Chabi Chabi von -Fynnian (Seth x Atemu) ================================================================================ Kapitel 1: Der Wanderer ----------------------- Chabi Chabi Kapitel 1: Der Wanderer Gemächlich schlendere ich über diese in sattem Grün erstrahlende Wiese. Mit geschlossenen Augen genieße ich die wärmenden Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, während das Gras sanft meine nackten Füße kitzelt. Tief atme ich ein. Wie wundervoll es duftet! Nach allen möglichen Blumen. Es ist so ein angenehmer Geruch. Viel angenehmer als der Geruch, der der Stadt anhaftet. Der Stadt, der ich gerade zu entfliehen versuche. Der Hauptstadt unseres Reiches, Otas. In Otas riecht es ständig näch ranzigem Fett aus den vielen tausend Küchen der Bewohner, nach den Exkrementen, die in einem einfachen Graben aus der Stadt fließen, nach Blut und Krieg. Ganz recht, nach Krieg. Unser Reich, Harekas, führt ständig Krieg. Unsere Herrscher waren seit jeher von der Idee besessen, die ganze Welt zu beherrschen. Mit diesem Schwachsinn haben sie im Laufe der Jahrhunderte die gesamte Bevölkerung angesteckt, sodass Harekas nun eine Bedrohung für viele umliegende Reiche darstellt. Ich habe es schon immer gehasst. Was gibt es schöneres als Harmonie und Frieden? Liebe und Geborgenheit? Doch darauf geben die Hareser wenig. Nur das Militär zählt. Dieser Drill fängt mit der Geburt an. Sobald ein Kind geboren wird, werden festgelegte Maßnahmen in die Wege geleitet. Die Jungen werden für ein Militärlager eingeteilt, die Mädchen werden einem Mann als Frau zugeteilt. Mit dem 19. Lebensjahr treten diese Bestimmungen dann in Kraft. Doch bis dahin muss man sehr viel üben. Schon die Kleinsten lernen den Hass gegen alles Freie. Der Staat bestimmt alles, und was das Schlimmste ist: Es scheint niemanden zu stören. Der Staat bestimmt, wo wer zu wohnen hat, der Staat legt fest, wer wen heiratet, der Staat befiehlt den Leuten sogar, wann sie Kinder kriegen müssen. Ich finde das so widerlich! Die meisten wissen nichteinmal, was Liebe ist. Sie sind stolz darauf, ihrem König dienen zu dürfen. Freies Denken ist dagegen eine Art Verbrechen. Auch Kinder werden nicht liebevoll erzogen, sie werden ausschließlich als zukünftige Soldaten gesehen. Sobald ein Kind seine ersten Schritte gemacht hat, lernt es marschieren. Mit zunehmendem Alter lernt es mit Pfeil und Bogen umzugehen und das Schwert zu führen. Meine Kindheit war eine einzige Hölle. So kalt und abweisend. Doch im Gegensatz zu den Anderen ist mir das Glück zuteil geworden, Liebe kennenzulernen. Er war zwar ein Knabe, aber das Gefühl, das er in mir ausgelöst hat, war einfach unbeschreiblich. Dieses Herzklopfen. Der Gedanke an ihn ließ mich glücklich lächeln, jagte mir wohlige Schauer durch die Brust. Er war so fein, so zartgliedrig, als könnte man ihn zerbrechen, wenn man ihn anfasst. Er war so unvergleichlich schön, dass er sogar der Sonne Konkurrenz machte. Gesprochen habe ich leider nie mit ihm, auch bin ich nie näher als zehn Schritte an ihn herangekommen. Er ist damals ganz plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht und wenige Tage später ebenso plötzlich wieder verschwunden. Gerüchten zufolge kam er aus Chabi Chabi, einem winzigen Königreich weit westlich von uns. Ich kenne nichteinmal seinen Namen. In wenigen Tagen ist jedenfalls mein 19. Geburtstag, was für mich bedeuten würde, dass ich heiraten und dem Militär beitreten müsste. Eben aus diesem Grund bin ich vorgestern klammheimlich mitten in der Nacht abgehauen und habe mich auf den Weg nach Chabi Chabi gemacht. Nach allem , was man so hört, soll Chabi Chabi äußerst friedliebend sein. Das Leben dort sei harmonisch und ruhig, wie die Reisenden sagen. Genau das, was ich ersehne. Und ein kleiner Teil von mir unterliegt der unsinnigen Hoffnung, ihn wiederzusehen. Diesen wunderschönen Jungen. So langsam werde ich aber müde. Auch die Sonne neigt sich schon dem Horizont zu. Kaum zu glauben, dass ich aus Angst, eingeholt zu werden, zwei Tage ohne Pause gelaufen bin. Naja, wenigstens dazu war meine Erziehung gut. Wenn ich auch nicht lesen, schreiben oder rechnen kann, so kann ich wenigstens ewig lange durch die Gegend latschen. Erschöpft lasse ich mich ins Gras sinken. Nanu? Da ist ja gar kein Gras mehr? Ich sitze auf...Ist das Moos? Verwundert sehe ich mich um. Wann bin ich denn in diesen Wald geraten? Davon habe ich ja gar nichts mitbekommen. Ich kann nur hoffen, dass ich mich hier drin nicht verlaufe. Aber darüber kann ich mir auch noch morgen Gedanken machen. Ohne mich weiter umzusehen, rolle ich mich auf dem feuchten Moos zusammen und schlafe ein. Auf dem Weg in meine Träume begleitet mich wie stets das Lächeln meines Liebsten. --- Schon sehr früh erwache ich wieder. Die ersen Strahlen der aufgehenden Sonne haben mich aus meinem traumlosen Schlaf geweckt. Ich träume selten. Von anderen Jungen habe ich oft gehört, was für schöne Träume sie hatten. Warum nur suchen sie mich dann so selten heim? Habe ich etwa so wenig Hoffnung? So wenige Träume? Habe ich überhaupt Träume? Das bezweifle ich doch stark. Obwohl...Wünsche ich kir denn nichts sehnlicher, als ihn wiederzusehen? Warum träume ich dann nicht von ihm? Ich fände es so schön, ihm in einem Traum zu begegnen, seine Hand zu halten, ihn zu umarmen und niewieder loszulassen. Wenn ich doch nur mehr über ihn wüsste! Was ist, wenn er gar nicht aus Chabi Chabi kommt? Oder wenn er nicht mehr dort wohnt... Ich sollte lieber raional denken! Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn wiedersehe, ist verschwindend gering. Während ich so vor mich hingrübele, betrachte ich mir den Wald etwas genauer. Wo gehe ich hier überhaupt lang? Vor mir windet sich ein kleiner Pfad einen Hügel hoch. Die Bäume und Sträucher stehen sehr dicht, ich kann kaum erkennen, wo der eine Baum anfhört und der andere anfängt. Ich fürchte, ich habe mich hoffnungslos verlaufen. Einige Schritte weiter steht ein Schlid. Wenn ich es doch nur lesen könnte. Vielleicht ist das ja der Weg nach Chabi Chabi. Ich habe mal gehört, dass es mitten in einem riesigen Wald liegen soll, der ihm Schutz gewährt. Schutz, den es bei der Machtbesessenheit meines Volkes auch dringend braucht. Ich scheine also richtig zu sein. Eine seltsame Vrfreude breitet sich in mir aus und ich kann gar nicht anders, als einfach loszurennen. Auf diese Weise bringe einige hundert Schritte hinter mich und erblicke schon bald den Waldrand. Dort muss der Wald enden! Bleibt nur zu hoffen, dass dort auch das kleine Königreich liegt. Vorsichtig schleiche ich mich durch die Büsche, man kann ja nie sicher genug gehen. Erst lausche ich, ob dort draußen eventuell jemand ist, dann trete ich leise aus dem Wald heraus. Das ist unglaublich! Das muss einfach Chabi Chabi sein! Es ist sagenhaft! Wie in einer schützenden Hülle ist die Stadt vom Wald umgeben. In einem ebenmäßigen Kreis inmitten des Grüns liegt das Kleinstreich, bestehend aus nur einer Stadt. Geradezu göttlich sieht es aus, wie sich die Mittagssonne in den goldenen Dächern und Kuppeln spiegelt. Die Häuser sind alle weiß bis elfenbeinfarben und kunstfoll verziert an allen möglichen Stellen. An den Fenstern hängen bunte Blumen und duftende Rosenbüsche säumen die gleißendweißen, aus irgendeiner Steinart gelegten Straßen und Wege. Überall laufen geschäftige oder schwatzende Erwachsene herum, in farbenprächtige Gewänder gehüllt und mit dem schönsten Schmuck behangen, und kleine Kinder tollen durch die Gegend. Welche Idylle das hier doch ist. So ganz anders als die triste graue und schmutzige Stadt, aus der ich komme. Hier möchte ich bleiben, dass ist mir sofort klar. Unsicher gehe ich auf einen kleinen Jungen zu. „Ähm, ist das hier Chabi Chabi?“, frage ich nocheinmal zur Sicherheit. Er grinst mich an. „Aber natürlich! Was denn sonst? Bist du neu hier? Soll ich dich rumführen?“ Gerne nehme ich das Angebot des Jungen an. Fröhlich führt er mich durch den ganzen Ort, zeigt mir die schönsten Spielplätze und die wundervollsten Geschäfte, das öffentliche Bad sowie die Schule und das Museum. Kaum zuglauben, aber obwohl dieser Ort soviel kleiner ist als Otas, hat er soviel mehr zu bieten. Heiterkeit, Geborgenheit, Wärme, Farben...Auch scheint es keine Armut zu geben. „Du? Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragt der kleine Junge neben mir. Ich Dummkopf habe ja vollkommen vergessen, mich vorzustellen! Das muss ich natürlich sofort nachholen. „Meine Name ist Seth Tagesch It, aber nenn mich bitte Seth.“, stelle ich mich nachträglich noch vor. „Boah, der Name ist ja cool!“, flötet der Junge, „Dagegen ist meiner voll öde! Teschimi Gazu. Wollen wir nicht tauschen?“ Lachend lehne ich sein Angebot ab. Mit einemmal packt er meine Hand und sprintet los. Was ist denn jetzt los? „Ich muss dich unbedingt dem Prinzen vorstellen! Du wirst ihn sicher mögen, alle tun das! Er ist super dolle hübsch, die Erwachsenen sagen, er ist die Sonne in unserem Wald.“, platzt er hervor. Dem Prinzen will er mich vorstellen? Warum denn? Nunja, schaden wird es sicher nicht, aber muss das denn sein? Andererseits brauche ich ja ne Bleibe und Arbeit...Da wird mir der Prinz sicher helfen können. Also lasse ich mich von dem Kleinen durch die halbe Stadt zerren. „Hier ist er!“ quiekt der Junge fröhlich und bleibt so aprubt stehen, dass ich beinahe hinfalle. Verwirrt blicke ich in die Richtung, in die der Junge sieht. Das...Das ist doch... Er ist es! Ich erkenne ihn! Da steht er. Sein goldenes Vorderhaar fällt ihm teils ins Gesicht, teils weht es im lauen Wind um seinen Hals. Sein sternenförmiges schwarzes Haupthaar mit den rot bis violetten Spitzen glänzt leicht im Sonnenlicht. Seine leicht gebräunte Haut bildet einen wundervollen Kontrast dazu. Er hat sich nict verändert. Noch immer ist er von schmächtiger Statur, recht klein und zerbrechlich. Das wir durch seine mädchenhafte Kleidung sogar noch betont. Der Oberkörper ist frei, um den Bauch hat er sich ein dunkelblaues Seidentuch gebunden, dass an seinem Rücken zu einer riesigen Schleife wird, deren Enden bis auf den Boden hinabfallen. Darunter trägt er eine weiße Schlabberhose, die an den Knöcheln von zwei kleinen Goldreifen zusammengehalten wird. An den Füßen trägt er kleine dunkelblaue Schläppchen. Sein zierlicher Körper ist zudem noch über und über mit Schmuck behangen. „Prinz Atemu!“, ruft der Junge ihm zu. Daraufhin dreht sich Atemu zu uns um. Mir stockt der Atem, als sich zwei funkelnde Amethyste auf mich richten. Was soll ich jetzt nur sagen? Meine Zunge funktioniert nicht mehr! Ich bin wie gelähmt. ___________________________________________________________________________ Ein besoneres Dankeschön möchte ich an dieser Stelle an Yaren und fukuyama richten, da ich durch ihre Kritik auf die Idee gekommen bin, diese "Übungs-FF" zu schreiben. ___________________________________________________________________________ Noch ein kleiner Nachtrag: Wir haben letztens im Unterricht einige Gedichte gelesen und da hat mich dieses hier sofort an die erste Begegnung der beiden erinnert. Es passt einfach perfekt! Deswegen gebe ich es hier nochmal an. Augen in der Großstadt Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? vielleicht dein Lebensglück... vorbei, verweht, nie wieder. Du gehst dein Leben lang auf tausend Straßen; du siehst auf deinem Gang, die dich vergaßen. Ein Auge winkt, die Seele klingt; du hast's gefunden, nur für Sekunden... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück... Vorbei, verweht, nie wieder. Du mußt auf deinem Gang durch Städte wandern; siehst einen Pulsschlag lang den fremden Andern. Es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Er sieht hinüber und zieht vorüber ... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück! Vorbei, verweht, nie wieder. (Kurt Tucholsky) Kapitel 2: ----------- An dieser Stelle möchte ich nochmal auf das beigefügte Gedicht in Kapitel 1 verweisen ^-^ ________________________________________________________________________________ Kapitel 2: Chabi Chabi Leises Klimpern begleitet seine Bewegungen, sanftes Licht wird von seinen Haaren reflektiert. Er kommt näher. Unfähig, etwas zu sagen, starre ich ihn einfach nur an. Seine leicht gebräunte Haut, die wehenden Haare, tanzenden Lichtstrahlen im seidigen Abendrot gleich, seine filigrane Gestalt... So viel zarter noch als in meinen Träumen. Endlich habe ich die Chance, ihn genau zu betrachten, mir jeden Milimeter einzuprägen. Die Knöchel zieren kleine, goldene Fußkettchen mit winzigen Perlen zwischendrin. Die weiße Hose scheint aus Seide zu sein und ist leicht durchscheinend. Die blaue Schleife mit ihren langen Enden ist am Rand mit Gold bestickt und zudem noch mit kleinen Fransen, an deren Ende jeweils zwei violette Perlen in einigem Abstand prangen, versehen. Um seine Handgelenke flattern hauchfeine Kettchen, unmöglich von hier aus zu erkennen, um was für Material es sich handelt. Aufgrund des vielen Goldes würde ich aber vermuten, dass es sich bei diesen ebenfalls um Gold handelt. Um seinen rechten Oberarm liegt ein einfacher Goldreif, während sich um den linken eine goldene Schlange mit Augen aus leuchtenden Saphiren windet. Jede einzelne Schuppe ist deutlich zu erkennen. Eine beachtliche Handwerksarbeit. Ich wusste gar nicht, dass so etwas mit Gold möglich ist. Ich dachte immer, das ginge nur mit Holz oder Harz, daraus werden nämlich in meiner Heimat die Schmuckstücke gefertigt. Metall ist nur für Waffen und Rüstungen da. Das Bisschen Goldschmuck, dass es bei uns gibt, tragen nur die oberen 10. Für mehr reicht es nicht. Seine Gestalt ist einfch atemberaubend! Jetzt steht er direkt vor mir. Ich glaube, mein Herz bleibt bleich stehen! Diese Augen...diese wundervollen, amethystgleichen Augen sehen mich so offen und neugierig an, dass man meinen könnte, er würde meine Seele mustern und nicht mein Gesicht. „Wer ist das?“, fragt er den kleinen Jungen. Oh wie wundervoll seine Stimme klingt! Wie das sanfte Rauschen des Windes, wenn er einem durch die Haare weht, einem die Haut zärtlich streichelt. So sprich doch weiter! Ich sehne mich danach, mehr von dieser Stimme zu hören. „Das ist Seth.“ Mehr sagt der Kleine nicht, sondern hüpft fröhlich von dannen. Als ich ihm verwundert nachsehe, erklärt mir Atemu kurz: „Teschimi muss jetzt zum Mittagessen nach Hause.“ Woher weiß er das? In meinem Land wusste man nie, wer gerade was tat. Aber hier scheinen sich alle gut zu kennen, wie eine große Familie. Beneidenswert. „Du sprichst ja gar nicht mehr?“ Mein Blick streift seine fragenden Augen. Sie sind so nah...so nah... „Woher kommst du?“, fragt er weiter. „Otas.“ „Du bist wohl nicht sehr gesprächig?“ Wie könnte ich auch! Bei seinem Anblick verschlägt es einem glatt die Sprache. Dem Jungen plötzlich so nahe zu sein, dem ich sonst immer nur von fern nachgeträumt habe, löst eine angenehme Unruhe in mir aus. Ein leichtes Kribbeln, das wohl irgendwo zwischen Haut und Knochn stecken muss. Es ist ein aufregendes Gefühl, so durchwühlend und verunsichernd. Dieses Gefühl kann nur er bei mir auslösen. Mögen die Götter verfügen, dass es noch lange anhält und nicht durch die in meiner Heimat üblichen Lethargie verdrängt wird. Zaghaft erwidere ich sein freundliches Lächeln. Ein so ehrliches und fröhliches Lächeln habe ich noch nie gesehen. „Komm, ich lade dich ein. Speise mit mir bei mir zu Hause, dann führen wir unsere Unterhaltung fort.“, sagt er sanft bestimmend und bietet mir seine Hand an. „Mein Name ist übrigens Atemu.“ Gerne nehme ich die Hand an und folge ihm den gepflasterten Weg entlang. Schon ungewöhnlich, einen Fremden einfach so zu sich einzuladen. Daheim würde man gar nicht auf eine solche Idee kommen. Aber hier ist die Atmosphäre vertrauter...sicherer. Welchen Grund hätte er schon, mich zu fürchten? Wenn er um Hilfe ruft, kommen sicher alle sofort. Unsere Nachbarin schrie einmal um Hilfe. Ich schlich mich hin, war neugierig, was los war. Ich muss damals so um die sieben gewesen sein. In ihrem Haus brannte es – oben im Schlafzimmer. Niemand kam, um zu helfen. Es schien niemanden zu kümmern. Die Leute gingen vorbei, als wäre nichts. Das ganze Haus brannte ab, ihr Ehemann und ihre zwei Kinder starben in den Flammen. Ich habe die Schreie gehört, aber ich konnte mich nicht rühren. Wie festgewachsen stand ich da und sah einfach nur zu, sah auf das Flammenmeer. Am nächsten Tag stand ein Mann vor der Ruine. Die Regierung hatte noch am selben Abend einen neuen Ehemann für sie bestimmt. Ohne ein Wort ging sie mit ihm fort. Ohne sich umzusehen, zu ihrem Heim, ihrer Familie lebewohl zu sagen... Da dämmerte mir, dass auch meine Eltern einfach so gehen würden, ohne eine Träne an mich zu vergießen. Ich existierte nur, weil man es ihnen gesagt hatte. Und irgendwann würde ich heiraten und Kinder kriegen, weil man es mir gesagt hat. Wo ist da der Sinn? Wozu war das gut? Ich habe es damals nicht verstanden und ich verstehe es heutenicht. Warum laufen sie wie Schafe der Regierung hinterher? Haben sie keine Gefühle? Warum bin ich anders? Ist es besser so? Während ich mir darüber den Kopf zerbreche, zupfpt Atemu mir leicht an meinem Ärmel. „Wir sind da.“ Und schonwieder habe ich vor lauter Nachdenken nichts mitbekommen. So mustere ich erstmal das hübsche Haus, vor dem wir stehen. Doch schon zieht er mich am Ärmel hinter sich ins Haus. Es ist sehr gemütlich eingerichtet, mit viel Stoff und weichen Sitzkissen. In der Küche steht ein großer Hellholztisch mit fünf Stühlen um ihn herum. Auf einen dieser Stühle setzt er sich, auf den neben sich klopft er einladend. Also setze ich mich neben ihn. Sobald ich sitze bringt eine ältere Dame Geschirr und Getränke. Ob das seine Mutter ist? Wenig später bringt sie auch das Essen. Skeptisch betrachte ich meinen Teller. Sicher, es duftet himmlich, aber es sieht so seltsam aus...Da sind kleine grüne und weiße Bäumchen, kleine grüne Kugeln, rote Scheiben und ein gelber Brei. Das Andere ist Pute mit dunkler Soße, wie mir bereits erklärt wurde. (Boa, ich krieg Hunger! XD) „Du isst ja gar nichts.“, stellt Atemu bedrückt fest, der bereits kräftig reinhaut. „Was ist das?“ Bevor ich das nicht weiß, rühre ich es nicht an. „Ach, das kennst du gar nicht? Das da sind Mören, das sind Erbsen und das da Blumenkohl und Brokkoli. Das ist Gemüse.“ Wieder dieses Lächeln. Nun gut, ihm scheint es ja zu schmecken. Ich war ja nie ein leidenschaftlicher Esser, aber wer mag schon graue Pampe, Bohnenmuß und Roggenbrot? Was Anderes gabs ja eh nicht. „Und das Gelbe?“ „Das ist Kartoffelpüree.“ Nun gut, es wird mich schon nicht umbringen. Also nehme ich einen Bissen und – schlinge den Rest gerdezu herunter. Das Zeug ist oberlecker! Echt der Hammer! Ich bekomme sogar noch zweimal Nachschlag. Atemu braucht für seine zwei Portionen fast genausolange wie ich für meine drei. Sowas Gutes habe ich noch nie gegessen! „Das war total lecker!“, stelle ich fest. Atemu lächelt freudig. „Warte erst den Nachtisch ab, bevor du Mirabell lobst.“ „Mirabell?“ „Ja, das ist meine Haushälterin. Sie kümmert sich um mich, seit vor ein paar Jahren meine Eltern gestorben sind.“ „Oh, das tut mir leid.“ Seine Eltern sind also tot. Der Arme. Aber was ist eigentlich Nachtisch? Nach Tisch...Was macht man nach dem Tisch? Hat das vielleicht was mit Schreinern zu tun? Oder ist das eine räumliche Bezeichnung? Mal sehen ... Nach dem Tisch kommt... Ein Stuhl? Aber was soll ich jetzt mit dem Stuhl machen? Ihn wegräumen? Unschlüssig stehe ich auf und nehme meinen Stuhl. Wohin jetzt damit? „Ähm...Was machst du da?“, fragt Atemu skeptisch. „Ähm...Nachtisch?“, antworte ich unsicher. „Du bist schon ein komischer Kauz!“, antwortet er lachend, „Komm schon, setz dich wieder hin.“ Ich tue, wie mir geheißen und setze mich wieder. Uh, war das peinlich! „So Jungs, der Nachtisch!“ „Oh super! Vanillepudding und Kekse!“, ruft Atemu fröhlich aus. Vanillepudding und Kekse? Was ist das jetzt schonwieder? Hm...gelber Brei, den Atemu gierig in sich hineinschlingt, und bunte kleine Klumpen. Sowas ist Nachtisch? Ich habe noch immer keinen blassen Schimmer, was das denn nun sein soll. Es schmeckt aber ausgezeichnet. Ob Atemu sowas jeden Tag bekommt? Ist das hier normal? Ich komme mir so wahnsinnig fremd vor, als käme ich aus einer anderen Welt. „Du kommst also aus Otas? Ich war da auch mal, kein schöner Ort, wenn ich das agen darf. So grau und kalt.“ Er erschaudert leicht. Ja, du warst da. Du warst da und ich hast mein Herz mitgenommen. Einfach so...Weißt du überhaupt, dass du es geraubt hast? Dass es nun in deiner Brust schlägt? „Warum bist du hier?“, will er weiter wissen. „Bin abgehauen...“ „Willst du hier bleoben? Du könntest bei mir wohnen, bis wir was Passendes für dich gefunden haben.“ Dankend nehme ich sein Angebot an. Er weiß ja gar nicht, wie glücklich er mich damit macht! Kapitel 3: Such such! --------------------- Kapitel 3: Such such! „Hahahahahahahahahahahahahahahahahahahaha!“ Atemu lacht aus vollem Herzen. Warum tue ich mir das nur an? Nach dem Essen war er auf die glorreiche Idee gekommen, dass ich mir sofort einen Job suchen sollte. Seitdem waren vier Tage vergangen, in denen ich mich als Koch, Bäcker, Kellner, Klempner, Gärtner und Babysitter versucht habe. Das Ergebnis fand Atemu jedesmal zum Lachen. So auch heute. Heute sollte ich mich als Holzschnitzer probieren. Atemu wollte eine Blume geschnitzt haben. Das Ergebnis ist der Grund für sein heiteres Lachen. „Was soll das denn sein? Haha! Das sieht ja aus wie...hahahi..hihi...das sieht aus wie eine Bulette mit Ohren! Ahahaha!“ Der kriegt sich ja kaum wieder ein. Dann kann ich eben nicht schnitzen, na und? Wozu braucht man das denn überhaupt? Und was ist eine Bulette? Ist das ein Schimpfwort? Das kann ich doch so nicht auf mir sitzen lassen! „Du siehst auch aus wie eine Bulette mit Ohren!“, antworte ich daher eine Spur zu arrogant. Doch entgegen meiner Erwartung lacht er jetzt nur noch mehr. Was ist denn daran so witzig? Habe ich mich da gerade etwa lächerlich gemacht? Mit steigt Schamesröte ins Gesicht. Was habe ich zu ihm gesagt? Bulette...Was kann denn Bulette bedeuten? „Seth?“, reißt er mich aus meinen Gedanken. „Hm?“, gebe ich wohlformuliert von mir. Mit meinem Wortreichtum will ich mir weitere peinliche Situationen lieber ersparen. „Mir ist da noch was Anderes eingefallen.“, sagt er und gibt mir meine Schnitzerei zurück. Seine Wangen sind vom Lachen gerötet. „Du kannst doch bestimmt tanzen oder?“ Oh nein! Nein nein nein nein nein nein nein! Ich mach mich doch nicht lächerlich! Ich habe schließlich auch meinen Stolz! „Kommt gar nicht infrage! Bulette!“, hänge ich brummelnd hinten an. Und schonwieder bricht er in schallendes Gelächter aus. Verdammt, ich brauche dringend ein Nachschlagewerk! (Na dann finde maleins, in dem Bulette drinsteht! XD) Dieses verfluchte Wort...Grr! Läuft denn heute alles schief? Als er sich wieder beruhigt hat, klopft er mir auf die Schulter. „Du solltest Komiker werden!“ Macht er sich jetzt wieder über mich lustig? „Seth? Huhu, Erde an Seth! Ist jemand zuhause?“ „Hä? Was?“ Ich war schonwieder so in meine Gedanken versunken, dass ich ihn gar nicht bemerkt habe. „Lass uns heimgehen, ich bin müde!“ Sein Wunsch kommt mir gerade recht. Also nicke ich einmal kurz und wir gehen heim. Irgendwie kann ich nicht schlafen... Wie früher in Otas so oft...liege ich wach und starre an die Decke. Ich bin nicht müde, ich bin nicht wach, ich kann nicht schlafen und habe nichts zu tun, würde ich aufstehen. So liege ich nur da...Boah ist das langweilig! Also betrachte ich den Mond...Hm, auch langweilig! Schließich stehe ich doch auf – von meinem kuschelig weichen Bett mit den molligen Kissen und den warmen Decken. So ein feines Bett haben bei uns zu Hause nichmal die Reichen! Vieles ist hier so anders...viel besser als dort...Aber könnte Chabi Chabi sich verteidigen, wenn Harekas angreift?Ich habe hier bisher keinen einzigen Soldaten gesehen. Das ist kein gutes Zeichen! Harekas’ Streitmacht ist groß, die Waffen vielfältig und gefährlich. Ich will nicht, dass die dumme Masse über das Schöne und Heimelige siegt. Siegt Kraft denn über Wissen? In Chabi Chabi gibt es eine große Bibliothek mit Millionen von Büchern und viele Gelehrte. Aber was können sie schon ausrichten, wenn Harekas sie überrollt? Chabi Chabi wird fallen, das steht wohl fest. Nur wann? Wie lange kann ich diese Idylle noch genießen? Wann werde ich Atemu verlieren? So viele Fragen, so wenig Antworten... Und jetzt? Jetzt stehe ich sinnlos in meinem Zimmer rum und grübele über Dinge nach, die ich sowieso nicht ändern kann. Plötzlich fällt mein Blick auf ein seltsames Gebilde in einer Ecke des Zimmers. Ein Gestell aus Holz mit einem weißen Rechteck in der Mitte. Soetwas ist mir völlig unbekannt. Was man wohl damit macht? Daneben liegen kleine Stäbe mit Haaren dran und gefäße mit farbiger Paste. Interessant... Intuitiev greife ich mir einen der Stäbe, tauche ihn die Paste und beginne zu malen. _______________________________________________________________________________________ So, endlich geht’s weiter, ne? Hoffentlich entäusche ich eure Erwartungen nicht. Ist recht kurz geworden. Was den Verlauf der Geschichte angeht, hätte ich eine Frage an euch: Sollen Atemu und Seth zusammenkommen? Und wenn ja, wie schnell? Schreibt mir die Antwort einfach in euren Kommi. Leute, bitte antwortet doch auf die Frage! ^-^' Sonst kann ich nicht weitermachen. Ach ja, und noch eine kleine Bitte: Schaut doch mal in meine Fanfic ‚Eine kleine Geschichte’ rein. Wenn ihr Chabi Chabi mögt, werdet ihr die sicherlich auch mögen. Und lasst mir doch bei Gelegenheit einen Kommi da, für meinen Geschmack sind es noch viel zu wenig ^.- (Anm.: Das gilt für ‚Eine kleine Geschichte’, nicht für Chabi Chabi. Ich muss mich ganz herzlich für eure vielen lieben Kommentare bedanken! *verbeug und knuddel*) Also dann, man liest sich beim nächsten Kapitel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)