Yina und Feoan von -Elenya- (Der Fluch) ================================================================================ Kapitel 1: Yina --------------- Die untergehende Sonne tauchte die sonst so maigrünen Hügel des Landes in ein angenehmes, warmes Rot, welches sich kaum von der Farbe eines reifen Apfels unterschied. Weit oben am Himmel flog ein schwarzer Vogel, der schon nach kurzer Zeit am Horizont verschwunden war. Die Luft war warm, doch sobald die Sonne verschwunden sein würde, würde es kälter werden. Dann würde es Zeit sein für ein kleines Feuer im Kamin und einen guten Wein. Doch war Wein am Kamin zu trinken überhaupt noch angebracht, in solch schlimmer Zeit? Wohl kaum. Jedenfalls schoss mir das durch den Kopf, als ich auf dem Balkon meines Anwesens in die hügelige Landschaft blickte. Die Felder wurden abgeerntet und überall sah man schwitzende Arbeiter, die mit Sichel und Sense versuchten jeden Halm der Getreidepflanzen an der Wurzel zu durchtrennen. Ich wandte mich ab und schritt langsam durch die Tür in mein Zimmer. Es war, wie immer, schön aufgeräumt und ein feiner Duft von Basilikum lag in der Luft. Der Duft meines Parfums. Die Pflanzen, die meinem Gemach ein schöneres Aussehen verliehen wucherten die Wände hinauf und blühten in voller Pracht. Auf meinem Bett schnurrten mein schneeweißer Kater zufrieden vor sich hin und die letzten Sonnenstrahlen durchdrangen die Fensterscheiben und warfen ihren goldenen Glanz in den großen Raum. Alles in allem war es ein ganz gewöhnliches Zimmer einer Elfe, doch ich fühlte mich nicht wohl. Ich wusste, dass heute Abend ein hoher Besuch angekündigt war und mein Vater hatte mich vorgewarnt: Es sei ein störrischer alter Mann und sein ernster Sohn. Ein Elf um die zwanzig, also genau mein Alter. Ich seufzte und setzte mich auf mein fein gemachtes Bett. Wie mein Vater diese Worte betont hatte! Und sein ernster Sohn in deinem Alter! Hatte ich nicht zurzeit andere Sorgen? Unser Reich war bedroht, die Zauberer wurden in den Verhandlungen aggressiv und drohten mit einer Kriegserklärung, würden wir nicht bald viele unsere Landteile ihnen überlassen. Doch die Elfen hatten nicht vor den Zauberern noch mehr Macht zu überlassen. Denn Land bedeutete Macht und davon hatten die Zauberer fast schon zu viel. Es klopfte und ich wurde aus meinen Grübelein gerissen. Meine Zofe betrat mit leuchtenden Augen mein Zimmer, nachdem ich ihr die Erlaubnis mit einem kurzen „Herein“ gegeben hatte. Sie schien ganz aufgeregt und war ganz nervös. Schnell verließ ich meinen Platz am Bett und stürzte zu ihr. „Was ist?“, stieß ich hervor, von ihrer Nervosität ganz angesteckt, „Ist etwas passiert?“ „Nein, nein. Nichts schlimmes jedenfalls.“, beruhigte sie mich und sich selbst wahrscheinlich auch ein wenig. „Es ist nur... der Besuch ist da! Und der junge Mann, verzeiht wenn ich zu frech werde, aber er sieht wirklich gut aus und...“ „Es reicht.“, unterbrach ich sie und wies sie an, mir beim einkleiden zu helfen. Sie hatte sich wohl über beide Ohren in den Elfen verliebt, oder was? Mein Kleid war rot, die Ärmel jedoch zartlila und ein wenig durchsichtig. Im mochte dieses Kleid am liebsten von allen die ich besaß. Und das waren nicht wenige. Schnell besprühte ich mich mit meinem Parfum, dann folgte ich meiner immer noch leicht aufgeregten Zofe die Treppen hinab in den Empfangssaal. Er war groß und wurde von mehreren Säulen gestützt, die alle mit Kletterpflanzen bewachsen waren. Der Boden, aus schwarzem Stein, war so sauber, dass man sich darin spiegelte. Schon als ich herein kam, sah ich die beiden Elfen auf dem Boden. Als ich aufblickte verschlug es mir die Sprache. Der jüngere Elf, neben dem mit dem störrischen Gesicht, sah wirklich gut aus. Er war nicht so schmächtig wie die meisten Elfen, eher kräftig, aber nicht dick. Seine Züge waren sanft und in seinen braunen Augen funkelte die Lust nach Abenteuern. Seine Haare waren kurz geschnitten, doch ich sah, dass ein Zopf mit etwas längeren Haaren ihm auf den Rücken fiel. Es waren schon einiger solcher Leute hier angekommen und immer hatte meine Zofe gemeint, sie hätten gut ausgesehen, was jedoch meist nicht der Fall gewesen war. Nun war ich wirklich erstaunt und wurde selbst ein wenig nervös. Der Elf, mit diesen für unserer Volk ungewöhnlichen schwarzen Haaren, musterte mich lange und hielt meinen Blick fest. Das machte mir Angst und ich beäugte nun seinen Vater. Dieser hatte graue Haare, die ihm über die schmalen Schultern fielen. Ein sterblicher Elf also. Oder war er ein halber Elf? Der Sohn eines Nichtelfen und eines Elfen? Ich grübelte eine Weile, dann trat er mir entgegen. „Ich grüße Euch Prinzessin Yina, Tochter des Herren über Eneil!“, verkündete er und verbeugte sich tief vor mir. Sein Sohn tat es ihm gleich und ich erwiderte seine Geste. „Seid Willkommen, Herr. Mein Vater wird sicher gleich hier sein und euch in Empfang nehmen.“, erwiderte ich freundlich und lächelte den Beiden zu. Kaum hatte ich meine Worte ausgesprochen, da erschien auch schon mein Vater in der Halle. Langsam kam er auf uns zu und verbeugte sich, nachdem er neben mir zum stehen kam, tief und lange. Seine schönen, goldenen Haare fielen ihm dabei in das junge Gesicht und als er aufblickte funkelten seine eisblauen Augen zu unserem Besuch hinüber. Der ältere Elf verbeugte sich abermals und hob die Hand zum Gruß. „Ich grüße Euch König Nuflen, Herr über Eneil. Wir kommen aus dem Norden, aus dem Land Fenu, um Euch in dieser bitteren Zeit Beistand zu leisten. Mein Name ist Funar. Ich bin ein sterblicher Elf und das ist mein Sohn Feoan, der das große Glück hat die Unsterblichkeit seiner Mutter geerbt zu haben.“ Er hielt kurz inne und ich blickte wieder zu dem hübschen Elfen, der trotz des höflichen Empfangs eine Mine zog, als hätten wir ihnen gerade den Krieg erklärt. Solch einen ernsten, verschlossenen und unhöflichen Elfen hatte ich noch nie getroffen! Ich lächelte ihm wieder einmal zu, doch er blickte auf den Boden. Schade das er unsterblich war, denn ich war es auch und so verband uns etwas, das alle Unsterblichen verband. Doch niemals wollte ich mit diesem Elfen etwas zu tun haben! Funar fuhr mit seiner Rede fort. „Wir kommen also um Euch unsere Hilfe anzubieten, denn die Elfen müssen zusammenhalten in dieser Zeit. Es ist schon schlimm genug das sich die Waldelfen aus Ailava in ihren Wäldern verkriechen, jetzt wo die Zauberer mit ihren Schiffen aus Kemén hinüber nach Alareiy kommen!“ Mein Vater nickte Funar dankend zu und reichte ihm seine makellos schöne Hand. „Ich und meine Tochter, Yina, danken Euch, dass Ihr soweit gereist seid nur um uns in dieser Lage beizustehen. Ich biete Euch und Eurem Sohn ein Zimmer in meinem Haus an. Ihr dürft solange verweilen wie Ihr es wünscht.“ Er führte den Besuch zusammen mit mir zur der großen Treppe, die hinauf zu den Zimmern führte. Ich lief neben Feoan und wir beide schwiegen lange, bis einer von uns sprach. Ich war es und ich war nicht sehr nett zu ihm. „Ihr hättet ruhig ein Wort zu uns sprechen können, wenn Ihr schon nicht ein freundliches Gesicht ziehen konntet, wo wir Euch einfach so in unser Haus aufgenommen haben.“, zischte ich ihm zu, doch der Elf schien in keiner Weise ein schlechtes Gewissen zu haben. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, antwortete er mir. „Ich habe nicht diese lange und beschwerliche Reise gemacht und bin hier angekommen um mich von einer drittklassigen Herrin eines reichlich schmutzigen Hauses so ansprechen zu lassen. Ich habe meinen Stolz und Ihr habt nicht das Recht mir vorzuschreiben, wann ich zu sprechen oder zu lächeln habe! Ich hoffe ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt, denn sonst muss ich zu anderen Mitteln greifen, um es Euch klar zu machen.“ Mir blieb der Mund offen stehen, vor Empörung. Ich vergas jegliche Art von Höfflichkeit und baute mich vor dem Elfen auf. Er blieb verblüfft stehen und blickte mich nun etwas verwirrt an. „Wer mich so beleidigt, verdient es nicht in meinem Haus zu nächtigen!“, knurrte ich und drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Ich hatte geglaubt es hier mit einem höflichen und respektablen Elfen zu tun zu haben, aber ich denke ich habe mich geirrt, denn Ihr seid nichts von alldem. Vielleicht ein dreckiger Bettler, der sich der gehobenen Sprache nicht bedienen kann!“ Insgeheim glaubte ich, dass ich übertrieben hatte, doch ich war voller Wut, dass er so über das Haus meiner Familie gesprochen hatte. Zornig sah er mich an und packte mein Handgelenk. Ich keuchte auf und rief: „Was tut Ihr da?“ Doch er hörte nicht aus mich sondern zog mich nah an sich heran. „Noch ein solches Wort und Ihr habt nicht nur die Zauberer gegen Euch, sondern auch die Elfen des Nordens!“, zischte er in mein Ohr und ich riss mich los. „So wie Ihr mich beleidigt habt, habe ich jedes Recht auf solch ein Wort!“, erwiderte ich. „Und wer hat begonnen, mit diesem „Gespräch“?“, sagte er und schwieg. Ich erwiderte nichts, war es doch eine rhetorische Frage auf die er die Antworte schon wusste. „Ich war es nicht, sondern Ihr!“ Nachdem er dies festgestellt hatte, drehte er mir den Rücken zu und schritt schnell in die Richtung, in die sein Vater mit meinem verschwunden war. Kapitel 2: Eine lange Woche --------------------------- Die nächste Woche wurde ein Graus für mich. Jeden Morgen, Mittag und Abend musste ich mit Feoan speisen. Mein Vater und der Seine verlangten dies. Ich konnte mir schon vorstellen, was das bedeuten sollte. Sie wollten uns verkuppeln! Doch mit diesem verklemmten, fiesen und arroganten Elfen würde ich mich nicht in ein Bett legen! Nein ich würde nicht mal mit ihm im gleichen Zimmer übernachten. Am dritten Abend war es am schlimmsten. Wir saßen wie zwei Tiger, die zum Sprung bereit waren, auf unseren Stühlen aus Eichenholz und beäugten uns lange und gründlich. Selbst als wir aßen, wandten wir unsere Blicke nicht voneinander. Feoan wanderte mit seinen Augen über meine braungoldenen Haare und über mein Kleid. Es gefiel ihm wohl nicht! Ich schnaubte laut auf und er zuckte zusammen. „Ist etwas mit Euch, Herr?“, fragte ich mit scharfer Stimme. „Oder warum starrt Ihr mich so an?“ „Und warum starrt Ihr mich an, Herrin?“, herrschte er zurück und stocherte missmutig auf seinem Teller mit dem ausgezeichnet schmeckenden Braten herum. „Na, weil Ihr mich anstarrt!“, erwiderte ich. „Ich habe das Recht Euch anzustarren!“ „Dann habe ich es auch!“ Wir schwiegen und starrten nun unsere Teller an. Wir waren allein in dem großen Raum, unsere Väter waren auf einem Spaziergang um sich über die kritische Lage des Landes zu unterhalten. Wir konnten also schreien so laut wir wollten, denn kein Diener würde sich trauen in diese Höhle der Löwen einzutreten. Ich wollte mir gerade ein neues Stück vom Braten nehmen, als Feoan die selbe Idee hatte. Unsere Hände berührten sich über dem Teller und wir zogen sie augenblicklich, wie von der Schlange gebissen, wieder zurück. „Wollt Ihr Euch dieses Stück nehmen, mein Herr?“, fragte ich ihn mit angestrengt beherrschter Stimme. Er blickte mich lange an und hinter seiner Stirn schien alles zu arbeiten. Schließlich zog er sich zurück uns setzte sich mit einem langen Seufzer wieder hin. Was sollte das denn jetzt? Wollte er Mitleid? Von mir würde er keines bekommen! „Wisst Ihr, Herrin, mich beschäftigt eine Frage schon ziemlich lange.“, fing Feoan an und ich setzte mich langsam wieder hin. „Macht Ihr das eigentlich mit Absicht?“ Ich stutzte. „Was?“ „Na das: Ihr sprecht mich an als wäre ich ein gemeiner Schuft. Ihr behandelt mich wie einen Feind, der sich als Spion in Euer Haus geschlichen hat. Ihr beleidigt mich seit drei Tagen am laufenden Band! Habe ich Euch etwas getan?“ Feoan hatte sich nun wieder erhoben und schrie fast. Ich versuchte meine Miene nicht zu verändern, jedoch schien mir die Angst ins Gesicht geschrieben zu stehen. Er kam um den Tisch herum geschritten, drehte meinen Stuhl zu sich und stützte sich auf meine Armlehnen. Er hatte eine ungeheure Kraft! Ich keuchte und rutschte auf meinem Sitz ganz nach hinten, denn der Elf beugte seinen Kopf zu mir herunter. „Habt Ihr etwas gegen mich?“, fragte er und ich konnte in seinen Augen eine Spur von Sorge entdecken. Oder machte er das absichtlich? Ich stockte und wusste nicht was ich sagen sollte. Er wartete. Er blieb die ganze Zeit so stehen und blickte auf mich hinunter. Ich holte Luft. „Ja.“, antwortete ich schlicht. „Ja ich habe etwas gegen Euch.“ Feoan zuckte zurück und wandte seinen Blick ab. Dann ging er zurück zu seinem Platz, packte seinen Mantel, schritt zur Tür, riss sie auf und verschwand. Sie fiel mit einem lauten Knall ins Schloss. Er schien ja sehr erschüttert über meine Antwort gewesen zu sein, dieser unverschämte Mann. Ich atmete einmal tief ein und aus, dann erhob ich mich und schritt nach draußen. Es war schon dunkel und der Mond war aufgegangen. Er war rund und leicht rötlich. Kein gutes Zeichen für uns Elfen. Ein roter Mond galt für uns als Omen des Unglücks. Durch das Fenster schien er jedoch weit weg und unbedrohlich für mich. Ich war noch zu aufgewühlt wegen dem was im Speiseraum vorgefallen war. Wo mochte Feoan wohl hin verschwunden sein? Ich hoffte nur ich hatte die Bande zwischen unseren beiden Stämmen nicht verletzt. Müde verschwand ich in meinem Zimmer und legte mich sofort in mein weiches Bett. Mein Kater Jyn kuschelte sich an mich und ich streichelte ihm sanft über sein Fell. Die nächsten Tage, sah ich Feoan kaum noch. Er kam nicht mehr zum Essen, was unsere Väter tief erschütterte. Ich hatte ihnen nicht von unserem Streit erzählt und glaubte auch nicht, dass Feoan es getan hatte. Sie beäugten mich und fragten mich aus, was denn sei. Ich schwieg jedes Mal und es wurde ein sehr lange Woche. Kapitel 3: Pläne ---------------- Nach dieser anstrengenden Woche verkündete Funar, er würde mit seinem Sohn vorrübergehend in ein Gasthaus in die Stadt ziehen um dort alles weitere zu klären. Feoan sei außerdem etwas kränklich und bräuchte ein wenig Ruhe. Wahrscheinlich hatte er das vorgeheuchelt um mich nicht mehr sehen zu müssen! Mein Vater hatte sein Bedauern geäußert und sich dann noch einmal mit Funar zu einem Gespräch unter vier Augen verabredet, indem er mit ihm noch einmal alles besprochen hatte, was sie in dieser Woche beschlossen hatten. Nachdem die beiden Elfen sich von uns verabschiedet hatten – das heißt, nur Funar, denn Feoan war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend – verschwanden sie vorrübergehend in der Stadt. Kurz danach ließ mich mein Vater in sein Zimmer rufen, da er etwas wichtiges mit mir zu besprechen hatte. Ich folgte seiner Aufforderung und wenig später saßen wir und gegenüber, er auf seinem Sessel, ich auf seinem fein gemachten Bett. Jyn hatte irgendwie einen Weg in sein Zimmer gefunden und schlich zu mir auf den Schoß, wo ich ihn liebevoll hinter seinen Ohren kraulte. Er schnurrte zufrieden und mein Vater räusperte sich absichtlich, damit ich wieder auf ihn aufmerksam wurde. „Du hast mich rufen lassen, Vater.“, stellte ich fest und blickte ihn erwartungsvoll an. „Ganz genau.“, begann er und rutsche auf seinem Sessel in eine angenehme Position. „Es geht um deine und um Zukunft unseres Volkes.“ Ich wartete. Jetzt konnte nur noch etwas über meine Aufgaben als zukünftige Herrin von Eneil, die Sterblichkeit meines Vaters, meine verstorbene Mutter oder meine zukünftigen Bünde mit einem Elf kommen. Mein Vater räusperte sich ein weiteres Mal. „Wie du weißt bin ich nicht mit der Unsterblichkeit, die du besitz, gesegnet.“ Erster Punkt. „Ich möchte mit dir über deine zukünftigen Aufgaben als Herrin von Eneil sprechen, wenn ich irgendwann einmal nicht mehr da bin.“ Zweiter Punkt. „Du wirst viele schwierige und vielleicht auch ein paar weniger schwierige Aufgaben zu erledigen haben. Die Friedensverträge mit den Feen sind aufrechtzuerhalten! Du musst versuchen Frieden zwischen den Zauberern und den Elfen zu schaffen, sowie den Frieden zwischen den Elfenstämmen zu stabilisieren. Was die Ernte und Bestellung unserer Felder angeht, sind unsere Landwirte bestens ausgebildet. Doch da wir Elfen eine Verbindung zur Natur besitzen ist das ein Punkt, bei dem du nur auf dein Herz hören solltest. Sprich mit den Pflanzen, den Vögeln und den anderen Lebwesen unserer Wiesen, Felder und Wälder und du wirst viel erfahren und lernen. Ich denke über weiteres werde ich später noch mit dir reden. Deine Mutter wäre stolz, wenn sie dich jetzt so sehen könnte und wissen würde, wie erwachsen du in den letzten Jahren geworden bist.“ Dritter Punkt. Ich wurde traurig bei dem Gedanken an meine Mutter. Sie war vor acht Jahren an den Folgen eines Attentats gestorben. Es war von den Zauberern an einem lauen Sommerabend verübt worden. Ich schluckte. Wie sollte ich mit diesem verhassten Volk jemals Frieden schließen? „Ich weiß, dass alles wird schwer für dich werden.“, sagte Nuflen, als er meinen traurigen Gesichtsausdruck sah. „Aber es wird weniger schwer, wenn dir jemand zur Seite steht.“ Ich schluckte. Vierter Punkt. Mir schwante Übles und ich blickte angespannt auf Jyns weißen, schlanken Körper, der sich an meinen Bauch schmiegte. „Und wen hast du da genau im Sinn?“, fragte ich leise. Mein Vater lachte leise, kam zu mir und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Na wen schon?“, lachte er, „Keinen anderen als Feoan!“ „Was?“ stieß ich aus, obwohl ich es mir gedacht hatte. „Wie? Gefällt er dir nicht? Mir scheint der ein stattlicher junger Mann zu sein. Außerdem wird er auch noch Herr über Fenu werden.“ Ich stieß meines Vaters Hand von meiner Schulter und erhob mich. Jyn fiel von meinem Schoß, landete auf allen Vieren und verschwand schnaufend aus dem Zimmer. „Ich werde mit Feoan keinerlei Bünde eingehen!“, rief ich und mein Vater blickte mich erschrocken an. „Aber, Yina, ich dachte...“ „Ja, das dachtest du!“, unterbrach ich ihn aufgebracht. Ich wusste das Nuflen dafür nichts konnte, aber in mir kochte es, wenn ich an diesen Elfen dachte. „Ich hasse ihn! Ich hasse ihn, diesen feigen, kleinen Schuft.“ Mein Vater legte nun seine beiden Hände auf meine Schultern und drückte mich auf das Bett zurück. „Solche Gefühle ziemen sich für eine Elfe nicht. Der Hass schürt nur Streit und Krieg. Befreie dich von ihm.“ „Von Feoan? Oh, das tue ich nur allzu gerne!“ „Nein. Du sollst dich vom Hass befreien.“, sagte mein Vater. „Dann muss ich mich von Feoan befreien, denn mir scheint er ist der Hass und das Böse in Elfengestalt.“ , zischte ich. „Jetzt beruhige dich!“, bestand mein Vater und strich mir sanft über die Arme. „Was hast du gegen Feoan? Sage es mir ganz ehrlich und mir ruhiger Stimme.“ Ich atmete einmal tief ein und aus und begann dann, Nuflen alles zu erzählen, was mich an Feoan störte. Angefangen von seiner unhöflichen, arroganten Art, bis zu der frechen Undankbarkeit gegenüber unserer Gastfreundschaft. Er hörte mir aufmerksam zu und setzte sich nach einer Weile wieder ins einen Sessel. Als ich geendet hatte blickte er mich lange an und fuhr mit seiner Hand über seine Stirn. „Da haben wir ein ganz schön großes Problem.“, sagte er schließlich und ich erhob mich wieder. „Was? Warum? Hast du etwa schon mit Funar darüber gesprochen?“ „Natürlich. Das war das Thema über das wir am meisten sprachen.“, antwortete er und ich ließ mich wieder aufs Bett sinken. Jyn blickte zögernd zu uns ins Zimmer. Als er sicher war, dass ich mich wieder gefasst hatte, kam er zu mir. Er blickte mich aus seinen grauen Augen scharf an. Ich musterte ihn, denn wenn Jyn mich ansah, dann hatte er meist etwas zu sagen. Und genau das hatte er auch. „Was gibt es denn für ein Problem?“, fragte er. Die Elfen verstanden und sprachen die Sprache der Tiere und so konnte man sich ruhig einmal mit seinem Kater unterhalten. Mein Vater seufzte. „Keins bei dem du uns helfen könntest, Jyn.“, sagte er und winkte ab. „Du bist ein Kater. Du verstehst nichts von solchen Dingen.“ Jyn funkelte ihn lange an. „Vielleicht kann ich dann so mit euch sprechen.“, meinte er dann und ehe wir uns versahen, stand dort, wo Jyn gerade noch gesessen hatte, ein hochgewachsener Elf. Er hatte weiße Haare und graue, kalte Augen, deren Pupillen die einer Katze waren. Seine Haut war blass, ja fast weiß. Er trug ein weißes Hemd, sowie eine helle Hose und war barfuss. Jyn hatte sich in seine Elfengestalt verwandelt. Bestimmten Tieren war diese Gabe gegeben. Jedoch nur sehr wenigen. „Jyn.“, ärgerte sich mein Vater, „Ich meinte das nicht so. Auch jetzt bist du nichts anderes als ein gewöhnlicher Kater.“ „Gewöhnlich?“, zischte Jyn, beherrschte sich dann jedoch wieder und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich mochte Jyn. Wäre er kein Kater, würde ich ihn heiraten. Außerdem schien Jyn mich auch sehr zu mögen. Er schmunzelte mir zu und nahm meine Hand, die ich auf die weiße Decke gelegt hatte. Langsam schloss sich seine Hand um meine und er führte sie zu seinem Kopf. „Streichelst du mich?“, fragte er und lächelte mich an. Ich fühlte mich immer ziemlich komisch, wenn er das als Elf fragte, aber schließlich war er ja immer noch ein Kater. Ich nickte und strich über seine weichen, weißen Haare. Er schnurrte. Seltsam, dass er das Geräusch auch machen konnte, wenn er nicht den Körper eines Katers besaß. Mein Vater räusperte sich wieder und ich fuhr hoch. Doch er sagte nichts. „Vater, du musst es Funar erklären. Feoan kann mich auch nicht leiden, das verspreche ich dir.“, sagte ich und Jyn zuckte unter meiner Hand zusammen. Er fuhr hoch. „Wer ist eigentlich dieser Feoan?“, fragte er und rückte ein Stück von mir weg. „Das ist dieser Elf der die letzte Woche mit seinem Vater hier war. Er und ich... wir verstehen uns nicht allzu gut.“, erklärte ich und spürte wie Jyn wieder ein Stück zu mir zurück kam. Er hatte wieder sein zufriedenes Gesicht aufgesetzt. „Das ist... traurig.“, meinte er mit einem ironischen Unterton in der Stimme. Er schien mich wirklich sehr zu mögen. Vielleicht zu sehr. Kapitel 4: Eine Nacht im Wald ----------------------------- Eine Nacht im Wald Es war feucht und kalt, ungewöhnlich für eine Spätsommernacht und ich zog meinen Umhang fester um meine Schultern. Die Bäume wirkten bedrohlich, nachts im Dunkeln. Doch ich hörte wie die Blätter sich leise in den Schlaf sangen und meine Angst fiel von mir. Das Gras auf dem ich stand flüsterte still im Wind. Es waren ein paar Wochen vergangen, seit ich mit meinem Vater über Feoan gesprochen hatte und der hatte Funar darüber benachrichtigt. Die Beiden waren zwar immer noch in der Stadt, hatten aber nicht vor noch einmal zu uns zu kommen. Feoan habe mit seinem Vater fast das selbe Gespräch geführt, wie ich mit meinem. Ich war erleichtert und gegen meinen Willen, musste ich Feoan danken. Kaum vorzustellen was passiert wäre, wenn ich mich mit Feoan vermählt hätte. In unserem Zwist hätten wir sicher das ganze Land in den Untergang getrieben. Ich vertrieb diese Gedanken und sah mich im Wald um. Jyn hatte mich hierher bestellt, ich wusste nicht, was er von mir wollte. Da ich aber eh nichts zu tun hatte, war ich seiner Bitte nachgekommen. Nun glaubte ich schon, der Kater habe mir einen schlechten Streich gespielt, als ich plötzlich ein Knacken im Unterholz vernahm. Ich sah mich um und im schimmernden Licht des Mondes sah ich den weißen Kater auf mich zu springen. Seine Augen funkelten mir zu und nach einer Weile war er neben mir und schnurrte leise. „Danke das Ihr gekommen seid, Yina.“, sagte er und ich nickte ihm zu. „Ich hoffe Ihr erlaubt mir, mich in meine Elfengestalt zu verwandeln?“ Ich seufzte. Er sollte aufhören, mich alles zu fragen! „Natürlich, Jyn!“, sagte ich leicht gereizt, „Und hör auf mich mit „Ihr“ anzusprechen. Bitte sag du zu mir ich komme mir sonst immer so schrecklich eingebildet vor!“ Jyn drückte seine Augen zu und schien sich anzustrengen. Kurz darauf veränderten sich seine Vorder- und Hinterbeine zu Armen und Beinen. Sein weißes Fell wurde zu Kleidung und sein Kopf nahm die Gestalt eines Elfen an. Er war wie immer barfuss, obwohl es Herbst wurde und die Kälte in den Boden fuhr. Als er fertig war, lächelte er mich an und ich grinste leicht zurück. „Also, Jyn, warum sind wir hier im Wald und was wolltest du von mir?“ Er sah mich sehr seltsam an und ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Dann fuhr er sich nervös durch die Haare und kam mir näher. Er nahm mich in den Arm und ich wollte ihn von mir drücken, aber er hatte eine unheimliche Kraft. „Ich wollte einen Kuss, Yina.“, flüsterte er dann und drückte seine Lippen auf meine. Ich spürte seine spitzen Katzenzähne und wand mich erst nach einem Moment der Verblüffung aus seiner Umarmung. Wütend funkelte ich ihn an. „Was sollte das, Jyn?“, rief ich, „Ich liebe dich nicht!“ Jyn sah mich traurig an, als ich es plötzlich um uns herum im Gebüsch rascheln hörte. Erschrocken fuhr ich herum und suchte die Büsche mit meinen Augen ab. Ehe ich mich versah, standen da Gestalten mit Schwertern und Pfeil und Bogen in den Händen, die sie auf uns gerichtet hatten. Als sie auf die Lichtung kamen und das Licht des Mondes auf sie fiel, konnte ich ihr Zeichen erkennen. Es war ein Karo – es waren also Zauberer. Ich fluchte. Wie hatten sie uns hier gefunden? Schnell wandte ich mich an Jyn. „Verwandle dich und lauf nach Hause!“, zischte ich ihm zu, doch er blieb regungslos stehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Waffen der Zauberer nicht auf Jyn, sondern nur auf mich gerichtet waren. Traurig blickte er mich wieder an. „Es tut mir leid, Yina.“, stammelte er, „Sie haben mich vor ein paar Tagen gefangen genommen und mich hierzu gezwungen. Sie haben mir irgendetwas zu schlucken gegeben. Ich kann mich nicht mehr erinnern, aber mein Kopf war erfüllt von dem Gedanken, dich zu verraten. Erst jetzt sehe ich, was ich angerichtet habe. Ich werde dich retten, Yina.“ Ich konnte es nicht glauben und stieß, ihn von mir. „Das glaube ich dir nicht, Verräter!“, schrie ich und die Zauberer kamen näher. „Ich zeige es Euch, Herrin“, flüsterte er und sprang vor mich – auf den ersten Zauberer, der mich packen wollte. Er kratzte ihn und biss ihm in den Hals. Schreiend fiel der Zauberer zu Boden. Nun stürzten sich mehrer Zauberer auf Jyn und ich konnte kaum Atmen. Er hatte nur seine Krallen und Zähne und sie hatten Schwerter und Pfeile! Es waren zu viele, er konnte es nicht schaffen. Aus dem Schatten trat nun ein sehr großer, hagerer Zauberer mit einem bösartigen Blick. Er stürzte sich in das Getümmel und packte Jyn von hinten am Hals. Ohne mit der Wimper zu zucken hob er ihn hoch und umschloss seinen zierlichen Hals mir solcher Kraft, dass Jyn keine Luft mehr bekam. Ich schrie auf und wollte zu ihm, aber zwei Zauberer waren nun zu mir gekommen und hielten mich fest. „Bringt mir das Halsband, für dieses störrische Vieh!“, befahl der große Zauberer und ein anderer brachte ihm ein Band, nein eher einen Ring aus Eisen, den er um Jyns Hals legte. Er wehrte sich und schrie auf als das Metall seinen Körper berührte. Augenblicke später war er wieder ein Kater. Der Ring war mit ihm kleiner geworden und umschloss noch immer seinen Hals. Sie steckten ihn in einen kleinen Käfig in dem er sich nicht mehr bewegen konnte. Ich weinte und schrie und schlug um mich wie eine Furie, doch die Männer waren zu stark für mich. Der riesige Zauberer kam auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Stirn. Es war als brannte sich sein Finger durch meine Haut. Sofort erschlaffte ich in den Händen der Zauberer und sank zu Boden. Der Zauberer kam zu mir hinunter und flüsterte mir etwas ins Ohr. „Ich habe Euch verflucht, Herrin über Eneil. Ihr werdet langsam sterben, es wird viele Jahre dauern, aber vielleicht hat Euer Vater Gnade und übergibt mir sein Land, ohne das Ihr sterben müsst. Aber ich zweifle daran, dass er Euch glauben schenken wird!“ Er lachte. Sein Lachen hallte so laut durch den Wald, dass mein Vater es hören musste! Ich konnte mich nicht regen. Ich konnte nur da liegen und diesem grausamen Lachen zuhören, dass durch meinen Kopf hallte. Bis sich irgendwann Dunkelheit um mich legte und ich nichts mehr sah und hörte. Kapitel 5: Ein Licht im Dunkel ------------------------------ Ein Licht im Dunkel Als ich wieder erwachte lag ich in meinem Bett. Ich richtete mich verwundert auf und blickte mich um. Es war morgens, die Sonne schien freundlich in mein Zimmer. Hatte ich nur geträumt? War das vielleicht alles nur ein böser Traum gewesen? Wieder sah ich mich um. Wo war Jyn? „Jyn?“, rief ich zaghaft. Meine Stimme war leise und kraftlos. Ich bekam keine Antwort auf meine Frage. Jyn war nicht in meinem Zimmer. Oder schlief er noch? „Jyn!“, rief ich nun etwas lauter. Nichts. Mein Kopf schmerzte, als hätte ich ihn mir irgendwo aufgeschlagen. Einen Moment saß ich so auf meinem Bett und grübelte. Hätten die Zauberer mich nicht sofort getötet, wenn sie mich gefunden hätten? Es klopfte und ich deckte mich schnell wieder zu. „Herein!“, sagte ich und die Tür öffnete sich. Herein kam mein Vater mit meiner Zofe und unserem Heiler. Ich stutzte. War es also doch kein Traum gewesen? „Yina? Dir geht es gut? Dem Himmel sei Dank!“, rief mein Vater, als er mich hellwach in meinem Bett antraf. Freudig stürzte er zu mir und nahm mich in den Arm. „Warum bist du so aufgeregt Vater?“, fragte ich und hielt die Luft an. Jetzt sollte ich die Wahrheit wohl erfahren. Nuflen sah mich an und schloss einmal kurz die Augen. „Wir fanden dich gestern Nacht bewusstlos im Wald. Du bist bis eben nicht aufgewacht. Ich war völlig verzweifelt. Sag mir, was ist geschehen?“ Es sprudelte nur so aus seinem Mund heraus. Mein Atem ging schneller. Was hatte der Zauberer gesagt? Dein Vater wird es dir nicht glauben? Verzweiflung überkam mich und mein Herz fing an zu rasen. Ich war verflucht! Ich würde sterben und ich wusste nicht wann. „Vater, da waren Zauberer im Wald. Sie haben mich angegriffen und mit einem tödlichen Fluch belegt!“, rief ich und hielt mir die Hand an den schmerzenden Kopf. Nuflen starrte mich erschrocken an und befahl dem Heiler sofort, mich zu untersuchen. Es dauerte eine Weile und ich hielt es kaum aus. Kurz darauf wandte sich der Heiler wieder an meinen Vater. „Sie ist kerngesund.“, stellte er dann mit ernster Miene fest. Nuflen rieb sich über die Augen, dann setzte er sich zu mir. „Du musst dir das eingebildet haben. Dass dich die Zauberer angegriffen haben, glaube ich dir aber das mit dem Fluch musst du dir eingebildet haben.“ Ich schüttelte nervös den Kopf. Wie konnte ich es ihm beweisen? „Vater, du musst mir glauben!“, rief ich noch einmal, dann fiel mir etwas ein, „Jyn! Fragt Jyn er war dabei, er hat mich an die Zauberer verraten und wollte mich dann retten. Er hat alles gesehen, fragt ihn!“ „Er hat dich verraten?“, warf mein Vater zornig ein. Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein... nun ja. Aber gegen seinen Willen. Dann wollte er mich wieder retten. Oh sie haben schreckliche Dinge mit ihm getan! Wo ist er?“ Ich war so aufgeregt, das ich zitterte. Sie mussten mir doch glauben. „Sucht den Kater und bringt ihn her!“, befahl mein Vater dem Heiler und der Zofe. Sie verschwanden augenblicklich und es wurde still in meinem Zimmer. Die Sonne schien hell und warm hinein, als wäre nichts geschehen. Oh hätte ich mich doch nur mehr um Jyn gekümmert! Tagelang hatte ich ihn draußen gelassen und mich nicht einmal gefragt, warum er nicht wiederkam. Und nun hatte er sicher Angst, ich könne zornig auf ihn sein. Seinen unverschämten Kuss hatte ich in der Aufregung schon ganz vergessen. Die Zofe kam nach nur wenigen Minuten wieder zu uns. „Mein Herr, man hat Jyn das letzte Mal vor fünf Tagen gesehen.“, stammelte sie hervor und ich schlug die Hände vor meinem Gesicht zusammen. Langsam erhob ich mich und schritt zu meinem Schrank. Ich holte einen Übermantel heraus und zog ihn an. Dann wandte ich mich wieder an meinen Vater. „Sie haben ihm irgend so einen Ring um den Hals gelegt und ihn in einen Käfig gesteckt. Sie müssen ihn mitgenommen haben, damit er mir nicht helfen kann.“, stellte ich fest. „Vater, wir müssen ihn retten!“ Nuflen schüttelte langsam den Kopf. „Er ist nur ein Kater.“ „Er ist mehr als das!“, erwiderte ich wütend. Jyn zu beleidigen war das letzte, was mein Vater jetzt tun sollte! Ich lief ziellos in meinen Raum herum und blieb dann am Fenster stehen. Auf meinem Balkon stand Jyns Futternapf. Zwei tote Mäuse lagen darin. Ich hatte sie für ihn vom Koch aus dem Keller bekommen. Normalerweise aß er sie immer auf. Er hatte sie nicht angerührt. „Siehst du, Vater.“, sagte ich und wies auf den Napf, „Jyn hat nicht aufgegessen. Er hat gar nichts gegessen, was bedeutet das er nicht hier war. Er ist irgendwo da draußen bei diesen Zauberern! Sie müssen doch irgendwo ihr Lager haben! Oder sie sind in der Stadt.“ Ich lief schnell zu meinem Kleiderschrank und holte ein schlichtes braunes Leinenkleid heraus. „Vater, ich gehe in die Stadt, ob du mir glaubst, oder nicht!“, sagte ich dann und warf den Mantel zurück in den Schrank. Nuflen saß immer noch auf meinem Bett und rührte sich nicht. Nach meinen letzten Worten erhob er sich und schritt zu mir. Er legte mir sanft seine Hand auf die Schulter und strich über meine Haut. „Ich glaube dir.“, flüsterte er dann und es war mir, als fiele ein Stein von meinem Herzen. Ich wirbelte herum und sprang ihm in die Arme. Er glaubte mir! „Aber sag mir, wenn dich die Zauberer angegriffen haben, warum haben sie dich nicht gleich... getötet?“, fragte er leise und mit schwacher Stimme. Der Tod meiner Mutter war schon schlimm genug für ihn gewesen. „Sie wollen dich damit erpressen. Anscheinend können sie den Fluch beherrschen. Wenn du ihnen nicht einen Teil deines Landes vermachst, töten sie mich.“, erklärte ich und Nuflen riss die Augen auf vor Schreck. Ich sah das sie sehr glasig und feucht waren. Schnell schüttelte ich den Kopf. „Aber dann sagte der Zauberer auch noch, dass du mir nicht glauben wirst. Und wenn du mir nicht glaubst, kannst du ihnen auch kein Land vermachen! Es war ein dummer Fehler in ihrem Plan.“ Er nickte matt und strich mir wieder über die Arme. „Ich gebe dir zwei Männer mit, Tayin und Feyn. Sie sollen auf dich Acht geben, denn ich will nicht, dass die Zauberer noch einmal triumphieren. Wenn ihr sie findet gebt mir sofort darüber Bescheid! Schickt Tayin um es mir zu sagen!“ Ich nickte. Außerdem war ich froh, dass er mir meinen Bruder Feyn und meinen Vetter Tayin mitgab, und keine normalen Wachen. Er ließ sie holen und ich zog mich um, so schnell ich konnte. Kapitel 6: Geheimnissvoller Fremder ----------------------------------- Mein Pferd sträubte sich ein wenig in die Stadt zu reiten. Vor den Toren der Stadt, wäre es fast wieder umgekehrt, hätte ich nicht die Zügel geführt. Feyn ritt neben mir und beruhigte mit seinen sanften Worten das aufgeregte Pferd. Er hatte, wie ich, braungoldene Haare und wunderschöne braune Augen. Seine Stimme erinnerte mich immer wieder an einen lauen Herbstabend an dem das bunte Laub, durch einen warmen Wind sanft vom Boden abgehoben, durch die Luft flog. Er war ein Elf, der häufiger zum Kopf, als zur Waffe griff, wenn es an das Lösen von Problemen ging. Seine Kleidung unterschied sich, bis auf den Schnitt und die Tatsache, dass er eine Hose trug, nicht sehr von meiner. Er trug gerne Leinen und einen schwarzen Ledergürtel an dem sein Schwert hing. Es war nicht die übliche Kleidung für einen Elfen. Würde man nicht seine spitzen Ohren und sein Zeichen sehen, dann könnte man ihn sogar für einen Menschen halten. Er lächelte mir zu und ich nahm schnell seine Hand, weil sich unsere Tiere gerade sehr nah standen. „Schön, dass du mir hilfst.“, sagte ich und er nickte mir zu, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Ich mochte ihn dafür. Er war so zuverlässig und immer da, wenn ich ihn brauchte. Dagegen war Tayin, der Sohn des Bruders meines Vaters, jemand, der nur selten bei mir war. Aber ich hatte damit kein Problem, denn wenn er nicht bei mir war, war er bei seiner Schwester Tuona. Diese brauchte ihn wohl so sehr, wie ich Feyn brauchte. Tayin hatte, wie die meisten Elfen, blonde Haare. Wenn seine Freunde von ihm sprachen, war die Rede meist von einem „gewitzten, schrägen Schlaufuchs“. Das er genug Späße und Flausen im Kopf hatte wusste ich. Auch das er sehr intelligent war. Aber was sie mit „schräg“ meinten, konnte ich mir immer noch nicht erklären. Außerdem war er der wohl beste Bogenschütze in unseren Reihen. Seine Hände waren so schnell, wenn er einen Pfeil zog, dass man mit den Augen manchmal nicht hinterher kam. Und er traf immer ins Schwarze. Seine Waffe trug er, festgeschnallt auf seinem Rücken, überall mit sich herum. So auch in diesem Moment. Er zügelte sein Pferd ein wenig und kam auf unsere Höhe. „Wo wollt ihr anfangen zu suchen, Herrin?“, fragte er. Seine Stimme hatte Kraft und Volumen. Er konnte auch sehr gut singen, hatte ich gehört. Ich überlegte kurz. Allein konnten wir die Zauberer nicht finden, wir brauchten Hilfe. Da ich mich mit einer anderen Frisur, einem großen Hut und anderer Kleidung genug getarnt hatte, konnte ich mich in der Stadt frei bewegen. Feyn und Tayin waren bei mir, um mich zu beschützen, falls mich doch jemand erkennen würde. „Wir werden uns in dem Gasthaus dahinten nach etwas Hilfe umsehen. Ich habe gehört dort ziehen oft gute Späher und Spione ein.“ Tayin und Feyn nickten und wir machten vor einem sehr stattlichen Gasthaus zur blühenden Rose halt. Die Pferde banden wir an Ringen, die in der Wand eingelassen waren, fest. Dann stiegen wir die Stufen zum Eingang hinauf. Nach kurzem Zögern, weil mich wieder eine Schmerzwelle in meinem Kopf durchfuhr, öffnete ich. Als ich eintreten wollte, stieß ich mit einer verhüllten Person zusammen. Völlig überrumpelt fiel ich zu Boden. Die Gestalt beugte sich sogleich zu mir hinunter. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da die Kapuze soweit hinunter gezogen war, dass es kein Wunder war, das sie mit mir zusammen gestoßen war. „Verzeiht mir, Herrin.“, sagte die Gestalt – der Stimme nach, ein Mann – in besorgtem Tonfall. „Ist alles in Ordnung?“ Ich nickte und spürte wie ich von hinten von Feyn wieder auf die Beine gezogen wurde. Der Fremde kam mit mir zusammen hoch. „Ja, es ist alles in Ordnung, danke.“, erwiderte ich und der Fremde schien erleichtert. „Warum hattet Ihr es denn so eilig?“ Dem Fremden schien dieses Thema nicht sehr willkommen. „Ich möchte nicht darüber reden.“, versuchte er auszuweichen, doch ich war hartnäckig. Es konnte ja sein, dass unter der Kapuze ein Zauberer steckte! „Kommt, das seid Ihr mir schuldig.“, hackte ich nach. Der Fremde seufzte und senkte die Stimme beim sprechen. „Ich bin auf der Suche nach Zauberern.“, flüsterte er und ich horchte auf. Ich wandte mich kurz zu meinen Begleitern um und sah das Tayin nickte. „Entschuldigt, aber ich bin auch auf der Suche nach Zauberern. Sie haben mir etwas angetan und einen Freund von mir entführt. Ich möchte ihn retten. Könnt Ihr uns helfen?“ Der Fremde schien positiv überrascht. „Ich habe von einem Freund erfahren, dass sich nahe der Stadt zwielichtige Gestalten herumtreiben sollen. Wenn Ihr wollt, können wir zusammen hingehen.“, meinte er nach einiger Überlegung und ich nickte aufgeregt. Wir folgten ihm zu seinem Pferd und holten dann unsere. Langsam ritten wir durch die belebten Straßen der Stadt und ich wusste immer noch nicht, wer der Fremde war. „Dürfte ich fragen, wer Ihr seid?“, sagte ich nach einer Weile. Es schien den Fremden unangenehm zu berühren und er wandte sein verhülltes Gesicht von mir ab. „Könnt Ihr mir sagen, wer Ihr seid?“, konterte er dann. Ich fühlte mich unsicher. Ich wollte ihm nicht sagen, wer ich war, bevor ich nicht dasselbe von ihm wusste. „Ich...“, stotterte ich. Er lachte leise. „Ah, ich sehe. Es geht Euch so wie mir.“, erwiderte er und ich schwieg. Er hatte Recht. Wie folgten der Hauptstraße an unzähligen Läden uns Ständen vorbei bis zum Nordtor der Stadtmauer. Ohne Probleme verließen wir den sicheren Bereich der Stadt und folgten dem Weg durch die kleinen Gassen der Armen und Angestellten an den Toren der Stadt, bis zu einem kleinen Wäldchen. Dort stiegen wir von unseren Tieren und banden sie an den nächsten Baum. Gleich darauf schlichen wir uns leise durch das Wäldchen, bis wir Stimmen vernahmen. Es waren Männerstimmen und sie schienen sich zu streiten. Ich vernahm nur einige Wortfetzen, aber näher durften wir nicht heran, wenn wir nicht entdeckt werden wollten. „Du hast doch gehört was der Meister gesagt hat!“, vernahm ich dann deutlich einen der Männer. „Er sagte: Passt auf das Vieh auf, solang ich weg bin!“ Mein Atem stockte. Ganz sicher sprachen sie von Jyn! Ich wollte schon hervor springen, doch Feyn hielt mich fest. Er drückte den Zeigefinger auf den Mund und bedeutete mir, zu warten. „Ja, aber der Meister macht in letzter Zeit ganz schön dumme Sachen!“, sagte der andere Mann, dem Dialekt nach eindeutig ein Zauberer. „Er greift diese Elfen an!“ Ich wartete. „Ja, er greift die wichtigsten Elfen des Landes an, verflucht sie und erpresst ihre Eltern! Und? Es waren doch nur zwei.“, sagte der Andere aufgebracht. Zwei? Ich überlegte. Es gab in diesem Land nur eine Elfe die in ein paar Jahren wichtig für das Land sein würde: Mich. Von wem sprachen die Zauberer? Tayin tippte mich an und wies dann auf eine Stelle der Lichtung. Ich folgte seinem Arm und entdecke einen leeren Käfig auf dem Boden. Ich erkannte ihn sofort. Das war der Käfig von Jyn! Er hatte es also geschafft zu fliehen. Erleichtert atmete ich auf. Nun blieb mir nur noch die Aufgabe, diesen Fluch loszuwerden. Gerade als ich überlegen wollte, wie ich das Problem bewältigen sollte, vernahmen wir Hufgetrappel. Die anderen Zauberer kamen zurück. Sie würden uns entdecken! Feyn packte mein Handgelenk und zog mich hinter sich her. Tayin bedeutete dem Fremden uns zu folgen. Gemeinsam schlichen wir uns durchs Unterholz wieder zurück zu unseren Pferden. Schnell sprangen wir auf und ritten im Galopp zurück zur Mauer und durchs Tor wieder in die Stadt um jede Gefahr zu vermeiden. Ich zügelte mein Pferd und bremste ab. Ich wandte mich an Feyn. „Reitet zurück und informiert meinen Vater. Wir werden uns diese Zauberer schnappen. Ich warte beim Gasthaus zur blühenden Rose, beeilt euch!“, sagte ich und mein Bruder nickte. Dann weilte sein Blick auf dem des Fremden. „Und der da?“, flüsterte er mir zu. „Der tut nichts zur Sache, reitet nur.“, erwiderte ich sicher. Feyn nickte und zusammen mit Tayin verschwand er im Getümmel der Massen. Ich wandte mich an den Fremden. Er schien mich anzuziehen, ich musste ihn näher kennen lernen. Es dämmerte schon, wir waren lange Unterwegs gewesen. Ich lächelte ihn an und wies auf eine Schenke uns gegenüber: Zum Adler. Er nickte und folgte mir. Wir gaben unserer Pferde einem jungen Stallburschen, der sie sicher unterbrachte. Dann traten wir in die dunkle Schenke und ich konnte schlagartig nichts mehr sehen, da mein Hut mein Gesicht beschattete. Der Fremde neben mir, schien mit seiner Kapuze dasselbe Problem zu haben, er stolperte und fiel fast zu Boden. Schnell half ich ihm auf. Mein Herz schlug noch ein wenig vor Aufregung. Ich hatte die Zauberer entdeckt, jetzt konnte ich gerettet werden! Oder schlug es noch wegen etwas anderem? Wir setzten uns an einen leeren Tisch in einer noch dunkleren Ecke der Kneipe. Ich beabsichtigte damit, die Identität meines Gegenübers zu klären. Um ihm die Sache zu erleichtern nahm ich zögernd meinen Hut ab. Verwirrt beobachtete ich, wie er in diesem Moment kurz die Hände zusammenzog und sie dann wieder öffnete. Der Wirt kam zu uns und wir bestellten einen guten Wein für uns beide. Er zwinkerte uns verstohlen zu und ich schüttelte schnell den Kopf. Es war vielleicht doch ein wenig riskant gewesen, mich mit dem Fremden in eine Kneipe begeben zu haben, doch irgendwie konnte ich nicht anders. „Wollt Ihr mir immer noch nicht sagen, wer Ihr seid?“, fragte ich langsam und beobachtete den Mann. Er zögerte. Dann, ganz langsam schlug er seine Kapuze zurück. Im fahlen Licht der Kerzen, konnte ich erkennen, dass er rote Haare hatte. Sie wallten ihm auf die Schulter und umrahmten sein schönes Gesicht, welches mich an irgendjemanden erinnerte. Seine Augen waren scharf und klug und beäugten mich angespannt. Er zwang sich ein Lächeln ab und reichte mir die Hand herüber. „Freut mich, Euch kennen zu lernen, Herrin Yina.“, sagte er dann und ich erstarrte kurz. „Woher...“, stammelte ich verlegen. Er unterbrach mich. „Mann kennt Euch, hier im Dorf.“ Irgendetwas an seiner Stimme kam mir sehr bekannt vor. Dieses sanfte und doch sichere... „Und wie ist Euer Name werter Herr?“, wollte ich nun wissen. Der Fremde schien nach Worten zu ringen. „Mein Name ist... äh... ist Fain.“, stotterte er dann hervor und fuhr sich nervös durch die Haare. Was hatte er nur? Wollte er mir etwas antun und spielte mir nur etwas vor? Ich riet mir selbst zur Vorsicht und versuchte sein Zeichen zu erkennen. Leider war das Licht zu schwach dafür und ich musste ihn fragen. „Oh, ich bin ein Elf, Herrin. Seht.“ Er beugte sich nah zur Kerze und ich erkannte das Dreieck auf seiner Stirn. Es beruhigte mich ein wenig. Wenigstens ein Landsmann. Der Wirt brachte schwitzend den Wein. Es waren viele Leute im Gasthaus und alle wollten bedient werden. Fain hob seinen Becher hoch und wir stießen an. Er trank auf meine Gesundheit – hoffentlich wirkte es! Ich beobachtete ihn über den Rand meines Becher. Er gefiel mir sehr, mit seinen ungewöhnlichen Haaren und seinen klugen Augen. Er sah wirklich äußerst hübsch aus und schien auch sehr nett zu sein. Ich lächelte ihn an und er lächelte charmant zurück. Dann setzte er seinen Becher langsam ab und musterte mich kurz. „Könnt Ihr mir sagen, Herrin, was Euch die Zauberer angetan haben?“, fragte er dann und sah mich so vertrauenswürdig an, dass ich mich nicht dazu überreden konnte, es ihm nicht zu verraten. Was sollte er mir schon tun? Ich atmete tief ein und aus und schmunzelte ihn verlegen an. Dann begann ich mit meiner Erzählung. Kapitel 7: Wein und gute Gesellschaft ------------------------------------- Fain bedachte mich mit einer Mischung aus Angst, Bewunderung und Erschrockenheit. Er rieb sich nervös die Hände und fuhr sich oft durch die Haare. Ich überlegte, ob er vielleicht etwas über die Zauberer wusste, oder ein Spion war. Gleich darauf unterdrückte ich den Gedanken wieder, setzte eine gespielt gelassene Miene auf und lenkte vom Thema ab. „Kennt Ihr zufällig einen Feoan, Funars Sohn?“, fragte ich und schien damit mein Gegenüber noch mehr zu erschrecken. Er schüttelte schnell den Kopf und lächelte wieder. Völlig ruhig meinte er dann: „Nein, nicht das ich wüsste. Kennt Ihr ihn denn?“ Ich nickte und rollte mit den Augen. „Meine Gespräche mit ihm waren die reinste Zeitverschwendung. Er war vor sechs Wochen Gast in meinem Haus.“, erklärte ich Fain und er schien ein wenig verlegen. Er nahm noch einen Schluck Wein, bevor er etwas erwiderte. „Was störte Euch an ihm?“, wollte er dann wissen und ich war überrascht, dass er weiter auf das Thema Feoan zu sprechen kam, nicht aber auf das des Fluches. Schnell nahm ich auch noch einen kleinen Schluck. „Seine arrogante Art, seine Unhöflichkeit, seine... ach sein ganzes Auftreten und seine böse Miene. Er hat nie gelächelt, wenn man ein gutes Wort zu ihm sagte. Immer waren seine Mundwinkel nach unten gerichtet. Er hat mich beleidigt und gedemütigt und sich Dinge angemaßt, die sich nicht gehören! Außerdem hielt er sich wohl für den schönsten Elfen, den Alareiy je gesehen hat!“, brauste ich auf und sank danach wieder entspannt in meinen Holzstuhl zurück. Fain hatte den Mund, wie vor Empörung, leicht geöffnet. „Was?“, fragte ich selbstsicher. Er spannte sich nun auf seinem Stuhl an und beugte sich über seinen Weinbecher. „Ich denke Ihr habt einen falschen Eindruck von ihm. Habt Ihr Euch mit ihm einmal intensiv unterhalten. Ehrlich und freundlich?“, fragte er und ich war etwas peinlich berührt. Natürlich hatte ich ein paar Mal übertrieben. „Ja... ja habe ich.“, sagte ich etwas zögerlich. Fain hob eine Augenbraue hoch und ich spürte mein schlechtes Gewissen. „Nein... nein habe ich nicht wirklich.“, antwortete ich noch einmal und senkte meinen Blick auf die dreckige Tischplatte. Fain verschränkte die Arme vor der Brust und grinste leicht. „Ah!“, sagte er triumphierend. „Dann gebt Ihr es also zu!“ Er lachte und ich konnte mich nicht zurückhaltend und stimmte leise mit ein. Vielleicht hatte ich Feoan doch ein wenig falsch behandelt? Aber er hätte sich wenigstens beherrschen und nachgeben können! Meine Schuld war es nicht gewesen. Fain bestellte noch einmal Wein, oder etwas ähnliches und brauchte nicht lange, bis auch die nächste Flasche leer war. Er prostete mir zu und ich erwiderte seine Geste. Dann legte er mir über den Tisch eine Hand auf die Schulter und meinte im freundlichen Ton: „Ich finde wir sollten uns wiedertreffen, Herrin. In Eurer Gesellschaft fühle ich mich redlich gesprochen sehr wohl!“ „Ich glaube Ihr habt schon ein wenig zu viel getrunken, mein Herr.“, erwiderte ich lachend. Fain lachte ebenfalls und nahm noch einen Schluck. „Das glaube ich auch. Trotzdem möchte ich Euch wiedertreffen. Oder fühlt Ihr Euch nicht wohl dabei?“ Er schien meine Erzählung und die Tatsache, dass ich verflucht worden war, schon vergessen zu haben. Wieder kroch die Angst in mir hoch und mein Lächeln schwand. Hoffentlich kamen Tayin und Feyn bald! „Ist etwas mit Euch, Herrin?“ „Nein, nein.“, sagte ich schnell und fuhr mir über den Kopf, der wieder zu schmerzen begann. Vielleicht konnte mich so jemand wie Fain aufheitern? „Aber ich glaube es wäre in Ordnung, wenn wir uns wieder treffen würden. Wie wäre es mit morgen?“ Er antwortete nicht, sondern prostete mir wieder zu und trank, bis sein Kopf auf die Tischplatte sank. „Fain?“, fragte ich erschrocken und kam zu ihm herüber. Schnell fühlte ich seinen Puls, stellte aber fest, dass dieser völlig normal war. Plötzlich hob Fain wieder den Kopf und begann zu lachen. „Na, Ihr sorgt Euch wohl um mich, was?“, sagte er leicht lallend und ich war zwar leicht empört, jedoch von seiner Art zu Scherzen auch ziemlich angetan. „Ihr habt zuviel getrunken, mein Herr.“, beharrte ich und tätschelte ihm die Hand. Sie war wunderschön, musste ich feststellen und ließ sie schnell wieder los. „Ich werde jetzt gehen. Kommt gut nach Hause, oder soll ich Euch geleiten?“ Er nickte leicht abwesend, doch nach meinen letzten Worten schreckte er auf. Er tastete nach meiner Hand die noch immer auf dem Tisch ruhte und beteuerte, dass er es schon allein schaffen würde. Ich besah ihn noch einmal und sah, dass er völlig betrunken war. Was war wenn ihm auf dem Weg zum Gasthaus etwas geschehen würde? Was denkst du denn nur!, mahnte ich mich selbst, entscheid dann aber, Fain zum Gasthaus zu geleiten. Sein Kopf war wieder auf den Tisch gesunken, meine Hand hielt er umklammert. Fast so, als wolle er mich nicht gehen lassen. Ich winkte den Wirt herbei und bezahlte die Flasche Wein und den anderen Wein, der wie sich herausstellte hochprozentiger Schnaps gewesen war. Kein Wunder, dass Fain leicht angetrunken war. Mithilfe des Wirtes hievte ich ihn mir halb auf die Schulter. Erstaunlicherweise war er nicht sehr schwer. Ich konnte ihn ohne große Mühe stützen. Seine Beine bewegten sich wie von selbst, ein wenig unbeholfen zwar, jedoch in die richtige Richtung. Als wir das Gasthaus verließen, war es schon dunkel und keine Spur von Feyn und Tayin. Ich biss mir ein paar Mal auf die Lippe und hoffte, dass sie bald kommen würden. Mitten auf der Straße fuhr Fain sich plötzlich mit der freien Hand an den Kopf und stöhnte, wie unter Schmerzen. Sofort blieb ich stehen und wandte sein Gesicht zu mir. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte wieder. Was mir jetzt zum ersten Mal auffiel waren seine dunklen Augenbrauen. Er hatte doch rote Haare? Ich schüttelte ihn sanft und strich ihm über die Stirn und sein Zeichen. „Was ist mit Euch?“, wollte ich wissen und Fain schlug die braunen Augen auf. Als er erkannte, was los war stieß er mich leicht von sich. „Es ist nichts, Herrin.“, sagte er leicht gequält. „Ich danke Euch, dass Ihr mich das Stück gebracht habt. Ich finde den Weg nun allein. Wir treffen uns morgen wieder im Adler. Gleiche Zeit?“ Ich nickte schnell und sah Fain nach, wie er wankend zum Gasthaus lief. Er war kein schlechter Elf. Er sah gut aus, er war nett und lustig und er hatte etwas an sich, dass ich mochte. Ich freute mich schon auf den nächsten Tag und vergas für einen Moment meine Sorgen. Kapitel 8: Angriff ------------------ Angriff Mit dem Geklapper, welches von weit her an mein Ohr drang, kamen auch die Sorgen und Gedanken an den Fluch und die Zauberer zurück. In diesem Moment wünschte ich mir, wie die Vögel, die über mir am Himmel ihre Kreise zogen, auch einfach davon fliegen zu können. Weit weg von den Zauberern, Feoan, Jyn, meinem Bruder, von Eneil und weg von ganz Alareiy weit über das Meer nach Osten. Was befand sich wohl hinter dem grauen Nebel, der sich über dem Meer im Osten bildete und in dem schon viele Schiffe verschwunden waren? Ich seufzte laut. Ganz egal, was es war, ich würde es nie wissen, denn ich war gefangen – in einem Käfig errichtete aus Angst. Ich zog meinen Umhang fester um meine kalten Schultern und beobachtete, wie Feyn mit einer Truppe von ungefähr fünfzig Mann, näher kam. Mein Bruder winkte mir zu und ich lächelte zaghaft zurück. Er war schon immer eine Frohnatur gewesen, seit ich ihn kannte. Wenn ich als kleines Kind hingefallen und mir wehgetan hatte, war es oft seine Hand gewesen, die mir aufgeholfen und über meinen Kopf gestreichelt hatte. Seine wohltuende Stimme hatte mir abends alte Elfenlieder von längst vergessenen Königreichen und von den Schlachten der Zwerge von Kémen erzählt. Nach seinen Geschichten hatte ich oft geglaubt, in dem großen Garten, der an den Palast grenzte, kleine Feen im Licht des Mondes tanzen zu sehen. Ich glaubte, ihre zarten, glockenhellen Stimmen hören zu können, wie sie wunderschöne Gesänge in die kühle Abendluft hauchten, die bis zu mir in mein Zimmer drangen. Ja, so sehr hatte seine Stimme Bilder in meinen Kopf schaffen können – auch als meine Mutter gestorben war, hatte sie mich getröstet, die warme Stimme, voller Liebe und Freundlichkeit. Ich liebte ihn dafür, mehr als alles andere auf der Welt; und ich liebte viele Dinge. Schließlich war Feyn bei mir angekommen und drückte mir die Zügel seines Pferdes in die Hand. Einen Moment, lächelte er mich nur an, dann verzog er verwundert die Augenbrauen. „Wo ist dein Pferd?“, fragte er mich, seine Stimme so zart und schön, wie eh und je. Ich nickte nur mit dem Kopf zum Adler und er verstand. Ich glaube, es ist ihm nie schwer gefallen mich zu verstehen und zu wissen was mit mir los war, denn ich hatte ihn in mein Herz schauen lassen und ihn darin eingeschlossen, wie die grünen Blätter einer Knospe, die Blüte einer Pflanze einschließen und sie schützen. „Das macht jetzt nichts, wir holen es später. Wir müssen aufbrechen, ehe es zu dunkel wird. Los, steig auf.“ Ich tat, um was er mich gebeten hatte und setzte mich vor ihm auf den Sattel. Mit einer einzigen, kurzen Armbewegung, bedeutete Feyn der gesamten Truppe, sich auf den Weg zu machen. Langsam setzten sich die Tiere mit ihren Reitern in Bewegung, wie eine zähe Masse Lava, die von einem Vulkan hinunterfloss, und folgten der Straße hinaus aus der Stadt. Es war sehr still, nur in der ferne hörte ich ein Käuzchen leise schreien. Es klang unheimlich, und obwohl ich mich in einer Gruppe von fünfzig Mann befand, erschauderte ich und es überlief mich eiskalt. Feyn spürte es, als wäre er durch einen seidenen Faden mit mir und meinen Gefühlen und Gedanken verbunden, und strich mir mit der freien Hand über den Kopf. Sofort fühlte ich mich besser, es war fast so, als würde er mit seiner Berührung einen Teil meiner Angst auf sich herüber ziehen und mich entladen. Je mehr er mich berührte und liebkoste, desto ruhiger wurde ich. Fast schon entspannt lehnte ich mich zurück und schloss die Augen für einen Moment. Der Wind strich mit seiner Hand über meine Wange und trug den Geruch reifer Äpfel mit sich. Ruhig trabte das Pferd vorwärts und trug uns eine lange Strecke durch den Wald, bis mein Bruder es zügelte und es bat, nun vorsichtiger zu sein. Wir näherten uns der Lichtung und ich konnte lautes Lachen und Gegröle hören, welches mich wieder aus meiner Art Trance riss. Ich öffnete erschrocken die Augen und setzte mich im Sattel gerade auf. Einige von Feyns Männern waren schon von ihren Pferden gesprungen und hatten ihre Waffen griffbereit. Auch Tayin schnallte seinen Bogen vom Rücken und sah so gespannt aus, wie die dünne Sehne seiner Waffe. Zitternd rutschte ich von dem starken Tier, welches uns bis hier her sicher getragen hatte. Jetzt war ich auf mich allein gestellt, denn wenn es zum Kampf kam, dann konnte ich nicht sehr viel tun. Da ich aus höherem Hause stammte und eine Frau war, hatte mir niemand den Umgang mit Schwertern beigebracht. Im Nahkampf war ich also keine große Hilfe. Mit Pfeil und Bogen konnte ich gut umgehen, weil Tayin es mir beigebracht hatte, wenn mein Vater und meine Mutter vereist waren. Er meinte, es sei besser wenn ich eine Waffe beherrschen würde, da selbst mir, als Prinzessin, etwas passieren könne. Er hatte Recht behalten. Doch nun war kein Bogen da, den ich hätte führen können und so suchte ich Schutz hinter meinem Bruder und meinem Vetter. Ich betete, es möge nicht zum Kampf kommen, denn eine gewalttätige Auseinandersetzung würde nur noch mehr Hass auf beiden Seiten schüren. Ich wollte mit den Zauberern sprechen, auch wenn mein Hass auf sie unendlich groß war und nur noch mehr gewachsen war, als sie Jyn benutzt hatten um mich in die Finger zu bekommen. Wegen mir durfte niemand zu Schaden kommen, ich würde mir das niemals verzeihen! Wir schlichen uns an, das Licht wurde heller. Die Zauberer saßen um große Feuer die sie auf kahlen Erdstellen, die von Steinen umrundet waren, angezündet hatten. Einige torkelten betrunken von einer Feuerstelle zur anderen, einige erzählten und wieder andere vergnügten sich mit jungen Zauberinnen, die sich aus ihren Städten mit auf die Reise genommen hatten. Es wunderte mich nicht, dass hier auch Frauen anwesend waren. Bei dem Volk der Zauberer hatten Frauen die selben Rechte, wie Männer, führten Kriege und waren Anführer einzelner Gruppen. Diese hier sahen jedoch nicht wie Kriegerinnen, sondern eher wie kleine Mädchen aus, da sie dünne und bunte Seidenkleider trugen, die im Winde flatterten. Ihnen schien nicht kalt zu sein, das Feuer wärmte sie. Sie lachten und kicherten unbeschwert und glücklich, als würden sie nicht wissen, dass Krieg herrschte. Lauschend versteckten wir uns hinter den Bäumen und warteten auf einen günstigen Augenblick um uns zu zeigen, als mich plötzlich ein junger Elf, Nacon sein Name, von der Seite anstieß und auf etwas deutete, dass sich etwas außerhalb der Lichtung befand. Ich folgte mit den Augen seinem Arm und erblickte eine kleine Gruppe von Zauberern, die sich über etwas kleines, weißes beugten, das sich am Boden befand. Mir stockte der Atem. Es war Jyn – sie hatten ihn wieder in ihren Händen! Mit rasendem Herzen beobachtete ich, wie sie den weißen Kater zu Boden drückten um ihm wieder dieses seltsame Band um den Hals zu legen. Jyn fauchte und schlug um sich, verwandelte sich erst in einen Elf, dann blitzschnell wieder in einen Kater, aber die Zauberer waren zu zahlreich. Schließlich hatte er seine Kräfte aufgebraucht und sie überwältigten ihn. Kurz bevor sie ihn wieder in den Käfig stecken wollten, hielt ich es nicht mehr aus. Ich stieß Tayin und Feyn an, deutete auf Jyn und flüsterte: „Gewaltfreie Auseinandersetzung hin oder her, was sie mit Jyn tun ist unverzeihlich. Alles bereit zum Angriff. Los!“ Einen kurzen Augenblick sahen sie mich erstaunt und erschrocken an, doch ein Blick hinüber zu Jyn ließ auch sie wütend werden. Der schnelle, hohe Pfiff den Tayin ausstieß, führte dazu, dass sich alle Elfen im nächsten Augenblick schreien auf die Lichtung und die sich darauf befindlichen Zauberer stürzten. Der Überraschungseffekt brachte uns einen gewissen Vorteil, doch einige Zauberer waren noch nicht angetrunken und trugen ihre Waffen immer bei sich. Es entbrannte ein heftiger Kampf und die Zauberinnen begannen zu schreien und wie Kaninchen in den Wald zu flüchten. Niemand bemerkte mich, wie ich mich im Schatten der Bäume zu einem Zelt schlich und hineinschlüpfte. Niemand befand sich darin – welch ein Glück! – und ich fand einige Schwerter und Pfeile und auf einer Lagerstatt befand sich ein großer Langbogen. Schnell riss ich die Waffe und die Pfeile, die in einem ledernen Köcher aufbewahrt wurden, an mich und sprang wieder hinaus. Ein bärtiger Zauberer stürzte sich mir schreiend entgegen, doch ehe er sein Schwert gegen mich heben konnte, hatte ihn mein Pfeil schon durchbohrt. Mein Blick schweifte über das Schlachtfeld. Schließlich sah ich die Zauberer, die Jyns Käfig bei sich hatten. Ich hob den Bogen, legte einen Pfeil an und zielte. Die lauten Schreie verklangen, drangen nur noch dumpf an mein Ohr und ich konnte meinen Atem hören, wie er laut und tief ging, während ich die Sehne spannte. Alles schien zu verschwimmen, die Gestalten um mich herum waren nur noch flüchtige Schatten, einzig und allein der Zauberer mit Jyns Käfig in der einen und dem Schwert in der andere Hand war noch klar zu erkennen. Noch zwei endlos lang scheinende Atemzüge, dann fiel er, von meinem Pfeil tödlich getroffen, zu Boden und ließ den Käfig fallen. Sofort rannte ich los, schlug die Zauberer und ihre Speere beiseite, die sich mir in den Weg stellten und schnappte mir den Käfig mit dem weißen, leblosen Körper darin. So schnell ich konnte, lief ich zum Rand der Lichtung zurück, zögerte noch kurz, dann stellte ich den Käfig ab und stellte mich neben einen Baum, dessen Zweige weit auf die Lichtung reichten. Meine Finger fühlten die gefiederten Pfeile im Köcher und umschlossen sie kräftig, wenn ich sie herauszog. Einen Pfeil nach dem anderen holte ich heraus, legte ihn an und verschoss ihn. Die Zauberer die ich tötete konnte ich nicht zählen, dennoch prägte sich jedes Gesicht in mein Gedächtnis ein, wie ein bedeutendes Gemälde, an das man sich gern erinnert. Diese Erinnerungen jedoch, würden mich schlecht schlafen lassen, dass wusste ich – trotzdem war die Wut über die, die ich tötete größer, als mein Mitleid. Am Ende war ein Pfeil übrig geblieben, fast verloren sah er aus, wie er da, ganz allein im Köcher lag und auf seine Benutzung wartete, die nicht erfolgen würde. Mindestens dreißig tote Zauberer lagen auf der Lichtung, von unseren Männern hatte es fünf getroffen. Die restlichen Zauberer waren geflohen und entkommen – so auch der Anführer, der mich verflucht hatte. Feyn und Tayin waren nur leicht verletzt und halfen den anderen, verletzte und tote Elfen vom Schlachtfeld zu ziehen. Sie waren umsonst gestorben. Es war alles umsonst gewesen. Ich kauerte am Baumstamm der alten Eiche und weinte stumm. Sie suchten mich und riefen nach mir, doch ich konnte nicht antworten, ich konnte nur das viele Blut sehen und die Schreie hören. Nach einer Weile fand Nacon mich. Er half mir aufzustehen und fragte mich, ob ich verletzt sei. Ich schüttelte den Kopf und trocknete mein Gesicht. Feyn kam angerannt und schloss mich erleichtern in die Arme und sofort spürte ich, wie meine Tränen versiegten und mein Körper nicht mehr von Schluchzern geschüttelt wurde. Langsam beruhigte ich mich. Dann kam mir Jyn in den Sinn. Sanft drückte ich meinen Bruder von mir und ging zu dem kleinen Käfig, der etwas weiter von der Eiche entfernt lag. Ich hielt den Atem an und beugte mich über das Gestell aus Eisenstäben und holte sanft den dünnen und kraftlosen Kater heraus. Kapitel 9: Armer Jyn! --------------------- Armer Jyn! Das wunderbare, befreiende Gefühl von Erleichterung strömte durch meinen Körper und schien mich zu betäuben, als er seine kleinen Kateraugen öffnete. Tayin löste das Band von seinem Hals und im nächsten Moment, lag Jyns Elfenkopf auf meinem Schoß. Ich war ein wenig verwundert. Jyn hatte doch nicht genug Kraft, um sich zu verwandeln? Lag es an dem seltsamen Band, diesem teuflischen Ding? Jyn rührte sich, seine Hand wanderte zu seinem Hals, dort wo das Band ihm ins Fleisch geschnitten hatte, und seine Augen öffneten sich nun ganz. Langsam, als würde er ein schweres Gewicht tragen, richtete er sich auf und blickte sich um. In seinen Augen glänzten kleine Tränen und ich konnte nicht anders, ich drückte ihn an mich und strich sanft durch sein weiches Haar, das nach Kirschenblüten duftete. So roch es fast immer und mir war nie klar, weshalb. Vielleicht rochen Wandler einfach so. Jyn weinte sich leise aus und als er sich beruhigt hatte, war sein Blick voller Dankbarkeit. „Danke, Yina.“, sagte er leise. „Danke euch allen.“ Tayin und Feyn nickten ihm zu, dann machten sie sich wieder an die Arbeit und halfen den anderen Elfen. „Yina, habt Ihr es geschafft? Seid Ihr von dem Fluch befreit?“ Traurig schüttelte ich den Kopf, aber obwohl ich sehr wütend und enttäuscht war, herrschte immer noch das Gefühl der Erleichterung darüber, dass Jyn am Leben war. Was hätte ich nur ohne ihn getan? Ich brauchte ihn genauso, wie ich meinen Bruder und meinen Vater brauchte, sowie die Blumen auf der Wiese die Sonne und den Regen brauchten. Außerdem war Jyn etwas Besonderes, ein großer Schatz, der sich nicht allen offenbarte und für viele verschlossen blieb. Als Wandler hatte Jyn es nicht leicht, denn fast niemand akzeptierte sie als selbstständig denkende und fühlende Wesen. Für die meisten waren Wandler Tiere. Doch Jyn war so viel mehr als das – er war ein guter Freund, der mir schon oft aus schwierigen Situationen geholfen hatte und eine Person, der ich mich anvertrauen konnte. Er war wie ein Bruder, der einem die Hand reichte. Für mich war Jyn ein Elf, der sich in ein Tier verwandeln konnte. Und wer weiß, vielleicht war er das ja auch? „Yina, ich weiß, dass wir das schaffen.“, flüsterte Jyn und strich mir mit seiner Hand über die Wange. Seine Augen wanderten über mein Gesicht und etwas sehr Verletzliches lag in ihnen. „Und da ich Schuld an dem ganzen Dilemma bin, werde ich Euch auch helfen, da wieder raus zu kommen.“ Ich nickte und erhob mich langsam und bot ihm meine Hand an, damit er aufstehen konnte. Dankend nahm er sie, jedoch schaffte er es nicht, sich aufzurichten – seine Füße schienen ihn nicht tragen zu wollen. Noch einmal versuchte er es, doch immer wieder brach er ächzend zusammen. Besorgt beugte ich mich zu ihm hinunter, berührte seine Beine und drückte sie ein wenig. Er zeigte keine Regung. „Es tut nicht weh.“, meinte er zögernd. „Wahrscheinlich bin ich nur noch ein wenig schlapp. Ich verwandle mich, vielleicht geht es dann besser.“ Wieder nickte ich, und beobachtete dann, wie er sich konzentrierte um zu einem Kater zu werden. Seltsamerweise, geschah nichts. Er sah mich aus seinen grauen Augen lange und wie erstarrt an, dann schloss er sie wieder und tat sein Bestes um sich zu verwandeln – nichts geschah. Auf dem kalten Waldboden saß ein Elf und kein Kater. Verzweifelt sah er mich wieder an und versuchte es noch einmal und noch einmal, doch er blieb erfolglos. Wie von einer inneren Panik ergriffen suchte er nach dem Halsband, packte es und wartete. Nichts geschah. Er legte es sich um den Hals, doch er blieb ein Elf. Ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte, denn ich verstand ja nicht einmal, warum er ein Elf blieb. Stumm beobachtete ich, wie er sich nach weitren Versuchen zusammenkauerte und seine Knie mit seinen dünnen, weißen Armen umschloss. Ich hörte ihn jammern, aber nicht wie ein Elf, sondern so wie eine junge Katze wimmert, wenn sie ihre Mutter verloren hat. Ich wollte ihm Beistand leisten und rutsche über den kalten Waldboden und die raschelnden Blätter zu ihm herüber. Als ich sacht seinen Arm berührte, hob er wild den Kopf und fauchte mich an, wobei er seine scharfen Zähne blitzen ließ. Erschrocken wich ich zurück und wusste nicht, was ich tun sollte. Jyn schien völlig durcheinander, dabei hatte er kurz zuvor noch völlig normal mit mir gesprochen. Mit zitternder Stimme rief ich nach meinem Bruder, der sofort angerannt kam und als er Jyn sah, genauso verdattert war, wie ich. Auch Tayin und Nacon hatten keine Ahnung, was zu tun sei. Nur der etwas ältere Leruyn konnte uns helfen, als zu uns kam. Nachdenklich blickte er Jyn an, berührte ihn und wurde sogar von ihm gekratzt, dann überlegte er eine Weile, bis er es uns schließlich erklärte. „Ich kannte früher auch einen Wandler, Anax, hieß dieser. Er konnte seine Gestalt zu der eines Marders wandeln und tat dies mit großer Freude. Eines Tages waren wir mit einer Gruppe von vielen anderen Elfen auf Wanderschaft um uns eine neue Bleibe zu suchen, da die alte von plündernden Zauberern zerstört worden war. Auch Anax ging mit uns und auf unserer Reise brauchten wir ihn häufig zum Auskundschaften des Weges, oder um uns Dinge zu beschaffen, an die man nur kam, wenn man klein und schnell war. Anax tat uns jeden Gefallen, aber in dieser Zeit verwandelte er sich zu oft und zu schnell. Wenn er gerade als Marder davon stürmen wollte, um zu schauen, welcher Weg der Richtige war und er etwas vergessen hatte, oder etwas fragen wollte, dann verwandelte er sich immer wieder in seine Elfengestalt zurück. Irgendwann konnte er sich dann nicht mehr zurückverwandeln und dann wurde er sehr verstört, fing an zu fauchen und zu beißen und wollte sich sogar umbringen. Es scheint, dass Wandler in ein seelisches Ungleichgewicht fallen, wenn sie wissen, dass sie sich nicht mehr wandeln können. Genauso muss es bei Jyn sein. Wir müssen auf ihn achten, sonst kann es sein, dass der Wunsch zu sterben größer für ihn wird, als der Wunsch zu leben.“ Es war sehr still, nachdem Leruyn seine Erzählung beendet hatte, nur Jyns leises Jammern und das leichte Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume drang an unsere Ohren. Ich musste schlucken, da ich spürte, wie sich meine Kehle zusammenzog, als würde mir jemand die Luft abwürgen. Die Pause, die nun entstand war schrecklich. Jeder schien das gleiche zu denken, doch niemand wagte es auszusprechen und dennoch konnten alle die Frage spüren, die allen auf der Zunge brannte – die Frage nach Anax Schicksal. Schließlich sprach Tayin sie aus, wofür ich ihm dankbar war, denn ich wollte nicht diejenige sein, die Leruyn ansah, wenn er die Antwort gab. „Was ist aus Anax geworden, Meister?“, fragte mein Vetter, seine Stimme war nur ein Flüstern. „Ist er… gestorben?“ Zu unser aller Erleichterung, schüttelte Leruyn den Kopf, sodass sein weißblondes sich im Wind leicht hin- und herbewegte. „Wir konnten ihn davon abhalten sich umzubringen.“, fügte er zu seiner Gestik hinzu und sofort schlug die Erleichterung wieder in Skepsis um. „Also, wollte er sich immer noch umbringen?“, fragte Feyn. „Ja.“, kam die Antwort und mein Herz begann wieder zu rasen. Um mich zu beruhigen atmete ich einmal tief ein und dann wieder aus und wandte mich dann Leruyn zu, um ihm meine, mich quälende Frage zu stellen. „Leruyn sagt mir, “, begann ich und spürte, wie sich alle Blicke auf mich richteten, „Konnte sich Anax irgendwann wieder in einen Marder verwandeln? Ich meine, hat er irgendwann wieder normal leben können?“ Ich wartete mit klopfendem Herzen. Jyns Schicksal war mir sehr wichtig, Jyn war mir wichtig! Dann endlich – die Antwort. „Ja. Nach einiger Zeit wurde Anax wieder völlig normal.“, erwiderte er und seine Worte waren wie klares Wasser, welches meine Angst, meine Zweifel und meine Sorgen davon spülte und mir Hoffnung schenkte. „Jedoch dauerte es fast ein halbes Jahr und in dieser Zeit war er kaum noch lebendig, er wirkte wie eine leblose, fleischliche Hülle, die von der Seele verlassen worden ist. Seine Augen wirkten trüb und grau, wie die Fenster eines verlassenen Hauses und seine Bewegungen schlaff und kraftlos, wenn er sich überhaupt bewegte. Es war eine schreckliche Zeit, für uns alle.“ Ich stand auf, verschränkte die Arme vor meiner Brust und trat entschlossen neben Jyns zusammengekauerte und zitternde Gestalt. Dann holte ich tief Luft und sagte: „Dann werde ich Jyn in dieser schweren Zeit beistehen, so wie er mir beigestanden hat und ich werde hier mit ihm in der Stadt bleiben und mich um ihn kümmern und auf ihn achten, bis er sich wieder vollkommen erholt hat!“ Tayin und Feyn rissen empört ihre Münder an und starrten mich fassungslos an. „Aber Yina, Schwester!“, rief Feyn besorgt aus, „Was ist mit den Zauberern? Du kannst nicht allein hier in der Stadt bleiben, du musst zurück in den Palast! Wer soll denn hier auf dich achten? Was ist wenn der Fluch beginnt an deinen Kräften zu zehren?“ Ich sah meinen Bruder an und nur mit meinem Blick brachte ich ihn zum Schweigen. Er biss sich auf die Lippe und senkte den Kopf, als sei er sich einer großen Schuld bewusst. Meine Arme begannen wieder zu zitternd und ich löste sie aus der Verschränkung, dann trat ich zu meinem Bruder, umfasste sein Gesicht mit meinen Händen und hob seinen Kopf auf meine Augenhöhe. In seinen Augen konnte ich die Angst um mich erkennen und ich drückte ihn an mich und hielt ihn eine Weile fest. Er umschloss meine Taille mit seinen Händen und legte seinen Kopf an meine Schulter. „Ich habe nicht gesagt, dass ich allein in der Stadt bleibe.“, flüsterte ich und er hob seinen Blick und sah mich an. „Ich denke nur, es ist besser, wenn ich allein mit Jyn bin. Vielleicht kannst du einige Männer hier lassen, die mit mir hier bleiben?“ Zu meiner Verwunderung schüttelte er heftig den Kopf, doch bevor ich etwas sagen konnte, meinte er: „Ich bleibe hier. Hier, bei dir.“ „Oh Feyn!“, lachte ich und schlang meine Arme um seinen Hals und ließ ihn meine ganze Dankbarkeit spüren. „Danke, du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann.“ So war es beschlossen. Ich würde mit Jyn ein Zimmer mieten und so lange bei ihm bleiben, bis es ihm wieder besser ging. Damit würde ich mich bei ihm dafür entschuldigen, dass ich mich so lange nicht mehr um ihn gekümmert hatte und mein Bruder würde mit Tayin und drei weiteren hier bleiben und ebenfalls ein Zimmer mieten. Dann fiel mir noch etwas ein: Wenn ich so lange in der Stadt war, würde ich sicher auch öfter die Gelegenheit haben mich mit Fain zu treffen – und das war ein Gedanke, der mich glücklich machte. Kapitel 10: Wie ein wildes Tier ------------------------------- Wie ein wildes Tier Es war schon schwer genug gewesen, den sich wehrenden Jyn auf ein Pferd zu bekommen, ihn dann aber in der Stadt in ein enges Zimmer zu bugsieren, stellte sich als nicht weniger einfach heraus. Wir hatten in drei Gasthäusern nach einem Zimmer gefragt und sogar die Plätze angeboten bekommen. Aber immer, wenn wir in das Zimmer hatten einziehen wollen und die Eigentümer Jyn zu Gesicht bekamen, war uns die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Ein Wirt meinte, ein solches „Gespenst“ würde er nicht in seiner Herberge haben wollen, ein anderer war der Meinung „das Tier“ könne doch auf der Straße schlafen. Zuletzt hatten wir noch ein Zimmer bekommen, welches zwar nicht so komfortabel war, da es am Rande der Stadt lag und der Gastwirt wenig Einkommen zu haben schien, aber es war besser als gar nichts. Wahrscheinlich hatte uns der Wirt auch nur genommen, weil er Geld brauchte und wir gut zahlten. Wir hatten unser Gepäck zusammen genommen und es dann mit großer Mühe geschafft, Jyn die Treppe hinauf zu schieben. Nacon und Tayin zogen an seinen Armen und mit vereinten Kräften schafften wir es sogar, ihn in mein Zimmer zu bekommen. Dort ließen wir ihn los, worauf er sofort in eine Ecke stürmte und sich, wie im Wald, zusammenkauerte und zu schluchzen begann. Tayin und Feyn hatten ein Zimmer neben mir und Nacon, Lano und Reyn eins gegenüber. Mein Bruder warf mir noch einen besorgten Blick zu, dann schloss er die Tür und ließ mich allein. Zwei Atemzüge lang stand ich vor der Tür, die Hände hinter meinem Rücken auf die Türklinke gelegt und wartete darauf, dass Jyn aufhörte zu jammern, dann begriff ich, dass er es nicht tun würde und ging langsam auf ihn zu. Er hob den Kopf und fauchte mich an, als ich auf der Höhe des Bettes war, welches sich in der Mitte des Zimmers befand. Ich zögerte einen kurzen Augenblick, dann setzte ich meinen Weg zu ihm fort. Sein ununterbrochenes Fauchen machte mir Angst, aber ich wollte ihm nichts Böses und das wollte ich ihm klarmachen. Behutsam kniete ich mich vor ihm nieder und streckte ganz langsam und zaghaft meine Hand nach ihm aus. Er kratzte mich, aber ich gab nicht auf, auch wenn es wehtat. Ganz leicht berührte ich ihn an seiner blassen Wange und zu meiner Freude hielt er inne und hörte auf mich zu kratzen. Jedoch war dieser Moment nur von kurzer Dauer, denn nur wenige Augenblicke später, hatte er mir in den Finger gebissen und war, wie als sei er von einer Wespe gestochen worden, aufgesprungen und unter dem Bett verschwunden, dass neben ihm stand. Er verhält sich wie ein Tier, dachte ich, während ich an meinem blutenden Finger saugte. Wie ein verängstigter Kater. Seufzend erhob ich mich und schritt zum Fenster. Es war geschlossen und um sicher zu gehen, dass Jyn in seiner Angst nicht flüchten konnte, drehte ich den Schlüssel um und steckte ihn in meine Tasche. Außerdem schloss ich auch die Tür zu und versteckte den Schlüssel auf dem Schrank. Dann huschte ich leise zum Bett und ließ mich darauf nieder. Es war schon sehr spät und morgen wollte ich Fain wieder sehen. Am Vormittag würde ich mich noch einmal um Jyn kümmern, bevor ich mich dann mit ihm treffen würde. Ich war seltsamerweise richtig aufgeregt und hoffte bei unserem Treffen keine Kopfschmerzen zu bekommen, so wie ich sie jetzt hatte. Sie waren ganz langsam gekommen und ich fragte mich, ob sie mit dem Fluch zusammenhängen könnten, denn vorher hatte ich nie solch starke Kopfschmerzen gehabt. Ein wenig musste ich über mich selbst schmunzeln, denn indem ich immer weiter an meine Kopfschmerzen dachte, verstärkte ich sie nur noch umso mehr. Wenn ich gerade beschäftigt oder abgelenkt war, spürte ich sie kaum. Um den Effekt der Ablenkung zu erzielen drehte ich mich also auf die Seite und beobachtete den Mond, der sein gleißendes, weißes Licht auf Jyns leeres Bett warf und noch rund und voll war, genauso wie gestern, als der Fluch mich getroffen hatte. Mein Blick schweifte weiter durch den Raum und ich versuchte nicht auf Jyns leises Wimmern zu achten, welches mir, wann immer ich es hörte, einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Zu meiner Beruhigung fanden meine guten Elfenaugen – die im Dunkeln wunderbar sehen konnten – nichts Spitzes oder Scharfes mit dem Jyn sich, falls er den Wunsch danach verspürt hätte, das Leben hätte nehmen können. Der Raum war generell spärlich und ohne Liebe zum Detail eingerichtet: Zwei Betten; ein dunkler Holzschrank mit wunderschönen Schnitzarbeiten, die viele Tiere darstellten; ein einfacher Tisch mit einem Holzstuhl davor, der ähnlich verarbeitet war, wie der Schrank und zuletzt eine einfache Waschschüssel mit einem Spiegel, der einen kleinen Sprung in der oberen linken Ecke aufwies und über der Kommode hing, auf der die Waschschüssel stand. Außerdem die Decken, die nach Liebstöckel dufteten und die weichen Federkissen, die prallvoll mit Daunen ausgestopft waren. Ich lag noch lange wach. Der Mond zog weiter, verließ mein Blickfeld; und zu meiner Freude, kam Jyn nach einer Weile unter dem Bett hervor und legte sich zitternd auf das weiche Bett, nachdem seine leuchtenden Augen zu mir herübergehuscht waren und ich sie in weiser Voraussicht zu Schlitzen verengt hatte, damit er nicht in dem Glauben sei, ich wäre wach. Irgendwann dann, schlossen sich meine Augen von allein und ich verließ den dunklen Raum, um in die Traumwelt hinüber zu wandern, die mich mit ihren bunten und bizarren Farben und Formen zu sich lockte. Kapitel 11: Sonnenuntergang und Sonnenaufgang --------------------------------------------- Sonnenuntergang und Sonnenaufgang Der Wind wehte durch meine Haare und ließ mich frösteln, als ich mich zum Adler aufmachte. Jyn war heute Morgen nicht ansprechbar gewesen, er hatte sich nicht einmal gewehrt, sondern alles mit einem kalten und abweisenden Blick ertragen. Es schmerzte mich sehr ihn so zu sehen und ich hatte Feyn gebeten, auf ihn aufzupassen, solange ich bei Fain war. Dass ich zu einem anderen Elfen ging, hatte ich natürlich nicht gesagt – einerseits weil ich dadurch meine Schuldgefühle und Gewissensbisse gegenüber Jyn nur verstärkt hätte, und zweitens, weil Feyn mich dann sicher davon abgehalten hätte. Außerdem war ich viel früher aufgebrochen, als es geplant war. Der Tag war bereits weit voraus geschritten und es war schon drei Stunden nach Mittag. Ich folgte nun also, in Gedanken vertieft dem Weg, der mich zum Adler führte und achtete kaum auf meine Umgebung, sodass ich nicht bemerkte, wie mir jemand entgegenkam, der mich anscheinend auch nicht wahrzunehmen schien. Für einen Bruchteil einer Sekunde, glaubte ich einen Schatten direkt vor mir auf dem Boden ausmachen zu können, doch bevor ich aufblicken konnte, war es schon passiert. Ich stieß mit dem Kopf gegen die Brust meines Gegenübers, taumelte, stolperte und war kurz davor mich auf den Boden zu setzen, als eine Hand meinen Arm umschloss und mich mit einem leichten Ruck wieder in meine vorherige Position zog. Dankbar blickte ich auf – und erstarrte. Mein Lächeln fror auf meinem Gesicht ein, wie die Oberfläche des Wassers an einem rauen Wintertag. Es war Feoan. Ein sanftes Lächeln umspielte seine wohlgeformten Lippen und in seinen Augen fixierten mein Gesicht und wanderten strahlend von meinem Kopf bis zu meinen Füßen, als betrachteten sie ein wunderschönes Bild der Zufriedenheit und des Glücks. Obwohl er einfach makellos aussah, entdeckte ich die leichten Augenringe und die schlaff herunterhängenden Arme, die ihn sehr müde aussehen ließen. Einen Moment starrte ich ihn einfach nur an, dann entwand ich meinen Arm seiner Hand und zwang mich zu einem höflichen Dank, wie es sich für eine junge Dame ziemte. „Danke, mein Herr.“, sagte ich mit kalter, abweisender Stimme und wollte mich schon an ihm vorbei schieben, um meinen Weg fortzusetzen, als ich seine kühle Hand an meiner spürte. „Yina, wartet“, hörte ich ihn leise flüstern. Sein Ton erschreckte mich, er klang traurig – ich glaubte auch Schmerz aus seiner Stimme herauszuhören und drehte mich langsam zu ihm um. Seine schwarzen Haare verdeckten sein Gesicht, welches er nach unten gerichtet hatte, als würde er auf seine Füße starren. Ich zögerte und wusste nicht was ich sagen oder tun sollte. Wie erstarrt ließ ich ihn meine Hand berühren und wartete auf ein weiteres Wort von ihm, doch nicht eins kam über seine Lippen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und fragte ihn vorsichtig: „Was ist mit Euch, mein Herr?“ Er schreckte hoch und unsere Augen trafen sich. So sehr er sich auch dagegen wehrte, ich konnte die Tränen sehen, die sich aus seinen Augenwinkeln stahlen und war schon wieder verwundert und leicht erschrocken über sein Verhalten. Einen Moment sah es so aus, als ringe er noch mit sich um eine Antwort, dann spürte ich seine kalte Hand nicht mehr, denn er wandte sich schnell um und verschwand schnellen Schrittes in einer der nächsten Gassen. Den Adler erreichte ich zum frühen Abend, es dämmerte schon und ich war freudig überrascht Fain am Eingang zum Wirtshaus an der Wand angelehnt anzutreffen. Als er mich erblickte lächelte er mir freudig zu und kam zu mir. Mein Herz begann zu pochen und die Hitze stieg mir ins Gesicht – ich hoffte er sah es nicht und erwiderte sein Lächeln mit meinem Strahlenden. Zögernd standen wir uns gegenüber und bedachten uns schweigend mit vorsichtigen Blicken. Fain war genauso schön wie er es gestern gewesen war, nur das er ein wenig müde wirkte. Sein rotes Haar hatte er gekämmt und der Wind wehte den Duft von Zitronenmelisse zu mir herüber der von ihm auszugehen schien. Kurz zögerte ich noch, dann ging ich noch einen Schritt näher und umarmte ihn, lehnte meinen Kopf an seine Brust und zog den herrlichen Duft in meinen Körper. Zuerst schien er überrascht, doch dann legte auch er seine Arme um meine Taille und drückte mich an sich. „Hallo Yina.“, flüsterte er mir ins Ohr und ich spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken lief bei dem wundervollen Klang seiner Stimme. „Hallo…“, hauchte ich zurück und wünschte mir dieser Augenblick möge nie vergehen. Als ich einen Blick über seine Schulter warf, sah ich die Sonne rot hinter den Hügeln verschwinden und seufzte. Langsam löste ich mich aus der Umarmung und deutete mit dem Kopf fragend auf das Gasthaus. Doch Fain schien heute nicht ins Gasthaus zu wollen, er schüttelte sacht den Kopf und wies mit der Hand auf die kleine Wiese die unterhalb des Hügels einen kleinen See umschloss in dem sich das rote Licht der Sonne widerspiegelte. Vor Aufregung begann ich zu zittern und nickte. Er half mir den Hang hinunter zu klettern und nach kurzem Zögern, nahm er meine Hand und umschloss sie fest mit seiner. Sie fühlte sich kühl an und ich verspürte den Wunsch, sie mit meiner Eigenen zu wärmen. Wir liefen über die gold schimmernde Wiese hinüber zum See und ich genoss die zarten Gräser die sich um meine Beine schlangen und mich zu streicheln schienen. Ich spürte den Boden, der sanft unter meinen Füßen nachgab und ich spürte den Wind, der heute nicht kalt zu sein schien, obwohl es Herbst wurde. Alle meine Gedanken waren darauf gerichtet, dass es schön war zu leben und den Wind, die Gräser und den Boden zu spüren – und Fains Hand zu halten und ihm zu folgen, egal wohin. Der Fluch war wie vergessen in diesem Moment, nur das Glück war da und durchströmte meinen ganzen Körper. Solch ein schönes Gefühl hatte ich noch nie gefühlt, es war himmlisch. Irgendwann hielten wir an und setzten uns auf ein paar große Steine die aus dem Gras auftauchten als wären sie kleine Inseln in einem riesigen Meer. Und wenn der Wind durch das Gras fuhr, bogen sich die Halme, sodass es aussah wie Wellen die unsere Füße streiften. Nichts schien uns hier zu erreichen, das Gelächter aus dem Gasthaus nicht und auch nicht die Sorgen, die uns bedrückten. Fain hielt noch immer meine Hand und ich drückte sie fest, dann und wann hörte ich in seufzen und erleichtert aufatmen. Ich freute mich zwar sehr ihn zu sehen und genoss es ihn zu berühren, dennoch fragte mich ob ich so überstürzt handeln durfte. Wir kannten uns erst seit gestern! Irgendwann konnte ich nicht mehr schweigen und brach die wunderschöne aber auch seltsame Stille um uns herum. „Fain, ich weiß wir wollten uns wieder treffen, aber ich hatte nicht damit gerechnet dass wir… nun ja…“, stotterte ich und zeigte ihm mit einem Blick auf unsere Hände, was ich meinte. Schlagartig ließ er meine Hand los und rutsche ein wenig von mir weg, als habe ich etwas Böses gesagt oder getan. „Wenn Ihr es nicht wollt, dann müsst Ihr es mir sagen, Yina“, begann er, ebenso stockend wie ich und ich konnte sehen, wie der Schmerz ihm ins Gesicht geschrieben stand. Dieser Ausdruck erinnerte mich an jemanden, aber ich konnte mir nicht ins Gedächtnis rufen, an wen. Lange konnte ich ihn mir nicht anschauen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, denn ich wollte es ja. Ich wollte, dass er mich in den Arm nahm, ich wollte, dass er mich bei meinem Namen nannte, ich wollte das alles. „Nein, so meine ich das nicht.“, versuchte ich zu erklären, doch seine Miene blieb immer noch verwirrt. Ich suchte nach Worten, die mir normalerweise leicht und schnell über die Lippen kamen, die ich ihm gegenüber jedoch kaum aussprechen konnte. „Ich will, dass Ihr mich umarmt und meine Hand haltet. Nur… es ist nur so, dass… es geht so schnell.“ Erwartungsvoll sah ich ihn an. Was würde er jetzt sagen oder tun? Möglicherweise wollte er gar nichts von mir, empfand nur freundschaftliche Gefühle für mich und fand meine Erklärung anmaßend und arrogant. Selbst ich wusste nicht einmal, ob meine Gefühle und Wünsche nicht vielleicht auch rein freundschaftlich waren? Er schien im ersten Augenblick ziemlich überrumpelt, jedenfalls sagte er nichts und ich spürte wie ich rot wurde. Schnell rückte ich noch ein Stück von ihm weg und schüttelte den Kopf, auch wenn ich wusste, dass er es nicht sah, weil er den Blick auf seine Füße gesenkt hatte, die bis zu den Knöcheln im hohen Meer aus Gras steckten. „Ich habe mich schon wieder falsch ausgedrückt.“, sagte ich und nahm damit den dritten Anlauf. „Ich dachte nicht an… nun ja… Liebe. Ich dachte an eine freundschaftliche Beziehung, falls meine Worte Euch gerade eben verwirrt haben sollten. Ich habe nichts gegen Umarmungen oder Hände halten, aber ist das nicht etwas, dass... Verliebte tun?“ Was als nächstes geschah, war seltsam: Er fing an, leise zu lachen. Sein Lachen rief in mir unwillkürlich zwei völlig gegensätzliche Gefühle hervor. Einerseits war ich froh, dass er noch etwas mit mir zu tun haben wollte und meine Erklärung nicht als Beleidigung empfunden hatte, andererseits war ich sehr traurig, weil ich den Eindruck hatte als fände er alles was ich gesagt und gestammelt hatte lächerlich und das er nun gleich aufstehen und fortgehen würde. Doch er blieb sitzen und langsam wurde sein Lachen leiser und verlor sich in einem leichten Schmunzeln, welches über seine Lippen huschte. Dann zog er seine Beine auf den Stein und setzte sich im Schneidersitz vor mich. „Ich hätte nichts dagegen in Euch verliebt zu sein, Yina.“, sagte er nach einer Weile leise und nur sein leichtes Grinsen hielt mich davon ab, ihm das zu glauben. „Aber…“, Hierfür brauchte er ein wenig länger und ich sah, dass sein Lächeln angespannt und nicht gewollt war, „Aber lasst uns doch erst einmal Freunde werden.“ Ich nickte mit zugeschnürter Kehle. Das war eine Ermunterung und Absage in einem. Er drehte sich nach einer Weile wieder um und schaute in den Sonnenuntergang. Ich tat es ihm gleich und genoss die roten, und gelben Farbtöne die sich im blauen und violetten Himmel vermischten. Irgendwann nahm er wieder meine Hand und mein Herz schlug mir bis zum Hals – ich bekam kaum Luft. Als die Sonne vor uns hinter den Hügeln versank, ging in meinem Herzen eine Sonne auf und sie glühte voller Wärme und Glück hinaus in den kühlen Herbstabend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)