Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 41: Wiedersehen ----------------------- Als Tsubasa erneut die Augen aufschlug, fühlte er sich immer noch ziemlich benommen, gleichzeitig aber auch deutlich entspannter. Er hatte wie üblich keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte – das Zimmer war immer noch hell und sein Bein immer noch taub. Der einzige Anhaltspunkt, dass überhaupt Zeit vergangen war, war der neue Besucher im Raum. Roberto hatte es sich auf dem Stuhl bequem gemacht, auf dem Tsubasas Vater das letzte Mal gesessen hatte, und musterte ihn ernst, ohne ein Wort zu sagen. Die medizinischen Geräte waren mittlerweile wohl auf stumm gestellt – Tsubasa hörte nichts, spürte die Kabel allerdings nach wie vor. Die Stille, die im Zimmer lastete, war keinesfalls unangenehm, sie wirkte im Gegenteil fast beruhigend. Als Roberto das Schweigen schließlich brach, war Tsubasa schon beinahe wieder eingeschlafen. „Erinnere mich daran, dass ich dich nie wieder in Urlaub schicke. Noch einmal machen meine Nerven das nicht mit.“ Seine Stimme klang leicht heiser. Auch er wirkte übernächtigt und erschöpft. Noch bevor Tsubasa eine Antwort zustande brachte, redete Roberto bereits weiter. „Wie fühlst du dich?“ Tsubasa brauchte ein paar Sekunden, bis sich ein klarer Satz in seinem Kopf formuliert hatte, aber dann lächelte er schwach. „Nicht….wirklich erholt. Aber sonst ganz gut….“ Roberto blinzelte ihn einen Augenblick lang stumm an, dann schüttelte er den Kopf und verkniff sich ein Grinsen. „Na, immerhin…..“ „W… wie lange sitzt du schon hier?“ „Eine gute Dreiviertelstunde. Dein Vater musste dringend ein paar Stunden schlafen…. Und aus irgendeinem Grund wollen deine Eltern dich nicht wirklich aus den Augen lassen im Moment.“ Roberto wurde wieder ernst und musterte Tsubasa erneut. „Was ich gut verstehen kann. Die Tapete hat mehr Farbe als du...“ Er beugte sich nach vorne und packte Tsubasas Arm. „Ich hoffe, dir ist klar, was immer noch auf dem Spiel steht? Du hältst dich an die Anweisung der Ärzte, verstanden?“ Tsubasa blickte ihn leicht irritiert an, dann registrierte er die Sorge, die sich immer noch in Robertos Miene spiegelte. „Ja… Ich bin brav…. Versprochen….“ „Gut. Wenn nicht, fessele ich dich höchstpersönlich ans Bett.“ Roberto ließ ihn los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er seufzend den Kopf schüttelte. „Als ich dich nach Japan geschickt habe, habe ich zwar ernsthaft daran gezweifelt, ob du zurückkommst, aber an so etwas habe ich dabei definitiv nicht gedacht. Da lässt man dich ein paar Wochen aus den Augen, und dann das….“ „Hast… hast du Ärger im Verein meinetwegen?“ Jetzt war es an Roberto, ihn irritiert anzuschauen. „Ärger? Wieso?“ „Weil...weil du einfach so hierhergeflogen bist….“ Roberto schnaubte. „Ach, Schwachsinn. Erstens habe ich genauso das Recht auf Urlaub wie jeder andere auch, und ich habe schon seit Jahren keinen mehr eingereicht. Zweitens war der ganze Verein geschockt, sobald sie gehört haben, dass du schon wieder im Krankenhaus liegst…“ Er brach ab, dann redete er weiter. „Deine Teamkameraden waren zum Teil selbst schon kurz davor, ins nächste Flugzeug zu springen…. Letzten Endes war es für den Vorstand besser, dass sie mich offiziell beurlaubt und hierher geschickt haben, dadurch haben sie eine größere Fahnenflucht verhindert. Wobei ich so oder so geflogen wäre. Das habe ich dir ja schon am Telefon gesagt. Also mach dir darüber keinen Kopf. Alles in Ordnung.“ Tsubasa wusste nicht wirklich, was er darauf antworten sollte – es dauerte wieder einige Sekunden, bis er in der Lage war, wirklich alles aufzunehmen, was Roberto gesagt hatte. Es fiel ihm immer noch schwer, sich länger auf etwas zu konzentrieren, außerdem wurde er schon wieder müde. Im Moment schien es nichts Schöneres zu geben als zu schlafen…. Fast nichts. Anscheinend war ihm genau das deutlich anzusehen. „Schlaf ruhig.“ Robertos Stimme klang bereits sehr weit weg. „Du kannst es brauchen.“ Tsubasa schüttelte den Kopf, aber Roberto redete weiter, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Schlaf, Tsubasa. Mach dir um Sanae keine Sorgen, sie schläft auch und erholt sich. Wir haben ein Auge auf sie, bis du wieder zu Kräften gekommen bist und zu ihr kannst.“ „Wenn…..wenn sie es auch will, würde… würde ich sehr gerne in Sao Paolo bleiben….“ Das kam so plötzlich, dass Roberto ihn perplex anstarrte, dann lächelte er leicht und drückte wieder Tsubasas Arm. „Darüber reden wir, wenn ihr beide wieder gesund seid. Schlaf jetzt….“ Das hörte Tsubasa bereits nicht mehr. Roberto blieb noch ein paar Minuten sitzen, bis er sicher sein konnte, dass er auch wirklich tief und fest schlief, dann erhob er sich und verließ das Zimmer, um Dr. Kimura zu suchen. Ihm war eine Idee gekommen….. *** Das nächste Mal wurde Tsubasa durch eine Bewegung an seinem Bett geweckt und durch ein leichtes Ziepen an seinem Handrücken. Er zuckte zusammen und öffnete die Augen. Die Krankenschwester, die sich halb über ihn gebeugt hatte und sich gerade wieder aufrichtete, lächelte ihn halb entschuldigend, halb beruhigend an. „Ich wollte dich nicht aufwecken, tut mir leid. Schlaf ruhig weiter, wenn du willst.“ Tsubasa blickte sie leicht verwirrt an, dann glitt sein Blick von der Kanüle an seinem Handgelenk zu der neuen Infusion, die am Bettgestell aufgehängt worden war. „Das ist nur eine Nährstofflösung.“, meinte die Krankenschwester immer noch lächelnd und kontrollierte alles ein letztes Mal, bevor sie den Zugang öffnete. „Ich glaube, das kennst du ja schon…. Dr. Kimura wollte dich lieber so viel wie möglich schlafen lassen und den Versuch mit dem Essen noch ein bisschen aufschieben, bis du etwas kräftiger geworden bist. Kein Grund zur Besorgnis….“ Sie warf einen prüfenden Blick auf die immer noch stumm geschalteten Geräte und nickte dann zufrieden. „Wunderbar. Alles im grünen Bereich….“ Tsubasa blickte sie immer noch verwirrt an und sagte nichts. Das Lächeln der Krankenschwester vertiefte sich, als sie sich wieder etwas zu ihm hinab beugte. „Du hast übrigens Besuch.“, meinte sie gedämpft, dann zwinkerte sie ihm zu und verließ das Zimmer wieder. Tsubasa sah ihr hinterher, jetzt erst recht verwirrt, dann wandte er den Kopf zur anderen Seite – und erstarrte. Er war in der Tat nicht allein. Sanae lag direkt neben ihm, die Augen geschlossen. Auch bei ihr waren die Geräte stumm geschaltet, sie wirkte immer noch sehr blass und zerbrechlich, aber ihre Miene war völlig entspannt und sie atmete tief und gleichmäßig. Ihr Bett stand so dicht neben seinem, dass er die Hand ausstrecken und sie berühren könnte. Es dauerte allerdings gute fünf Minuten, bis er sich wirklich dazu überwand. Als seine Finger schließlich auf Sanaes Hand trafen, zuckte sie ebenfalls leicht zusammen und schlug die Augen auf. Es dauerte auch bei ihr einige Sekunden, bis sie verstand wo sie war – und dass es sich keinesfalls um eine Halluzination handelte. Genau wie Tsubasa sagte sie kein Wort, aber als die Erkenntnis bei ihr durch sickerte, dass er wirklich hier war, dass sie ihn in der Tat berühren konnte, trat ein Leuchten in ihre Augen. Offensichtlich fiel es ihr schwer, die Finger zu bewegen, aber als sie wenige Minuten später wieder einschliefen – immer noch ohne ein Wort zu sagen, das war nicht nötig – waren ihre Hände so fest ineinander verschränkt, als wollten sie sich nie wieder los lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)