfen?«, fragte sie noch einmal und Sasuke sah, wie sich ihre feinen Gesichtszüge leicht veränderten und traurig aussahen. »Nein.«, sagte er beinahe tonlos. Seine Augen schauten noch immer in ihre, die sich einfach nicht reckten. Da ... Sie blinzelte einmal und wieder konnte er dieses eine, kurze Lächeln auf ihren Lippen sehen. »Also gut.«, antwortete sie leicht enttäuscht und wollte gerade aufstehen, als ihr aber etwas wichtiges einfiel. »Ähm ... mein Langstock ... Sehen Sie ihn irgendwo?« Sasuke zuckte bei ihrer Frage leicht zusammen. Gedankenlos blickte er schnell zur Seite und fand das gesuchte Gegenstück, auf den nassen Boden auf Anhieb. Seine kalten Finger griffen danach und hielten es ihr entgegen. Die Farbe des gesuchten Stocks war weiß und schwarz gewesen und es fühlte sich in seiner Handfläche glatt an. Das besondere an dem Gegenstück war aber, das es irgendwie nicht lang genug erschien, um Sasukes Vermutung zu bestätigen. Er war nicht einmal halbgroß, sondern wirkte auf ihn einfach zu klein, um einen Führer darzustellen. »Hier.«, hauchte er fast unmerklich und blickte sie wieder an. Seine Gedanken waren einfach verschwunden. Es herrschte eine unglaubliche Leere in seinem Kopf, dass man nicht brechen konnte und der junge Mann selber nur zum Starren verdammt war. Das Mädchen lächelte wieder und das war das erste Mal gewesen, das Sasuke ein Strahlen in ihren leblosen Augen erkannte. Zumindest glaubte er es. Sie öffnete ihre Handfläche und wartete, bis Sasuke ihr ihren Langstock gab. Nur schwer realisierte der Schwarzhaarige, dass sie ihre Hand geöffnet hatte und auf das Gegenstück wartete. Es dauerte nur einen Herzschlag, eine einfache Sekunde und Sasuke drückte ihr den Stock in die Hand. Und wieder bildete sich das eine Lächeln auf ihren Lippen, das sich in seinem Kopf einbrannte. »Danke.« Ihre Finger schlossen sich fest um ihre Sehhilfe. »Wissen Sie, hätte ich ihn gleich aufgeklappt, wäre dieses Missgeschick von mir nicht passiert. Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen entschuldigen.« Sasuke antwortete aber nicht, nickte bloß stumm und seine verblüfften Augen sahen, wie seine eine Vermutung an Richtigkeit annahm. Das rosahaarige Mädchen stand auf und klappte den langen Stock auf. Sofort leuchteten ihm die Farben schwarz, weiß und rot entgegen. Sie war blind. Sie konnte nichts sehen. Keine Farben erkennen, keine Gesichter sehen oder die Schönheiten der Welt erblicken. Nichts der Gleichen. Dunkelheit war das Einzige, was das Mädchen vor ihm tagtäglich sah. Und sonst nichts. Irgendwie fühlte sich der Uchiha plötzlich ganz unwohl. Er hörte sehr abgedämpft, wie sie sich noch von ihm verabschiedete und dann fort ging. Doch er kniete noch immer auf dem nassen Boden und konnte diese neu gewonnene Situation nicht realisieren. Warum bloß? Warum nahm ihn die Situation so mit? Ihm konnte es doch egal sein, ob sie blind war oder nicht! Er kannte sie doch gar nicht! Er wusste nichts über sie, außer, dass sie vielleicht bei jedem dämlichen Moment lachte und es für ihn fast unerträglich war, dieses eine Lächeln zu sehen. Aber sonst? Was interessierte ihn die Tatsache, dass sie nicht wusste, wie er aussah? Was kümmerte es ihn, dass sie nicht sehen konnte, was sie in ihm auslöste? Was kümmerten ihn diese ganzen Tatsachen? All das konnte ihm doch egal sein! Sasuke spürte eine Feuchtigkeit an seinem Knie. Plötzlich stand er auf und sah einen riesigen, runden Wasserfleck auf seiner Hose, der im Kniebereich zu finden war. Er grummelte wütend und fragte sich, weshalb er sich bloß niedergekniet hatte. ~ Als der nächste Tag einbrach, zwang sich der Uchihasproß beinahe in das Seniorenzentrum zu gehen. Einzig und allein die lange Standpauke seiner Tante, die sie ihm zu Ehren eine halbe Stunde lang hielt, überredete ihn zwanghaft wieder das eine Gebäude zu betreten, das er innerlich verfluchte. Oh ja, er dachte darüber nach, einfach nicht hinzugehen und die Zeit viel lieber mit seinen Freunden zu verbringen, die beinahe fast alle aus der Misere davonkamen, doch wirkte die Überredungskunst und die Tatsache, dass seine wütende Tante sein geliebtes Auto für sich beanspruchen würde, wenn der Schwarzhaarige seine Strafe nicht vollendete, für eine große Wendung. Und so spürte Sasuke den kalten Dezemberwind an diesem Vormittag, der sich eisig anfühlte. Die kahlen Bäume, die kein einziges Blatt auf ihren Kronen trugen, übersah er teilnahmslos und ebenso achtete er nicht wirklich auf seine Umgebung, so dass er nicht sehen konnte, ob der erste Schnee in diesem Jahr fiel oder nicht, bis er schließlich das Seniorenzentrum erreichte und die verhassten Stufen hinaufging. Und als er endlich hineinging, den Fahrstuhl nahm und mit einer emotionslosen Fratze in seine Garderobe schritt, wartete dort ein Spind auf ihn, der in einer dunkelblauen Farbe bemalt wurde. Seine kalten Finger, die in schwarze Handschuhe ruhten, öffneten ihn schnell und als der Schatten im inneren des Spinds verschwand, erkannte Sasuke ein zusammengefaltetes Papier und drei einzelne Süßigkeiten, die sich als Bonbons entpuppten. Seine Augenbraue hob sich spöttisch und seine Augen blickten sich kurz im Raum um. Große Fenster erstreckten sich zu seiner Rechten, die den kalten Dezembertag draußen näher zeigten. Der Raum war nicht sonderlich groß und von vielen anderen Spinden beladen, die sich im ganzen Raum verteilten. Die Wandfarbe erstach in einem matten Blau und die kleine, unbeschwerliche Lampe, die an der weißen Decke hing, war angeschaltet worden. Sasuke grummelte leicht und seine Finger griffen schnell nach dem Stück Papier. Er entfaltete es ohne Begeisterung und las sich die wenigen Zeilen, die der kleine Brief beinhaltete schnell durch: Lieber Mr. Unbekannter, es tut mir wirklich leid, dass ich Ihren Eimer umgeworfen und Sie mit zusätzlicher Arbeit belastet habe. Ich hoffe, dass Ihnen meine kleine Entschuldigung schmecken wird. S.H. Sein unglaubwürdiger Ausdruck, der über den kleinen Brief mehr als nur irritiert war, blickte wieder in den Spind und erkannte die drei Bonbons, die friedlich auf dem Blech lagen. Seine Finger griffen danach und schauten sie im Schein des Neonlichts näher an. Es waren tatsächlich drei Bonbons, die in seiner Hand lagen und ihn gleichzeitig Fragen ließen, weshalb sich das Mädchen solche Mühe gab. Und, im Übrigen, hasste er Süßigkeiten jeglicher Art. Das war auch einer der Gründe gewesen, weshalb er kaltherzig den kleinen Brief zerknüllte und ihn, samt den Bonbons, in einen Mülleimer warf. Denn der andere Grund, den er bis zu seinen Fußsohlen leugnete, war, dass wieder etwas in seinem Inneren entstand, das er nicht definieren konnte. Dieses eine mulmige Gefühl, das sich vielleicht auch als Freude bezeichnen ließ, erschreckten ihn ungemein und er bekam es tatsächlich mit der Angst zu tun. Er, Sasuke Uchiha, der sich vor nichts fürchtete und ihn letztendlich seine eigenen Gefühle erschreckten. Er hob das kleine Geschenk des rosahaarigen Mädchens nicht vom Mülleimer auf, als er mit einem kalten Blick den Kleiderraum verließ. Er schaute nicht einmal herab, als er die Tür aufmachte und den langen Gang hinunterging, der ihn schließlich zum Ziel brachte. ~ Wie immer waren ihre Schritte mit vorsichtig gewählt und doch sahen sie heiter und fröhlich aus, als sie durch den langen Gang des 3. Stockwerks ging. In ihrer einen Hand hielt sie eine blumenverzierte Vase und in der anderen einen langen Stock, der sie sicher durch die Gänge führte und bei jedem größeren und kleinen Gegenstand aufmerksam machte. Ihre kurzen Haare wurden zu einem Zopf gebunden, der von einem dunkelgrünen Band festgehalten wurde. Ein weißer Rock ruhte um ihre Hüften und man erkannte schwarze Strumpfhosen, die bis zu ihren Waden durch schwarze Stiefel verdeckt wurden. Ein schwarzer Pullover, der mit feinen rosa und weißen Verzierungen bedeckt wurde, schmückte ihren Oberkörper. Sie eilte weiter und hörte mit Bedacht, allen Geräuschen zu, die sie erhaschen konnte. Und so blieb ihr auch nichts anderes übrig, als überrascht stehen zu bleiben, als sie ein Brüllen wahrnahm, das sich direkt vor ihr abspielte. Der Herr, der den Ausraster auskostete, schien mehr als nur erregt gewesen zu sein. Die Vase, die noch immer in ihrer Hand ruhte, wurde fest an ihre Brust gezogen. So, als ob sie sich vor etwas schützen wollte. »Langsam reicht es mir mit dir, du Nichtskönner!!«, brüllte der rundliche Mann fast heiser und seine runden Augen funkelten bestialisch auf. Doch der Angebrüllte ließ sich davon nicht abschrecken. Viel mehr waren seine Züge kalt und emotionslos gewesen. Desinteressiert und angeödet waren die weiteren Eigenschaften, die man aus seinem Antlitz lesen konnte, was den rundlichen Mann noch wütender machte. Seine runden Backen wurden purpurrot und seine Hand ballte sich zu einer Faust, die aber nicht zu einem Schlag ausholte. »Hör mir zu, wenn ich noch einmal so eine schlampige Arbeit von dir sehe, dann wirst du rausgeschmissen und kannst sehen, wo du deine verdammte Schuld abarbeiten kannst!!« Nicht einmal ein Zucken war von dem jungen Mann zu erkennen, der rabenschwarzes Haar besaß und eben solche Augen, die jedoch leer und kalt aussahen. »Hast du mich verstanden, verdammt?!«, fragte der rundliche Mann genervt und schlug eine hässliche, aufgewühlte Fratze. »Ja, habe ich.« Das erste Mal erhob der junge Mann seine dunkle und gebieterisch wirkende Stimme. Seine Augen sahen noch immer kalt aus, doch das Desinteresse verschwand aus seinen blassen Zügen und schienen für Sekunden aufzulodern. »Gut!«, antwortete der Mann und fügte herrisch noch hinzu: »Mach das nochmal sauber!« Und dann ging er mit mächtigen und herrischen Schritten davon. Das Mädchen, das dem Schauspiel fleißig zuhörte, zuckte unmerklich zusammen, als der gemeine Mann an ihr vorbeiging. Nach einigen Minuten der Stille, die das Mädchen mit Lauschen verbrachte und dadurch erfuhr, dass der junge Mann wieder seiner Arbeit nachging, versuchte sie den ersten Schritt zu wagen und ein Gespräch anzufangen. »Ist alles okay mit dir?« Sasuke zuckte sofort auf, als er diese eine Stimme hörte. Er drehte sich schnell um und erkannte sie tatsächlich wieder. Sie hielt eine Vase in der Hand, die gegen ihre Brust gedrückt wurde. Ihren Langstock hielt sie heute in den Händen und das kurze rosa Haar wurde zu einem Zopf gebunden. Ihr mitfühlender Blick ließ in Sasuke unwillkürlich etwas entfachen, was er nicht spüren wollte. Mit einem wütenden Ausdruck im Gesicht wandte er sich schnell von ihr ab und widmete sich dem Fenster zu, das er noch einmal putzen musste. »Warum sollte es nicht okay sein?«, antwortete er mit einer kalten Stimme. Sasuke wandte sich nicht um und fragte sich gleichzeitig, weshalb er ihr eigentlich antwortete. Seine Augen schauten aus dem Fenster und erhaschten den Winter, der draußen herrschte. In seiner linken Hand hielt er ein weißes Tuch fest, das mit langsamen Bewegungen das Glas reinigte. Und die Stille, die für einige Sekunden entstanden war, kostete er komischerweise voll und ganz aus. Doch dann, hörte er sie wieder sprechen: »Ich dachte bloß. Wegen dem strengen Mann, der gerade hier war.« Sasukes Augen starrten schnell auf die Stelle des Fensters, die ihr Spiegelbild anzeigte. Sie lehnte sich gegen die Wand und blickte auf den nackten Boden. Wieder überkam ihn das Gefühl von vorhin, als er ihren Brief las und so wandte er sich schließlich von ihrem Spiegelbild ab. Weshalb entfachte so etwas in ihm? Warum? Er wusste die Antwort einfach nicht und wollte sich am liebsten Ohrfeigen. Für eine Schwäche, die ihn blamierte, obwohl nur er der einzige war, der davon wusste. Seine schönen Züge wurden zornig. Er brauchte eine Distanz. Eine große Distanz, die ihn ganz weit weg von ihr brachte und diesen Gefühlen, die er nicht nachvollziehen konnte. »Ich wüsste nicht, was es dich angeht.«, sagte er kalt und blickte ihr Spiegelbild wieder an. Vielleicht würde sie durch diese Antwort gekränkt werden und einfach gehen? Er hoffte es. Doch das Mädchen lächelte und bewegte sich nicht von der Stelle. »Ich verstehe.«, antwortete sie ihm schließlich, »Sag mal, hat dir meine kleine Entschuldigung geschmeckt?« »Ich hasse Süßigkeiten.« Wieder blickte er ihr Spiegelbild an, das er am Fenster sah und wieder überkam ihn dieses eine Gefühl. Er beruhigte sich innerlich. Sprach sich gute Gründe ein, die für sein lächerliches Verhalten führen konnten und sehnte sich nach dem Moment, an dem sie endlich verschwand. »Oh« Ihre Finger berührten ihre Lippen, dann lächelte sie wieder. »Das wusste ich nicht.« Ihr Blick wandte sich vom Boden ab und blickte in Sasukes Richtung, der noch immer mit dem Rücken zu ihr stand. Dann hörte Sasuke Schritte. Federleichte Schritte und das Geräusch ihres Langstocks, der am Boden glitt. Der junge Mann rollte panisch mit seinen Augen und ging gleichzeitig einen Schritt zur Seite, als das Mädchen neben ihm stehen blieb. »Dann habe ich vielleicht etwas passenderes für dich. Es ist doch in Ordnung, das ich dich duze, oder?« »Ja.«, antwortete er ihr mit versuchter kalter Stimme. Und dann geschah wieder dieses eine Lächeln, das ihn fast um den Verstand brachte. Er sah, wie ihre Finger in die Vase griffen, die gefüllt von gelben Blumen war und nahm eines davon heraus. »Hier.«, sagte sie heiter, »Ein Scharfer Hahnenfuß, genannt auch Butterblume.« Sie schenkte ihm ein Kraut? Wieder wuchs eine Unglaubwürdigkeit in seinen Zügen heran, die er nicht aufhalten konnte. Was war bloß in das blinde Mädchen gefahren? Warum machte sie ihm solche fragwürdigen Geschenke? Er wusste nicht warum er das tat, aber seine Finger nahmen das kleine Geschenk entgegen und hielten sie noch in der Luft. Seine Augen verweilten einen Augenblick daran. Der Blütenstiel war rund gewesen und nicht gefurcht. Es waren fünf Blütenblätter zu erkennen, die in einem leuchtenden Gelb erstrahlten, das einen an Gold erinnern ließ. Aber nichtsdestotrotz fragte sich der Uchiha, weshalb sie ihn so etwas Absurdes schenkte. »Weißt du, das ist einer meiner Lieblingsblumen. Ich hoffe, dass sie dir gefällt.« Das besagte Lächeln lag schon auf ihren Zügen, das Sasuke wieder sah. Verzerrt sahen seine Augen für einen Moment aus, wissen tat er wie immer nicht warum. Genauso wenig wusste er, wie lange sie so still schweigend nebeneinander standen. Aber er wusste ganz genau, dass er dem Impuls, dieses Bedürfnis sie zu Berühren stark verdrängte. Wissen zu wollen, wie sich die geröteten Wangen wohl anfühlen mochten. Wissen zu wollen, wie weich ihre Haut sein könnte. Und genauso wissen zu wollen, wie ihre Lippen schmecken würden, wenn er seine auf ihre legte. Er verkrampfte sich bei dem Gedanken und wollte wieder die nötige Distanz halten, die ihn vor ihr beschützen sollte, doch kam ihm eine fremde Stimme in die Quere, die durch den ganzen Gang schrie. Sasuke zwang sich förmlich von ihrem hübschen Gesicht wegzuschauen und sich nach hinten umzudrehen, wo er eine alte Frau erkannte, die fast panisch nach einem Mädchen suchte. »Sakura!« Hörte er sie wieder schreien und merkte gleichzeitig, wie sich das Mädchen neben ihm umdrehte. »Das ist meine Oma.«, flüsterte sie leicht belustigt und wandte sich wieder Sasuke zu. »Ich muss gehen. Sonst denkt sie noch, dass ich mich verlaufen hätte. Oh ... sie wird denken, dass ich mich verlaufen habe. Ich habe ganz vergessen Wasser, für die Blumen, zu holen.« Sasuke entging nicht, wie sie ihre Augen zusammenkniff und er realisierte diesen einen Ausdruck auf ihren Zügen auch, die sich selber Dummkopf nannten. »Ach«, machte sie kaum merklich, »Wie auch immer. Ich hoffe, die Blume gefällt dir.« Und dann ging sie wieder. Dann verließ sie ihn und er hörte die Schritte, die sie beim Gehen machte. Er hörte wieder ihren Stock, der auf den Boden glitt und er hörte ihre Stimme, die in einem lauten Tonfall den Rufen ihrer Oma antwortete. Doch das alles schien irgendwie weit weg zu sein. Seine Augen fixierten wieder die Butterblume, die sich in seiner Hand befand und irgendwie bereitete ihm der Gedanke zu wissen, wie das blinde Mädchen hieß, Kopfschmerzen. Denn er wollte ihn nicht wissen. Er wollte nicht wissen, dass das blinde Mädchen Sakura hieß und eine Schwäche für Butterblumen hatte! Ihm genügte dieses abscheuliche Lächeln, das sie bei jeder Gelegenheit aufsetzte und seine kalte und dunkle Welt irgendwie aufhellte. Er brauchte so etwas nicht! Und genauso wenig brauchte er diese abscheuliche Blume, die ihr Wesen deutlicher zu beschreiben schien. Dieses grelle, hässliche Gelb machte ihn noch krank. Seine Hand, in der er die kleine Blume hielt, ballte sich zu einer Faust und zerquetschte das kleine Geschenk. Als er diese wieder öffnete, sah Sasuke die einzelnen Blütenblätter, die wirr auf seiner Hand zerstreut lagen. Er brauchte so etwas nicht! Er schmiss die Blume gegen die Wand, griff nach dem weißen Lappen und dem Glasreiniger und wusch das verschmutzte Fenster noch einmal. ~ Sein Vorbehalt, den er sich an jenem Tag gemacht hatte, verfehlte leider kläglich. Sich vorzunehmen, ihr aus dem Weg zu gehen, Gespräche mit ihr zu meiden, sie selber zu ignorieren, wenn sie einen Raum betrat und ihn erkannte, ging allerdings tatsächlich für zwei Wochen auf. Doch leider besuchte das Mädchen drei Mal die Woche ihre Oma und so war das für ihn ein vernichtender Schlag, als er wieder auf sie gestoßen war und mit diesem Lächeln konfrontiert wurde, das er einfach nicht mehr vergessen konnte. Sasuke erinnerte sich noch gut an die Zeit vor zwei Woche, als er ihr auf einem Gang begegnete und stillschweigend an ihr vorbeiging, ohne das sie etwas an seiner Präsens merkte, was für ihn ein Verhängnis bedeutete. Aber noch schlimmer wurde die Zeit, als er sich selber dabei erwischte, wie er das rosahaarige Mädchen unauffällig beobachtete. Wie er ihr nachschaute, wenn sie an ihm vorbeiging und sich ihre Oberarme fast berühren konnten. Wie er an der Zimmertür ihrer Oma halt machte, wenn die Tür leicht geöffnet war und ihre liebliche Stimme hervordrang. Wie er sich gegen die Wand lehnte, die Augen schloss und ihrer Stimme lauschte, die jedes Mal einen anderen Klang annahm. Einmal versuchte sie böse zu sprechen, als sie die Stimme eines Bösewichts nachahmen wollte. Überheblich, als sie die Stimme einer naiven Frau mimte. Kindlich, als ein Mädchen sprach. Und Sasuke ertappte sich tatsächlich dabei, als er ein Lächeln auf seinen leblosen Zügen merkte. Es war ein scheues Lächeln, eines, das kaum merklich geschehen und in die Vergessenheit geriet, aber er merkte diese Veränderung an sich. Seine Augen sprangen blitzschnell in die Höhe und auf seinem Gesicht las man Unfassbarkeit ab, die einfach nicht schwinden konnte. Das war das erste Mal gewesen, dass seine Lippen ein Lächeln zierte. Seit dem Tod seiner geliebten Eltern hatte er nicht mehr gelächelt und jetzt? Jetzt lächelte er doch tatsächlich, weil das Mädchen ihre Stimme verstellte. An einem anderen Tag konnte er einen Blick auf das Zimmer der Oma werfen, die ihre Türen sperrangelweit geöffnet hatte. Sasuke sah einige Laternen auf der Fensterbank, die viele Kinder als Spielzeug betrachteten und damit wandern gingen. Eine Sonnenförmige, Mondförmige und eine bunte, runde Laterne, die versetzt auf der Fensterbank standen und das Zimmer noch freundlicher gestalteten. Des Weiteren lag auf dem Fußboden Konfetti verstreut, das ihm in den verschiedensten Farben entgegen glitzerte. Dann traf er Sakura ein weiteres Mal unauffällig. Sie unterhielt sich mit einer braunhaarigen Schwester und ihr Lächeln traf ihn bis ins Mark. Sasuke stand einfach nur da. Anstatt wegzuschlendern und die Hände in seine Hosentaschen zu vergraben, stand er einfach nur da und schaute sie an, bis er es nicht mehr aushalten konnte und wegging. Einmal folgte er ihr unbewusst den Gang runter. Er wusste nicht wie, aber seine Finger griffen automatisch nach dem Band ihres Rockes, das um ihre Hüfte gebunden war. Er hielt ihn nur einen Herzschlag fest. Ein kostbarer Moment, den er auskostete. Sakura ging weiter, merkte von all dem nichts und das Bändchen in seinen Händen entglitt ihm, was er stumm zuließ. Ein anderes Mal, an dem Tag wollte er sich am liebsten Ohrfeigen, begegnete er ihr wieder. Sie waren alleine auf dem Gang gewesen und sie erkannte ihn, fing ein Gespräch an, das er eigentlich ignorieren wollte und sich vornahm zu verschwinden, jedoch versagten seine Füße kläglich. Sie sprach über belanglose Dinge, die Sasuke nicht interessierten, aber ihnen entfliehen konnte er auch nicht. In diesem Moment wollte er ihr ein paar Beleidigungen an den Kopf werfen, damit sie ihn nie wieder belästigte und er für die nächsten Tage endlich Ruhe vor ihr hatte, doch all das brachte er nicht über seine Lippen. Stattdessen ging er tatsächlich auf das Gespräch ein. »Ich liebe den Schnee.« Hatte sie an dem Tag gesagt, was Sasuke unwillkürlich zusammenzucken ließ. Noch etwas, was er über sie erfuhr, aber nicht wissen wollte. Und dann ..? Dann wurde er gemein zu ihr. Seinen Besen, den er in einer Hand hielt, ließ er unbarmherzig auf den Boden fallen. Nur einen Schritt benötigte er, um ihr ganz nahe zu sein. Er sah ihr Gesicht so deutlich vor sich, das ihm die Stimme versagte. Er setzte zum Sprechen an, doch es kam nur sein heißer Atem heraus. Und mit einem Mal wusste er nicht, was mit ihm geschah. Ungewollt, nicht mehr Herr über seine eigene Lage, kam er ihr noch näher, so dass er ihren Atem auf seiner Wange spüren konnte. Sein Herz klopfte unkontrolliert und heftig gegen seine Brust, als er ihren Lippen ganz nahe kommen wollte, um ihr einen federleichten Kuss zu stehlen. Doch bevor seine Lippen ihre berühren konnten, wurde Sasuke bewusst, was er in diesem Augenblick vorhatte und entzog sich ihr blitzschnell. Irritiert, benommen und mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck eilte er an ihr vorbei. Den anderen Begegnungen, die nach diesem Erlebnis folgten, wollte er entgehen, aber irgendwie schaffte er es selber nicht. Und so begann er sie unfreiwillig hinzunehmen, ignorierte all seine Impulse, die er ihretwegen fühlte, bis er schließlich lernte damit umzugehen. Das Erstaunlichste an den ganzen Tatsachen aber war, dass er auf Gespräche mit ihr nicht mehr verzichten konnte. Er wusste nicht wieso, aber irgendetwas in seinem inneren konnte bald nicht mehr ohne das Mädchen sein. Sie kam beinahe jeden Tag, suchte ihn auf und beide sprachen stundenlang miteinander. Am Anfang waren es belanglose Gespräche, die sich aber mit der Zeit änderten und an Wichtigkeit für ihn annahmen. Sasuke sprach über seine Eltern, über ihren Tod und was es für ihn bedeutete. Die Tatsache, dass er so etwas Persönliches preisgab, erstaunte ihn. Er war anfangs sogar entsetzt, doch irgendwie wusste er, dass es bei ihr anders war, ihr so etwas anzuvertrauen, als bei seinen Freunden. Sie hörte ihm zu, stand ihm bei, hielt an Momenten, an denen es wichtig war nichts zu sagen, den Mund. Er konnte ihr sein innerstes offenbaren und wusste auch gleichzeitig, dass sie nie über ihn Lachen würde. Er lernte, dass ihr Strahlen, ihr Lächeln tatsächlich echt war und nicht eine Fassade, in der sie sich versteckte. Sie strahlte wirklich so viel Leben aus, das es Sasuke fast erschreckte. Dabei war sie blind. Sie sah nichts. Bloß die Dunkelheit, die ihn manchmal auch aufzufressen schien. Aber sie? Die Dunkelheit, die sie umgab, fraß sie nicht auf. Sakura stellte sich ihr entgegen. Sie sah all dem optimistisch entgegen und liebte das Leben nichtsdestotrotz, das ihm egal war. Anfangs zumindest, und jetzt? Sasuke wusste es nicht, aber was ihm auf jeden Fall immer mehr klar wurde, war, dass Sakura das war, was ihm fehlte, was er haben wollte. Sie war das Licht in seiner kalten Dunkelheit. Komisch, wie er sich in ihrer Gegenwart benahm. War es real, dass er sich wegen ihr frei fühlte? War es Wirklichkeit, dass sie ihn lehrte, das Leben zu genießen? Und zwar auf die kleinen Dinge des Lebens zu achten, die einen Menschen erfreuten? Tat sie das absichtlich oder unbewusst? Er kannte die Antwort nicht, aber was er wusste war, dass er anfing diese Tage zu genießen. Sie zu brauchen und zu missen, wenn sie nicht da waren. Aber was würden seine Freunde sagen, wenn sie erfuhren, wie er sich in ihrer Gegenwart benahm? Würden sie ihn auslachen oder ihn schockiert ansehen? Würden sie es billigen, dass Sakura blind war? Hatte er es überhaupt akzeptiert? Nach reichlichen Überlegungen und dem Nachdenken kam Sasuke zu einem traurigen Entschluss. Er würde es geheim halten. Seinen Freunden und der Öffentlichkeit würde er von diesem besonderen Mädchen nichts erzählen. Er fragte sich abermals, weshalb er diesen Entschluss fasste und einfach nicht zu ihr stand. Dann kam ihm auch gleich die Antwort, die ihn gleichzeitig auf den Boden der Tatsachen brachte. Weil sie blind war und seine Freunde und sein Lebensumfeld es nicht akzeptieren würden. Außerdem kam ein weiteres Gefühl hinzu, das sich Angst nannte und sich tief in ihn einbrannte. Er traute sich nicht, sie seinen Freunden vorzustellen, weil sein Bild, das einen kalten und unbarmherzigen jungen Mann repräsentierte, bröckeln würde und Schwäche offenbarte. Deshalb wurde diese Freundschaft, die er nichtsdestotrotz nicht missen wollte, sein kleines Geheimnis. ~ Seine Finger umklammerten ihre Schultern und führten das Mädchen geradeaus. »Wo führst du mich hin?«, fragte Sakura etwas perplex und ging gehorsam weiter. »Das wirst du noch sehen.«, antwortete er ihr mit gewohnter kalter Stimme. Sein Griff um ihre Schultern wurde zumal fester, bis dieser leichte Druck von Sakura abnahm, als sie das Ziel erreichten. »Wo befinden wir uns?«, fragte Sakura wieder und breitete ihre Finger aus, um etwas ertasten zu können, doch sie spürte Sasukes Hände, die sie dazu zwangen, sich um ihre eigene Achse zu drehen und schließlich in seine Brust zu landen. Ihre Finger zog er einfach um seinen eigenen Nacken und sagte beiläufig: »Halt dich an meinem Nacken fest.« Sakura hörte, wie schnell er die Tür aufmachte, die vor ihnen ruhte und wie schnell sich seine Hände um ihre Taille schlossen und sie in die Luft hoben. »Jetzt folgen einige Treppenstufen. Du verstehst, dass ich dich schnell hinauftragen möchte?« Sasuke blickte in ihr Gesicht, das eine beleidigte Schnute zog. »Ich verstehe«, antwortete sie ihm gespielt beleidigt, »Ich bin halt zu langsam.« Seine dunklen Augen glühten auf und auf seinem ausdruckslosem Gesicht huschte für eine Sekunde ein Lächeln, das schnell wieder erlosch. »Sei nicht beleidigt.«, sagte er wieder mit der üblichen kalten Stimme. Er sah das Grinsen auf ihrem Gesicht, das sein Herz erwärmte. »Ich doch nicht!« Das rosahaarige Mädchen schlang ihre Arme noch fester um seinen Nacken, als sie spürte, dass der Uchiha die erste Stufe hinaufging. Ihr Herz klopfte mit jeder Sekunde so heftig gegen ihre Brust, dass sie Angst verspürte, Sasuke würde etwas merken. Sakura wollte dieses eine und schwer zu beschreibende Gefühl nicht spüren, das sie seit Tagen verfolgte und in seiner Gegenwart explodierte. Doch sie fühlte es jeden Tag. Sie fühlte das Stechen in ihrer Brust, wenn er nicht da war. Das Glücksgefühl in ihrem Magen, wenn sie auf ihn traf und mit ihm sprach. Das Kribbeln, das ihren Nacken hinaufkitzelte, wenn er sie leicht berührte. All diese Symptome verspürte sie in seiner Gegenwart, obwohl sie es nicht wollte. Obwohl sie nur Freundschaft für ihn empfinden sollte, tat sie es nicht. Und irgendwie ließ sich das nicht mehr leugnen, dass sie für Sasuke Uchiha mehr als nur Freundschaft empfand. Und obwohl die Stationsschwestern und ihre Oma sie vor Sasuke warnten, ihr sagten, dass er kein guter Umgang für sie wäre und Sakura wirklich auf ihren Rat hören sollte, hielt sie sich letztendlich nicht an ihre Warnungen und traf sich mit ihm, sprach mit ihm, bis sie sich letztendlich in ihn verliebt hatte. Aber was fühlte er? Liebte er sie? Oder sah er sie als ein Mittel zum Zweck, das sich seine ganzen Probleme anhörte? Sakura konnte ihn so schlecht einschätzen. Er besaß Gefühlsschwankungen, die manchmal nicht komisch waren. An einem Tag war er nett, den anderen so eiskalt, dass sie sogar Angst vor ihm bekam. Und doch wusste sie, wie es in seinem inneren aussah, welche Leere sich dort befand und Sakura wollte diese Leere füllen, mit all den Mitteln, die sie zur Verfügung hatte. Aber wie fühlte er? Hatte er sich in das blinde Mädchen vielleicht doch verliebt? Sakura spürte seinen wunderbaren Geruch, als sie ihre Arme eine Prise fester um seinen Hals schlang. Liebe? Konnte er so etwas? War er zu dem fähig? Sie glaubte, dass er es war. Aber würde er sie lieben? Die Antwort, die Sakura in ihrem Herzen vermutete, sah alles andere als zufriedenstellend aus. Sie verbarg nämlich ein klares nein. Wer würde sich schon in ein blindes Mädchen verlieben? Zu weiteren Gedanken war sie nicht mehr fähig. Sakura spürte, wie Sasuke sie auf den Boden stellte. Ihre Hände umschlangen noch immer seinen Hals und irgendwie wollte sie einfach nicht loslassen. Viel zu schön war das Gefühl sich in seinen Armen zu befinden. Seine Brust zu spüren, seinen Atem an ihrem Ohr fühlen, welches in ihr eine Gänsehaut verursachte. Sie ließ aber los und spürte die plötzliche Kälte vor der Sasuke sie nicht schützen konnte. »Sind wir da?«, fragte Sakura neugierig. Ihr Finger wollten wieder zu forschen beginnen und sie war erfolgreich. Sie spürte etwas Kaltes unter ihren Fingern, das sich als eine Eisentür entpuppte. Doch Sasukes Hände zogen ihre beiseite. »Du bist zu neugierig.«, sagte er knapp und öffnete die Tür, die ihnen noch im Weg stand. Als Sakura dieses vertraute Geräusch hörte, lächelte sie und spürte gleichzeitig einen kalten Windstoß, der auf ihrer Haut eine Gänsehaut zurückließ. »Wir sind draußen?«, fragte sie verwirrt und ging einen Schritt vorwärts. »Ja, wir befinden uns auf dem Dach.« Sakura wagte noch einen weiteren Schritt vorwärts und sog gleichzeitig die kalte Luft ein. »Was machen wir hier?«, fragte sie Sasuke und schaute leicht zur Seite. Der Angesprochene stand aber hinter ihr und Sakura spürte, wie seine Finger leicht ihre berührten und sie langsam drangen weitere Schritte vorwärts zu gehen. »Spürst du das denn nicht?«, flüsterte er ihr leise ins Ohr. Sakura ging nicht weiter. Zaghaft blieb sie stehen und versuchte Sasukes Worten zu Folgen. Und dann, als ob sie eine Feder leicht berührte, spürte sie eine hauchfeine Regung auf ihrer Haut, die sich nach dem Fall viel zu schnell in Flüssigkeit verwandelte. »Schnee.«, flüsterte sie so leise, so dass es nur der junge Mann hinter ihr hören konnte. »Ja, der Erste in diesem Jahr.«, antwortete Sasuke leise und sah ihr Gesicht von der Seite erstrahlen. Seine Hände ließen das Mädchen los und sahen, wie sie in die Flockenpracht eilte. Ihre Arme streckten sich und sie selber drehte sich abermals um die eigene Achse. Noch immer behielt sie dieses eine Lächeln auf ihrem schönen Gesicht, das Sasuke so liebte. »Herrlich.«, sagte sie nach einigen Augenblicken zufrieden und strahlte den Schwarzhaarigen noch immer an. »Ist es viel?«, fragte sie daraufhin neugierig und blieb plötzlich einige Meter vor ihm stehen. »Nein.«, antwortete er ihr gleich darauf, »Aber es hat auch gerade eben angefangen.« Sasuke schaute gen Himmel. Er sah graue Wolken auf dem Dach des Seniorenzentrums, gefolgt von unzähligen, friedvoll aussehenden Schneeflocken, die geschmeidig auf die Erde nieder rieselten. Ein atemberaubendes Schauspiel, das er mit Sakura teilen konnte, obwohl sie nichts sah, dafür aber viel zu deutlich spürte. Er blickte wieder zu dem besagten Mädchen und sah noch immer ihre Arme in der Luft, die einzelne Schneeflocken einfingen. Automatisch ging er einen Schritt auf sie zu, dann einen weiteren, noch einen, bis er schließlich wieder hinter ihr stehenblieb. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie überkam ihn wieder dieses eine Gefühl, das er die letzten Wochen zu unterdrücken versuchte und jetzt wieder an Oberhand gewann. Nicht einmal ein halber Schritt trennte sie beide voneinander, was Sasuke schlagartig klar wurde. Aber der junge Mann machte keine Anstalten, um wieder eine nötige Distanz zu wahren, die für beide am besten war. Plötzlich wandte sich Sakura um und wollte einen Schritt vorwärts gehen, als sie gegen ihn stieß. Seine Arme schlossen sich automatisch um ihre Taille und hielten das rosahaarige Mädchen fest. »Alles in Ordnung?«, fragte er sie daraufhin schnell und blickte Sakura sorgevoll ins Gesicht. »Ja.«, murmelte sie leicht benommen, »Aber du musst mir doch bescheid sagen, dass du dich so nahe neben mich stellst! Meine arme Nase...« Sasuke sah, wie ihr geröteten Finger ihre Nase vorsichtig abtasteten. Dann sah er ihre rosa Wangen, die einfach bezaubernd aussahen. Wieder ... Wieder dieses Gefühl, das sich nach ihr sehnte. Wieder dieser Zustand, der ihn nicht klar denken ließ. Sasuke hörte seinen schweren Atem, das schnelle Schlagen seines Herzens und er spürte den kalten Dezemberwind, der noch einmal einen eisigen Stoß zuließ. Doch all das kümmerte ihn wenig. Er sah nur Sakuras Lippen, die sich immer zu bewegten und mit ihm sprachen. Sein Griff ließ jedoch unwillkürlich lockerer. Anscheinend hatte sie ihm gesagt, dass er sie loslassen sollte. Doch er hatte es kaum gehört. Viel mehr war der Schwarzhaarige damit beschäftigt gewesen seine Lippen auf ihre legen zu wollen. Und sein Gesicht kam ihrem nahe. Seine Lippen kamen ihren viel zu nahe, doch zu einem Kuss kam es nicht. Sakura drehte sich nichtsahnend um und genoss weiterhin den Schnee, der das erste Mal in diesem Jahr in der Stadt zu sehen war. »Ich liebe den Schnee.« Hatte sie gesagt, ihre Augen geschlossen und wartete auf die Flocken, die ihre Haut berührten. Sasuke rang allerdings nach Fassung. Seine dunklen Augen ruhten noch immer auf ihr, beobachteten jede ach so winzige Reaktion von ihr. Und dann, wieder dieses eine Lächeln, das auf ihrem Gesicht erstrahlte. »Ich danke dir.« Ihre Augen waren wieder geöffnet und strahlten den Uchiha förmlich an. Sasuke wusste nicht den letztendlichen Grund, aber seine Füße eilten zu ihr. Es waren kaum zwei Schritte gewesen, die ihn zu ihr brachten. Benommen schlang er wieder seine Hände um ihre Taille und zog sie zu sich. Ganz nahe. Er spürte ihren Körper an seinem und im nächsten Moment, es dauerte nicht einmal einen einfachen Herzschlag, legte er seine Lippen auf ihre. Es ging so furchtbar schnell. Es war kein federleichter Kuss, den Sasuke ihr aufdrückte, sondern ein verzehrender und drängender Kuss, den er seit Wochen ersehnte und endlich bekam. Er sah ihre geöffneten und schockierten Augen nicht, die sie ihm schenkte. Denn seine waren geschlossen gewesen. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis seine Lippen endlich von ihren abließen. Sasuke atmete ihren heißen Atem ein, den sie erleichtert ausstieß. Allerdings war dieser kleine Halt nur eine kurze Unterbrechung gewesen, die zum Luftschnaufen gedacht war. Als Sakura zu Sprechen ansetzen wollte, spürte sie wieder seine betörenden Lippen auf ihren, die in ihr weiche Knie verursachte. Noch immer schmeckte der Kuss brennend und fordernd. Und dieses Mal erkundete Sasuke ihren Mund von innen, bis er wieder von ihr abließ und sich dessen schlagartig bewusst wurde, was er getan hatte. Seine Hände glitten von ihrer Taille. Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen wider und der Schwarzhaarige taumelte einen Schritt zurück. »Entschuldige mich.«, murmelte er mit trockener Stimme und stürmte an ihr vorbei und ließ das Mädchen alleine in der Schneepracht zurück. Wann wurde dir also bewusst, dass du ohne sie nicht mehr Leben kannst? Wann wurde dir klar, dass du ihre Nähe so unsagbar brauchst? War es vielleicht doch an dem Tag gewesen, als du ihr ihren ersten Kuss stahlst? Denn in diesem Augenblick wurde dir plötzlich bewusst, dass du all das, was du in deinem inneren für dieses Mädchen empfindest, nicht mehr leugnen kannst. Also, wann wurde dir klar, dass du sie liebst? War es wirklich in diesem romantischen Augenblick gewesen oder geschah es vielleicht viel früher? Kennst du die Antwort? Nein ..? Komisch, dabei liegt sie doch auf der Hand ... ~ »Was ist bloß los mit dir, Alter?!«, fragte der Blondschopf und blickte seinen Freund verständnislos an. »Was soll schon sein?«, antwortete dieser schroff und machte seine Spindtür auf. Sasuke war innerlich aufgewühlt. Vielleicht sogar mehr als das er es zugeben wollte. Denn die Tatsache, was er auf dem Dach getan hatte, machte ihn mehr als nur wütend. Er hatte sich gehen lassen. Er hatte sich von seinen Gefühlen leiten lassen und Sakura geküsst. Und er musste zugeben, dass es ihm gefallen hatte. Sogar mehr als das. Er gestand sich ein, dass er diese Zärtlichkeit gebraucht hatte und dass er noch mehr wollte. Mit verrenkten Augenbrauen zog er sein Hemd aus und warf es in seine Sporttasche, die er immer zum Seniorenzentrum mitbrachte. »So siehst du aber nicht aus.«, sagte der Blondschopf, der sich als sein bester Freund entpuppte und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eines der vielen Spinde, die sich in dem Umkleideraum befanden. »Halt den Mund, Naruto!«, zischte der Schwarzhaarige genervt und ergriff sein schwarzes Hemd, das er sich schnell überzog. Naruto rollte seine Augen und fragte sich, was der Grund für seine momentane Lage war, die ihn geradezu unausstehlich machte. Und dann, viel ihm einer abrupt ein. Der Blondschopf mit den tiefblauen Augen grinste vielversprechend. »Lass mich raten.« Sein Zeige- und Mittelfinger berührten seine eigene Stirn und ließen ihn wie einen Wahrsager aussehen, wie einen lächerlichen Wahrsager, dachte auch Sasuke, als dieser zu seinem Freund blickte. »Hat es zufällig etwas mit dieser dämlichen Aufsichtsperson zu tun?« Doch Naruto bekam nicht das vertraute Zischen zu hören, das ihm als Volltreffer diente. Stille und der wütende Blick von Sasuke waren das Einzige gewesen, was Naruto zu sehen bekam. »Nein?«, fragte er daraufhin scherzhaft, »Vielleicht ist es aber auch jemand anderes?« Naruto wartete ab und sah, wie Sasuke sich wieder abwandte und sich weiter umzog. »Ein Mädchen? Vielleicht das blinde Mädchen, das du wie ein verliebter Gockel anstarrst?« Naruto sah sofort, wie er ins Schwarze getroffen hatte und der Uchiha erstarrte. Sasuke Finger, die seinen weißen Pullover in den Händen hielten und ihn gerade anziehen wollten, ballten sich zu Fäusten, so dass einige Falten am weichen Stoff entstanden. »Blindes Mädchen?«, fragte er mit gespielter Ahnungslosigkeit und zeigte sich wieder Herr über seine Lage. Der weiße Pullover wurde sofort angezogen. »Ach komm schon! Denkst du, dass ich euch beide nicht gesehen habe? Immer wenn du hier rausgegangen bist, hast du sie begleitet.« Naruto machte eine Pause und wartete die Reaktion seines besten Freundes ab, die, wie erwartet, einen Volltreffer ergab. Sasuke stand wieder regungslos da und fühlte sich mehr als nur ertappt. »Na und?«, sagte er dann schnell, »Sie tat mir leid. Darum habe ich sie ein Stück begleitet.« Naruto hob seine Augenbraue. »Es sah aber nicht so aus, als ob sie dir nur leid tun würde.« »Wie sollte es, deiner Meinung nach, denn sonst ausgesehen haben?«, fragte Sasuke gereizt und packte die restlichen Kleiderstücke in seine Tasche. Naruto grinste und antwortete ihm: »Du sahst mächtig verliebt aus.« Sasukes Augen hoben sich blitzschnell in die Höhe, als er das besagte Wort hörte. Regungslos blieb er stehen und vollzog seine Arbeit nicht mehr. »Soll das ein dummer Scherz sein?«, fragte der Uchiha, nach einer langen Stille, kalt und versuchte sich innerlich aufzurappeln, was ihm auch nach einigen weiteren Sekunden endlich gelang. »Gewiss nicht. Jeder Dummkopf kann sehen, wie du ihr nachstarrst. Du bemerkst einfach alles an ihr. Wenn sie sich in einem Raum aufhält, ist dein Blick auf sie gerichtet und nur auf sie. Wenn sie sich bewegt, wandern deine Augen mit ihr und beobachten jede auch so winzige Kleinigkeit, die sie macht. Wenn sie beispielsweise stolpert, sieht man, wie du zusammenzuckst und am liebsten zu ihr eilen möchtest. Wenn sie sich mit jemand anderem unterhält, der dem männlichen Geschlecht angehört, sieht man, wie deine Augen anfangen zu glühen. Und du willst mir sicherlich auch gleich sagen, dass ich mir das ganze einbilde, oder?« Sasukes kalte Augen fingen für den Moment an zu glühen, als Naruto all seine Beobachtungen preisgab, doch schnell verschwand das Glühen, was ihn fast auftauen ließ. Der gewohnte Ausdruck kam wieder zum Vorschein und präsentierte Naruto auch die vorhersehbare Antwort, die der Junge erwartete. »Natürlich bildest du dir das alles nur ein. Ich schaue sie nicht mit diesen Blicken an, weil sie mir schlicht und einfach egal ist. Mir ist es egal, ob sie stolpert oder nicht. Auch kümmert es mich wenig, wenn sie mit anderen spricht und ich übersehe sie ständig! Wenn ich ehrlich bin, kann ich sie nicht einmal sonderlich leiden.« Sasuke blickte in die Augen seines Freundes und sah mehr als nur bestimmend aus. Wüsste der Blondschopf bloß, was in seinem inneren herrschte. Welcher innerliche Schlag ihn traf, als Naruto ihm bestätigte, was er wochenlang tat. Und wie elend er sich fühlte, als er all das verleugnete. Doch man konnte nichts auf seinem schönen Gesicht ablesen, was er innerlich doch fühlte. Naruto jedoch blickte Sasuke noch immer an und sagte nichts mehr, was den Schwarzhaarigen noch mehr verstimmen konnte. Draußen aber, hinter der weißen Tür, lehnte sich ein Mädchen gegen die kalte Wand und lauschte den Stimmen, die aus dem Umkleideraum drangen, sorgsam mit. Die Tür stand einen Spalt offen und offenbarte dem Mädchen all die verhängnisvollen Worte, die sie zu Tränen trieben. Und aus ihren leblosen Augen drangen bittere Tränen hervor, die sie nicht zu kontrollieren wagte. In ihren Händen hielt sie den weißen Schal fest, den der Schwarzhaarige ihr zuvor um den Hals gelegt hatte, damit sie auf dem Dach nicht fror. Und genau diesen wollte sie zurückbringen, doch ihre Füße versagten kläglich, blieben wie angewurzelt stehen, als sie das Gespräch mit anhörte, was nicht für ihre Ohren bestimmt war. Er liebte sie nicht. Eigentlich konnte er sie nicht einmal gut leiden. Und sie? Sie dumme Kuh, suchte ihn auf, fing Gespräche an, um ihn näher kennenzulernen. Dabei wollte er es nicht. Er wollte nichts über sie wissen und nichts von sich preisgeben, was er aber tat. Vielleicht erzählte er ihr seine Vergangenheit, weil er sich schlecht fühlte? Das Mädchen überlegte kurz. Was hatte er noch gesagt? Sie tat ihm leid. Mitleid. Sie brauchte kein Mitleid. Von niemandem brauchte sie Mitleid und schon gar nicht von Sasuke Uchiha! Sakura fasste sich wieder und achtete wieder auf die Geräusche, die sich in ihrer Umgebung befanden, doch hörte sie keine. Ihre Hände ließen den weißen Schal einfach fallen und dieser landete sanft auf dem Boden. Ihre Füße trieben sie vorwärts, bis sie sich schließlich nicht mehr in seiner Nähe befand. Er hatte nur mit ihr gespielt. Ihre Situation ausgekostet und ihren ersten Kuss gestohlen. Sakura lächelte bitter, als sie sich wieder im dritten Stockwerk befand und zum Zimmer ihrer Oma ging. »Stimmt ja.«, flüsterte sie kaum merklich, »Wer liebt schon ein blindes Mädchen?!« An dem Tag war es das letzte Mal gewesen, dass Sasuke sie wiedersah. Er wusste noch, wie er die besagten Tage immer Ausschau nach ihr hielt, doch Sakura war unauffindbar gewesen. Absichtlich ging er unzählige Male in das dritte Stockwerk, ging den einen besagten Gang entlang, blieb an der besagten Tür stehen, doch Sakura war nicht da. Sie kam nicht an dem gewohnten Mittwoch, an dem Freitag und auch nicht an dem Samstag ins Seniorenzentrum. Sein erster Gedanke, das sie vielleicht krank sein würde, bestätigte sich leider nicht, als er erfuhr, dass sie es nicht war. Schwer gab er zu, dass sie ihm fehlte und so unsagbar vermisste. Das Warten war vergebens gewesen und so gingen seine letzten Sozialstunden vorbei, ohne dass er das Mädchen wiedersah. Es vergingen noch weitere Tage, die die Stadt in eine atemberaubende Schneepracht verwandelte. Es war Nacht gewesen und furchtbar kalt. Unzählige Sterne funkelten am schwarzen Mantel des Himmels und der halbe Mond, der sich hoch oben erstreckte, wirkte auf einen Menschen so romantisch und wunderschön zugleich. Der kalte Wind blies viele Male durch die Stadt, ließ die kahlen und mit Schnee bedeckten Bäume aufwippen. Der Zeiger der Uhr zeigte auf Elf, in dieser schönen Silvesternacht. Auf dem Tisch stand ein heißer Becher, der mit Kamillentee gefüllt war. Daneben lag ein aufgeschlagenes und dickes Buch, das viele unsichtbare Worte zeigte, die nicht jeder Mensch lesen konnte. Der Kronleuchter, der an der weißen Decke prangte, spendete kein Licht, sondern eine kleine Lampe, die nahe der Fensterbank stand. Und obwohl das Mädchen, das auf dem schwarzen Ledersofa saß, kein Licht sehen konnte, reichte ihr der Gedanke schon aus, um in eine romantische Stimmung zu tauchen. Die weiße Decke, in der sie sich vor wenigen Sekunden einkuschelte, wurde leicht ausgestreckt und ihre Finger griffen nach dem heißen Becher, der ihre Erkältung mildern sollte. Stille umgab Sakura, als sie einen kräftigen Schluck nahm und sich auf kleine Geräusche konzentrierte. Ihre Eltern waren vor ein paar Stunden zu einer Feier gegangen, die das neue Jahr herzlich Willkommen hieß, doch sie blieb zu Hause und kurierte die kleine Erkältung aus, die sie seit zwei Tagen plagte. Und so waren keine Geräusche zu hören, die ihr verraten konnten, dass sich weitere Personen in der Wohnung aufhielten, außer ihr, die gerade leise ein Buch las. Müde lehnte sich Sakura zurück, noch immer hielt sie den Becher in der Hand. Ihre Gedanken schweiften noch einmal an den Augenblick zurück, als ihre Mutter nicht zu der Feier aufbrechen wollte und viel lieber bei ihrer Tochter bleiben wollte, aber diese hat ihr zu verstehen gegeben, dass sie in der Lage war, alleine zu Hause zu bleiben, auch wenn sie krank war. Sakura seufzte und als ihre Lippen wieder den Rand des Bechers berührten, um sich einen weiteren wohltuenden Schluck zu genehmigen, klingelte es plötzlich an der Tür. Es war ein rasches und nicht stören wollendes Klingeln gewesen, das das Mädchen aufhorchen ließ. Ihre Decke ließ sie auf dem Sofa zurück, als Sakura aufstand und zur Tür eilte. Sie betätigte den einen, besagten Knopf, der die Tür im Treppenhaus öffnete. Ihre Finger umschlangen den Türgriff ihrer Haustür und öffneten diesen. Sakura wartete einen kurzen Augenblick, hörte Schritte, die die unbekannte Person machte, bis sie schließlich ganz nahe waren. Ihr wurde kalt, als die Luft von außen in die Wohnung drang und Sakura bekam eine Gänsehaut, als der Unbekannte sein Ziel erreichte und zu sprechen begann. »Hallo.«, sagte diese bekannte Stimme hauchfein, die in ihr plötzlich ein Unbehagen auslöste. Sakuras leblose Augen weiteten sich schlagartig. »Sasuke?«, fragte sie vorsichtshalber noch einmal nach, obwohl sie wusste, dass er es war. »Ja.«, antwortete dieser wieder, ging jedoch nicht in die Wohnung hinein. »Was machst du hier? Und woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?«, fragte sie abrupt und zeigte Sasuke sehr deutlich, dass sie mehr als nur verwirrt war, ihn hier anzutreffen. Doch der Uchiha lächelte, was sie nicht sehen konnte. »Deine Oma hat mir deine Adresse verraten.«, antwortete er ihr. Dabei fixierten seine rabenschwarzen Augen ihr Gesicht eine bisschen stärker. Und da ... sie zeigte die erwartete Reaktion. Ihre Augenbrauen hoben sich fraglich. Ihr Gesicht neigte sich etwas zur Seite, als sie sprach: »Meine Oma? Ich dachte-«, doch konnte das rosahaarige Mädchen ihren Satz nicht zu Ende sprechen, weil Sasuke sie schnell unterbrach. »Dass sie mich hassen würde?«, beendete der Uchiha wissend und Sakura nickte, als sie diese Antwort hörte. »Das stimmt auch. Sie kann mich nicht sonderlich gut leiden.«, fügte er noch hinzu, »Aber sie hat es mir letztendlich verraten.« Die letzten Worte hörten sich in Sakuras Ohren wie ein Flüstern an, das ihr innerlich wehtat. Warum war er hier? Wollte er sich über sie lustig machen? Ihr verraten, dass der Kuss nichts weiter als einer seiner Launen war? Sie wollte so etwas nicht hören! »Warum bist du hier?«, fragte sie ihn noch einmal, als eine unangenehme Stille einbrach, die Sakura nicht ertragen konnte. Wobei, man Stille eigentlich nicht bezeichnen konnte. Denn sie hörte ihr schnelles Herz, das gegen ihre Brust klopfte. »Ich-« Sasuke unterbrach sich absichtlich. Irgendwie brachte er die Wahrheit nicht über seine Lippen. Zu schwer fühlten sie sich an, doch dann, hörte er sich wieder selber sprechen: »Ich wollte dich sehen.« Diese Worte waren kaum hörbar gewesen, als Sasuke sie aussprach, doch für das Mädchen waren sie verständlich. Sasuke sah, wie sie einen Schritt nach hinten ging. »Und ich wollte sehen, wie es dir geht.«, fügte er schnell hinzu. Seine Stimme klang dabei wieder gewohnt kühl und sachlich. Sakura lächelte schwach. »Danke, mir geht es gut.«, antwortete sie ihm und schritt wieder zur Tür, »Bitte, lass mich alleine.« Ihre Finger berührten den Türgriff und wollten die Tür schließen, doch Sasukes Fuß stellte sich dazwischen. »Warte!«, sagte er schnell und schaute in den Spalt, der durch seinen Fuß ausgelöst worden war, »Bitte, lass mich rein.« Sakura zögerte, als sie seine Bitte hörte, doch aus irgendeinem undefinierbaren Grund öffnete sie die Tür und lud den unerwünschten Gast hinein. »Möchtest du einen Tee?«, fragte Sakura ihn, als sie hörte, wie er seinen schwarzen Mantel und seine Schuhe auszog. »Ja, bitte.« Sakura eilte in die Küche. Ihr Herz raste noch immer, den genauen Grund konnte sie sich nicht erklären. Schließlich war nichts zwischen ihnen geschehen- zumindest in diesem Augenblick. Das Licht in der Küche wurde von Sakura selbst angeknipst und das Mädchen machte sich an die schnelle Arbeit, einen Tee zu servieren- für einen Gast, der ihrer Meinung nach, schnell aus der Wohnung verschwinden sollte. Doch leider tat er es nicht. Sakura hörte, wie er in die Küche trat. Er stand hinter ihr, das wusste sie, aber nicht, dass sich Sasuke gegen die Wand lehnte und das Mädchen einmal wieder mit diesem Blick beobachtete, den Naruto ihm bestätigte. Und nach einigen Augenblicken, es waren Sekunden gewesen, spürte sie seinen Blick auf sich, der ein Unbehagen in ihr auslöste. Ihr Herz klopfte schneller und Sakura hörte einen Schritt, dann einen weiteren, federleichten Schritt, der ihr näher kam. Dann glaubte sie ihn ganz nahe fühlen zu können, obwohl er sie nicht berührte. Er musste hinter ihr stehen. Nur ganz wenige Zentimeter müssten ihn von ihr trennen. Daraufhin glaubte Sakura, dass ihr Herz noch schneller Klopfen würde. Sie schluckte und merkte, wie ihr der Becher, den sie eigentlich fest in den Händen hielt, ausrutschte. Sofort war da eine schnelle Hand gewesen, die das Utensil vor einem Sturz bewahrt hatte. »Vorsicht.« Hatte Sasuke gesagt, als er schnell nach dem Becher griff und Sakura dabei berührte. Leicht an ihrem Arm, doch berührte er ihre Hand, die in seiner verweilte. Seine Haut war kalt gewesen. Vielleicht sogar eisig, wie Sakura dachte. Ihre dagegen war warm und die Tatsache, dass sich diese einfache Berührung einfach zu gut anfühlte, machte ihr Angst. Sofort riss sich Sakura aus seinen Fängen. An ihr Herz wollte das Mädchen in diesem Zeitpunkt nicht mehr denken. »Es tut mir leid!«, sagte Sasuke schnell, »Ich weiß, dass du es nicht magst, wenn man dich ohne Vorwarnung berührt.« Seine andere Hand griff nach dem Wasserkocher und goss sich heißes Wasser in den buntbemalten Becher ein. »Schon gut.«, antwortete Sakura ihm und neigte ihren Kopf Richtung Boden. Er sollte gehen. Er sollte nicht so freundlich zu ihr sein! So mitfühlend und liebevoll. Das passte doch gar nicht zu ihm! Er sollte gehen, doch er tat es nicht. Wie angewurzelt blieb sie stehen und lauschte den vertrauten Geräuschen, die Sasuke machte. Und dann hörten sie plötzlich auf. »Bist du fertig?«, fragte sie ihn daraufhin, doch bekam das Mädchen keine erhoffte Antwort. Viel mehr spürte sie, wie seine kalten Finger ihre Arme ergriffen und sie besitzergreifend an sich zogen. Sakura konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen, zu verwirrt und überrumpelt war sie über die plötzliche Situation, die eben geschah. Als Sakura ihren Kopf hob und einen klaren Protest aussprechen wollte, spürte sie es wieder. Seine warmen Lippen, die sich wieder auf ihre legten und einfach nicht fort gingen. Ihre leblosen, grünen Augen hoben sich empor, doch unternahm das Mädchen keine Wehr, die sie vielleicht erlösen konnte. Ihr Herz schlug unkontrolliert auf und ihr Magen, in dem befanden sich unzählige Schmetterlinge, die in die Freiheit flogen. Ihre Knie wurden weich, weicher als weich und sie glaubte, fallen zu müssen. Der Augenblick, der eine Herzschlag, der gerade verging, war gleichzeitig auch der Beweis für die Länge des Kusses gewesen, den Sasuke ihr wieder stahl. Sakura gewann an Vernunft und entzog sich ihm. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und schlugen hart gegen seine Brust. Immer und immer wieder, bis sich die geballte Faust öffnete und sie den Uchiha von sich schubste. »Spinnst du?!«, schrie sie ihn nun mehr an. Ihre Handfläche befand sich auf ihre geröteten Lippen und versteckte gleichzeitig die roten Wangen ein wenig. Ihr Atem war unregelmäßig, genau dieselbe Lage Sasukes. Er keuchte und starrte das rosahaarige Mädchen immer zu an. Was war bloß los mit ihm?! Warum benahm er sich in ihrer Nähe so? Warum konnte er sich nicht kontrollieren? Wieder wollte sich der Uchiha Ohrfeigen. »Es tut mir leid.«, sagte er mit einer krächzenden Stimme. Wieder diese Antwort, die Sakura wütend machte. Wieder dieses Es tut mir Leid, was sie nicht mehr hören wollte. Sie lächelte bitter, danach kniff sie ihre Augen zusammen. »Warum entschuldigst du dich ständig?«, brüllte Sakura nun, »Willst du gleich aus der Wohnung rennen, wie du es auf dem Dach getan hast?! Oder willst du hier bleiben und mir erklären, dass du nicht Herr über deine Lage warst und ich mir auf den Kuss nichts einbilden darf?! Wenn ja, nur zu, tu es, damit ich es endlich hinter mich bringe!« Sakura wollte am liebsten weinen. Weinen und sich in ihrem Zimmer verkriechen, doch sie musste stark bleiben, wenigstens in diesem Augenblick und die Tränen, die nach außen drangen wollten, musste sie unterdrücken. Sakura hörte die plötzliche Stille, die zwischen den beiden eintraf. Und wenn sie ehrlich sein wollte, gefiel es ihr nicht. Diese Stille, die so einschüchternd auf sie wirkte, doch dann, hörte sie Sasuke, der wieder seine gewohnte Stimme gebrauchte. »Geh mit mir aus.«, antwortete der Schwarzhaarige stattdessen und blickte Sakura eindringlich an. Das Mädchen vor ihm zeigte ein verblüfftes und mehr als verwirrtes Gesicht, das sie nicht verbergen konnte. Dieser Gesichtsausdruck änderte sich jedoch rapide in einen wütenden Ausdruck, der den Worten Sasukes nicht glaubte. »Willst du dich über mich lustig machen?!«, fragte sie ihn, noch immer fast sprachlos. »Nein, niemals.«, antwortete er, »Geh mit mir aus.« Sakura blieb stumm. Ohne jegliche Worte blickte sie ins Nichts und versuchte mit den Tränen zu kämpfen. Warum fragte er sie so etwas? Er konnte sie doch nicht einmal leiden und fragte sie so etwas? Unwillkürlich schloss das Mädchen ihre Augen, dann öffneten sich ihre Lider. »Hör auf damit.«, wisperte sie erstickt, »Hör auf dich über mich lustig zu machen, Sasuke.« Sakura hörte, wie er einen Schritt ansetzte und ihr somit näher kam. Sie ging daraufhin einen zurück. »Ich möchte, dass du gehst.« Sakura versuchte bestimmend zu klingen, doch verfehlte sie es kläglich. Viel mehr hörten sich ihre Worte unsicher an. »Nein.«, antwortete Sasuke und machte einen weiteren Schritt, worauf Sakura einen wieder zurückging, bis sie gegen die kalte Wand stieß, die in einem rosa Farbton leuchtete. »Geh weg!«, wisperte sie nun mehr flehend, »Ich weiß ganz genau, dass du mich nicht leiden kannst! Und ich möchte dich zu einer Freundschaft mit mir nicht zwingen. Du brauchst nicht mein Freund zu sein, wenn du eigentlich gar nicht willst. Und du musst dich nicht verpflichtet fühlen, mit mir zu sprechen oder dich mit mir zu treffen. Ich zwinge dich nämlich zu nichts!« Wieder diese Stille, die zwischen ihnen ausbrach. Sakura hörte Sasukes Atem, das anscheinend wieder regelmäßiger ging. »Du hast Recht«, sagte er nach einer Weile, »Ich will nicht dein Freund sein.« Sakura lächelte erleichtert und auch siegreich, doch das Lächeln erlosch augenblicklich, als sie Sasukes weitere Worte hörte: »Ich will mehr, als nur ein Freund für dich sein.« Seine Finger berührten ihre Wange, worauf Sakura leicht aufschreckte. »Entschuldige.«, murmelte Sasuke mehr zu sich selbst, als zu Sakura. Seine Augen schauten noch immer ihre Wange an, als er sie fragte: »Darf ich dich berühren?« »Nein!« Doch Sasuke hielt sich nicht an den Einwand. Seine Finger berührten wieder ihre gerötete Wange und er sah, wie das Mädchen vor ihm leicht zusammenzuckte und ihre Augen schloss. »Und?«, fragte der Uchiha nach einigen Sekunden wieder, »Möchtest du mit mir ausgehen?« Ihre grünen Augen öffneten sich wieder und schauten geradeaus- mitten in sein hübsches Gesicht. »Nein!«, sagte sie schroff und blickte wieder zur Seite. Sasukes Augen funkelten amüsiert auf. »Lügnerin.«, sagte er dann und wartete auf ihre kommende Reaktion, die gleich folgte. Sakura blickte wieder geradeaus. »Ich bin keine Lügnerin. Das ist die Wahrheit. Ich möchte nicht mit dir ausgehen.« Ein Stöhnen drang aus seiner Kehle, was auch Sakura sehr deutlich hören konnte. »Nun stell dich nicht so an, Sakura.«, sagte Sasuke schroff und blickte mit einem leicht verärgerten Gesicht auf das Mädchen herab. Doch Sakura blieb hartnäckig und schüttelte mit ihrem Kopf. »Bestimmt ist das bloß so eine dumme Laune, die dich gerade plagt.« Sakuras Zeigefinger hob sich in die Luft und deutete auf den jungen Mann. »Nächste Woche wirst du bestimmt anders darüber denken und dich fragen, was um Himmels Willen dich dazu bewegt hat, mit einem blinden Mädchen auszugehen! Und genau aus diesem Grund werde wir es dazu auch nicht kommen lassen.« Und dann lächelte sie Sasuke frech entgegen. Seine dunklen Augen loderten auf und seine Augenbrauen verrenkten sich für den Moment, als Sakura ihre sinnlosen Sätze aussprach. Sasuke ergriff ihren Zeigerfinger und drückte ihn samt Hand gegen die Wand. Das gleiche tat er auch mit ihrer anderen Hand, die er allerdings am Handgelenk erwischte. Sein Körper drückte sich wieder auf eine Art und Weise besitzergreifend an sie und versteckte das Mädchen beinahe. Seine Lippen legten sich wieder hungrig auf ihre und kämpften mit dem Widerstand, den Sakura ihm erteilte. »Nur eine Laune, sagst du?!«, presste er hervor, als seine Lippen einen Zentimeter von ihr abließen. »Ich kann nicht aufhören an dich zu denken.«, gestand er ihr nach weiteren Sekunden ein, »Ich vermisse das Zusammensein mit dir. Und du willst mir sagen, dass das nur eine Laune ist?« Er brach den Kuss ab, den Sakura innerlich nur zu gerne erwidern wollte. Wie anders hätte sie die Situation auch deuten können? Schließlich sagte er seinem Freund doch, dass er sie nicht leiden konnte. Und jetzt? Jetzt gestand Sasuke ihr seine tiefsten Gefühle, die er eigentlich niemals aussprechen würde, es aber getan hatte. Noch immer keuchte Sakura und schien in eine Leere zu blicken. Und noch immer war ihr Sasuke so unsagbar nahe gewesen, was sie nicht klar denken ließ. Sie spürte, wie der Druck an ihren Händen abließ und sich ihre Hände von Sasukes befreiten. Doch ihre Finger, ihre Finger erstreckten sich zaghaft und berührten Sasukes Wange. »Was machst du?«, fragte er sofort. »Schhhh.«, antwortete sie ihm schnell. Ihre Finger berührten Seine Wangen, wanderten weiter hinauf und berührten Sasukes Augen, die er sofort schloss. Sie fühlte seine Wimpern, seine Augenbrauen und eine Haarsträhne seines schwarzen Haares. Dann erforschten ihre Finger seine Nase, starteten von oben und glitten einmal hinunter. Dann berührte sie seine Lippen, die sie schon drei Mal geküsst hatten, sein Kinn und schließlich seinen langen Hals. »Man hat mir gesagt, dass du hübsch bist.«, gestand Sakura ihm ein, als sie mit dem Erforschen fertig war. »Hat man das?« »Ja. Du hast rabenschwarzes Haar und schwarze Augen.« »Das ist richtig.«, bestätigte der Uchiha. »Deine Haut ist blass. Porzellanfarben, vielleicht?« »So in etwa.« »Und du hast ein Tatoo, oder?« »Ja, an meinem Hals.« Sasuke ergriff eine ihrer Hände und führte sie an die besagte Stelle. »Genau hier.« Sakuras Finger blieben für Sekunden an dieser Stelle stehen. Sie lächelte. »Ich glaube.«, sagte sie nach einer Weile und nahm ihre Hand von seinem Hals, »Dass dein Tee kalt geworden ist. Meiner, im Übrigen, auch.« Das rosahaarige Mädchen hörte den Uchiha leise Lachen. »Dass ist doch nicht wichtig. Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet.« »Du bist hartnäckig! Also gut, ich gehe mit dir aus. Bist du nun zufrieden?« »Ja.« Das Mädchen lächelte wieder. Es war das eine Lächeln gewesen, was er so an ihr liebte. Wann wurde dir also klar, dass du sie liebst? Kannst du dich daran erinnern? Ja..? Richtig, es begann schon an dem Tag, als du sie das erste Mal Lächeln sahst ... -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)