Out of Place von Nordwind (Eine Frage des Vertrauens) ================================================================================ EINS ---- EINS| ein Jahr später… Der Tag war grau. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und Regentropfen trommelten in einem unregelmäßigen Rhythmus auf die Pflastersteine. Die Gebäude, die wenigen Menschen mit Regenschirmen und die Autos verschwammen hinter den grauen Schleiern zu vagen Schemen. Kai stieg als Letzter aus dem Zug. Er hatte es noch nie besonders gemochte von anderen Menschen angerempelt zu werden und genau das taten sie, wenn es darum ging ein öffentliches Transportmittel zu verlassen. Sie quetschten sich durch die schmalen Türen, als gäbe es kein Morgen. Absurd, aber man gewöhnte sich daran. Er schulterte seine Reisetasche und ging dann mit raschen Schritten auf das beigefarbene Bahnhofsgebäude mit den großen gewölbten Fenstern zu. Im Gegensatz zu den anderen Reisenden störte ihn der Regen relativ wenig, aber selbst er war nicht besonders scharf darauf sich eine Erkältung einzufangen. Er zog sich seine Kapuze über den Kopf. Das musste vorerst reichen. Er betrat das Gebäude nicht, sondern ging in einem Bogen darum herum. Auf dem Platz vor dem Bahnhof zwängten sich japanische Gebrauchtwagen zwischen Marschrutki und klapprige Bussen. Kai erkundigte sich nach einem Bus, der zum Fährhafen fuhr und ließ sich kurz darauf in einen mit braunem Stoff überzogenen Sitz sinken. Kai zog sich die Kapuze vom Kopf und strich einige trotzdem nass gewordenen Strähnen aus seiner Stirn. Er stellte seine Tasche auf dem Platz neben ihm ab und öffnete dann eine kleine Seitentasche um wenige Sekunden später einen ein wenig ramponierten Briefumschlag hervorzuziehen. Zum hundertsten Mal in den vergangenen sieben Tagen, die er auf der transsibirischen Eisenbahn verbracht hatte, entfaltete er das Stück Papier und überflog die Zeilen ein weiteres Mal. Sehr geehrte Mr. Hiwatari, wir möchten Sie gerne zu unserer japanischen Beyblade Woche vom x.x. bis zum x.x.xxxx nach Tokyo einladen. Das Programm beinhaltet vor allem öffentliche Wettbewerbe für Amateurbeyblader, die bei den professionellen internationalen Teams auf sich aufmerksam machen wollen. Weiterhin werden die Regeln für die kommenden Weltmeisterschaften sowie das Einschreibedatum bekannt gegeben. Es werden unter anderem die verschiedenen Beyblader weltweit vorgestellt und verschiedene technische Neuheiten präsentiert. Für ihre Unterkunft und ihre Anreise kommen wir gerne auf. Wir würden uns über Ihr Kommen sehr freuen und bitten um eine baldige Rückmeldung. gez. Stanley Dickenson; Vorsitzender der BeyBlading Association Bis dahin war der Brief an sich in Ordnung. Kai hatte ihn in jenem Postfach gefunden, dass er auf Wunsch (eher Drängen) von Mr. Dickenson unter einem falschen Namen in Moskau führte. Kai ging nicht oft dorthin um zu sehen ob es eine Nachricht gab. Außer Mr. Dickenson kannte es niemand und der hatte an sich keinen Grund Kai zu schreiben. Es diente lediglich als Möglichkeit zur Kontaktaufnahme in Notfällen und Ähnlichem, weil Kai ihm damals vor einem Jahr nicht hatte sagen wollen wohin er ging. Das hatte allerdings vor allem daran gelegen, dass er damals selbst noch keine Ahnung gehabt hatte, was er in Zukunft tun wollte, aber das wiederum hatte Mr. Dickenson nicht zu wissen brauchen. Er hätte sich nur unnötig eingemischt und Kai hatte genug Einmischung in sein Leben gehabt. Tatsache war, dass Mr. Dickenson ihm anfangs tatsächlich Briefe geschickt hatte, in denen er von dem Befinden und Tun und Lassen der Bladebreakers schrieb und wie sehr sie ihn doch vermissen würden und Fragen nach seinem Befinden und seiner Adresse stellte. Kai hatte nie einen dieser Briefe beantwortet, was wohl auch der Grund dafür gewesen war, dass er das Postfach bald nur noch leer vorgefunden hatte, zumindest bis vor zwei Wochen. Eigentlich hatte Kai vorgehabt die Einladung einfach ignoriert. Er hatte kein Interesse daran sich in der Öffentlichkeit zu zeigen während Boris und sein Großvater noch immer nach ihm suchten. Ganz im Gegenteil. Nicht umsonst hatte er das letzte Jahr in einer kleinen Stadt außerhalb von Moskav verbracht. Eine kleine Stadt wohl, aber nicht klein genug um als Neuankömmling aufzufallen, nicht groß genug um erkannt zu werden und weit genug von Moskav entfernt um nicht als das erkannt zu werden was er war. Es war die Notiz unter dem eigentlichen Brief gewesen, die ihn dazu gebracht hatte doch zu gehen. Eine handgeschriebene Notiz auf Russisch und Kai bezweifelte stark, dass diese krakelige Schrift Mr. Dickenson gehörte. Im Gegenteil, er wusste ganz genau wessen Schrift es war. Tebe bi luchshe pojavit'sja, tvoi druz'ja skazut tebe za eto spasibo. Du tauchst besser auf, deine Freunde werden es dir danken. Kai war nichts sicher, wer diese Notiz geschrieben hatte und vor allem, wie derjenige an den Brief gekommen war, doch er würde es wohl oder übel bald herausfinden. Er hasste es auf Drohungen eingehen zu müssen und tat es so selten wie eben möglich. Deshalb hatte er beschlossen nicht mit dem Flugzeug zu fliegen. Keiner würde von ihm erwarten den Zug zu nehmen. Wenn sie am Flughafen auf ihn warten sollten, dann konnten sie warten bis sie schwarz wurden. Wenn er schon ihr Spiel spielen musste, dann wenigstens nach seinen eigenen Regeln. Die Fähre nach Yokohama fuhr gegen Mittag, es blieben ihm also noch ein paar Stunden Zeit um seine weitere Vorgehensweise zu planen. Aber was gab es schon zu planen? Er hatte auf der Zugfahrt genug Zeit gehabt um seine Situation zu überdenken und war zu dem Schluss gekommen, dass ihm keine andere Wahl blieb als nach Tokyo zu gehen und zu sehen was auf ihn zukam. Kai schob den Brief zurück in den Umschlag und verstaute ihn dann wieder in seiner Tasche. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück, während der Bus langsam losrollte. Kai ließ seinen Blick über das verregnete Hafenanlage Vladivostoks schweifen, die sich beinahe über die ganze Küste hinweg zog. Einfache Güterschiffe ankerten zwischen kleineren Fischerbooten und umso größeren Kriegsschiffen, während Regentropfen dumpf gegen die Fensterscheibe prasselten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)