One Way Street von Iwa (Wenn es keinen "rechten Weg" mehr gibt...) ================================================================================ Prolog: Failed -------------- Wie konnte das passieren? Wie nur? Es war alles schief gegangen. Alles, in nur wenigen Sekunden. Er hatte nicht einmal blinzeln können, da war es schon zu spät. Es war sein Fehler. Er hatte etwas übersehen. Wieso? Das war noch nie passiert. Wo war sein Denkfehler? Was hatte er übersehen? Aber das konnte nicht sein, er machte keine Fehler. Ein Schuss war zu hören. Sie waren nah. Höchsten noch ein Stockwerk, dann hatten sie ihn. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. Es half nichts, er musste sich stellen. Ein erneuter Schuss. Deutlich hörte er, wie etwas hart auf den Boden fiel. Hoffentlich hatte es niemanden zu schwer erwischt. Trampeln. Vermutlich waren sie gerade auf dem Weg zu ihm. Als die hoch gepanzerten Truppen des Sondereinsatzkommandos die Treppe zum obersten Stockwerk stürmten, sah er es. Es war glasklar. Es gab keinen Fehler. Sein Szenario war perfekt gewesen. Er hatte nichts übersehen. Der Gegner war zu schnell gewesen. Innerhalb von Sekunden waren sieben Maschinengewehre auf ihn gerichtet. Er hatte keine Chance. Er würde sich ergeben. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich ein silberner Haarschopf sich geschmeidig auf das Fenster auf der linken Seite des Raumes zu bewegte. Er verstand. Er musste Zeit schinden. Das war die einzige Möglichkeit. „Entwaffnen!“, herrschte ihn eine Stimme laut an. Er gehorchte. Das würde genug Zeit schaffen. Langsam, um kein Misstrauen zu erregen, öffnete er seine Jacke. Zuerst machten drei Pistolen Bekanntschaft mit dem Boden. Danach zwei Messer. Zum Schluss fiel sämtliche Munition, die er bei sich getragen hatte. Drei Gestalten näherten sich ihm langsam, die anderen zielten immer noch auf ihn. Das war nicht gut genug. Er musste sie alle zu sich kriegen, andernfalls konnte der Silberhaarige nicht entkommen. Zwei der Drei fingen an, ihn nach mehr Waffen ab zu suchen. Er hob brav die Arme. Er war nicht dumm genug sich gegen sie zu stellen. Vorsichtig schnellten seine Augen zu den Seiten. Niemand zu sehen. Verdammt! Wo war der Andere? Er konnte das Stockwerk noch nicht verlassen haben, die Treppe war der einzige Ausgang. Ein Fenster war offen. Das konnte nicht sein. Er war doch nicht...? Sie befanden sich im 15. Stock. Ein Sprung wäre der sichere Tod. Die Gestalten ließen von ihm ab. Natürlich nicht ohne ihn ordnungsgemäß in Handschellen zu legen. Es war gelaufen. Endgültig. Ein letzter Blick zum Fenster. Hoffentlich wusste Niou, was er tat. Er war die letzte Hoffnung für alle. Unsanft wurde er an den Armen gepackt und zur Treppe geschleift. Die alten Holzdielen knarrten unter den vielen Füßen. Der Putz bröckelte. Den ganzen Weg bis nach unten wurde er praktisch nur geschubst. Verbrecher behandelte man nicht nett. Man behandelte sie wie den Dreck unter Schuhen. Auf der Straße vor dem Gebäude standen unzählige Polizeiautos. Seine Männer waren alle dort. Alle, bis auf Niou. Er sah sie an. Er würde sich nicht anmerken lassen, dass er Schuld an allem war. Er würde erhobenen Hauptes in das Auto steigen. Er war immer noch ihr Anführer, er musste ihnen Zuversicht geben. Er sah, wie der Jüngste von ihnen ins Auto getragen wurde. Er war bewusstlos. Also hatten sie ihn vorhin nur betäubt und nicht wirklich erschossen. Das erleichterte. Die Anderen stiegen ohne Widerspruch ein. Sie begriffen alle, dass es das Beste war, erst einmal mit zu spielen. Der Blauhaarige drehte sich kurz um. „Alles wird gut, Boss“, formte er tonlos mit den Lippen. Er verstand. Seine Leute standen immer noch hinter ihm. Er wurde in ein Auto gestoßen. Er würde sie nicht enttäuschen. Er würde einen Weg finden, sie alle raus zu hauen. Kapitel 1: Chain Of Silence --------------------------- Die schwere Metalltür öffnete sich quietschend. Mit einem starken Stoß wurde er in die kleine Zelle befördert. Er blieb standhaft, obwohl er kurz strauchelte. Die Kette seiner Handschellen rasselte bei den Bewegungen. Hinter ihm wurde die Tür wieder gewaltsam zugezogen und sorgsam verriegelt. Er schaute sich um. Zu seiner Linken befand sich ein Klo und und längliches Keramikpodest. Das Bett. Auf der rechten Seite stand nichts, eigentlich hätte dort ein Schreibtisch sein sollen. Jetzt sah man dort nur noch dreckige Wände. Er setzte sich auf das Bett. Er würde nicht lange warten müssen, bis sie ihn erneut holten. Der beißende Geruch von Urin stieg ihm in die Nase. Sauberkeit war hier kein großes Kriterium. Hoffentlich ging es den Anderen gut. ---- „Ihr Arschlöcher! Lasst mich los! Lasst mich sofort los oder ich kill euch alle!“, brüllte der Jüngste. Die Betäubung hatte keine lange Wirkung gezeigt. Ein Wachmann versuchte verzweifelt ihn fest zu halten, ohne großen Erfolg, obwohl der Kleinere Handschellen trug, „Verdammt, haltet ihn fest! Stellt den Bengel noch mal ruhig oder so!“, rief der Mann. Derjenige, der eigentlich den Blauhaarigen begleiten sollte, eilte seinem Kollegen zu Hilfe und versuchte den Schwarzhaarigen unter Kontrolle zu bringen. Der Blauschopf sah sich das Szenario lächelnd an. Er hätte die Möglichkeit sich aus dem Staub zu machen, aber er wusste es besser als alleine fliehen zu wollen. Schritte hallten durch den Flur. Sekunden später waren drei weitere Wachmänner zur Stellle. Einer von ihnen begleite jetzt wieder Yukimura, während die anderen unter größter Anstrengung Kirihara in die Zelle schleiften. „Akaya, verhalte dich ruhig, das ist das Beste, um schnell raus zu kommen“, sagte Yukimura, kaum dass sie alleine waren. „Tse! Denen werde ich mich niemals beugen! Überhaupt! Warum lassen die uns die Handschellen?! Wie soll man den so pinkeln können?!“ Der Ältere nahm auf dem Bett Platz. „Sie müssen uns bald wieder rausholen für das Verhör, deshalb bleiben die Handschellen.“ „Keh. Unsinnig!“ ---- Wie er vermutet hatte, wurde er nach nicht langem Warten wieder abgeholt. Ein Wachmann brachte ihn in ein kleines Zimmer. Ein junger Mann mit bösem Blick stand ihm gegenüber. Schwarze, kurz geschorene Haare zierten seinen Kopf. Er musste sich auf einen Stuhl setzen. Der Wachmann blieb neben der Tür stehen. „Yagyuu Hiroshi“, sprach der Mann. Er trat zu dem Tisch, an dem der Lilahaarige saß und knallte eine Akte auf den Tisch. „Anführer der gefährlichsten Bande in Yokohama, das von allen gesuchte, brillante Genie.“ Der Mann stützte sich mit den Händen auf den Tisch und schaute Yagyuu eindringend an. „Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, was für Flecken Ihre ach-so weiße Weste zieren, aber nachweisen können wir Ihnen so gut wie nichts. Also seien Sie vernünftig und gestehen Sie. Hier kommen Sie so oder so nicht mehr heraus. Wenn sie uns verraten, was Sie und Ihre Männer alles getrieben haben, könnten sie eventuell straf mildernde Umstände bekommen.“ Yagyuu schwieg. Er wusste, dass die Anderen dasselbe erzählt werden würde. Man würde versuchen, dass sie sich alle gegenseitig in die Pfanne hauten. Dabei würde er nicht mitspielen, kein Wort sollte über seine Lippen kommen. Und er wusste genau, dass seine Leute auch so dachten, sie würden alle zusammenhalten. „Ich werde nichts sagen.“ Sein Gegenüber knallte erneut die Hände auf den Tisch. „Seien Sie nicht albern!“ Yagyuu blickte den Mann starr an, obwohl man durch die verspiegelten Gläser seine Augen nicht sah. „Von mir werden Sie gar nichts erfahren.“ „Das wird Ihnen Leid tun“, zischte der Polizist. „Abführen!“ Wieder wurde Yagyuu unsanft durch das Gebäude gezerrt. Auf dem Weg sah er Renji, der ebenfalls von einem Wachmann begleitet wurde, allerdings schien der Braunhaarige in Richtung Verhörzimmer geführt zu werden. Renji durchlief dieselbe Prozedur wie sein Boss, wobei auf ihn wesentlich länger eingeredet wurde. Der Polizist war sichtlich verärgert. Er hielt Renji für einen sehr vernünftigen Mann, aus dem er am Ehesten etwas rausbekommen hätte, aber er schwieg wie ein Grab. Er deute dem Wachmann an Renji ab zu führen. „Bringen Sie ihn ins Nebenzimmer. Vielleicht entscheidet er sich ja doch noch um.“ Der Datenliebhaber wurde in ein anderes Zimmer gebracht. Nur wenige Minuten später kam der Nächste herein. Doch auch bei Sanada hatte der Polizist keinen Erfolg. Ebenso bei Jackal, Marui und Yukimura. Dem Polizisten reichte es. Warum waren die alle so stur? Warum hielten ein paar schmutzige Verbrecher so zusammen? Er schnaubte. Einer war noch übrig, aber von dem erwartete er sich nicht viel. Ein kleiner Typ mit schwarzer Wuschelmähne wurde in den Raum geschubst. Kirihara fluchte. Der Polizist sah ihn an, war der Kerl überhaupt alt genug, um im Gefängnis gehalten zu werden? Aber eigentlich war ihm das auch egal, er wollte jetzt endlich einen von diesen dreckigen Kreaturen zum Reden bringen. Grantig ließ sich der Jüngste der Rikkai auf den Stuhl fallen. „Egal, was Sie wollen, NEIN“, sagte er, bevor überhaupt jemand die Chance hatte den Mund auf zu machen. Dem Größeren passte das gar nicht, nachdem er sowieso schon gereizt war. „Du redest nicht, solang ich dich nicht dazu aufgefordert habe.“ „Tse!“ Kirihara dachte ja gar nicht daran still zu sein. „Ich lass mir nichts vorschreiben.“ „Halt dich zurück, Wurm. Hier wirst du tun, was wir anordnen.“ Kirihara starrte den Kerl an. Wie dämlich war der denn? „Ich lasse mir nichts vorschreiben, klar?!“ Die Geduld des Polizisten war am Ende. Hart ließ er seine Hand auf die Wange Kiriharas sinken. Das ließ sich der Kleinere nicht gefallen. Er stand auf, sprang war vielleicht das passendere Wort. Der Größere wich einen Schritt zurück, vor psychopathischen Killern musste man immer vorsichtig sein. Die zunehmend rotunterlaufenen Augen waren ihm unheimlich. Kiriharas Blut kochte. „Willst du mich verscheißen?!“ Die Handschellen klirrten, er konnte die Hände wegen dieser Scheißteile nicht bewegen. Kirihara zerrte mehr daran, wenn er sie abkriegte, würde er den Typen umbringen! Er spürte das Blut in sich rasen. Die Muskeln in seinen Armen verkrampften sich immer mehr. Mit einem lauen Knacken riss die Metallkette zwischen seinen Handschellen. Das war der Moment. Der Polizist konnte gerade noch schnell genug reagieren, als ihm das Monster mit den rotgrünen Augen entgegen sprang. Kirihara liebte die Momente, in denen sämtliches rationales Denken seinen Kopf verließ und er nur noch von der puren Blutlust gelenkt wurde. Der Wachmann eilte seinem Vorgesetzten zu Hilfe, doch alleine konnte er auch nichts ausrichten. Kirihara wollte sich gerade abermals auf die beiden Männer stürzen, da ging die Tür auf. Der Polizist hatte unbemerkt Verstärkung gerufen. Ehe sich der Jüngste versah, hatte er das zweite Mal an diesem Tag einen Betäubungspfeil im Arm. Es dauerte nicht lange, da sackte er wie zuvor auch bewusstlos auf den Boden. Der Polizist richtete sich wieder komplett auf. Er hatte sowieso schon schlechte gehabt, aber das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Er winkte einen Wachmann heran und gab ihm einige Anweisungen den Jungen betreffend. Kirihara wurde wie angeordnet weggetragen. Zur selben Zeit stand Yagyuu seinem neuen ständigen Begleiter gegenüber. Einer der Wärter hatte ihm die vorgeschriebene Gefängniskluft gebracht. Der Brillenträger beäugte sie. Sie war in einem dunklen Gelb gehalten, wobei sowohl Arme als auch Beine an den Seiten einen weißen Streifen mit rot abgesetzt hatten. Außerdem befanden sich auf dem Oberkörperteil des Overalls drei schwarze Streifen. Yagyuus Mimik gab nichts preis. Damit würde er jetzt immer rumlaufen. ---- Kirihara war halb wieder bei Bewusstsein, aber sein Körper wollte sich nicht bewegen. Er merkte, wie man ihn in eine komische Klamotte steckte. Dann wurde er aufgerichtet und seine Füße mit schweren Ketten befestigt. Es folgten seine Hände. Plötzlich wurden die Ketten fest gezogen, sodass er mit dem Rücken gegen eine Wand stieß. Er wollte fluchen, doch auch sein Mund wollte nicht arbeiten. Zu guterletzt legte man ihm irgendwas um die Augen. Verdammt, was sollte das? Kirihara hörte, wie sich Schritte von ihm entfernten und leise Stimmen im Hintergrund, die etwas besprachen. Eine klang sehr nach Yukimura. ---- „Wollen Sie immer noch schweigen?“, fragte der Polizist Renji. „Mit hundertprozentiger Sicherheit“, antwortete Renji. „Wir werden Sie schon zum Reden bringen“, erwiderte der Polizist, der nicht mehr die Nerven zu einer Diskussion besaß. Er würde irgendwas aus dem Braunhaarigen heraus quetschen, und er wusste auch schon genau wie. Kapitel 2: Smoke-bomb --------------------- Die erste Nacht konnte Yagyuu nicht schlafen. Zu viel ging ihm durch den Kopf. Er schaute aus dem winzigen vergitterten Fenster in seiner Zelle. Altmodisch. Alles erschien ihm unwirklich. Waren sie wirklich verhaftet worden? Sie, die unschlagbare Rikkai? Es war schwer zu verstehen. Er stützte seinen Kopf auf seine Hände. Niou war ihre einzige Hoffnung, vielleicht hätten sie sogar eine Chance es ohne ihn zu schaffen, aber sie war verschwindend gering. Doch wo war Niou? Was plante er? Yagyuu hatte den Silberhaarigen noch nie nachvollziehen können. Sicher, sie waren gute „Partner“, aber Nious Denkweise entzog sich Yagyuus Verstand. Die viel wichtigere Frage war sowieso, ob der Andere noch lebte. Yagyuu wusste, dass Niou nicht unter zu kriegen war, doch ein Sprung aus dem 15. Stock? Ihm blieb nichts anderes als zu hoffen, dass der Ältere wieder einen Trick parat gehabt hatte. Niou war der Schlüssel zu ihrer Flucht. Bis er bereit war, mussten sie Wohl oder Übel hier rumsitzen. ---- Niou schnaubte leise. Das war verdammt knapp gewesen. Er hatte nur gesehen wie die Typen vom Sondereinsatzkommando die Treppe hoch gestürmt kamen und hatte dann instinktiv reagiert. Und das hatte eben mit der Flucht aus dem Fenster geendet. Er spürte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Adrenalin war doch was Feines. Er stand auf einem winzigen Vorsprung in der Wand. Wenn er fiel, würde er das auf keinen Fall überleben. Gottseidank hatte die Rikkai jede Ecke der Bruchbude inspiziert, als sie vor drei Tagen ihr Quartier vorübergehend hierher verlegt hatten. Ansonsten würde Niou jetzt genau wie die Anderen abgeführt werden. Sein Kopf begann zu rattern. Irgendwie musste er sich jetzt helfen. Sieben Kerle waren in den 15. Stock gekommen, mindestens zwei von ihnen würden Yagyuu begleiten, die restlichen fünf würden sehr wahrscheinlich noch die oberen Etagen inspizieren. Niou holte tief Luft. Er musste also zwischen die beiden Truppen schlüpfen und es dann noch schaffen unbemerkt unten zu entwischen. Er grinste. Kein Problem, wenn man Niou hieß. Plötzlich spürte der Silberhaarige, wie sein Fuß rutschte. Keine Sekunde später brach der Vorsprung, auf dem er gestanden hatte, und Niou fiel. Gerade noch so konnte er sich mit einer Hand an dem verbleibenden Stück Vorsprung halten. Das war knapp gewesen. Er hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken, entweder würde er jetzt den Sprung ins untere Fenster schaffen oder elendig verrecken. Augen zu und durch. Niou ließ die Kante los und dankte auch schon im nächsten irgendjemanden da oben im Himmel, der ihn lieb hatte. Mit einem Fuß und einer Hand war er tatsächlich auf dem kleinen Absatz vor dem Fenster im 14. Stock gelandet. Jetzt musste er nur noch den Rest des Körpers rauf ziehen. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Bei der Landung hatte er nicht gemerkt, dass er sich einen Splitter des kaputten Fensters in die Hand gerammt hatte, aber als er sich jetzt darauf stützte und sicher der Splitter noch tiefer bohrte, machte er sich schmerzlich bemerkbar. Niou war erleichtert, als er endlich komplett auf dem Fensterbrett hockte. Er ließ seine Augen durch den Raum wandern. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Heute war wohl sein Glück-im-Unglücks-Tag. Da lief doch tatsächlich einer dieser Typen ganz alleine durch die Gegend. Trottel. Jeder Polizist sollte wissen, dass man sich nicht allein in solchen Gegenden rumtreiben sollte. Niou kam das gerade recht. Er würde den Kerl erledigen, sich dessen Uniform schnappen und schon war die Flucht nicht mehr als ein Kinderspiel. Eine Hand wanderte zu seiner Pistole, die andere zum Schalldämpfer. Erst im letzten Moment stoppte Niou. Das sollte er nicht wagen. Die Typen vom Sondereinsatzkommando waren gepanzert bis sonst wo hin, da müsste er schon verdammt genau zielen. Aber er war kein geübter Zielschießer. Dann musste er sich eben etwas Anderes einfallen lassen. Niou schaute auf seine Hand. Eindeutig, zuerst musste er dieses Glasstück entfernen. Er biss sie auf die Zunge, als er den Splitter aus seiner Hand zog. Das tat höllisch weh. Doch er durfte sich davon nicht zu sehr ablenken lassen. Geräuschlos glitt er vom Fensterbrett ins Zimmer. Am einfachsten war es wohl dem Typen das Genick zu brechen. Nur musste sich der Silberhaarige dafür erst einmal unbemerkt anschleichen. Er hatte schon fast sein Ziel erreicht, als er eine Scherbe des Fenster übersah und sie laut zertrat. Danach passierte alles innerhalb von Sekunden. Der Mann vom Sondereinsatzkommando drehte sich zu der Geräuschquelle, Niou zog seine Waffe und feuerte. Er spürte, wie das Adrenalin wieder durch seine Adern gejagt wurde. Der Mann sackte zusammen. Ein perfekter Kopfschuss. Niou wusste, was für ein Glück er gehabt hatte. Der Kerl hatte sein Visier geöffnet, wieso auch immer. Wenn nicht, wäre er selbst jetzt auf dem Weg über den Jordan. Niou steckte seine Pistole weg, und in diesem Moment wurde ihm klar, dass er seinen Schalldämpfer vergessen hatte. Er schluckte. Den Schuss musste man durch das Gebäude einfach bis in jede Etage gehört haben. Zur Bestätigung hörte er auch schon schwere Schritte die Treppe hinunter laufen. Verdammt, sie durften ihn nicht erwischen. Niou rannte los, ohne nach zu denken, einfach nur vorwärts. Schade um die schöne Verkleidung, die ihm durch die Lappen ging, aber im Moment gab es nun mal Prioritäten. Niou rannte. Jeder Schritt hallte laut in seinen Ohren wieder. Er hörte, wie die Leute hinter ihm näher kamen. War er denn so langsam? Er versuchte seine Beine noch schneller zu bewegen. Doch wenn er jetzt so schnell lief, dann würde er unten wahrscheinlich noch auf die anderen Truppen stoßen. Verdammt, er musste sich auf der Stelle etwas einfallen lassen. Dann zuckten Nious Mundwinkel. Eine letzte Trumpfkarte hatte er noch. Neulich hatte er mit Kirihara Rauchbomben gebastelt, um Jackal zu ärgern. Eine davon hatte er noch übrig. Wenn er die im richtigen Moment zündete, konnte er bestimmt allen Gegnern entkommen. Er fühlte mit einer Hand in seiner Tasche. Ja, da war sie. Jetzt nur noch genau den Zeitpunkt abpassen. Aber er musste sich beeilen, die Typen waren ihm immer dichter auf den Versen. Niou war im Erdgeschoss angekommen, kurz vor der Tür schmiss er seines kleines Experiment auf den Boden. Knallartig entwich der dichte Nebel in alle Richtungen. In Windeseile verzog sich der Silberhaarige eine der vielen kleinen Straßen. Jetzt zählte nur seine Flucht. Plötzlich stieß er gegen irgendetwas, das beim Zusammenprall ein quiekendes „Dane“ von sich gab. „Pass auf, Idiot“, herrschte eine andere Stimme. Eh sich Niou versah hatte er eine Hand im Nacken und seine Sicht wurde schwarz. ---- Yukimura war es bis jetzt wie seinem Boss ergangen. Er fand keinen Schlaf. Die Betten, wenn man sie so nennen konnte, waren ziemlich unbequem, aber das störte ihn nicht. Sie alle waren es gewöhnt an den unmöglichsten Orten zu schlafen. Wahrscheinlich hatten auch ihn die Gedanken an ihre Verhaftung wach gehalten, so wie alle anderen Mitglieder der Rikkai. Jetzt endlich schien der Älteste der Truppe Ruhe zu finden, aber auch die wurde zerstört. „Ich muss pinkeln“, nörgelte eine Stimme in der Dunkelheit. Yukimura seufzte, dahin war die winzige Chance Schlaf zu bekommen. „Ich muss pinkeln“, ertönte die Stimme, diesmal etwas weinerlicher. Der Blauhaarige stand auf und holte ein Gefäß aus der Ecke, das ein Wärter extra dorthin gestellt hatte. Kirihara wurde wütend und ungeduldig. „Ich muss pissen, verdammte Scheiße!“ Er wusste nicht, dass sich Yukimura in seiner Zelle befand, er hatte bis eben geschlafen, um den Rausch der Betäubung zu kurieren. Plötzlich spürte er, wie jemand seine Gefängniskluft öffnete. Er begann zu zucken. „Was soll...?“ Beenden konnte er sein Gezicke nicht, da ihn eine bekannte Stimme unterbrach. „Ruhig“, befahl Yukimura mit freundlicher und leiser Stimme. Er holte Kiriharas beste Stück hervor und hielt es über das Gefäß. Er hätte nicht gedacht, dass er jemals wieder einen anderen Penis als den Sanadas in der Hand haben würde. Der Schwarzhaarige wollte protestieren, wusste aber, dass man sich nicht gegen Yukimura auflehnte. „Was ist?“, fragte der Größere, als nichts passierte. „Du wolltest aufs Klo, als geh auch.“ Der Jüngere fand das äußerst merkwürdig, doch er hatte keine Wahl. ---- Sanada saß auf seinem Bett. Auch ihn hatte dasselbe Schicksal wie die Anderen ereilt. Er sah zu dem „Bett“ auf der gegenüberliegenden Seite. Jackal lag dort, doch Sanada war sich sicher, dass der Halbbrasilianer auch nicht schlafen konnte. Der Schwarzhaarige schaute seine Hände an. Wenn er sein Katana hätte, dann wäre er schon längst aus diesem Loch ausgebrochen. Sein Blick wanderte zur Tür. Vielleicht hätten Jackal und er zusammen eine Chance die Tür klein zu kriegen, aber noch durften sie nichts tun. Sie würden den nächsten Morgen abwarten, um zu sehen, ob der Boss irgendwelche Zeichen gab. Solang mussten sie ausharren. Sanada schloss die Augen. Das war die erste Nacht seit Jahren, in der er auf auf seine zwei liebsten Dinge verzichten musste. Kapitel 3: Favor ---------------- Yagyuu hörte wie die schwere Zellentür geöffnet wurde. Er richtete sich aus seiner liegenden Position auf. Der Helligkeit in der Zelle nach zu urteilen, gab es jetzt Frühstück. Er schaute zum Klo. Er wollte den Fraß aus diesem Loch gar nicht probieren. Ein Wärter kam in die Zelle und legte ihm Handschellen an. Erhöhte Sicherheitsmaßnahme. Yagyuu ließ sich auf den Flur führen, wo ein zweiter Wachmann wartete. Yagyuu dachte lieber nicht darüber nach, wie viele Männer wohl Sanada und Jackal begleiten mussten, wenn er bereits zwei brauchte. Er ging brav mit seinen Begleitern mit. Niemand anderes war auf dem Gang zu sehen. Scheinbar wurden sie alle einzelnd geführt. Der Lilahaarige konnte nur hoffen, dass sie trotzdem alle zusammen essen würden. Das war wichtig. Zwei große Metalltüren wurden geöffnet, hinter ihnen lag ein verhältnismäßig großer Raum. Einfache Tische mit langen Bänken waren dort aufgereiht. An einem der Tische saßen alle seine Leute versammelt. Yagyuu war erleichtert, wenigstens würden sie diese Mahlzeit zusammen verbringen, damit er ihnen geheime Anweisungen geben konnte, wie sie es vorher abgesprochen hatten. Nachdem ihm die Handschellen wieder abgenommen worden waren, setze er sich. Seine Wachen blieben an der Tür stehen. Sämtliche Ausgänge waren scharf bewacht. Yagyuu ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Sie waren nicht die einzigen Insassen hier, drei andere Typen waren wohl ebenfalls eingebuchtet worden. Das würde ihre Pläne nicht behindern. Yagyuu holte sich sein Essen... wenn man es so nennen mochte. Die Anderen hatten alle bereits ihre Tabletts vor der Nase stehen. Als er wieder saß, begannen alle den Fraß irgendwie hinunter zu kriegen. Gott sei dank waren sie durch ihr hartes Leben an widerlichen Fraß gewöhnt. Sanada versuchte auf sein Essen zu starren, was ihm aber nur mäßig gelang. Sein Blick wanderte immer wieder zurück zu Yukimura. Dieser erotische Augenaufschlag des Blauhaarigen! Sanada hatte noch nie gewusst, ob Yukimura das mit Absicht tat oder versehentlich, aber es machte ihn wild. Er hatte bereits eine ganze Nacht ohne den kleineren Mann auskommen müssen, sein Körper war auf kaltem Entzug und das mochte er überhaupt nicht. Und auch die erotische Weise, auf die das Besteck in Yukimuras Mund verschwand. Sanada schnaubte. Er fühlte genau, wie seine Erregung gegen die Gefängniskluft streifte. Das war Tortur. Wenn er nicht bald irgendwie Abhilfe bekam, würde er wahrscheinlich den Knast auseinander nehmen, egal ob Yagyuu es ihnen befahl oder nicht. Yagyuu legte sein Besteck ab. Eine Pause beim Essen konnte nicht schaden, sie würden so oder so Zeit benötigen. Es war lebenswichtig, dass die ersten Vorkehrungen bereits jetzt getroffen wurden. Er ließ seinen Blick über seine Leute schweifen. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Zwei Leute fehlten. Kein gutes Zeichen. „Akaya?“, fragte er leise in die Runde, während er so tat sein Besteck wieder zum Mund zu führen. Vorsichtig schauten auch die Anderen auf, die diese Frage ebenfalls zu interessieren schien. Yukimura aß ruhig weiter. „Angekettet. Sondervorrichtung in meiner Zelle. Um Essen und Stuhlgang muss ich mich kümmern“, gab er leise zwischen dem Kauen von sich. Yagyuu nickte kurz. Das war nicht gut, für die Vorrichtung brauchten sie hundertprozentig einen, wenn nicht zwei Extraschlüssel, wenn die Zeit zum Verabschieden gekommen war. Ob sie das überhaupt durften? Akaya auf eine scheinbar unmenschliche Weise anketten? Yagyuu schob seine Brille zurecht. Aber es war verständlich. Wenn sie Akaya frei herum laufen ließen, wäre die Gefahr für seine Anfälle viel zu hoch. Seine Lippen formten plötzlich ein winziges Grinsen. Der kleine Teufel hatte wirklich Glück mit Yukimura in einer Zelle gelandet zu sein, sicherlich würden alle anderen viel zu schnell die Geduld mit ihm verlieren. Dennoch, eine Frage war immer noch ungeklärt. Wo sich einer seiner Leute befand wusste er immer noch nicht, und er bezweifelte, dass sie Renji irgendwo an eine Zellenwand gekettet hatten. „Und Renji?“, fragte er leise. Er merkte, wie alle kurz stockten, dann aber der Fassade halber weiter aßen. Alle nacheinander schüttelten vorsichtig die Köpfe. Yagyuu biss sich auf die Lippe. Verdammt! Das bedeutete, dass sie Renji noch irgendetwas viel Schlimmeres angetan hatte, als Akaya, wenn sie ihn nicht einmal zum Frühstück ließen und niemand wusste, was mit ihm war. Der Lilahaarige schaute böse auf sein Essen. Das würde ein wirkliches Hindernis bei der Flucht darstellen. Ihm blieb nichts anderes übrig, er musste zuerst wissen, wo und wie Renji festgehalten wurde, bevor er irgendwelche Pläne aufstellen konnte. Er rückte erneut seine Brille zurecht. „Verhaltet euch ruhig, die ganze nächste Woche. Wir werden sie in Sicherheit wiegen. Sollte Niou innerhalb einer Woche nicht aufgetaucht sein, werde ich weitere Schritte einleiten. Versucht heraus zu bekommen, wo Renji ist.“ Yagyuu wusste, dass seine Anweisung eigentlich sehr wage war, doch im Moment konnte er noch nicht mehr veranlassen. Überstürztes Handeln könnte ihr aller Glück beeinflussen. Er legte sein Besteck ab. Er war fertig mit essen. ---- Das erste, was Niou spürte, als er langsam wieder zu sich kam, waren seine schmerzenden Handgelenke, die fest auf seinem Rücken zusammen gebunden waren und der kalte Beton unter seiner rechten Gesichtshälfte. Er schätzte sich ganz glücklich, dass man ihn nicht mit roher Gewalt ausgeschaltet hatte, ansonsten würde ihm jetzt wahrscheinlich noch viel mehr wehtun. Er wartete, bis sein Bewusstsein fast vollständig aufgetaut war, bevor er sich in eine sitzende Position brachte. Augenblicklich wurden ihm sechs Pistolenläufe an den Schädel gehalten. Niou schaute zu den Personen, die im Kreis um ihn herum standen, auf, exakt in dem Moment ging eine kleine Tür im Hintergrund des Raumes auf. „Na, na, wer wird denn unseren Besuch so unhöflich empfangen?“, fragte die Person, die soeben ins Zimmer gekommen war. Niou hatte sie sofort erkannt. Mizuki. Fünf Pistolenläufe senkten sich. Mizuki schritt weiter ins Zimmer. „Yuuta, wenn ich sage, ihr sollt dir Waffen senken, dann meine ich auch dich damit.“ Niou schaute zu dem Blondhaarigen auf, der nur widerwillig seine Waffe zurückzog. Den kannte er nicht. Hatte die Rudolph Neuzugang bekommen? Sein Blick flog kurz über seine Bewacher. Akazawa, Kaneda, Nomura, Kisarazu und Yanagisawa, alle da, aber den anderen, diesen Yuuta, den kannte er beim besten Willen nicht. Mizukis leises Lachen unterbrach seine Gedanken. „Was für einen seltenen Fang wir hier haben. Lange nicht gesehen, Niou.“ Niou entschied sich gar nicht erst darauf ein zu gehen. „Ich dachte wir hätten Waffenstillstand, Mizuki.“ „Das haben wir doch.“ Wieder dieses leise Kichern. Es nervte Niou. „Dann solltest du mich eigentlich nicht gefangen nehmen, oder?“, fragte der Silberhaarige, wobei seine Stimme langsam wieder ihren üblichen schelmischen Ton annahm. Mizuki schritt auf ihn zu, eine Hand bereits wieder in seinen Locken. „Du solltest mir dankbar sein, Niou. Atsushi und Shinya haben dich immerhin vor den Bullen gerettet. Außerdem hatte ich nicht vor dich hier fest zu halten.“ Niou begann zu grinsen. „Und was willst du dann von mir?“, fragte er, wobei er sich etwas nach vorne lehnte. Auf der Stelle hatte er wieder eine Pistole am Kopf. „Yuuta!“, Mizuki klang etwas sauer. „Nimm die Waffe runter!“ Der Blondhaarige schnaubte, was Niou sehr an Sanada erinnerte. Mizuki setzte sich auf den Stuhl, der kurz vor Niou stand. Er lächelte. „Ich will ein Bisschen reden.“ „Ach so ist das. Der wehrte Herr möchte reden“, sagte Niou verächtlich. Für so einen Kram hatte er keine Zeit. Mizuki kicherte. „Du solltest mir wirklich lieber zuhören.“ Niou hmpfte, aber blieb ansonsten ruhig. Er hatte kaum eine Wahl. Er konnte sich wenigstens irgendeinen Plan überlegen, während er sich Mizukis Geschwafel antun musste. „Ich will“, begann der Schwarzhaarige und beugte sich nach vorne, „dass du mir einen kleinen Gefallen tust als Gegenleistung für deine Rettung.“ Niou konnte nicht glauben, was er da hörte. Er hatte doch überhaupt nicht um Hilfe gebeten! „Hör mir zu ende zu.“ Mizuki drehte weiterhin eine Haarsträhne zwischen seinen Fingern. „Wenn du uns hilfst, gebe ich dir als Dankeschön das hier.“ Er zog seine Blatt Papier hervor. „Das sind der Gebäudeplan und der Schichtwechselplan des Gefängnisses, in dem deine Freunde sich befinden. Es könnte dir wochenlange Beobachtungsarbeit ersparen.“ Niou starrte auf die Zettel. Wieso sollte Mizuki ihm diese Teile geben? Was hatte der Typ geplant, dass er freiwillig der Rikkai half? Sicher, sie hatten Waffenstillstand geschlossen, aber das beinhaltete in keinster Weise irgendwelche Hilfe. „Was soll ich dafür tun?“, fragte Niou misstrauisch, nun aber doch interessiert. Mizuki lächelte. „Ich wusste, du würdest zur Vernunft kommen. Also pass auf: Ich will, dass du das Hauptquartier der Yamabuki ausfindig machst und mir ein Dokument besorgst, dass Minami irgendwo bei sich aufbewahrt. Das ist alles, simpel oder?“ Niou ließ innerlich eine Augenbraue in die Höhe schnellen. Das war ZU simpel. Das könnte Mizuki mit seinen Leuten auch gut alleine fertig bringen. Dennoch würde er sich nicht widersetzen, dieses Dokument zu klauen würde in jedem Fall schneller gehen als das Gefängnis Tag und Nacht aus zu spionieren. „Kann ich mich darauf verlassen, dass die Notizen stimmen?“, fragte er. Mizuki nickte. „Natürlich.“ „Dann mach ich deinen komischen Job.“ „Sehr gut. Bindet ihn los.“ Kisarazu, der hinter Niou stand, bückte sich und löste die Fesseln. Niou stand langsam auf und rieb sich die Handgelenke. Aus den Augenwinkeln merkte er, wie dieser Yuuta bereits wieder seine Waffe lud. War der Kerl so nervös oder einfach übervorsichtig? „Was ist das für ein Dokument?“, wollte der Silberhaarige noch wissen, bevor er sich auf den Weg machte. „Informationen über eine Yakuza-Familie, du solltest sie leicht erkennen. Meinetwegen kannst du dir das Dokument auch ansehen, es wird dir sowieso nichts bringen.“ Niou nickte und schritt dann langsam auf den Ausgang des Raumes zu. Kurz vor der Tür hielt er an. „Woher hast du all diese Informationen, Mizuki?“ Ein Kichern schallte durch den Raum. „Ich weiß alles, Niou.“ Der Verkleidungskünstler verließ den Raum. Er mochte dieses Getue nicht. Mizuki schaute auf die zufallende Tür. „Die Rikkai im Knast, was für eine interessante Wendung“, kicherte er. Kapitel 4: Hush! ---------------- Renji versuchte erneut seine Augen zu öffnen, kein Sinn. Ironisch oder? Er war es gewöhnt in Dunkelheit zu leben, hatte er doch meistens seine Augen sowieso geschlossen. Aber wenn man plötzlich dazu gezwungen war, die Dunkelheit zu ertragen, konnte man es nicht mehr. Renji hatte Schmerzen in all seinen Gliedmaßen, vor allem in den Gelenken. Seit sie ihn in diesen Zustand gebracht hatten, hatte er sich nicht mehr bewegen können. ---- Flashback ---- Die Tür ging leise knarrend auf. Renji bewegte sich nicht. Er brauchte auch nicht hinsehen, es gab nur eine logische Möglichkeit, wer dort zur Tür herein kam. Der Polizist schritt zu dem Stuhl, auf dem Renji saß. Dessen Hände waren mit Handschellen hinter der Rückenlehne gesichert. Der große, schwarzhaarige Mann sah erfrischter aus als vorher. Er hatte in der Zwischenzeit zwei Aspirin genommen. Jetzt fühlte er sich sicherer für das „Verhör“. Einmal würde er Renji noch die Chance geben und er würde mit Sicherheit etwas aus dem Braunhaarigen mit dem ordentlichen Haarschnitt etwas heraus bekommen. Er grinste freudig. Und wenn er das Pack erst einmal richtig hinter schwedischen Gardinen hatte, würde er eine fette Beförderung kriegen. Oh, wie er den Triumph schon schmecken konnte. Lässig setzte er sich auf eine Ecke des Tisches, der sich in der Mitte des Raumes befand, und schaute Renji direkt an. „Dann packen Sie mal aus“, forderte er seinen Gegenüber auf. „Abgelehnt“, brachte ihm der Sitzende entgegen. Doch so schnell ließ sich der Polizist diesmal nicht entmutigen. „Seien Sie nicht so vorlaut. Sie sind sich sehr wohl bewusst, wie viel besser es für Sie ist mit der Sprache heraus zu rücken.“ „Gewiss. Zu 78%“, sagte Renji ruhig. Seine Augen waren immer noch geschlossen. „Und dennoch werde ich nicht kooperieren.“ „Sie können erzählen, so viel Sie wollen. Im Endeffekt werden Sie nachgeben. Sie sind doch ein vernünftiger Kerl.“ Der Polizist ließ sich immer noch nicht aus der Ruhe bringen. Diesen Sieg nahm ihm niemand. SO schwer konnte es nicht sein den Anderen zu überzeugen. Wenn sein Gegenüber sachlich und gelassen war, dann trat er ihm genauso entgegen. 'Ich werde ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen' dachte er lächelnd. „Nun“, fuhr Renji fort, „dann können Sie ebenfalls so viel reden, wie es Ihnen beliebt. Meine Entscheidung steht fest. Meine Loyalität ist zu...“ Plötzlich entstand eine Pause, allerdings fasste sich der Braunhaarige schnell wieder. „... zu 100% sicher.“ Seine Stimme war genauso fest und überzeugend wie zuvor. Er war ja kein Anfänger. Trotzdem war dem Polizisten das kleine Zögern nicht entgangen. Das war seine Chance! „Das kauft Ihnen doch niemand ab!“ Seine Stimme hob sich. Er war aufgeregt. Gleich! Gleich hatte er ihn in der Tasche und damit auch seine Beförderung. „Es ist mir gleich, ob Sie mir glauben oder nicht. Es ändert nichts an der Tatsache, dass sie nichts erfahren werden von mir.“ „Klappe!“ Hinüber waren alle guten Vorsätze, er hatte geschrien. „Warum sind Sie nur so stur?!“ Es konnte doch nicht wahr sein. Der Polizist ballte seine Hände zu Fäusten. Wie konnte der Typ vor ihm sich erlauben die Ruhe weg zu haben? Er spürte seine pochenden Kopfschmerzen zurückkehren. „Sie wollen uns ums Verrecken nichts sagen, ja?!“, brüllte er aufgebracht. „Gut, dann verrecken Sie doch! Vielleicht ändert das ja Ihre Meinung!“ Wie ein wilder Stier stampfte der Riese aus dem Raum. Kurze Zeit später wurde Renji weg gebracht. ---- Flashback Ende ---- Danach hatte man ihn in ein leeres Zimmer gesperrt, auf eine seltsame Vorrichtung gefesselt und ihm die Augen verbunden. Renji vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit seitdem vergangen war, es war schwer zu schätzen, wenn er nicht mal einen Funken Licht hatte. Schätzte er jetzt einfach so, würde er sagen, dass es Morgen bis Mittag des Folgetages ihrer Verhaftung war. Wenn dem so war, ließ ihn dies darauf schließen, dass er nichts zu Essen bekam. Logisch, sie folterten ihn. Sie ließen ihm keine Bewegungsfreiheit, untersagten ihm jegliches Essen und Trinken und nahmen ihm sein Zeitgefühl, um ihn aus der Reserve zu locken. Keine schlechte Vorgehensweise, wenn auch verboten, zu dumm, dass sie einen Fehler in der Rechnung hatten: Sie mussten ihm spätestens alle zwei bis drei Tage zu trinken geben, ansonsten würde er nicht überleben, und das konnte keiner verantworten, wo Folter doch gesetzlich illegal war. Ohne Essen würde er maximal 30 Tage durchhalten. In der zeit sollte Niou es geschafft haben sie zu befreien. '67 zu 33, dass er es in dieser Zeitspanne schafft' errechnete sich Renji. Nicht unbedingt die besten Aussichten, aber seine einzige Hoffnung. Die Rikkai hatte viele Feinde, die nur darauf warteten, jedes Mitglied einzeln zu beseitigen, anstatt die unbesiegbare Gruppe, die sie waren. Renji lächelte, ein trauriges Lächeln. 'Du solltest dich beeilen, Niou.' ---- Yukimura seufzte lautlos, aber erleichtert, als die schwere Zellentür hinter ihm zugeschlossen wurde. Er war dankbar, dass er mit Akaya in einer Zelle untergebracht war, schließlich wurden ihm aus diesem Grund die Handschellen abgenommen. Es würde ihn nicht wundern, wenn die Anderen selbst in ihrer Zelle mit gefesselten Händen herumlaufen mussten. Er bemerkte, wie sich Akaya, so weit es sein neuer Schmuck zuließ, anspannte, seit die Tür zu war. „Alles in Ordnung“, sagte Yukimura leise, um den Kleineren auf sich aufmerksam zu machen. „Yukimura?“, fragte Akaya, obwohl er den anderen längst an seiner Stimme erkannt hatte. „Ich habe Hunger“, jammerte er. „Wollen die mich elendig verrecken?“ Yukimura lächelte etwas über den weinerlichen Ton, den Akaya so selten an den Tag legte. „Schon gut“, besänftigte er ihn. „Ich habe Essen für dich.“ Er war sich sicher, er hätte Akayas Augen funkeln sehen, wären diese nicht verbunden. Er ging zu dem Gefesselten. „Dann mach mal 'aah'.“ Akaya gehorchte und öffnete seinen Mund. Yukimura begann ihn zu füttern. Vielleicht war es ganz praktisch, dass der Schwarzhaarige das komische Zeug nur essen und nicht sehen musste. ----- Sanada saß stocksteif auf seinem so genannten Bett. Es war zum Haare raufen. Yukimuras Anblick wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden, und ebenso wenig seine schmerzhafte Erregung. Seit sich sein kleiner Freund beim Frühstück gemeldet hatte, weigerte er sich auf normale Weise wieder zu gehen. Früher hätte der Schwarzhaarige wohl ein Problem damit gehabt sich selbst an zu fassen, aber das hatte er irgendwann hinter sich gelassen. Seit er sich daran gewöhnt hatte, Yukimura an Stellen zu berühren, an die sonst niemand heran durfte, machte er auch mit sich kurzen Prozess. Da gab es nur ein Problem: Jackal. So sehr Sanada auch seine Tradition und Prinzipien vor 13 Jahren abgelegt hatte, DAS würde er nicht tun. Es war nicht nur gegen seine Natur, sondern würde zusätzlich das Versprechen an Yukimura, dass dieser der Einzige war, der ihn jemals so sehen, bzw. ihn so berühren durfte, brechen, und Sanada starb lieber an seiner unbeugsamen Erregung als dem schönsten Geschöpf der Erde gegenüber untreu zu sein. Doch diese bösen, bösen Bilder wollten ihn einfach nicht in Ruhe lassen. Als wäre das nicht genug, mischten sich nun unter die Bilder des Frühstücks auch noch Erinnerungen an vergangene Nächte, die er mit seinem Liebsten verbracht hatte. Allein die Vorstellung daran, Yukimura in seinen Armen zu halten, machte ihn wild, von dem betörenden Geruch ganz zu schweigen. Sanada biss sich auf die Lippe, um eventuelle Geräusche zu unterdrücken. Er musste Jackal ja nun wirklich nicht auf die Nase binden, wo ihm der Schuh drückte. Wenn nur nicht...! Er spürte genau Yukimuras Haut unter seinen Händen, sah wie der Blauhaarige seinen Kopf zurück warf und seinen Namen stöhnte, wie er seinen Körper gegen ihn drückte, seine Wangen rot vom letzten bisschen Blut, das nicht anderswo benötigt wurde, und der leicht Schweißfilm, der ihn bedeckte. Sanada grummelte. So konnte das nicht weitergehen! Wenn er nicht irgendetwas unternahm, kam er auch ohne, dass er selbst Hand anlegen musste. Ganz unbemerkt war das an Jackal allerdings auch nicht vorbei gegangen. Gerade als er fragen wollte, ob er sich weg drehen solle, stand Sanada auf und setzte sich auf den Boden in Seiza-Haltung. Sanada atmete tief ein und aus. Ja, so war es besser. In einer konzentrierten Haltung wie dieser konnte er seine Gedanken schneller in andere Bahnen lenken. Er merkte zwar, wie seine Erektion langsam abschwächte, doch seine Gedanken veränderten sich nur minimal. Er erinnerte sich an jene Nacht vor 13 Jahren, als er Yukimura das erste Mal derartig angefasst hatte. Es war die Nacht gewesen, in der sie erstmalig auf der Straße geschlafen hatten. Obwohl es inzwischen schon eine ganze Weile her war, erinnerte sich Sanada noch klar und deutlich daran. Yukimura stand vor ihm, mit diesem leeren, glasigen Blick. Er entkleidete sich oben rum, während er sich langsam auf Sanadas Schoß sinken ließ. Seine Finger begannen auch die Kleidung des Schwarzhaarige zu öffnen. 'Tu es an seiner Stelle' flüsterte der Kleinere und schaute ihn auf einmal wieder mit seinen feurigen Augen an. In diesem Moment hatte Sanada seinem Freund diese Bitte unmöglich abschlagen können. Er hatte mit ihm geschlafen, und obwohl er sich total ungeschickt angestellt hatte, war Yukimura immer wieder zu ihm gekommen und hatten ihn zum glücklichsten Menschen der Welt gemacht, als er die Liebe, die schon seit Jahren zwischen ihnen herrschte, bestätigte. Sanada hatte sich geschworen diesen Menschen mit seinem Leben zu beschützen, und er würde dieses Versprechen niemals brechen. ---- Niou lief durch die Straßen Tokyos, oder vielmehr durch die Straßen der riesigen Slumps dort. Er fühlte sich extrem erleichtert, seitdem ihn Mizuki aus seiner Gefangenschaft entlassen hatte. Er wusste nicht, wie lange er es mit diesem nervigen Weibsmann noch ausgehalten hätte. Eines störte sein Freiheitsgefühl jedoch: Die beiden Typen, die ihn, wie sie dachten, unbemerkt verfolgten. Niou hatte ja schon vor langer Zeit einsehen müssen, dass Mizuki eine total verquere Denke hatte, aber das hier verstand er beim besten Willen nicht. Warum spannte der Intrigant ihn extra für so eine nichtige Arbeit ein? Niou hätte es ja verstanden, wenn Mizuki gerade in größere Pläne verwickelt war und deshalb keine Leute für diese Aufgabe bereit standen. Doch da er nun zwei Verfolger am Hals hatte, konnte es Mizuki schlecht an Männern mangeln. Da hätte er seine Drecksarbeit auch ruhig alleine machen können. Dennoch beschwerte sich der Silberhaarige nicht, er zog schließlich auch einen Vorteil daraus. Außerdem war er für so eine Aufgabe doch wohl der Beste, den man in ganz Japan finden konnte. Trotzdem störten ihn die beiden Typen, die ihm hinterher liefen. Er war zwar Profi, aber wie sollte sich da jemand auf seine Mission richtig konzentrieren? Immerhin war die Yamabuki nicht umsonst als beste Defensiv-Gruppe Tokyos bekannt. Sie hatten zwar keine „Angriffsspezialisten“, sodass sie ihr Revier niemals vergrößerten, aber in zwei Sachen waren sie ungeschlagene Meister: Ihr Informationsnetzwerk hatte unvorstellbare Maße, und ihr Quartier wurde noch nie gefunden. Niou war sich ziemlich sicher, dass sie ihre „Basis“ ständig verlagerten, was es um so schwerer machte, es schnell ausfindig zu machen. Aber er hatte keine Zeit, er würde es jetzt eben das Unmögliche in Rekordzeit vollbringen. Er hieß ja nicht umsonst Niou Masaharu... auch wenn sein offizieller Name schon lange nicht mehr so lautete. Das spielte in diesem Augenblick eben keine Rolle. Jetzt braucht er erst einmal eine Möglichkeit seine Kletten los zu werden. Seine Augen scannten alles in der Umgebung. Tokyo hatte sich verändert, seit er das letzte Mal hier gewesen war. ... Andererseits, wenn es auffallen sollte, dass er seine Verfolger absichtlich abgeschüttelt hatte, wurde Mizuki möglicherweise misstrauisch. Vielleicht wartete Mizuki aber auch einfach nur darauf, dass Niou ihn zu dem Versteck führte, damit hätte er sich die lästige Sucharbeit erspart. Aber Niou war eigentlich nicht gewillt es ihm so einfach zu machen. Die Rikkai hatte zwar Waffenstillstand mit der Rudolph geschlossen, das beinhaltete dennoch keine Kooperation, und mit der Yamabuki hatte sich die Rikkai zumindest noch nicht verfeindet. Schließlich war ihr Revier Yokohama und nicht Tokyo. In Tokyo hätten sie ja auch noch viel mehr Feinde, weil hier so viele verschiedene Gangs ihr Unwesen trieben. Die Slumps von Yokohama waren dagegen praktisch alle unter der Kontrolle der Rikkai. Da ging plötzlich die wohl bekannte Birne in Nious Kopf an. Das war die Lösung! Tokyo war in mehrere Teile unter den Banden aufgeteilt. Und warum hat man das Quartier der Yamabuki nie gefunden? Richtig, weil man sie nur in ihrem Revier gesucht hatte. Niou grinste. Eigentlich ganz simpel, und dennoch hatte sich die Yamabuki damit so lange verstecken können. Nur machte diese Erkenntnis die Suche nicht wirklich einfacher. Doch er würde schon irgendwas finden, und bis dahin musste er Kisarazu und Yanagisawa wohl oder übel mit sich umher schleifen. Zu einem geeigneten Zeitpunkt würde er sie schon irgendwo entsorgen können. Es würde ein Wettlauf gegen die Zeit werden, so viel war Niou bewusst, er hoffte nur, dass das Glück auf seiner Seite war. Kapitel 5: Pondering, Wondering, Asking --------------------------------------- Yagyuu stand in seiner Zelle, sein Blick streng, ernst, aber leer. Steif und sehr langsam begann er seine Beine in Bewegung zu bringen. Er ging nur kleine Kreise, da der Platz in der Zelle nicht mehr zuließ. Es ließ ihm keine Ruhe. Seit er hier eingesperrt wurde, hatte er ständig Zeit zum Denken, und seitdem kam dieser Gedanke immer wieder. Es wurmte ihn. Was für einen Fehler hatte er gemacht, der das hier verursacht hatte? Was übersah er. Zwar war er neulich noch zu dem Schluss gekommen, dass er keinen Fehler gemacht hatte, sein Gegner einfach nur zu schnell gewesen war, doch das war Unfug. Es gab NIEMANDEN, der für die Rikkai zu schnell war. Was also hatte er falsch gemacht? Die Kreise wurden größer, als Yagyuus Kopf immer mehr anfing zu arbeiten. Es ratterte in ihm herunter. Wie er alles geplant hatte, wie er seine Leute den Plan in die Köpfe gehämmert hatte, wie sie ihr Quartier bezogen hatten. Er fand nichts. Was blieben sonst für Lücken? War einer von ihnen ein Verräter? Das konnte nicht sein. Yagyuu schüttelte den Kopf. Er vertraute seinen Leuten, auch wenn er wusste, dass Renji etwas... Dennoch, niemand von ihnen würde sie in die Pfanne hauen, auf keinen Fall. ... Ob Mizuki etwas damit zu tun haben könnte? Sie hatten zwar Waffenstillstand vereinbart, was auch beinhaltete, den Mund halten zu können, doch sie waren alle keine Männer von Ehre. Sie waren nur ein Haufen von Kriminellen, die zwischen den Baracken des Untergrundes versuchten Macht zu erlangen. Konnte Mizuki also der springende Punkt sein? Aber was war, wenn es doch nicht an dem Intriganten gelegen hatte? Also noch einmal von vorne. Der Plan war gewesen, die Seigaku auszulöschen. Das und nichts anderes. Yagyuu mochte den Kampf eigentlich nicht, doch er musste jemanden beweisen, dass er in der Lage war zu überleben. Und die Anschuldigungen der Seigaku nach diesem Zwischenfall vor einigen Wochen konnte er einfach nicht auf sich sitzen lassen. Er hatte die Initiative ergriffen, den Plan gemacht die größte Untergrundgruppe Tokyos aus dem Verkehr zu ziehen. Er hatte abwechselnd Niou und Renji nach Tokyo geschickt, um alles aus zu kundschaften. Er hatte zwar etwas Bedenken gehabt Renji damit zu beauftragen, aber der Braunhaarige besaß einfach das beste Gedächtnis. Er hatte einen Plan aufgestellt, ein Versteck für die Zeit, die sie in Tokyo sein würden, gesucht und seine nach Bezug jede Ecke inspizieren lassen. Sie waren perfekt vorbereitet. Sie hätten sogar das Überraschungsmoment auf ihrer Seite gehabt, sie hätten sie Seigaku in einem Streich ausradieren können. ---- Nious Beine waren noch immer nicht zum Stillstand gekommen, ebenso wenig sein Kopf. Er musste jetzt verdammt systematisch vorgehen, ohne dabei viel Zeit zu verlieren. In seinem Kopf malte sich eine Karte von Tokyo. Welche Gangs gehörten dort nun alle rein? Da waren die drei Großen: Seigaku, Rudolph und Yamabuki, früher hatte es auch die Fudomine gegeben, das Gebiet hatten sich aber Seigaku und Rudolph zu gleichen Teilen unter den Nagel gerissen, die Hyotei war auch nicht zu vergessen... Niou musste selbst über diesen Gedanken den Kopf schütteln. Wenn er sich jetzt nicht endlich konzentrieren würde! Die Hyotei wurde bereits aufgelöst, als er noch ein Kind war. Das ließ die drei Großen und die etlichen kleinen Gruppen, für die sich niemand interessierte. Sofort klingelte es in Nious Kopf. Er hätte von vorneherein ausgeschlossen, dass sie das Hauptquartier der Yamabuki im Bereich der Rudolph befand, Mizuki hätte es aufgespürt, ohne Frage. Die Seigaku hatte er aber auch schon von der Liste gestrichen, dieser unberechenbare Typ mit der quadratischen Brille war nicht zu unterschätzen, was Informationen anbelangte. Also war die einzig logische Schlussfolgerung, dass die Yamabuki sich in einem der kleinen Idiotenteile versteckt haben musste. Ein Grinsen stahl sich auf die Lippen des Silberhaarigen. Er wusste auch schon genau, wo er anfangen würde zu suchen. ---- Marui erwachte aus seinem Halbschlafzustand, als er sich schmerzhaft auf die Zunge biss. Er fuhr aus seiner liegenden Position hoch und fluchte. Das war schon das fünfte Mal, seit er in diesem Drecksloch gelandet war. Er war auf Kaugummientzug und das schmeckte ihm überhaupt nicht. Er war es gewöhnt immer etwas im Mund zu haben. Selbst jetzt, wo er gar kein Kaugummi mehr hatte, vollbrachte sein Mundwerk immer noch seine zugewiesene Arbeit, sogar während er ein Nickerchen machte! Marui hätte heulen können. Bestimmt konnte man an so einem kalten Entzug sterben. Das wollte er nicht! Und seine arme Zunge war auch schon völlig massakriert, weil er sich ständig unachtsam darauf biss. Marui seufzte und ließ sich schlaff gegen die Wand fallen. Wenn man den Superlativ von öde steigern konnte, dann musste man das mindestens zehn Mal tun, um annähernd zu beschreiben, wie das Gefängnis war. Ob es Akaya gut ging? Yukimura hatte irgendwas von einer Sondervorrichtung in seiner Zelle gesprochen. Ein Lächeln zog an Maruis Lippen. Wahrscheinlich mussten sie ihn auf so brutale Weise festhalten, damit er den Laden hier nicht komplett auseinander nahm. Und wenn der Wuschelkopf mit Yukimura in einer Zelle war, wusste Marui wenigstens, dass er sich in guten Händen befand. Obwohl er schon lieber seinen kleinen Wildfang bei sich gehabt hätte. Aber wahrscheinlich hätte ihn Akaya für diesen Gedanken nur wieder geschlagen. Maruis Lächeln wurde größer. So war der Schwarzhaarige eben. Schüchtern, starrköpfig und hatte das loseste Mundwerk überhaupt. Deshalb hatte sich Marui ja auch ihn in... Er schüttelte den Kopf. Nein, sie hatten beide stumm zugestimmt, dass sie keine Liebesbeziehung hatten. Der Rotschopf schloss die Augen. Lieber nicht weiter daran denken. ... Wie es Renji wohl ging? Bis jetzt wusste noch keiner, was mit ihm passiert war. Marui hoffte nur, dass es ihm gut ging. Er hätte nicht gewusst, was er getan hätte, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Er konnte doch nicht auf seinen Freund verzichten, nachdem was sie alles durchgestanden hatten. ---- „Mizuki-san?“, fragte eine etwas unsichere Stimme, als die dazugehörige Person den Raum betrat. Der Schwarzhaarige drehte sich um. „Yuuta?“ Der Blondschopf blieb an Ort und Stelle stehen. Ihm war klar, dass es ganz und gar nicht gut war, dass er fragen würde, aber es interessierte ihn zu sehr. „Mizuki-san, ist es in Ordnung, dass wir der Rikkai helfen?“ Der Ältere kicherte, wobei er sich den Handrücken vor den Mund hielt. „Natürlich ist es das.“ „Aber wieso? Hinter Gittern können sie uns doch nicht mehr in die Quere kommen, und diesen Typ, der vorhin hier war, hätten wir auch erledigt.“ Mizuki begann wieder eine Haarsträhne um seine Finger zu wickeln. Er grinste. Dieser Neuling war ja noch so süß und naiv. Eigentlich hatte er gar keine Ahnung von dem bösen Leben im Untergrund, und deshalb war er auch so gut zu beeinflussen. Mizuki hatte ihm nur versprechen müssen, ihn zu seinem Bruder zu bringen, und der Kleine fraß ihm praktisch aus der Hand. „Wir haben bessere Verwendung für die Rikkai, als sie im Knast versauern zu lassen. Sie und die Seigaku werden sich gegenseitig ausradieren und dann werden wir die Sieger auf dem Platz sein.“ „Und warum habt ihr dann dafür gesorgt, dass sie überhaupt erst...?“ Mizuki schnitt ihm das Wort ab mit seinem Kichern. „Es wird den Konflikt zum Eskalieren bringen.“ ---- Kirihara starrte in die Dunkelheit. Es war todlangweilig. Die Schmerzen in seinen Gelenken bemerkte er schon gar nicht mehr. Aber er musste sich irgendwie beschäftigen. „Hey, Yukimura“, sagte er laut zum Älteren. Dieser lag auf dem Bett und summte nur anerkennend. „Erzähl mir noch mal, wie du und Sanada zusammen gekommen seid.“ Der Blauhaarige lächelte, als er das hörte. Er wusste nicht wieso, doch aus irgendeinem Grund, fragte Akaya ihn ab und zu mal nach dieser Geschichte. „Theoretisch waren wir schon seit wir auf die Welt kamen zusammen. Nur damals, in jener Nacht vor 13 Jahren, konnten wir uns nicht mehr zurückhalten.“ „Was war in der Nacht?“, fragte Akaya, genauso neugierig, als wenn er die Geschichte zum ersten Mal hören würde. „Es war die erste Nacht, die wir auf der Straße verbracht haben. Da haben wir miteinander geschlafen.“ „Wieso musstet ihr auf die Straße?“, fragte Akaya diesmal in eine ganze andere Richtung, als er sonst weiter fragte. Yukimura schaute an die Decke der Zelle. Er erinnerte sich, wie Sanada ihm versprochen hatte, er müsse nie wieder zu seinem grausamen Zuhause zurück. Es war ihm recht gewesen. Er hätte auch nicht zurück gewollt. Doch konnte er sich auch erinnern, dass er in der ersten Nacht den wahren Grund noch gar nicht kannte. „Genichirou hat meine Eltern getötet“, antwortete nach seiner kurzen Denkpause. Er ließ Akaya allerdings keine Zeit zu fragen, er redete gleich weiter. „Wieso? Nun, weil...“ ---- Niou gähnte. Seit Tagen rannte er nun schon durch die Gegend, mit Ausnahme der paar Pausen, die er eingelegt hatte. Wirklich, eines musste man der Yamabuki lassen, sie waren verdammt gut versteckt. Niou hätte ehrlich nicht gedacht, dass es so schwer werden würde sie zu finden. Die meisten der kleinen Gebiete der Slums hatte er schon von oben bis unten abgegrast und noch nichts gefunden. Viel blieb nicht mehr übrig. Und genau das war der Grund, warum er jetzt endlich seine Verfolger los werden musste, die nicht müde zu werden schienen ihm hinterher zu wetzen. Er hatte sich endgültig entschieden Mizuki lieber nicht zu verraten, wo sich die Yamabuki aufhielt. Die Rudolph war so schon ein ernst zu nehmender Gegner, sollten sie sich auch noch die Yamabuki einverleiben, hätte das vielleicht katastrophale Folgen. Also musste er sich jetzt von Kisarazu und Yanagisawa verabschieden, bevor er sich zur Ginka aufmachte. Aber wie anstellen? Sollte er sich ihnen einfach entgegenstellen und sie ausschalten? K.O. schlagen? Quatsch, da gab es eine viel lustigere Lösung. Er hielt Ausschau nach irgendeinem Typ, den er für seinen Trick benutzen konnte, und siehe da! Da hinten lief einer von der Opfersorte. Er musste jetzt nur dafür sorgen, dass seine beiden Verfolger dicht genug heran kamen. Kaum waren sie in akzeptabler Nähe, griff Niou in seine Tasche und fühlte... nichts. Er fluchte lautlos. Seine letzte Rauchbombe hatte er schon benutzt. Musste er sie jetzt doch verprügeln und hoffen, dass er damit durchkommen würde? In dem Moment fiel ihm etwas anderes ein. Er hatte ja noch sein Tränengas. Das würde auch funktionieren, er musste nur schneller sein, um es nicht selbst ab zu kriegen. Er wartete, bis seine Opfer noch etwas dichter kamen und zündete dann das Tränengas. In Windeseile vollzog er seinen Trick, wobei er doch etwas Gas ab bekam, aber das hinderte ihn nicht daran sich sofort aus dem Staub zu machen. Er grinste. Die beiden würden sich schon wundern, wenn sie einen K.O. geschlagenen Niou vorfinden würden. War zwar schade, um seinen schönen Klamotten, die er jetzt da lassen musste, doch ab und zu mal ein neues Outfit war auch nicht schlecht. Lautlos pfeifend hüpfte der verkleidete Niou davon. Das Glück schien ihn wirklich zu mögen, als er kurz darauf vor seiner Nase einen Eingang zu einer U-Bahn-Haltestelle sah. Und um es auf die Spitze zu bringen, war es auch noch genau die Linie, die ihn in Richtung Ginka bringen konnte. Wenn heute nicht sein absoluter Glückstag war! Durch verlassene U-Bahn-Schächte zu laufen ging wesentlich schneller als durch die verkommenen Straßen, und da die Bahnen hier in den Slums eh nicht mehr fuhren, brauchte er auch nichts befürchten. Niou rannte die Treppen hinunter, stellte kurz fest in welche Richtung er musste und sauste in den Tunnel. Die Schritte hallten in seinen Ohren, als er durch die Dunkelheit fegte. Ein ungutes Gefühl ließ ihn jedoch nicht los, und zwar das Gefühl, dass er nicht nur seine Schritte hörte. Mit einem riesigen Satz sprang er zur Seite und presste sich an die Wand. Direkt vor seiner Nase sauste eine U-Bahn an ihm vorbei. Der Silberhaarige atmete erleichtert aus, als sie vorbei war. Hatte er doch richtig bemerkt, dass sie Schienen vibriert hatten. Nur seit wann fuhren hier wieder Züge? Theoretisch war es auch egal, er musste jetzt eben nur etwas vorsichtiger sein. Als er sich von der Wand löste, spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Rücken. Irgendetwas hatte ihm dort hinein gedrückt. Er fühlte mit der Hand danach. Ein Ziegel stand etwas nach vorne. „Mistding“, beschimpfte Niou ihn und versuchte ihn zurück in die Wand zu drücken. Vergebens. Der Ziegel rührte sich kein Stück. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, redete Niou weiter mit ihm und zog diesmal. Ohne Schwierigkeiten ließ sich der Ziegel entfernen. Niou warf ihn auf den Boden. Er wollte schon weitergehen, wartete dann aber doch noch einen Moment. Es wurmte ihn, wieso sich der dämliche Ziegel nicht hatte in die Wand drücken lassen. Vorsichtig fühlte er mit der Hand in dem Loch. Er stieß gegen irgendetwas. Es schien eine Art Griff zu sein. Der Trickster packte ihn und zog, doch es passierte nichts. Aber vielleicht ja mit... Die Wand bewegte sich ein Stück, als Niou drückte. Ein Grinsen bewegte seine Mundwinkel. Von wegen Wand, das war eine einwandfrei getarnte Tür. Kapitel 6: New Discoveries -------------------------- Yagyuu starrte auf die triste Wand vor sich. Wäre sie verputzt gewesen, hätte er dem Putz bestimmt beim Bröckeln zusehen können. Es gab einen ganz großen Nachteil am Gefängnis, abgesehen von den schlechten hygienischen Verhältnissen, und vom Essen mal ganz zu schweigen: zu viel Zeit zum Nachdenken. Es gab einfach nichts zu tun, außer sich mit seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Sicher, dazu war der Knast ja auch da, um zu Bereuen, doch Yagyuu wusste genau, dass er nie bereuen würde. Er hatte in seinem Leben schon Dinge angestellt, auf die er nicht gerade stolz war, und dennoch würde er keine seiner Entscheidungen bereuen, weil sie ihn dort hingebracht hatten, wo er jetzt war. In Bezug auf sein Leben, nicht seinen derzeitigen Aufenthaltsort. Doch zurück zum Thema, Yagyuu gingen die Themen zum Nachdenken aus, und das gefiel ihm kein Stück. Denn so konnte sich dieser eine Gedanke immer wieder in seinen Kopf schleichen. Diese Sache verfolgte ihn, überfiel ihn hinterrücks, obwohl er noch gar nicht bereit war sich ihr zu stellen. Er wusste, irgendwann würde der Tag kommen, an dem er sich damit auseinandersetzen muss, aber noch war er einfach nicht soweit. Leider aber war die Sache genauso anhänglich wie Niou… vielleicht ja, weil es um eben jenen Silberhaarigen ging. Yagyuu stützte seinen Kopf auf seine Hände. Er konnte nicht verhindern, dass die Bilder seinen Verstand fluteten. Bilder von Niou mit geschlossenen Augen, genussvoll, Bilder von Niou mit aufmerksamen Augen, Bilder von Niou, der auf ihn herab schaute, als sie ihre verschwitzen Körper gegeneinander bewegten. Zu den Bildern mischten sich jetzt auch noch Geräusche. Erinnerungen an die leise Laute, die Yagyuu bei diesen Aktivitäten immer wieder über die Lippen gekommen waren. Yagyuu schob sich seine Brille zurecht, seine Wangen hatten ungewollt eine leichte Rotfärbung angenommen. Genau an diese Dinge hatte er sich nicht erinnern wollen. Nicht, weil ihm die Sachen missfielen, keineswegs, sondern weil… Er konnte nicht entkommen, er musste dem nun ins Auge sehen… weil er als Boss, als das Bindeglied, dass alle zusammenhielt, als derjenige mit der höchsten Gewalt, niemals unterliegen durfte, nicht einmal dabei. Es stellte seine Autorität in Frage. Das konnte er nicht erlauben, das durfte er nicht riskieren. Wenn das irgendwie nach außen dringen sollte, dass er, der Anführer sich von seinem Gefolgsmann hat hemmungslos durchnehmen lassen… Yagyuu war sich bewusst, dass er sich genau aus diesem Grund nicht mehr auf Niou einlassen durfte. Wenn er recht überlegt, fiel ihm nicht einmal ein, wie es überhaupt soweit gekommen war. Vor 13 Jahren hatten sie sich kennen gelernt und seitdem hatten sie immer ein freundschaftliches Verhältnis zu einander gepflegt. Natürlich waren ihm die Veränderungen in Nious Verhalten ihm gegenüber nicht entgangen, jedenfalls nicht gänzlich, aber er hatte sie nicht deuten können. Vielleicht hatte er sich ja auch selbst verändert, doch das wollte er nicht wahr haben, und schon gar nicht darüber nachdenken. ---- Akaya murrte leise vor sich hin, ihm war schon wieder totlangweilig. Die Geschichte, die ihm Yukimura erzählt hatte, war zwar total interessant gewesen, aber jetzt brauchte er eben eine neue Beschäftigung. Die ganze Zeit in ein schwarzes Loch zu starren, war nicht wirklich sein Lieblingszeitvertreib. Er dachte verzweifelt über ein Thema nach, das er mit dem Blauhaarigen bereden konnte. „Yukimura?“ „Was ist?“, fragte der Ältere prompt, und Akaya wusste nicht, ob er überrascht sein sollte. „Bringst du mir deine Technik bei?“ Es war das Erste, was dem Dämonenkind eingefallen war. Yukimura war eine Weile still, die Vorstellung von Akaya, der seine Technik anwandte, benötigte Gewöhnung. „Bist du dir sicher, dass du sie erlernen willst? Das ist nicht so einfach wie es aussieht.“ „Pff, ich schaff das.“ Akaya war zuversichtlich, er sah keinen Grund seine Fähigkeiten anzuzweifeln. Der Größere lächelte und begann zu erzählen, während er versuchte Ausdrücke zu finden, für das, was er ohne Überlegung tun konnte. „Als erstes dein Körper, der ist natürlich das Wichtigste. Du musst deinen Körper immer unter Spannung halten, nur darf niemand diese Anspannung bemerken. Du musst dich grazil und elegant bewegen, wie ein Raubtier, das geschmeidig durch die Gegend streift.“ Er pausierte einen Augenblick. Es war wirklich nicht so einfach die passenden Beschreibungen zu finden, damit er es Akaya auch verbildlichen konnte. „Du musst genau wissen, wie du deinen Körper am Besten in Szene setzt, um anregend zu wirken, aber dafür entwickelst du mit der Zeit ein Gespür.“ „Uh-uh“, machte Akaya zustimmend, obwohl es ihm schwer fiel, sich darunter etwas Konkretes vorzustellen. Er hatte bis jetzt ja auch nur wenige Male zusehen können, wie der Blauhaarige diese Technik benutzte, er wusste schließlich, wo Yukimuras Verführungskünste am Meisten zum Einsatz kamen. Der Ältere erklärte ihm noch einige Zeit länger umständlich seine Verführungskünste. Akaya summte zwischendurch zustimmend, aber ein richtiges Bild konnte er sich durch die Erzählungen nicht machen, und das frustrierte ihn... ungemein. „ARG!“, maulte er irgendwann genervt. „Kannst du mir nicht einfach diesen Sichtschutz abnehmen und es mir vormachen?!“ Yukimura sah zu dem Gefesselten, betrachtete den so genannten „Sichtschutz“ und fragte sich fast augenblicklich, warum er nicht auf so eine simple Idee gekommen war. Er ging zu Akaya und entfernte das Stück Stoff, das um dessen Kopf gebunden war und ihm die Sicht verwehrte. Der Schwarzhaarige kniff die Augen zusammen, als das erste Mal seit Tagen wieder Licht in seine Augen drang. Das schmerzte. Aber er war ja keine Memme und kein Weichei, deshalb begann er schnell wieder zu grinsen. „So, dann zeig mir mal, was du drauf hast“, provozierte er den Größeren. ---- Marui ließ gelangweilt Luft zwischen seinen Lippen entweichen, fast so, als würde er eine Kaugummiblase blasen. In diesem grauen Viereck gab es für ihn nichts zu tun, als sich der Illusion von Kaugummis hinzugeben. Inzwischen knabberte er sogar absichtlich auf seiner Zunge, um seinen Kaumuskel wenigstens irgendwie zu beschäftigen. Und obwohl das ein leichtes, fast liebevolles Knabbern war, war seine Zunge schon völlig wund gekaut. Der Rothaarige seufzte und ließ sich gegen die Zellenwand fallen. Warum hatten sie ihn unbedingt in Einzelhaft packen müssen? Sonst hätte er sich wenigstens mit irgendwem unterhalten können. Das übernahmen aber scheinbar bereits andere für ihn. Marui spitze seine Ohren, als er übermäßig lautes Reden auf dem Flur hörte. „Ist nicht wahr! Das ist ja krass!“, rief eine Stimme, die der Kaugummiliebhaber nicht identifizieren konnte. War also keiner von seinen Leuten. „Psst! Das darf hier doch keiner hören!“ Marui grinste. Gut, dass er schon immer gute Ohren gehabt hatte. Er schlich zur Zellentür und presste selbiges Hörgerät dagegen. „Und du meinst es echt ernst? Sie haben diesen Kerl vollkommen gefesselt und verwehren ihm jetzt Essen und Trinken?“ „Ja, ich hab's mit eigenen Augen gesehen.“ „Woah, scheiße, das ist echt ne Nummer zu krass.“ „Aber der Chef will diesen Potschnitt unbedingt zum Reden bringen.“ Bei dem Satz weiteten sich Maruis Augen. „Potschnitt“ klang nach Renji, und es könnte erklären, warum bis jetzt keiner was vom Braunhaarigen gehört oder gesehen hatte. Er ballte die Hände zu Fäusten. Das würde er diesen Arschlöchern nicht durchgehen lassen. Aber im Moment war er mittellos. ---- Nious Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, als er von der tiefen Dunkelheit des U-Bahn-Schachtes in das flackernde, grelle Licht, das ihn hinter der versteckten Tür begrüßte, trat. Besagte Tür fiel laut und schwerfällig hinter ihm ins Schloss, was dem Silberhaarigen einen kurzen Moment des Schreckens einjagte. Er schüttelte kurz den Kopf, um sich zu sammeln. Er durfte doch nicht hier schon die Fassung verlieren. Er begutachtete seine Umgebung. Er stand in einem langen, schmalen Gang, dessen Ende er nicht erkennen konnte, an der Decke waren provisorisch Glühlampen angebracht, von denen viele so aussahen, als könnten sie jeden Moment runter fallen. Ansonsten konnte er nichts entdecken, keine Tür, kein Loch in der Wand, einfach nichts außer diesem unendlichen Gang. Gemächlich setzte er seine Füße in Bewegung, tippelte gerade zu den Flur entlang, immer auf der Hut, vor dem was kommen könnte, schlich er der unüberschaubaren Tiefe entgegen. Er kam nicht weit, bis ihn plötzlich etwas am Hinterkopf packte und ihn mit Wucht nach vorne schleuderte, sodass er unangenehmen Kontakt mit der Wand machte. In Windeseile hatte er sich wieder aufgerappelt, drehte sich gerade zu seinem vermeintlichen Gegner um, doch da war es bereits zu spät. Hart landete eine Faust in seiner Magenkuhle, ließ ihn erneut gegen die Wand fallen. In dem Augenblick wusste er nicht, ob ihm sein Bauch oder seine Wirbelsäule mehr wehtun sollte. Zeit, um darüber nachzudenken, hatte er jedoch nicht, denn ein Bein kam bereits mit hoher Geschwindigkeit und wahrscheinlich nicht minder viel Kraft auf ihn zugerast. Nur im letzten Moment konnte sich Niou zur Seite rollen, spürte jedoch sofort eine Hand, die sich in seinen Haaren vergrub und ihn schmerzhaft auf die Beine zog. Erneut machte die Faust des Gegners Kontakt mit seiner Magengrube. Ein metallischer Geschmack machte sich in Nious Mundhöhle breit, als ihm etwas Blut die Kehle hinauf kroch. Das durfte doch nicht wahr sein, er durfte sich nicht bereits hier von irgendeinem Kerl fertig machen lassen. Ein nächster Schlag sauste auf ihn zu, doch Nious Lippen verzogen sich lediglich zu einem Grinsen, als er die Hand geschickt abfing. Er nahm sich die Zeit seinen etwas verblüfften Gegner zu inspizieren. Niou musste den Kopf ziemlich weit heben, um den anderen ins Gesicht zu schauen. Schlitzhafte Augen schauten ihn böse und verbittert an, ein Mundwinkel hing noch tiefer als der andere. Wirklich, Niou hätte die silbernen Flammen, auf dem Kopf des Anderen nicht sehen müssen, um zu wissen, dass es sich bei seinem Gegner um niemand Geringes handelte als Akutsu Jin. Mehr Zeit durfte er jetzt jedoch nicht vertrödeln. Zu beiden Seiten war er einen kleinen Blick. Der Gang war eindeutig zu schmal, um richtiges Kämpfen zu ermöglichen. Er konnte sich also nur nach vorne, hinten und oben bewegen. Sofort hatte sich eine Kampfstrategie in seinem Kopf entwickelt. Ein Mundwinkel stieg weiter in die Höhe, fast wie ein umgekehrtes Spiegelbild von Akutsus Lippen, während er mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, auf die Finger drückte, die sich noch in seiner Gewalt befanden. Ein erstes Knacken war zuhören, was den Größeren dazu veranlasste seine Hand wegzuziehen, Niou dachte jedoch nicht daran ihm das zu ermöglichen. Er schwang seine in der Luft hängenden Beine nach hinten, zog sie nach vorne, wobei eins seiner Knie Akutsu am Kinn traf, der daraufhin seine Haare losließ, und landete mit einem gekonnten Rückwärtssalto auf zwei Füßen und einer Hand. Jetzt musste er sich sehr schnell etwas Neues ausdenken. Er war kein hervorragender Kämpfer, im Gegensatz zu Akutsu, der ein brutaler Nahkämpfer (der einzige, den die Yamabuki aufbringen konnte) war, lag seine Spezialität eher im Kampf aus dem Hintergrund. Er hatte nur einen einzigen Vorteil: seine Größe. Aufgrund seiner geringeren Körpergröße war er in diesem kleinen Arial sehr viel wendiger, als der Riese. Zu Nious Leidwesen war der leider sehr beweglich. Es musste also eine perfekte Strategie her. In diesem Moment wünschte sich der Trickser wirklich, dass er Zeit gehabt hätte, um die Mission vorzubereiten. Er wäre unbesiegbar gewesen, hätte er genügend Equipment dabei. Aber mal wieder ein Kampf nur mit bloßen Fäusten konnte ja auch nicht schaden. Ein Niou zog schließlich aus allem seinen Spaß. Er betätigte den imaginären Schalter für seine grauen Zellen, die ihm auch fast augenblicklich eine Lösung ausspuckten. Es war wohl besser für ihn, hier nicht in die Offensive zu gehen. Der Flur war schmal und die Decke hing niedrig, also egal, wohin Niou für seinen Angriffsschlag hätte springen wollen, der Größere würde ihn erwischen. Niou grinste, nur weil er in der Defensive blieb, hieß dass er den Kürzeren ziehen würde. Die wilde Bestie kam mit großen Schritten auf ihn zu, und Nious Körper setzte automatisch seinen Plan um. Er rannte dem Kerl entgegen, warf sich im letzten Moment auf den Boden, um zwischen den Beinen des Yamabuki Mitgliedes hindurch zu schlittern. Er griff noch nach den Handgelenken des Größeren, um ihn zum Umfallen zu bringen. Akutsu war standhaft und zog stattdessen Niou wieder hoch. Nur schade, dass das genau Nious Plan gewesen war. Während Akutsu ihn in die Höhe zog, ließ er sein Knie schmerzhaft mit dem Schritt des Stehenden kollidieren. Akutsu sackte zusammen. Niou drehte sich auf dem Fuß, mit der zuerst landete und vergrub seinen Ellbogen in der Magenkuhle Akutsus. Kaum war der auf seine Knie gefallen, war es ein Leichtes für Niou diesem den endgültigen Schlag in den Nacken zu verpassen, woraufhin Akustu bewusstlos umfiel. Der triumphierende Silberhaarige zückte seine Pistole und richtete sie auf die am Boden liegende Person. Er schaute ihn eine Weile regungslos an, bevor er seine Waffe wieder weg steckte. Töten war zwar ein notwendiges Übel auf dem Weg der Rikkai, aber wusste auch, dass Yagyuu wollte, dass er so wenig Blut wie möglich vergoss. Und seine oberste Priorität war immerhin noch, diese Dokumente zu beschaffen und seine Leute zu befreien. Mit diesem Gedanken drehte er um, und schritt weiter in das unbekannte Versteck. ---- Yagyuu seufzte, als sein Blick zu dem vergitterten Fenster in seiner Zelle schweifte. Er hatte es tatsächlich geschafft für eine kurze Zeit seine Gedanken an Niou abzuschütteln. Dafür plagte nun etwas anderes seinen Verstand. Er näherte sich dem Jahrestag... dem Tag, an dem er wieder nach Hause könnte, an dem er seinem Vater endlich beweisen könnte, dass er es geschafft hatte. Seit sein Vater ihn vor über 6 Jahren raus geschmissen hatte, hatte er mit zunehmender Zeit immer weniger an ihn gedacht. Doch jetzt, wo sie sich dem Tag näherten, seinem 20. Geburtstag, konnte er die Gedanken nicht mehr unterdrücken. Er hatte schon das eine oder andere Mal darüber nachgedacht nicht zurück zu gehen. Er hasste seinen Vater, hasste ihn wie keinen anderen Menschen auf dieser Welt, und doch hatte er das alles hier nur auf sich genommen, um es eben diesem Mann zu beweisen. Der Lilahaarige seufzte erneut. Was sollte er bloß tun? ---- Niou entdeckte eine Tür zu seiner Rechten. Er blieb stehen, wusste er doch nicht, ob er geradeaus weitergehen oder abbiegen sollte. Er entschied sich dann aber doch für die Tür, immerhin konnte es gut sein, dass er sämtliche Räume des Versteckes absuchen musste. Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte in den Raum. Auf den ersten Blick waren keine Gegner zu sehen, aber das bedeutete gar nichts. Er betrat den Raum und schloss die Tür leise hinter seinem Rücken. Der Raum war wie... ein ganz normales Zimmer eingerichtet, zwei Betten standen an der linken Wand, ein Bücherregal an der gegenüberliegenden und ein Tisch an der rechten. Niou wollte sich gerade daran machen, den Schreibtisch zu durchwühlen, als er einen heftigen Schlag in den Rücken spürte. Er strauchelte etwas nach vorne, drehte sich aber schnell um, um seinen Gegner zu sehen. Nur sah er keinen. Stattdessen spürte er erneut einen Schmerz im Rücken. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Diesmal würde er nicht so bescheuert sein und sich drehen. Das hatte Erfolg, sein Gegner stürmte von vorne auf ihn zu. Niou erkannte ihn als Kita. Er machte sich bereit, den Schlag abzuwehren und den Typ zu Kleinholz zu verarbeiten, aber da verschwand Kita plötzlich, doch dafür erschien Nitobe, allerdings von der Seite, und versetzte Niou einen Schlag, der den Silberhaarigen fliegen ließ. Der Trickser fing sich wieder, sah aus den Augenwinkeln Nitobe auch gleich wieder angreifen. Niou knirschte. Diesmal würde er es ihm zeigen. Er machte sich bereit, doch auch wie beim letzten Mal verschwand Nitobe kurz vor seinem Ziel und wurde durch Kita ersetzt, der ihm einen Schlag in die andere Seite verpasste, sodass Niou zu seinem Ausgangspunkt zurück flog. Ein geräuschloses „Puri“ kam über seine Lippen, und um sein Wort noch einmal zu unterstreichen, spuckte er auf den Boden. Diese beiden Gemüseköpfe waren ein gutes Team, zugegeben, aber er war der Trickser, und er verdiente diesen Titel. Er ließ sich doch nicht einfach so verarschen. Er wartete auf den nächsten Schlaf, der von Kita kam, drehte sich im letzten Moment aber um 180 Grad, um Nitobes Solarplexus zu malträtieren, den bewusstlosen Körper zu greifen, mit ihm eine erneute hübsche 90 Grad Drehung zu vollziehen und Kita mit seinem Kollegen außer Gefecht zu setzen. Beide blieben bewusstlos liegen. Niou klopfte sich die Hände ab. Die Beiden waren ein gutes Doppel, aber zu leicht zu durchschauen, da sie jeden Schritt genau 2 mal taten. Niou machte sich schnell daran das Zimmer nach dem Dokument zu durchsuchen, wurde aber nicht fündig. Er verließ den Raum und trabte einige Schritte über den Flur, bis diesmal eine Tür auf der linken Seite erschien. Dort hatte Niou keine großen Entscheidungsschwierigkeiten, denn der Flur endete nach einem weiterem Schritt. Auch diese Tür öffnete er vorsichtig, doch dahinter fand er nur eine gewundene Treppe. Mit Bedacht nahm er die erste Stufe. Kapitel 7: First Clearing ------------------------- Kirihara stieß einen genervten Seufzer aus. „Es ist langweilig“, maulte er in die dunkle Zelle, die er jetzt ja sehen konnte. Er hatte sich jetzt schon x-mal Yukimuras Technik zeigen lassen, er verstand sie auch, aber er war sich nicht sicher, ob er sie anwenden könnte. Eigentlich wusste er sowieso, dass er weiterhin seine eigene Art zu kämpfen benutzen würde, immerhin hatte er das jetzt schon fünf Jahre so gemacht. Aber er brauchte dennoch eine neue Beschäftigung. „Yukimura...“, jammerte er. Der Blauhaarige drehte sich auf seinem Bett. Der Blick sagte Akaya genau, dass er gerne ungestört geschlafen hätte. „Akaya, versuch's doch einfach mit Schlafen, ja? Je mehr du schläfst, desto weniger merkst du die Langeweile.“ Der Schwarzhaarige blies seine Wangen auf und wollte protestieren, aber vielleicht war die Idee ja wirklich nicht so schlecht. Er würde jedenfalls alles tun, um diesem schrecklichen, dumpfen Gefühl in sich zu entkommen. „Na gut“, sagte er etwas maulig. „Aber dann bind mir wenigstens die Augenbinde wieder um. Denn wenn ich unbedingt schlafen soll, dass mach ich das jetzt eben... und zwar die ganze Zeit!“ Yukimura lächelte müde über das patzige Verhalten des Jüngsten, und tat wie ihm geheißen. Allerdings hätte er nicht geglaubt, dass Akaya sein Wort halten würde, und die ganze Zeit nichts mehr von sich hören ließ. ---- Yagyuu setzte sich wieder als Letzter auf die Bank im Speisesaal. Seine Männer waren komplett versammelt, jedenfalls die fünf, die von den ursprünglichen acht noch übrig blieben. Heute war die Woche um, die er seinen Leuten gegeben hatte. Heute musste er neue Anweisungen geben, und länger hinauszögern durfte er das nicht. „Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte er leise. Innerlich hoffte er immer noch, dass endlich jemand etwas über Renjis Verbleib in Erfahrung gebracht hatte. Tatsächlich wurde er nicht enttäuscht. Marui knirschte mit den Zähnen, während er berichtete. „Anscheinend wird er irgendwo festgehalten und gefoltert. Sie wollen ihm zum Reden bringen. Er kriegt weder Essen noch Trinken... Zwei Wachmänner haben darüber gesprochen.“ Ein kurzer Augenblick der Stille trat ein, in dem jeder die Neuigkeit erst einmal verdauen musste. Yagyuu war der erste, der die Stille brach. „Wahrscheinlich wird er dann wohl nicht in einer Zelle gehalten, eher in einem der Personalräume. Er wird am schwierigsten zu befreien.“ Ein zustimmendes Gemurmel ging durch die dezimierte Rikkai. Der Lilahaarige heftete seinen Blick an den Ältesten der Gruppe. „Wie geht es Akaya?“, fragte er, obwohl er davon ausging, dass der andere sich gut um ihr Nesthäkchen kümmerte. „Alles in Ordnung, er schläft seit gestern.“ Yagyuu nickte anerkennend. Er hatte zwar innerhalb der letzten Woche einiges über die Positionen und Anordnung der Zellen mitbekommen, aber es reichte noch nicht für einen guten Fluchtplan. Die Schichtwechsel waren ihm noch unbekannt. So konnte er beim besten Willen nicht verlangen, dass seine Männer leichtfertig ausbrachen. Er schob seine Brille zurecht. „Ich gebe Niou noch drei Tage, wenn bis dahin nichts passiert ist, machen wir es selbst. Bis dahin habe ich einen unfehlbaren Plan entwickelt.“ Die Rikkai stimmte leise zu. Und obwohl Yagyuu wusste, dass sie alle hinter seiner Entscheidung standen, war ihm nicht wohl dabei, die Flucht länger hinaus zu zögern und zugeben zu müssen, dass er derzeit nicht weiter wusste. Seine einzige Hoffnung blieb nach wie vor Niou. ---- Mit einem etwas federnden Schritt sprang Niou über die letzte Treppenstufe und landete auf dem höchsten Absatz. Vor seiner Nase wartete nichts als eine schwer aussehende Doppeltür. Wie auch bei den anderen Türen in diesem Versteck öffnete er sie sehr vorsichtig, nur einen Spalt gewährte er sich, um hindurch zu spähen. Soweit er es erkennen konnte, befand sich dahinter wie zuvor ein Raum, nur schien dieser noch ein erhebliches Stück größer zu sein, obwohl die Decke tiefer hing als in den restlichen Räumen. Ein Bisschen beneidete Niou die Yamabuki für ihr häuslich eingerichtetes Versteck, es wirkte viel gemütlicher als die herunter gekommenen Trümmerhaufen, in denen die Rikkai hauste. Wenn er seine Leute aus dem Gefängnis befreit hatte, mussten sie sich auch so ein Versteck einrichten. Nious Aufmerksamkeit schnellte zurück zu seiner Aufgabe. Er spähte durch den Türspalt. Personen sehen konnte er nicht, aber er befürchtete bereits, dass die Gegner nicht lange auf sich warten lassen würden, sobald er das Zimmer betrat. Wie ein Schatten schlüpfte der Silberhaarige in das unbekannte Territorium. Die Tür fiel leise hinter ihm ins Schloss, wobei er nicht hätte sagen können, ob er sie sachte angestoßen hatte, oder ob jemand anderes seine Finger im Spiel hatte. Seine Frage sollte sich jedoch schneller beantworten, als ihm vielleicht lieb war. Kalter Stahl presste sich gegen Nious Hinterkopf, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte Niou ein Déjà-vu, als ihm die versammelte Rudolph ihre Waffen an den Kopf gedrückt hatte. „Hat es dir Spaß gemacht hier herum zu schleichen?“, fragte die Stimme, dessen physischer Behälter hinter Niou stand. Dieser erkannte die Stimme: Minami – der Kopf der Yamabuki, wer sonst? „Haa... Das ist jetzt also das Ende, was?“, sagte Niou mit jammernder und dennoch ironischer Stimme. „Sieht so aus“, erwiderte der Schwarzhaarige. Der Trickser teilte insgeheim diese Meinung jedoch kein Stück. Zugegeben befand er sich in einer prekären Lage, aber er hatte ja noch ein Ass im Ärmel, im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Spielkarte benutzte er immer, wenn er gegen Akaya spielte und natürlich schummelte. Der Jüngste war allerdings der Einzige, bei dem das funktionierte. Yukimura wusste um Nious nicht regelgerechte Spielart, ließ ihn aber stets gewähren. Und Nious geliebter Boss, Yagyuu, wandte das Blatt meistens gegen ihn, wortwörtlich, indem er dem Silberhaarigen besagtes Ass stahl und es für sich selbst nutzte. Der Ältere könnte es bestimmt unterbinden, doch auch er ließ es seinem Chef durchgehen, so wie Yukimura ihm. „Was suchst du hier, Niou? Du kommst ja sonst nicht einfach zu Besuch.“ Wie immer stieg einer von Nious Mundwinkeln zu einem halben Grinsen. „Wenn ich es dir sage, verrätst du mir dann, wo ich es finde?“ „Eventuell“, antwortete der Stachelkopf überraschend ehrlich. //Denkste!// rang Nious Stimme durch seinen eigenen Kopf. Im selben Moment übernahm sein Körper wieder das Ruder, um Minamis kurzzeitig weichen Moment auszunutzen. Sein Oberkörper klappte nach vorne, während sein Fuß nach hinten schnellte und Minamis linken Fuß weg stieß. Der Schwarzhaarige knickte nach links ab. Niou, der seinen rechten Fuß benutzt hatte, rollte sich nun zu eben dieser Seite ab. Minami, der unter Adrenalin reagierte, zog im Fall seine Hand nach rechts rüber und feuerte. Da Niou schon damit gerechnet hatte, drückte er sich im letzten Moment mit dem linken Fuß ab und schmiss sich in einer eleganten Rolle über seinen rechten Arm. Die Kugel bohrte sich in den Fußboden. Schmerzhaft krachte Minami auf seinen linken Arm, versuchte sich aber so schnell wie möglich wieder aufzurichten, um Niou möglichst keinen Angriffspunkt zu lassen. Dem Trickser war die Feuerwaffe, die sein Feind hielt, ein Dorn im Auge. Sobald er sich dieses Problems entledigt hatte, würde er ein leichtes Spiel haben, denn Minami war kein geübter Kämpfer, sondern hatte sein bisheriges Überleben seinen guten Instinkten, Sinnesvermögen und seiner Pistole zu verdanken. Kaum hatten sich beide Männer wieder aufgerappelt, ließ Niou sein Ass, das er in seinem Ärmel verstaut hatte, zwischen seine Finger rutschen und schmetterte die Karte seinem Gegenüber entgegen. Minamis Aufmerksamkeit schnellte zu dem Objekt und seine Reflexe taten ihre Arbeit, schossen das vermeindliche Wurfmesser – das machte sein Verstand jedenfalls daraus – ab. Nur Bruchteile von Sekunden später spürte der Anführer einen brennenden Schmerz. Blut lief über seine Hand und tropfte lautlos auf die Pistole, die ihm aus der Hand gefallen war. Nious zweiter Mundwinkel stieg, um sein Grinsen zu vollenden. Seine Kombination aus Spielkarte und Yagyuus Wurfmesser, das er sich neulich erst beim Boss gemobst hatte, war tödlich (auch wenn sie natürlich nicht darauf ausgerichtet war Menschen zu töten). Als Minami den Kopf hochriss, war sein Gegenüber nicht mehr zu sehen. Niou war sich bewusst, dass er keine Sekunde verschwenden durfte. Seine Beine hetzten ihn zur Seite, raus aus Minamis Sichtfeld, damit er den Überraschungsmoment gewinnen konnte, allerdings durfte er auch nicht zu weit rennen, denn er musste der erste an der Pistole sein. Sein Trick wäre umsonst gewesen, wenn der Entwaffnete das verlorene Stück wiedererlangte. Der schwarze Stachelkopf schien überhaupt nicht beunruhigt, dass er den Augenkontakt zu seinem Feind verloren hatte, stattdessen beugte er sich seelenruhig zu seiner Waffe herunter. //Shit!// kreischte es in Nious Gedanken. Minami mit seiner verdammten Wahrnehmungsgabe hatte gehört, wohin und wie weit er weg gerannt war. Doch Dank seines gebückten Laufens war eine schnelle Reaktion seinerseits möglich. Er klatschte eine Hand auf den Boden, um die er gewaltsam all seine Schwung herum drehte und zwang sich in die Richtung, aus der er gekommen war. Er schlitterte über den Boden und erreichte gerade so mit dem Fuß die Pistole, um sie wegzutreten. In seinem Rutschen packte er Minamis hand, die noch auf dem Weg zur nun unerreichbaren Waffe war, und der Yamabuki Anführer fiel vorne über, wobei er sich mit der freien Hand abfing. Niou schwang sich mit geübter Geschwindigkeit auf seinen Gegner, dem er dabei den gepackten Arm auf den Rücken drehte. Seine Hand krallte sich in die schwarze Zottelmähne, zog den Kopf hoch und ließ ihn wieder auf den Boden krachen. Niou war zwar dagegen Menschen zu töten, jedoch durfte er nicht zu weich und nachsichtig mit seinen Feinden sein. Der Liegende entließ einen schmerzerfüllten Stöhner in die Luft. Noch im benommenen Zustand wurde er von Niou herum gerissen und auf den Rücken gedreht, spürte noch kurz den Schmerz der eintreffenden Hand auf seinem Solarplexus, bevor er von der betäubenden Schwärze geschluckt wurde. Niou richtete sich in seine immer krumme Haltung auf. Ein triumphierendes „Puri“ verließ seine Lippen, während er seine Hände abklopfte. Minami würde noch eine Weile schlummern, aber zu viel Zeit sollte er sich auch nicht genehmigen. Niou hob die blutige Pistole Minamis auf, wischte sie an dessen Hose ab und steckte sie ein. Eine Waffe mehr konnte nie schaden. Seine Augen schweiften zu der Spielkarte, die verloren in einer Ecke lag. Zu gebrauchen war sie nun nicht mehr, und dennoch hob er sie auf und bestaunte das Loch, das säuberlich in die Mitte geschossen war. Irgendetwas daran faszinierte ihn, und er steckte sie ein, obwohl er nun ein neues Ass zum Schummeln brauchte. Zunächst einmal war es jedoch wichtiger dieses Dokument zu finden und von hier zu verschwinden. Sein erster Versuch führte ihn zu einem der hier sogar in mehrfachen Ausführungen vorhandenen Bücherregale. Der Inhalt flog in unterschiedlichen Bögen, während Niou rasend schnell aber akribisch alles durchsuchte. Unfündig geblieben wandte er sich an den Schreibtisch. Nachdem er alle Schubladen aufgezogen hatte, drehte er sich suchend im Zimmer herum. Außer dem Bett war nichts mehr zu finden. Mit einem Satz sprangen die Augen des Tricksers zurück zu eben jenem Gegenstand. Gut möglich, dass er da fündig werden könnte. Kein Glück. Allerdings schlich sich noch eine ganz andere Frage in seinen Kopf. Die Yamabuki hatte mindestens sieben Mitglieder, doch bis jetzt war er nur in zwei Zimmern mit insgesamt drei Betten, wo also waren die Anderen stationiert? Alarmglocken begannen in Nious Kopf zu schrillen. Es konnte durchaus sein, dass die Yamabuki gar kein Hauptquartier besaß, sondern kunterbunt zerstreut war. Aber das würde seine Aufgabe unmöglich machen. Der Silberhaarige knirschte mit den Zähnen. Mizuki hatte ihn nach Strich und Faden verarscht. Wahrscheinlich war sein einziges Interesse gewesen, ihn so lange wie nur irgend möglich von der Rikkai fern zu halten. Jetzt sollte Niou nur noch ein Ziel haben, hier zu verschwinden und seine Freunde auf eigene Faust zu befreien. Nious Scannerblick tastete den Raum ab, Türen oder ähnliches waren nicht zu sehen, aber die kleine sichtbare Ritze in der Decke entging ihm nicht. Jedoch war er zu klein, um die Decke mit bloßen Händen zu erreichen. Nun war Niou ja nicht dumm und schon gar nicht einfallslos, also zog er sich den Schreibtisch heran, kletterte darauf und schlug kräftig gegen den Spalt. Und siehe da, eine Klappe kam herunter, an der eine provisorische Fluchtleiter angebracht war. Niou zog sie aus und kletterte nach oben.Die ersten Strahlen staubigen Tageslichts fielen in seine Augen, während er sich komplett nach oben zog. Er war in einem alten, abriss reifem Gebäude gelandet. „Lucky~!“, ertönte hinter ihm eine Stimme, und Niou drehte sich mit rasender Geschwindigkeit zum nächsten Yamabuki Mitglied um. Er wurde mit einem breiten Grinsen von Sengoku begrüßt. „Wir haben einen Gewinner! Und der Hauptpreis ist das hier!“ Niou inspizierte die Blättersammlung, die ihm in die Hand gedrückt wurde, und identifizierte sie als das Dokument, das er die ganze Zeit gesucht hatte. „Was willst du?“, fragte Niou, dem das alles sehr suspekt war, skeptisch. „Das hast du doch gesucht, oder? … Jetzt mach nicht so ein Gesicht, du weißt, wir haben ein verdammt gutes Informationsnetz.“ Der Silberhaarige, der inzwischen komplett auf zwei Beinen stand, griff vorsichtig nach seiner Pistole, wer wusste schon, in was für eine Falle er vielleicht gelaufen war? „Du hast heute wohl einen großzügigen Tag, was? Wenn du einfach so wichtige Sachen verschenkst“, höhnte er. „Also, spuck's aus. Was läuft hier?“ Sengoku antwortete ihm mit einem Lächeln, das unschuldig und gleichzeitig traurig wirkte. „Ich hab auch keine Lust mich mit den Yakuza anzulegen. Wenn wir das da los sind, hab ich eine Sorge weniger. Also nimm es und hau ab, bevor irgendwer von meinen Kollegen kommt.“ Immer noch nicht ganz überzeugt bewegte sich Niou in Richtung Ausgang, auf jede Kleinigkeit achtend. Doch Sengoku machte tatsächlich keine Anstalten überhaupt irgendetwas zu tun. Dieser schien sich wirklich Sorgen wegen der Yakuza zu machen. Auf einmal fühlte sich Niou ziemlich unwohl mit dem Dokument in den Händen. ---- „Hier hast du, was du wolltest, Puri~!“, rief Niou, während er durch die letzte Tür, die ihn von Mizuki trennte, platzte. Ein zweites Puri entfleuchte seinen Lippen, als sofort wieder ein Pistolenlauf auf ihn gerichtet wurde. Mizuki legte seine Hand auf die Feuerwaffe seines Neulings und drückte sie hinunter. Schmunzelnd ging er auf Niou zu. „Wie schön, dass du es so schnell geschafft hast. Wie du das nur angestellt hast?“ Niou hielt ihm die Papiere demonstrativ entgegen. Er hatte keine Zeit für sinnlose Schwafeleien mit Mizuki. Der Schwarzhaarige zog seinerseits nun einige Zettel hervor, die er mit dem Rikkai Mitglied austauschte. Auch er freute sich, wenn er möglichst schnell dazu kam, diese Dokumente durchzusehen, damit er bald mit der Umsetzung seines Planes beginnen konnte. „Danke für die Geschäfte“, spottete Niou und raste so schnell es ging aus dem Blickfeld seines verhassten Gegners. „Wird er sie damit wirklich befreien können?“, fragte Yuuta, der doch an den Fähigkeiten des Tricksers zweifelte. „Keine Sorge“, antwortete Mizuki. „Er wird sich nicht zu blöd anstellen.“ ---- Yagyuu betrachtete die funkelnden Punkte hinter seinen geschlossenen Augen. Sein Niouradar sagte ihm, dass sein Freund schon bald hier auftauchen würde, und obwohl sich der Boss lieber nicht auf den Trickser verlassen wollte, so hoffte er doch, das sein Gespür ihn nicht trügte und Niou der Schlüssel für diese festgefahrene Situation war. Kapitel 8: Last Glance ---------------------- Niou beobachtete den Gefängniskomplex aus sicherer Entfernung. Heute Nacht war es also soweit. Er würde dort eindringen und seine Freunde befreien. Er hatte die Pläne, die er von Mizuki erhalten hatte, genau studiert. Aber auch wenn er sie perfekt im Kopf hatte, es würde ein schwieriges Unterfangen werden, bei dem jeder Fehler das Ende bedeuten könnte. Wenn man ihn heute schnappen sollte, war alles verloren. Okay, die Rikkai würde sich niemals geschlagen geben, sie würde, auch wenn sie alle gefangen genommen werden sollten, einen Weg finden von hier zu verschwinden. Dennoch wollte Niou es lieber nicht darauf anlegen. Der Trickser schaute noch einmal an sich hinunter, überprüfte, ob die Uniform, die er sich von einem der netten Wachleute geborgt hatte, auch ordentlich saß. Er liebte Uniformen, er mochte eigentlich alle Arten von Verkleidungen, und diese Polizistenuniform gefiel ihm besonders gut. Leider wusste er, dass er die Klamotte nach der Befreiungsaktion unmöglich behalten konnte. Der „nette Wachmann“, der so freundlich gewesen war ihm dieses schicke Teil zu leihen, war derzeit an einen Baum gefesselt, der weit, weit ab vom Gefängnis stand, und war völlig außer Gefecht gesetzt. Vielleicht wäre es besser gewesen ihn richtig zu erledigen, aber Niou hatte dafür gesorgt, dass er lang genug für seine Aktion im Schlummerland verweilen würde. Und er wollte den armen Mann auch nicht dafür bestrafen, dass sein Vorgesetzter ihm angeordnet hatte die acht gefährlichsten Leute Yokohamas zu fangen. Der Silberhaarige atmete noch einmal tief ein und aus, bereitete sich mental auf eine der wahrscheinlich schwierigsten Missionen in seinem Leben vor. Nicht mal bei den Dämonen hatte er damals so eine Nervosität gespürt, obwohl sie bestimmt auf einem ähnlichen Schwierigkeitsgrad lagen. Vielleicht lag es dieses Mal aber auch daran, dass es hier nicht nur um sein eigenes Leben ging, sondern um die seiner Freunde. Nachdem er sich ausgiebig locker gemacht hatte, nahm er die ersten Schritte Richtung Gefängnis auf sich. Er spürte seinen Herzschlag in seinem Hals, aber er war sich sicher, am Ende dieses Tages waren sie wieder freie Männer. ---- Nious Puls beschleunigte sich weiter. Er konnte es nicht wirklich fassen, nur noch wenige Schritte trennten ihn von den Zellen, in denen seine Leute untergebracht waren. Bis jetzt war sein Weg viel zu einfach gewesen. Ohne Schwierigkeiten hatte er sich eingeschlichen, soweit man das überhaupt so nennen konnte, und hatte den genauen Aufenthaltsort der Rikkai-Mitglieder herausgefunden. Nun musste er nur noch diese Türen öffnen und mit den anderen sieben im Schlepptau von hier verschwinden. Niou kniete sich vor die erste schwere Zellentür. Er besaß zwar keinen Schlüssel, aber er hatte genug Werkzeug dabei, um dieses Ding zu überlisten. Aus seinen Taschen und seinen Haaren zog er alles Notwendige: Haarnadeln, Schlagschlüssel und anderes. Er wusste zwar, dass so eine Gefängnistür kein Spaziergang werden würde, doch sein Name wäre nicht Niou Masaharu, wenn er das nicht schaffte. Er werkelte am Schloss herum. So recht gelang ihm noch nichts, aber er gab nicht auf. Die Nervosität stand ihm ins Gesicht geschrieben, jede Pore seines Körpers strahlte sie aus. Und sein wummernder Herzschlag wurde noch schlimmer, als die endgültige Erkenntnis ihn traf, wer dort eigentlich hinter der Tür auf ihn wartete. Vor seinen Augen lief ein Flash-back ab, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Plötzlich dachte er an heiße Sexszenen mit Yagyuu, dachte daran, wie sein Freund leise seinen Namen gestöhnt hatte. Seine Finger wurden schwitzig und es wurde immer schwieriger sich auf das zu konzentrieren, was jetzt wichtig war. Und dennoch konnte er es nicht ändern, allein der Gedanke an Yagyuu brachte ihn durcheinander, und das Hoffen auf das Wiedersehen macht ihn nervös. Er rutschte ab, verlor kurz sein Werkzeug, das beinahe scheppernd auf den Boden gefallen wäre, hätte er es nicht gerade im letzten Moment noch gefangen. Erleichtert stieß er ein wenig Luft aus. Er benahm sich wie ein Amateur, wie jemand, der alles versaute, was nur falsch zu machen ging. Er musste sich jetzt endlich zusammenreißen! Das war jedoch nicht so einfach, wie es aussah. Allein der Anblick der Tür brachte die Erinnerung an schöne Momente mit Yagyuu zurück. „Ich glaub's ja nicht, was soll denn das hier werden?!“ Noch ehe Niou den Satz wirklich realisiert hatte, spürte er einen harten Schlag und wurde augenblicklich von der Dunkelheit umarmt. ---- Yagyuu saß auf seinem Bett. Sein Blick ging abwechselnd vom Fenster zur Tür und andersherum. Er wusste nicht genau, woher dieses starke Gefühl in ihm kam, aber er war sich absolut sicher: Niou war hier. Hier im Gefängnis, und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Silberhaarige kam. Aber wo blieb der Trickser? Yagyuu hatte jetzt schon eine ganze Weile dieses aufdringliche Gefühl, doch passiert war noch rein gar nichts. Eine Stimme auf dem Flur zog die Aufmerksamkeit des Lilahaarigen auf sich, gefolgt von einem dumpfen Geräusch. Es klang ein Bisschen wie ein lebloser Körper, der auf den Boden klatschte. Eine ungute Vorahnung machte sich in Yagyuu breit, doch er wollte nicht den Teufel an die Wand malen. Hinter diesen dicken Türen konnten sich Geräusche ganz anders anhören als sie es eigentlich taten. Er sollte weiterhin an Niou glauben, das war er seinem Freund schuldig. ---- Yukimura sah erstaunt auf, als seine Zellentür aufgemacht wurde. Es war beim besten Willen keine Zeit, zu der sie sonst geöffnet wurde. Herein kam einer der Wachleute, wer auch sonst, doch zu Yukimuras Überraschen war eine Person über dessen Schulter geworfen, die der Wachmann jetzt auf den Boden schmiss. Yukimura erkannte den stachligen Mob von Haaren. Dieser gehässig grinsende Kerl hatte doch tatsächlich Niou hier herein geschleppt und ihn wie einen dreckigen Kadaver weggeworfen. „Tja, jetzt haben wir auch den letzten von euch, Dreckspack!“, informierte der Wachmann triumphierend. Das fachte das Entsetzen in Yukimura an, aber er ließ sich nichts anmerken. Doch er musste jetzt blitzschnell reagieren, sonst würden sie hier noch lange festsitzen. Sofort veränderte sich Yukimuras Sitzhaltung, und auch seine Ausstrahlung wirkte plötzlich ganz anders. „Herr Wachmann“, begann er lasziv, „mich juckt es fürchterlich am Rücken, doch ich komme nicht ran. Können Sie mir nicht helfen?“ Der Blauhaarige wusste, dass seine Anmache jetzt vielleicht nicht viel Wirkung zeigen würde, doch es war seine einzige Chance. Der Kerl sah Yukimura skeptisch an. Warum sollte er der komischen Schwuchtel helfen? Aber dann fing ihn der erotische Augenaufschlag ein. Er wusste nicht, wie ihm geschah, er merkte nur, dass er ohne nachzudenken auf Yukimura zu ging. Dieser bewegte den Kopf hoch zu ihm, wobei eine seiner Haarsträhnen in seinen Nacken rutschte und die Sicht die Sicht auf seinen Hals freigab. Bei Sanada war diese Bewegung immer mit Erfolg gekrönt, aber nun war ja nicht jeder Mann auf dieser Welt wie Sanada (und das war auch gut so!). „Wo juckt's denn?“, fragte der Wachmann und beugte sich bereits ein Stück zu dem Inhaftierten hinunter. Yukimura schnappte seine Hand, bedachte ihn noch mal mit einem vor Erotik sprühenden Blick, führte seine Hand erst langsam, zog den Kerl dann aber blitzschnell komplett zu sich herunter. Ein Arm schlang sich um dessen Schulter und der andere um seinen Hals. Er hatte nicht mal mehr die Gelegenheit zu blinzeln, bevor seine Schulter auf das Bein des Blauhaarigen traf und sein Nacken auf brutale Weise nach hinten gezogen wurde, bis es knackte. Leblos sackte der Körper des Wachmannes zusammen. Yukimura bedachte ihn mit einem kurzen, kalten Blick. Er war nicht so zart besaitet wie Yagyuu, er war an das Töten gewöhnt, doch für den Boss hatte er sich immer zurückgenommen. Jetzt allerdings hatte er keine Wahl gehabt, die Probleme wären zu groß geworden, wenn der Kerl irgendwann wieder aufgewacht wäre. Yukimuras Blick schweifte zu Niou. Er war gekommen, um sie zu befreien, nur schien er ertappt worden zu sein. Na gut, jetzt war der Älteste der Rikkai der, der sie retten konnte. Die Zellentür war immer noch offen, vielleicht konnte er Sanada dazu bringen die Türen auf zu brechen. Diese Idee verflog jedoch in dem Augenblick, als etwas silber-glänzendes in sein Blickfeld fiel. Der leblose Körper am Boden trug einen schicken Ring mit Schlüsseln, den er nun ja nicht mehr gebrauchen konnte. Aber vielleicht waren brauchbare Dinge für Yukimura unter ihnen. Dieser hob den Schlüsselbund auf und marschierte aus der Zelle, vielleicht könnte er auch Akaya damit befreien, doch irgendwie bezweifelte er das. Lieber holte er erst alle anderen, damit sie gemeinsam über den Jüngsten grübeln konnten. Auf dem Gang sah er sich um, jede Menge Zellen, und er hatte keine Ahnung, wer sich wo befand. Er hatte aber auch keine Zeit lange zu fackeln, wer wusste schon, wie viel Zeit ihm blieb, um die Anderen zu befreien? Er wandte sich an die erste Zelle neben seiner, alle Schlüssel besuchten einmal das Schlüsselloch, bis der Richtige gefunden war. Yukimura schob die Tür auf, woraufhin Marui erstaunt den Kopf hob. Man sah deutlich, wie sich seine Lippen bewegten, um eine sichtlich erstaunte Kaugummiblase zu blasen, nur, dass das besagte Kaustück fehlte. „Yukimura! Was machst du hier?!“ Der Größere legte sich einen Finger auf die Lippen. „Leise! Ich weiß nicht, ob jemand in der Nähe ist. Es ist Zeit, Niou ist hier. Wir werden jetzt on hier verschwinden.“ Der Rothaarige konnte nicht glauben, was er da hörte. „Und Akaya? Was ist mit Akaya?! Geht es ihm gut?!“ Marui redete zwar aufgebracht aber so leise wie möglich. „Er befindet sich noch in meiner Zelle...“ Yukimura kam nicht wirklich dazu noch irgendetwas zu sagen. Marui war bereits aus seiner Zelle in Yukimuras gerast. Etwas geschockt sah er auf Akayas gequälte Figur, die dort an der Wand hing. „Akaya, hey, Akaya! Wie geht es dir?!“ Zuerst bekam er keine Antwort. Der Schwarzhaarige dämmerte nur langsam in den Zustand des Wachseins zurück. Seine Glieder schmerzten, und er war völlig orientierungslos. Doch noch bevor er endgültig wieder zu Bewusstsein kam, stieg ihm etwas in die Nase. Etwas Vertrautes, etwas, das er gut kannte, und das er schon länger vermisste. Dieser Geruch weckte etwas in ihm, was ihn automatisch dazu veranlasste sich über die Lippen zu lecken. Dieses Etwas brachte seinen Puls zum Rasen, sein Blut begann zu kochen, genau so, wie er es liebte. Akayas Muskeln traten leichten hervor, als er die ersten Versuche, sich gegen die Ketten zu stemmen, wagte. Er musste es in die Finger kriegen, dieses Etwas, das seine Sinne so vernebelte. Er konnte nicht weiter darauf warten! Ein Knurren drang aus seiner Kehle, während seine Blutlust immer weiter stieg. Oh ja, er brauchte jetzt den befriedigenden Geschmack von Blut. Sehnen traten immer deutlicher an seinen Armen hervor, das wütende Schnaufen immer wilder. Marui betrachtete die Szene. Er kannte diese Symptome an Akaya, und er musste jedes Mal aufs Neue zugeben, dass es ihm ein wenig Angst machte. Allerdings hieß das auch, dass es seinem schwarzen Wuschelkopf gut ging, wenn er noch derart in Rage geraten konnte. Ein erstes, verdächtiges Knacken war zu hören. Schweiß lief Akaya an den Schläfen hinunter. Langsam verfärbte sich auch seine Haut rötlich, wobei Marui nicht hätte sagen können, ob das von der Anstrengung kam, oder von seinem mentalen Zustand. Ein letztes, böses Knurren schnitt durch die Luft, als Akaya die Halterungen seiner Kette aus der Wand riss. Schnaufend zog er sich die Augenbinde vom Kopf, sein Blick fiel auf Marui, schien ihn aber nur zu streifen. Stattdessen fiel ihm eine andere Person ein, und zwar dieser kleine, dreckige Polizist, der ihn in diese Situation gebracht hatte. Er verlor ein gehässiges Lachen, jetzt würde er diesem Kerl mal zeigen, dass man Kirihara Akaya nicht verarschte. Immer noch schrill glucksend begann der Schwarzhaarige zu laufen. In einem Affenzahn rannte er los. Marui sah ihm verdutzt nach, reagierte blitzschnell und wetzte seinem Freund hinterher. Vielleicht war es nicht gut, dass Akaya gerade wie von der Tarantel gestochen in die Arme des Feindes lief, aber vielleicht könnten sie Renji finden und befreien. Yukimura sah nur noch wie Akaya und Marui an ihm vorbei rasten. Er zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. Das war gar nicht gut, jetzt würde es definitiv nicht mehr lange dauern, bis sie aufflogen, er musste sich also verdammt ranhalten. Er schloss die nächste Tür auf, hinter ihr starrte Sanada ihn an. „Komm! Wir haben keine Zeit“, rief der Kleinere ihm zu. Sanada war sofort bei ihm. Yukimura wusste genau, was dieser Blick in Sanadas Augen bedeutete, aber sie hatten jetzt einfach keine Zeit dafür, und das wusste der Größere auch. „Nimm Niou, jemand muss ihn hier raus schaffen“, befahl er seinem Freund, während er sich an der nächsten Zelle versuchte, und deutete auf seine Zelle. Sanada nickte stumm und hob den bewusstlosen Körper von Niou auf. Da er im Moment sowieso kein Schwert hatte, nahm er Niou huckepack, so konnte er sich am besten bewegen. Yukimura hatte inzwischen die letzte Tür geknackt und Yagyuu trat zu ihnen auf den Flur. Alle Augen schweiften über die dort stehenden Personen. Fünf an der Zahl, plus Marui und Akaya... dann fehlte nur noch Renji. „Wo sind die Anderen?“, fragte Yagyuu. Yukimura wies mit dem Kopf in die Richtung, in die sie verschwunden waren. „Schon weg. Sie werden Renji bestimmt noch holen. Ich bin mir sicher, wir treffen sie draußen.“ Der Brillenträger nickte. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren.“ Da widersprach ihm keiner. Und so rückte die Rikkai aus ihrem derzeitigen Aufenthaltsort aus. ---- Und tatsächlich, wie Yukimura es gesagt hatte, trafen sie draußen Akaya und Marui, der Renji stütze. Der Letztere sah ziemlich blass aus. Akaya schien sich inzwischen etwas beruhigt zu haben. Er war von oben bis unten blutverschmiert, wie viele oder ob er überhaupt getötet hatte, konnte in dem Moment wohl keiner schätzen. Yagyuu sah noch mal alle seine Männer an. Mit einer typischen Handbewegung schob er seine Brille hoch. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir machen alles so, wie wir es besprochen haben.“ Alle nickten den Befehl ab. Yagyuu hatte ihnen schon lange im Vorfeld mitgeteilt, dass, sollten sie je aus einem Gefängnis oder ähnlichem Ausbrechen müssen, sie sich eine Woche lang in alle Winde verteilten, bevor sie sich wieder in ihrem Versteck einfinden würden. Einzelne Person waren viel schwieriger zu finden als eine ganze Gruppe. „Schaffst du es alleine?“, fragte Marui Renji, der mehr wie ein Skelett auf ihm hing. Der Braunhaarige nickte. „Es wird gehen, bring dich nicht in Gefahr deshalb.“ „Wirst du klarkommen mit extra Gepäck?“, fragte Yukimura seinen schwarzhaarigen Freund. „Aa“, bestätigte Sanada. „Sobald er aufwacht, werde ich ihn zum Teufel jagen.“ Und mit diesen Worten machte sich Sanada auf und davon. Er nahm lieber davon Abstand Yukimura vorher noch zu küssen. Er war die letzte Zeit so erregt gewesen, dass er sich nun sicherlich nicht zurückhalten könnte. Mit Sanadas Verschwinden löste sich die Gruppe immer mehr auf. Marui sah noch einmal zweifelnd zurück zu Yagyuu. Konnte nun der Augenblick gekommen sein? Er wusste nicht, wie er ausgerechnet jetzt darauf kam, aber irgendwie hatte er es im Gefühl, dass Yagyuu es genau jetzt wollte. Der Lilahaarige, der die Zweifel des Scharfschützen bemerkte, nickte ihm beruhigend zu. Das war das Zeichen! Marui schluckte und nickte ebenfalls. Es sollte nun also so sein. Er machte sich auf den Weg Renji zu folgen. ---- Marui fühlte sich gar nicht gut, als er Renji vom Dach eines verlassenen Hauses beobachtete. Er konnte nicht glauben, dass er das nun wirklich tun musste, aber Yagyuu hatte tatsächlich Recht, Renji traf sich Leuten der Seigaku. Und das ausgerechnet jetzt, wo sie mit denen kurz vor der totalen Eskalation standen. Vielleicht war Yagyuus Entschluss aber doch zu hart und zu krass. Allerdings hatte der Rotschopf Angst vor den Konsequenzen, sollte er Yagyuus Befehl nicht ausführen. Nicht, dass der Boss ihm etwas antun würde, aber er hatte ihm verklickert, was auf dem Spiel stand. Unten auf der Straße traf Renji zwei Seigakus, Inui und Kaido, begrüßte sie und umarmte sie beide. „Schön euch wiederzusehen“, sagte er ihnen. Beide lächelten und stimmten ihm zu. „Ich habe dich vermisst, Renji“, gestand Kaido, woraufhin Renji ihn auf die Stirn küsste. Marui legte sein Gewehr, das er von einem der Gefängniswärter hatte mitgehen lassen, an. Es kam zwar keinem Scharfschützengewehr gleich, aber er war auch so verdammt gut im Zielen. Er zielte auf Renji. Konnte er das wirklich tun? Konnte er das Renji, mit dem er so viele gemeinsame Erinnerungen hatte, wirklich antun? Aber Yagyuu hatte gesagt, dass er ein Verräter sei, und der Beweis spielte sich genau vor seinen Augen ab. Freiwillig würde er Renji niemals etwas antun, doch der Chef hatte ihm klargemacht, dass sein eigenes Leben auf dem Spiel stand, wenn er zögerte. Und hier ging es nun mal jedem um das eigene Überleben. Sein Finger verstärkte den Druck auf den Abzug. Ganz sicher war er sich immer noch nicht, aber er musste schnell machen, bevor er es sich gänzlich anders überlegte. Zwei blaue Augen verfolgten das Geschehen auf der Straße ebenfalls. Die dazugehörige Person lächelte. Er freute sich immer, wenn Menschen durch die Liebe glücklich wurden. Auch wenn sie vielleicht etwas unvorsichtig waren, das Süße der Szene erfreute ihn einfach ungemein. Sein Blick fiel auf den Rotschopf, der auf einem der anderen Häuser weilte und das Glück der Dreien mit seiner Pistole gefährdete. Was auch immer das sollte, auf wen auch immer Marui da zielte, er würde es verhindern. Zum Glück hatte er für so eine Situation genau das Richtige dabei. Er holte eine Betäubungspatrone aus seiner Tasche, schmiss sie in seine Feuerwaffe und richtete diese auf Marui. Es war sicherlich nicht die feine Art, aber die effektivste. Er drückte ab. Marui spürte, wie sich etwas in seinen Oberarm bohrte. Augenblicklich begann sein Bewusstsein zu schwinden. Er merkte noch, wie er begann zu schwanken. In einem letzten Zucken vor der endgültigen Bewusstlosigkeit allerdings drückte sein Finger noch den Abzug seiner Pistole, dann kippte er zur Seite um. Kaido erschrak, als er ein Knallen hörte. Keinen Augenblick später fiel ihm Renji in die Arme, den er unbeholfen auffing. Blut lief über seine Schläfe. „Kaoru!“, stöhnte der Braunhaarige, wobei Blut aus seinem Mund auf Kaido tropfte. Geschockt sahen Inui und Kaido sich um, und tatsächlich, sie entdeckten Fuji auf einem der Hausdächer. Renji spürte noch die angenehme Wärme, die von seinem Freund ausging, bevor ihn selbst alle Wärme verließ, und er einen Schlaf antrat, aus dem er nie wieder erwachen würde. Epilog: Failed again -------------------- Niou sah erwartungsvoll auf, als er endlich Schritte hörte. Er war der erste gewesen, der sich wieder in ihrem Quartier eingefunden hatte, aber nun bequemte sich seit Stunden keiner hierher, und Niou wurde langsam langweilig. „Oh, Boss, schon wieder da?“, fragte er mit einem Grinsen, als Yagyuu in sein Sichtfeld kam. „Oh, Niou“, imitierte dieser die Stimme des Tricksers. „Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst. Bist du bist jetzt der Einzige?“ Niou war aufgestanden und zu Yagyuu hinüber geschlendert. Er hauchte ihm ins Ohr. „Okay, alles, was du sagst, Hiroshi.“ Die eigentliche Frage seines Freundes ignorierte er komplett. Der Lilahaarige wurde rot. Auch wenn sie sich schon lange kannten, sie hatten und würden sich wahrscheinlich auch nie beim Vornamen nennen. „Hey, Yagyuu, weißt du, während ich hier rum gesessen habe, ist mir eingefallen, was wir lange nicht mehr gemacht haben. Was meinst du? Noch ist ja niemand hier.“ Dass Niou bei dem Gedanken selbst ganz aufgeregt wurde, war nicht zu übersehen. Er wurde jedoch herb enttäuscht. „Tut mir Leid, Niou, aber das werden wir nicht wiederholen. Das bleibt etwas Einmaliges.“ Obwohl es bei Weitem nicht einmalig war, und dessen war sich Yagyuu auch bewusst. Niou war von der Antwort jedoch überhaupt nicht erfreut. Schmollend verzog er sich in eine Ecke und wartete auf die Anderen, mit denen er sich hoffentlich besser die Zeit vertreiben konnte. Die nächsten, die kamen, waren Yukimura und Sanada. Sie kamen zusammen, also hatten sie sich wahrscheinlich schon vorher getroffen. Allerdings wusste Niou schon, dass er sich mit ihnen wohl auch nicht viel beschäftigen konnte, denn die beiden waren schon fleißig mit einander beschäftigt. Beide nickten Niou kurz zu, bevor sie augenblicklich in Richtung eines anderen Raumes verschwanden. „Niou, ruf uns, wenn alle da sind“, war Sanada letzter Kommentar. Dann waren beide außer Blickfeld, dafür hörte man sie umso besser. Mit dem nächsten Rikkai hatte Niou mehr Glück. „Hey, Jackal, wie wär's mit nem Kartenspiel?“, fragte der Silberhaarige kaum, dass der andere einen Fuß in den Raum gesetzt hatte. Jackal zuckte mit den Schultern. Er spielte gerne mit Niou, auch wenn er irgendwie immer verlor (er konnte selbst nicht genau sagen, wieso das so war, aber er war ja kein schlechter Verlierer). Nur wenig später gesellte sich Marui zu den Beiden. Er auch spielte gern mit, obwohl er eigentlich lieber mit Akaya spielte, der verlor wenigstens immer gegen ihn. Marui schaute auf, als er ein schlurfendes, klatschenden Geräusch hörte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Es fehlten nur zwei Leute, Renji und Akaya, und irgendwie hatte er die Befürchtung, dass diese unschönen Geräusche von ihrem Jüngsten verursacht wurden. Keine Sekunde später kam Akaya in den Raum geschlurft. Er trug wie alle anderen auch inzwischen andere Klamotten, aber sie waren dennoch komplett blutgetränkt. Marui lief besorgt zu ihm. Akaya musste zwischendurch wieder einen seiner Anfälle gehabt haben, wenn nicht sogar mehr. Noch bevor Marui Akaya erreichte, kippte dieser gerade nach vorne um. Mit letzter Kraft streckte er Marui etwas entgegen. Es war eine Packung seines Lieblingskaugummis. Marui lächelte verlegen, als er es entgegen nahm. Akaya musste einen Riesenumweg dafür in Kauf genommen haben, dieses Kaugummi gab es nämlich nur an einem ganz bestimmten Ort. Der Rotschopf las den Bewusstlosen vom Boden auf. Oh, wie er sich um seinen Kleinen kümmern würde. Yagyuu starrte aus einem dreckigen, kaputten Fenster. Hier waren sie nun also wieder, zurück in ihrem Stammversteck in Yokohama. Er musste es wohl oder übel einsehen, ihren Feldzug gegen die Seigaku hatten sie verloren. Versagen war absolut nicht sein Geschmack, aber es gab keine Ausreden. Vielleicht sollte er aber in diesem Moment doch glücklicher darüber sein, dass sie es alle wohl behalten aus dem Gefängnis geschafft hatten. Ihre Feinden zur Rechenschaft ziehen konnten sie jeder Zeit noch, solang sie alle gesund und am Leben waren. Sein Blick schweifte in die Ferne. Aber wo blieb Renji...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)