Die Suche von Taroru ================================================================================ Kapitel 14: Befreiungsversuch ----------------------------- „Was ist passiert?“, wollte Sam gleich von mir wissen. Nach Luft schnappend versuchte ich erst mal wieder, zu Atem zu kommen. „Sie...“, fing ich an: „Sie sind entführt worden.“ „Du siehst ja schlimm aus!“, stieß Hagen zwischen den Zähnen aus. „Halb so wild“, winkte ich ab. „Evi und Fine brauchen Hilfe. Sie sind eingeschlossen. Es muss hier in der Nähe sein.“ „Was? Wo sind sie?“, aufgeregt sprang Sam auf, als sie das fragte. Hagen schaute mich genauso gespannt an und wartete auf eine Antwort. Wacklig stand ich auf. Diese Gegend. Das war es! Diese Gegend hatte ich vom Riss aus gesehen! Schnell machte ich ein paar Schritte auf die Kirche zu. Sam und Hagen sprinteten verwirrt hinter mir her. „Was ist los?“, rief Hagen mir hinterher. Von Sam kam ein: „Warte doch mal!“ Doch ich ließ mich nicht beirren und ging weiter auf das Gebäude zu. Unentschlossen blieb ich stehen. „Mhmm...“, mehr war von mir nicht zu hören. „Verdammt! Das ist doch hohl! Was bezweckst du damit?“, tippte Sam mich an. Ich tastete die Wand ab. Irgendwo musste der Riss sein. Schritt für Schritt suchte ich die Steine weiter ab. „Sssch..... seid mal leise!“, forderte Hagen auf einmal: „Hört ihr das!“ Wir wurden still und lauschten. „Ich kann nur den Wind hören, Menschen, Rufe...“, zählte Sam auf. Dann stockte sie. „Moment, Rufe! Das sind doch die Stimmen von Fine und Evi!“, rief sie plötzlich aufgeregt. Sie sprang regelrecht an die Wand: „Es kommt von hier!“ Eilig rannte ich zu ihr. Ja, da war der Riss, ganz fein im Stein zu sehen. „Sie sind also in der Kirche“, stellte Hagen fest. „Kommen wir da jetzt rein?“, verlangte ich zu wissen. Sam rannte um die Ecke und kam aufgeregt wieder. Sie winkte uns zu. Hagen und ich setzten uns in Bewegung. Schnell gingen wir ihr hinterher. Tatsächlich, die Tür war offen. Vorhin war sie noch geschlossen, merkwürdig, aber was soll’s. Wir gingen rein. Es war Dunkel und meine Augen brauchten ein bisschen Zeit, sich daran zu gewöhnen. Langsam konnte ich die Umrisse einzelner Bänke erkennen. Es gab auch ein paar Leute, die sich die Kirche ansahen. „Wir müssen irgendwo runter! Sie waren im Keller!“, rief ich Hagen zu, der schon vor gegangen war. „Hier geht’s runter!“, hörte ich Sam von einem versteckten Winkel rufen. „Wo?“, donnerte es durch die Kirche. Erschrocken zuckte Hagen zusammen. So einen Lärm wollte er nicht machen. Sam tauchte in meinem Blickfeld auf. Sie war rechts von mir einen Gang runter gegangen. „Nicht so laut, Hagen!“ flüsterte sie vorwurfsvoll. Schuldbewusst zog er die Schultern hoch. Langsam gingen wir die Wendeltreppe nach unten, darauf bedacht so leise wie möglich zu sein. Es wurde immer dunkler um uns. Mit jedem Schritt, den wir machten, konnten wir weniger erkennen. „Autsch“, fluchte Sam, die vor uns lief. „Alles okay?“, erkundigte ich mich. Ich trat auf sie zu und stieß gegen etwas festes. „Ich schätze, wir haben die Tür gefunden“, kündigte Hagen an. Mit den Händen taste ich sie ab. Tatsächlich, es war eine Tür aus massivem Holz. Sie war abgeschlossen. Wir konnten noch so sehr daran rütteln, sie gab einfach nicht nach. „Wir sollten die Polizei holen“, äußerte Hagen plötzlich. „Und was sollen wir denen sagen?“, fing Sam an: „Hallo, wir haben die Entführten gefunden. Rein zufällig natürlich. Schließlich sehen wir so vertrauenerweckend aus. Selan hat nur ein geschwollenes Gesicht, weil sie hingefallen ist. Klar, eine gut Idee!“ Er schaute sie nur total verblüfft an. „Sie hat Recht. Wie stellst du dir das vor? Sie haben uns doch so schon kaum vertraut“, faselte ich ruhig vor mich hin. Niedergeschlagen ließ er den Kopf hängen: „War doch nur eine Idee.“ Tja, wir waren immer noch keinen Schritt weiter. „Kannst du dich wieder zu den Beiden zurück wirbeln?“ wollte Sam von mir wissen. Irritiert schaute ich zu ihr: „Wirbeln?“ „Du weißt schon hin zaubern oder wie auch immer du das machst“, griff Hagen ihre Idee auf. „Ehm... ja schon. Aber was bringt das?“, fragte ich nach. „Na, du könntest die Tür vielleicht von innen öffnen. Zumindest wäre es einen Versuch wert“, erklärte Sam.„Das klappt nicht!“, widersprach ich. Hagen schaute mich entgeistert an: „Was? Wieso nicht? Bist du verrückt?“ Milde lächelnd schüttelte ich mit dem Kopf: „Nein, verrückt nicht. Es kann nicht klappen, die Beiden sind nicht an einer Tür. Es würde ewig dauern, wenn überhaupt, bis wir hier sind... Außerdem, wenn ich jetzt da rein sollte, könnte es passieren, dass ich in der Wand stecken bleibe, weil ich nicht sehen kann wo ich hin springe!“ „Aber als du sie aufgespürt hast, hat es doch auch geklappt, oder nicht?!“ protestierte er. Ich setzte zum Sprechen an, aber Sam unterbrach mich: „Hört auf! Das führt zu nichts. Wir müssen einen kühlen Kopf behalten. Es wäre doch hohl, jetzt sich fest zu klammern. Wir müssen einen anderen Weg finden! Okay?“ Zögernd nickten wir ihr zustimmend zu. Wir gingen also wieder langsam nach oben. Jeder in Gedanken versunken. Wir hatten ein Problem, so viel stand fest. Keiner von uns wusste, was wir tun sollten - besser - was wir tun konnten. „Hey! Nicht so grob!“, hörten wir eine protestierende Stimme, die uns entgegen kam. „Scheiße, hier kommt Jemand runter!“, alarmierte uns Hagen. Aufgeschreckt suchte ich einen Schlupfwinkel. „Lars, ich kann jetzt nicht. Man versucht mich zu verschleppen! - Hey, Sie tun mir weh, Sie Grobian!“, hörten wir schon wieder diese Stimme sagen. Diesmal klang es schon viel näher. Dann vernahmen wir näher kommende Schritte. Es waren schwere Schritte, als wenn diese Person etwas tragen würde, vermutlich tat sie das auch. „Wir müssen weg!“, flüsterte Sam panisch. „Ich weiß. Aber wo sollen wir denn hin?“, entgegnete ich leise. Hagen erwiderte ebenso leise: „Vielleicht können wir sie überwältigen? Es wäre zumindest einen Versuch wert, oder?!“ „Ich weiß nicht. Wir wissen doch gar nicht wie viele es sind. Und sich jetzt noch einen Plan ausdenken...“, gab ich zu bedenken. „Sie müssten gleich hier sein! Die Schritte sind schon ganz nah!“, wisperte Sam mir zu. Wir mussten eine Entscheidung fällen, und zwar schnell. „Lars! Ich kann jetzt nicht frei reden, dieser schmierige Typ hört doch zu!“, klang diese Stimme zu uns runter. „Jetzt ist aber gut, du olle Göre!“, erklang polternd eine kräftige Männerstimme. Es schienen nur zwei Personen zu sein, wir hätten also eine geringe Chance. „Okay, wir versuchen es!“, kündigte ich an. „Was?“, kam es panisch von Sam. „Ich werde mich nach oben 'Wirbeln`, wie du so schön sagtest und versuchen, sie zu überwältigen. Ihr haltet hier unten die Stellung. Alles klar?“, erklärte ich leise. Die beiden nickten zustimmend. „Sei vorsichtig!“, raunte mir Hagen zu. Von mir kam ein aufmunterndes Lächeln als Antwort. Ich fing an, mich zu Konzentrieren und stellte mir die Stufen vor, auf denen ich landen wollte. Schon spürte ich, wie sich alles um mich herum auflöste und schließlich wieder feste Form annahm. Auf den gewünschten Stufen fand ich mich wieder. Vor mir vernahm ich eine Stimme: „Hey Mister! Sie tun mir weh. Sie sind verdammt grob!“ Hastig lief ich die Treppe runter und rief: „Hey ist da wer? Ich glaube, ich habe mich verlaufen!“ „Verflucht! Hier ist jemand!“, erklang die grollende Männerstimme. Dann vernahm ich einen Knall. „Aua! Ich habe mir den Kopf gestoßen! Können sie denn nicht vorsichtiger sein?!“, schallte aufgebracht eine Stimme hoch. Hastige Schritte waren zu hören und ein Geschimpfe. Plötzlich stand dann dieser Mann vor mir. Auf den Schultern trug er ein Mädchen, das ein Telefon am Ohr hielt. „Ähm... hallo! Ich habe mich verlaufen...“, wisperte ich zögernd. Der Typ sah gefährlich aus und dieses Mädchen telefonierte seelenruhig. Ich war mir nicht sicher, ob die Beiden nun Partner waren oder ob sie entführt wurde. Zumindest schien sie keine Angst zu haben, nein sie sprach weiter mit ihrem Handy. Verdutzt sah mich der Typ an, seine Begleiterin dagegen nahm mich überhaupt nicht wahr. Für eine Zehntelsekunde war ich unentschlossen. Doch dann stürmte ich los und rammte meine Schulter in seinen Bauch. Dadurch verlor er sein Gleichgewicht und drohte nach hinten zu fallen. Das Mädchen ergriff ich beim Arm, zerrte sie von ihm weg und stieß ihn mit dem Fuß nach unten. „Achtung! Er kommt!“, rief ich Sam und Hagen zu. Mit wildem Gebrüll stürzten sie sich auf ihn. „Alles okay bei dir?“, erkundigte ich mich bei der Geretteten. Sie nickte und sprach weiter in ihr Handy. Sam kam zu mir hoch und rief mir entgegen: „Alles klar bei dir, Selan?“ „Ja, uns geht es gut“, lachte ich ihr zu. „Uns?“, kam sie ratlos hoch. Lächelnd äußerte ich: „Ja. Hier, da ist die Eigentümerin der Stimme, die wir gehört haben.“ Mit diesen Worten zeigte ich auf das telefonierende Mädchen. „Jaaa... er hat einen Schlüssel!“, jubelte Hagen. Sam und ich stürmten nach unten. Es wurde Zeit, die Anderen zu retten. Vor lauter Aufregung vergaßen wir die Fremde. Währenddessen hatte Hagen schon ein paar Schlüssel ausprobiert. Schließlich fand er den Richtigen und schloss auf. Mit einem Quietschen schwang die Tür nach innen auf. Schwarze Finsternis schlug uns entgegen. „Warum haben Verbrecher immer zu wenig Geld für ein paar Lampen?“, schimpfte Sam. Niemand gab ihr eine Antwort. Schweigend traten wir in den Gang. „Ich kann gar nichts sehen“, raunte Hagen. „Wir doch auch nicht“, flüsterte Sam. Langsam tasteten wir uns an der Wand entlang. „Hoffentlich finden wir sie bald!“, gab Sam uns leise zu verstehen. Hagen dagegen meinte nur: „Ich hoffe wir finden hier auch wieder raus.“ „Was haltet ihr davon, wenn wir sie rufen?“, überlegte ich laut. „Bist du irre?! Was ist, wenn hier noch mehr von diesen Typen sind?“, widersprach Hagen heftig. „Ist ja gut. Ich meinte ja nur...“, gab ich klein bei. Schweigend irrten wir weiter. Hagen ging voraus, dann folgte Sam und das Schlusslicht war ich. Dieser Irrgarten von Gängen nahm kein Ende. Langsam begann ich die Orientierung zu verlieren, nicht, dass ich vorher wusste, wohin wir eigentlich liefen. Es war Stockfinster und wir wussten nicht einmal, von wo wir gekommen waren. Alles sah gleich aus, jeder Gang glich einem, wie dem anderen, wie ein Ei dem anderen. Es war zum verrückt werden. Unmut machte sich zwischen uns breit und wir begannen die Hoffnung zu verlieren. „So groß ist die Kirche doch gar nicht“, meinte Sam plötzlich. „Stimmt! Du hast Recht. Aber wo sind wir dann?“, stimmte Hagen ihr sorgenvoll zu. „Naja, es gibt doch solche Geschichten, dass es einen Tunnel unter dem See geben soll. Was ist, wenn wir in dem gelandet sind? Dann haben wir die Anderen irgendwo verpasst“, erklang es sorgenvoll von Sam. „Wir hätten doch irgendwo abbiegen sollen“, äußerte ich nur dazu. „Das bringt jetzt auch nichts. Die Frage ist eher, was machen wir jetzt?!“, meinte Hagen trocken. Vor uns hin grübelnd verfielen wir in ein bedrückendes Schweigen. „Was haltet ihr davon, wenn wir zurück gehen?“, erkundigte sich Sam. „Ich weiß nicht....Weißt du denn noch, wo es zurück geht?“, antwortete Hagen. Bedrückt schüttelte sie verneinend den Kopf, auch wenn wir es kaum sehen konnten. „Hey, aber ich weiß es!“, rief ich aufgeregt. Sofort erglomm ein Hoffnungsschimmer und beide schauten mich erwartungsvoll an. Sie brauchten mich nicht zum Weiterreden bitten, schon kamen die Worte aus mir heraus gesprudelt: „Ich kann den Weg zurück verfolgen, den wir gegangen sind.... darauf hätte ich schon viel eher kommen müssen!“ Mit neuer Hoffnung machten wir uns auf den Weg zurück. Wir mussten schon mehrere Stunden unterwegs sein und wir wurden immer müder. Es wurde immer schwerer ein Schritt vor den anderen zumachen. „Wie lange brauchen wir noch?“, erklang Hagens Stimme, der irgendwo hinter mir war. „Ich weiß es nicht....“, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. Schweigend trotteten wir weiter, bis vor uns eine unbekannte Stimme erklang: „Hallo? Ist da wer?“ „Was sollen wir tun?“, flüsterte Sam. Ratlos zuckte ich mit den Schultern. Auch Hagen wusste keinen Rat. „Ist da wer? Nun antwortet doch!“, hörten wir wieder diese Stimme. Sie klang nicht bedrohlich, aber sie kam mir irgendwie bekannt vor. „Lars, es geht jetzt nicht. Der Empfang ist total schlecht! Ich muss meine Retter finden und ihnen sagen, dass ihre Freunde in Sicherheit sind!“, erklang sie wieder. Da kam mir ein Geistesblitz, das war das telefonierende Mädchen, das entführt werden sollte! Auch Sam schien sich zu erinnern: „Hey die Stimme kenne ich doch! Ist das nicht das Mädchen von vorhin?“ Ich nickte und Hagen meinte: „Du meinst wohl vor ein paar Stunden?“ Er lächelte bei diesen Worten. Uns war klar, dass dieses Mädchen keine Gefahr war und wir wollten uns zu erkennen geben, als sie auch schon über uns stolperte. „Ah... da seid ihr ja!“ Schon lief sie auf uns zu. „Ähm ja....“, stotterte ich. „Endlich hab ich euch gefunden! Ich wollte mich doch bei euch bedanken! Also vielen DANK! Ach so und eure Freunde sind wohlbehalten bei der Polizei angekommen...“, unterbrach sie mich mit ihrem Redeschwall. „Okay, okay... Aber wie hast du uns gefunden?“, unterbrach Hagen sie. „Ich bin nur diesem Gang gefolgt. Ich kenne mich hier aus. Es war ein leichtes euch zu folgen....“, fing sie an doch Sam sagte nur: „Das ist unwichtig! Hauptsache wir kommen hier raus, oder nicht!?“ Von uns kam ein einstimmiges Nicken. „Da du dich hier ja auskennst, kannst du uns ja raus führen, oder?!“, erkundigte ich mich bei ihr. Als Antwort stapfte sie gleich drauf los und wir folgten ihr mit etwas Abstand. „Meinst du, wir können ihr trauen?“, flüsterte Hagen mir zu. Ich wusste es nicht. Es war schon verdächtig, dass sie sich auskannte und seelenruhig telefonierte, als sie entführt wurde. Jeder andere hätte doch um Hilfe geschrien, zumindest hätte ich das getan. Wie das, hier, auf der Erde war, wusste ich ja nicht. Nach langem Überlegen gab ich ihm zu verstehen, dass ich es nicht wusste und ihm keine Antwort darauf geben konnte. Misstrauisch trotteten wir weiter. Die Unbekannte schien von unserer Unterhaltung nichts mitbekommen zu haben. Zumindest schien sie zu wissen, wohin wir liefen. Also folgten wir ihr mit einem gewissen Abstand. Sam dagegen schien ihr voll zu vertrauen, denn sie redete ununterbrochen auf die Fremde ein. Durch die Akustik in diesen Gängen war es aber schwer die beiden zu verstehen. „Meinst du, sie bringt uns wirklich zu einem Ausgang?“, flüsterte ich Hagen zu. Er zuckte nur verlegen mit den Schultern und wollte nicht weiter darauf eingehen. Durch das ständige Laufen in vielen dunklen Gängen habe ich gänzlich ein Gefühl für die Zeit verloren. Ich konnte nicht sagen, ob wir schon seit Stunden, Tagen oder sogar Wochen, Monaten durch die Gegend irrten. Mir taten meine Füße weh und ich wollte nur noch hier raus. Wie es den Anderen ging, konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Hagen schwieg vor sich hin und Sam sprach und lachte immer noch mit unser vermeintlichen Helferin. Viele male fragte ich mich, ob es Fine und Evi wirklich gut ging oder ob die Fremde uns angelogen hatte. Vielleicht wollte sie uns in eine Falle führen. So langsam schien ich paranoid zu werden. „Hey, wir schaffen das schon! Mach dir nicht so viele Gedanken, ja?!“, stupste mich Hagen aufmunternd an. Er schien zu ahnen, was in meinem Kopf vorging. Stumm nickte ich, unfähig auch nur einen Ton raus zu bekommen. „Es kann nicht mehr lange dauern. Wir haben es gleich geschafft!“, rief uns die Führerin nach hinten zu. Hagens Gesicht begann zu strahlen. Er schien sich wirklich zu freuen. Sam stieß ein Jubelschrei aus. Wir waren alle glücklich, dass es bald zu Ende war, in dieser drückenden Dunkelheit umherzuwandern. Doch nach geraumer Zeit war immer noch kein Ende in Sicht. Hatte sie uns angelogen? Wollte sie uns in Sicherheit wiegen? Immer mehr solcher Gedanken gingen mir durch den Kopf. Ich konnte nichts dagegen tun, sie durchdrangen mein Denken und schließlich auch mein Handeln. Irgendwann schien in mir ein Seil zu reißen und ich stürzte mich auf sie. „Was hast du vor? Was führst du im Schilde? Sprich!!“, schrie ich sie an. Sam und Hagen waren so perplex, sie wussten gar nicht, was sie sagen, geschweige, machen sollten. Mit dieser Aktion hatte ich alle überrumpelt. Doch die Fremde wehrte sich mit Händen und Füßen. Sie war stark, das musste ich zugeben. Es war schwer sie am Boden zu halten, aber es gelang mir. Sam fand zuerst ihre Sprache wieder: „Das ist doch hohl!! Was machst du denn? Bist du verrückt geworden, Selan?“ Keuchend antwortete ich: „Nein, bin ich nicht, aber sie ist es!“ „Was soll das denn heißen?“, plusterte sich meine Gegnerin auf. „Du weißt das ganz genau! Du willst uns in die Irre führen! Gib es doch zu, du Verräterin !“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Erstaunt guckte sie mich vom Boden aus an. Sie schien wirklich nicht zu verstehen, was ich meinte. Doch meine Gedanken sagten mir nur, sie sei eine gute Schauspielerin, die es schaffte, uns so gut etwas vorzutäuschen. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass ich mich vielleicht irren könnte. „Hey!! Jetzt ist aber mal gut! Lass sie los, Selan!“, forderte mich Hagen auf. „Aber...“, begann ich zu protestieren. Beide fassten mir sanft an die Schultern und zogen mich von ihr weg. „Es ist alles okay“, flüsterte Sam mir ins Ohr. Die Fremde erhob sich langsam und klopfte den Staub von ihren Sachen. Erst später wurde mir klar, dass diese Aktion verdammt dumm war, aber fürs erste konnte ich mich nicht beruhigen. Für mich stand fest, dass sie uns in die Irre geführt hatte, sie gehörte zu diesen Entführern. „Sie lügt! Wo ist denn hier der Ausgang?!“, schrie ich. Sam und Hagen hatten ganz schön zu tun, mich festzuhalten, denn ich wollte nur eins: der Verräterin wehtun! „Aber der Ausgang ist doch gleich da vorne....“, sprach sie mit ihrer unschuldigen Stimme, mit der sie die anderen beiden in ihren Bann gezogen hatte. Sie schienen ihr zu glauben. „Hallo? Ist da wer?“, erklang dann aus der Ferne eine weitere Stimme. „Da habt ihr es, die Verstärkung ist schon unterwegs!“, stieß ich zwischen den zusammengepressten Lippen hervor. Verdutzt schauten mich alle drei an. „Was meinst du damit? Ich kenne diese Stimme nicht“, versuchte die Verräterin uns weiß zu machen. Warum konnte sie nicht endlich zugeben, dass sie uns reinlegen wollte? ,Warum beharrte sie so auf ihre Unschuld?`, ging es mir immer wieder durch den Kopf. „Ach was, erzähl doch nicht! Klar kennst du sie!“, brüllte ich, riss mich von meinen Freunden los und stürzte mich auf sie. Sie hatte keine Zeit mehr zum Reagieren, polternd landeten wir auf dem steinharten Boden. „Aufhören!“, rief Hagen ganz aufgebracht. „Das ist doch hohl! Hört auf, mit dem Blödsinn!“, rief auch Sam dazwischen. „So kommen wir doch nie hier raus! Wir müssen zusammenhalten!“, polterte dann Hagens Stimme durch die leeren Gänge. Doch ich ließ mich nicht beruhigen. Ich wurde den Gedanken einfach nicht los, dass sie uns in eine Falle gelockt hatte. „Was ist den hier los?“, erklang wieder diese unbekannte Stimme. Diesmal schien sie viel dichter zu sein, als vor ein paar Minuten. Dann drangen schnelle hastige Schritte an mein Ohr. Schon wurde ich an der Schulter gepackt und von meiner Gegnerin fort gezerrt. „Jetzt ist aber mal gut! Wenn ihr noch weiter so einen Krach macht, stürzt die Decke noch herunter!“, erklärte der Neuankömmling gelassen. Verdutzt schauten wir vier auf ihn und wussten nicht, was wir tun sollten. Von oben bis unten bemusterten wir ihn und wussten nicht, was wir von ihm halten sollten. Aus Kopfhörern, die er um den Hals trug, erklang Musik. Das Erscheinungsbild war nicht gerade vertrauenerweckend, mit seinen himmelblauen Dreads, der zerrissenen dreiviertel Hose und den pinken Stiefeln. „Der sieht aus, wie einer vom anderen Stern“, rutschte es Sam raus. Doch davon schien er sich nicht beeindrucken zulassen. „Wir müssen hier raus! Und zwar schnell!“, sagte er und drehte uns den Rücken zu. Er ging den Weg zurück, von wo er gekommen war. Was blieb uns anderes übrig, als ihm hinterher zu gehen. Lustlos stapften wir hinter ihm her. „Ich hab doch gesagt der Ausgang ist nicht mehr weit“, sagte die Verräterin. Sie schien doch die Wahrheit gesagt zu haben, denn man konnte ein Licht am Ende des Ganges erkennen. „Das hast du schon vor Stunden gesagt gehabt! Und wir haben kein Ende gesehen!“, rief ich ihr zu. Ich merkte, wie die Wut wieder in mir hochkam. Doch Hagen fasste mich an der Schulter und beruhigte mich: „Komm, Selan, lass gut sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)