Out of Place von Nordwind (Eine Frage des Vertrauens) ================================================================================ ZEHN ---- So, Teil 2 der Demolition Boys internen Krise oder so. Wie versprochen bin ich aus dem Urlaub zurück und hab so schnell wie möglich hochgeladen. ^__^ ZEHN| Mit einem Mal war es still in dem geräumigen Appartement. Nur das Trommeln der Regentropfen gegen die große Fensterfront untermalte das abrupte Schweigen. Draußen war es inzwischen völlig Nacht geworden. Eine Lampe direkt über dem Tisch beleuchtete den Essbereich. Die Küche und der Wohnbereich lagen in Dunkelheit. Spencer drehte sich langsam um, wandte sich von dem Gang ab in dem die Türen zu den Schlafzimmern und zum Bad lagen und setzte sich an den Tisch, dem Platz gegenüber, an dem Tala vor einer kurzen Weile noch gesessen hatte. Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und machte für einen Moment die Augen zu. Er hasste es wenn eine falsche Stimmung im Team herrschte. Es kam glücklicherweise nicht allzu oft vor und wenn, dann war es meistens Talas Schuld. Tala erzählte selten was er dachte und er hatte selten schlechte Laune, aber wenn dann konnte es schon sein, dass sie es alle nur allzu deutlich zu spüren bekamen. Normalerweise war es dann am Besten ihn einfach in Ruhe zu lassen und damit ergab sich die Sache praktisch von alleine. Wenn Bryan schlechte Laune hatte, ließ er sich gar nicht blicken und Spencer selbst, ja er selbst war der einzige, der zumindest im Ansatz über das redete, was ihm nicht passte. Die anderen beiden waren, auch wenn man es ihnen nicht unbedingt ansah, gute und vor allem geduldige Zuhörer. Vor allem Tala. Ihr Teamleader hatte seine Macken, aber er war immer bereit sich jedem Problem anzunehmen und es zu lösen, das einzige wirkliche Problem dabei war, dass er es zumeist alleine tat. Normalerweise war es am Besten Tala einfach machen zu lassen. Er war nicht dumm und eigentlich gelang es ihm immer mit heiler Haut davon zu kommen. Es war nicht die perfekte Lösung mit der Spencer zufrieden war, aber sich mit Tala anzulegen war zum einen oft schmerzhaft und zum anderen herzlich aussichtslos. Blieb die Frage was Bryan dazu gebracht hatte es trotzdem zu tun. Er richtete sich auf und wandte sich halb zu Bryan um, der noch immer gegen die Wand lehnte. „Muss ich erst fragen?“ wollte er wissen und seine Stimme klang neutral. Er hatte weder vor irgendjemandem etwas vorzuwerfen noch Bryan zu provozieren. Er kannte den Anderen lange genug um zu wissen, dass weder das eine noch das andere zu etwas führte. Er wartete. Bryan würde antworten, denn er war eben Bryan und nicht Tala, der direkten Fragen aus dem Weg ging wie der Pest. „Er weiß etwas.“ erwiderte der Silberhaarige ruhig. Er versuchte nicht sich zu verteidigen, denn er sah keinen Grund darin. Bryan tat nur was er für richtig hielt und von dessen Richtigkeit er überzeugt war. „Er hat nicht vor es uns zu sagen.“ Natürlich hatte er das nicht. Das war Tala. Er war schon immer so gewesen. Wenn er ein Problem erkannte und eine Möglichkeit sah es alleine zu lösen, dann wollte er niemanden sonst mit hineinziehen. Tala war jemand, der niemals für sich selbst lebte, sonder immer in erster Hinsicht für jemand anderen. So war es schon immer gewesen und Bryan wusste das besser als Spencer und Bryan war immer der erste, der es bemerkte. Bryan war derjenige, der Tala am längsten kannte. Länger noch als Kai. Sie hatten sich schon vor der Abtei gekannt und das bedeutete wirkliche lange. Tala war nicht umsonst Teamleader und war nicht umsonst widerspruchslos von allen als solcher anerkannt worden nachdem ihn Boris dazu ernannt hatte. „Und was sollte das eben?“ fragte Spencer weiter. Das Tala etwas verheimlichte war nichts Neues. Es war nicht einmal unbedingt eine Seltenheit, eher Dauerzustand. „Du hättest ihn nicht so provozieren müssen.“ Bryan stieß sich von der Wand ab, kam an den Tisch und setzte sich Spencer gegenüber. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. „Er hätte sonst überhaupt nichts gesagt.“ antwortete er, worauf Spencer ihm einen halb skeptischen, halb resignierenden Blick zuwarf. „Er hat auch so nichts gesagt.“ erwiderte er und legte die Arme auf den Tisch. „Das hättest du dir doch denken können. Vor allem in so einer Laune. War doch klar, dass er dann nur noch mehr zumacht.“ Bryan nickte. „Mhm“, machte er zustimmend. „Aber ab und zu muss man ihn daran erinnern, dass wir uns nicht einfach damit abfinden.“ Spencer seufzte. Natürlich hatte Bryan irgendwo Recht. Wie meistens. „Glaubst du wirklich, dass er irgendwas damit zu tun hat?“ fragte er schließlich, obwohl er die Antwort bereits kannte. Sie war klar und es war beinahe traurig, dass es so sein musste. Spencer war nicht unbedingt Bryans Meinung, vielleicht wollte er es auch gar nicht sein, aber die Vergangenheit gab ihm Recht. Irgendwo. Irgendwie. „Wenn es um Kai geht ist er unberechenbar.“ ~~~ Tala hatte das Licht ausgeschalten An sich stimmte das nicht, denn er hatte es überhaupt gar nicht erst angemacht, aber das war schlichte Wortklauberei, denn sowohl das eine als auch das andere führte im Endeffekt zu demselben Ergebnis: Das Licht war aus. Er lag seitlich auf dem Bett und schaute zum Fenster hinaus. Die Vorhänge waren zurückgezogen und gaben den Blick auf die in Skyline Tokios frei, die sich in allen Farben leuchtend und blinkend vor dem pechschwarzen Himmel abzeichnete. Er hatte nie verstanden, warum die Menschen, sobald es dunkel wurde, immer unbedingt sofort ein Licht anmachen mussten. Schließlich war die Nacht mit Licht viel dunkler als ohne. Tala hatte sich nie vor der Dunkelheit gefürchtet. Er konnte sich nicht an viel aus der Zeit vor der Abtei erinnern, aber besonders hell war es auch damals nie gewesen. In der Abtei hatte es ab sieben Uhr am Abend kein Licht mehr in den Schlafsälen gegeben. Man gewöhnte sich daran, schließlich konnte man sich an alles gewöhnen. Im Sommer war es recht egal, denn die Sonne ging erst um ungefähr acht Uhr unter, aber im Winter war es an manchen Tagen bereits gegen drei Uhr Nachmittag stockdunkel. Aufstehen mussten sie damals mit dem Sonnenaufgang, allerdings jenem im Sommer, was letztendlich bedeutete, dass das Licht um drei Uhr anging und den Schülern eine Stunde blieb um anständig wach zu werden. Man sollte meinen, dass man bei 17 bis 18 Stunden Dunkelheit am Tag elektrisches Licht zu schätzen lernte, doch nach ebenso vielen Stunden Training und Unterricht unter den grellen Neonröhren an den Decken der Räume wünschte man sich die Dunkelheit praktisch herbei. Nicht die vollkommene Dunkelheit, aber die Dunkelheit der Nacht, die durch das sanfte Licht des Mondes, das durch die Gitterstäbe vor den Fensterscheiben ins Zimmer kletterte, zerrüttet wurde. Die Abtei war kein allzu übler Ort gewesen. Gewiss, der Unterricht war anspruchsvoll und die Trainingeinheiten anstrengend gewesen, aber an sich genommen war es ihm dort besser ergangen als jemals zuvor in seinem Leben. Letztendlich war es nämlich vor allem eines gewesen: eine Schule. Eine Schule, in der man zu Essen bekam, in der es einen Arzt gab, der sich um Verletzungen und Erkrankungen kümmerte, ein solides Dach über dem Kopf und ein Bett mit einer Decke, die dick genug war, damit man im Winter nicht frieren musste. Eine Schule in die jeder aufgenommen wurde, der auch nur den Hauch von Talent besaß, ganz egal aus welcher Gesellschaftsschicht er stammte oder ob er genügend Geld besaß um die Unterrichts- und Verpflegungskosten abzudecken. Nichts war verlangt worden, außer dass man sich an die Regeln hielt und sich anständig anstrengte. Das war die Abtei gewesen, allerdings nur bis zu jenem Tag. Er hatte sich ja für ach so witzig gehalten und geglaubt, niemand könne ihm die Stirn bieten. Er hatte sich bei Nacht aus dem Schlafsaal geschlichen und die Wachen hinters Licht geführt. Alles war so unkompliziert gewesen. Wie alt war er damals gewesen? 9 oder 10? Ein Jahr ehe man ihn und Kai zusammengetan hatte um ein Team zu bilden. Kurz danach war Bryan dazugekommen und dann Spencer. Ian hatte erst später Kais Platz eingenommen, doch er hatte schon damals ab und zu mit ihnen die Trainingseinheiten absolviert. Irgendwann war es gekommen, wie es hatte kommen müssen und natürlich war die Abtei nicht nur eine harmlose Schule gewesen. An Tagen wie diesem wünschte sich Tala in diese Zeit zurück. Man konnte über die Abtei sagen, was man wollte und wahrscheinlich würde vieles davon der Wahrheit entsprechen, doch Tatsache war, dass sie damals, als sie noch Kinder gewesen waren und von all diesen Dingen nichts gewusst hatten, eine Menge Spaß gehabt hatten. Eine Menge Spaß und sie waren Freunde gewesen oder so etwas Ähnliches. Das Leben war ein Spiel gewesen und man hatte noch nicht alles so ernst nehmen müssen. Misstrauen lernt man erst mit der Zeit, dann wenn man einmal verraten wurde. Tala drehte sich um, so dass er mit dem Gesicht zur schneeweißen Wand lag, auf der die Skyline schwache bunte Schatten warf. An Tagen wie diesem war er einfach nur müde. Er war es müde so zu tun, als mache ihm all das nichts aus und als hätte er immer für alles einen Plan B. Es tat weh, wenn Tyson ihn offen beschuldigte Kai auf irgendeine Art und Weise auf seine Seite gezogen zu haben und damit irgendetwas zu planen, es tat weh, wenn die AllStarz zu allererst zu ihm kamen, wenn etwas gestohlen wurde, mit der festen Überzeugung er hätte es persönlich getan und es tat verdammt noch mal weh, wenn selbst Bryan, ausgerechnet Bryan, von dem er geglaubt hatte, er müsse ihn besser kennen, dasselbe vermutete. Ihm war klar, dass er nicht gerade die Art von Person war, die schnell Vertrauen erweckte und er wusste auch, dass er kein Vertrauen verdient hatte. Er wusste warum sie ihn beschuldigten und dass sie es vielleicht sogar zu Recht taten, aber das musste nicht heißen, dass es ihm völlig egal war. Es traf ihn und es war kein schönes Gefühl. Wie ein Stich mit einer winzigen Nadel direkt ins Herz, der einen dumpfen, scheußlich bitteren Nachgeschmack hinterließ und selbst nach all den Jahren hatte er sich nicht daran gewöhnen können. Er erwartete nicht, dass man ihm vertraute, er hatte es niemals verlangt. Das einzige, das er verlangte, war, dass man ihn in Ruhe ließ. Solange man über keinen stichhaltigen Beweis verfügte, sollte man ihn einfach in Ruhe lassen. Er war es müde sich immer wieder rechtfertigen zu müssen und irgendwelche Anschuldigungen abzuweisen. Er hasste es. Er war niemand, der vor der Verantwortung davonlief, aber er war nicht bereit für etwas gerade zu stehen, dass er nicht getan hatte. Sie sollten gefälligst anständig nachdenken und versuchen die Wahrheit herauszufinden, ehe sie zu ihm gerannt kamen. Er vermisste es. Dieses Gefühl. Tala wischte den Gedanken fort. Es war nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt sich in Selbstmitleid zu suhlen. Im Gegenteil. Es war Zeit, dass er entschied was zu tun war. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder er nahm es hin und wartete bis der Dieb gefunden wurde oder er fand ihn selbst. An sich gab es keine Wahl, das Problem löste sich von selbst. Ignorieren konnte er es nicht, weil er praktisch bereits wusste wer dahinter steckte. Die Frage die blieb, war jene, ob Boris es selbst getan oder ob er es tatsächlich geschafft hatte Kai auf seine Seite zu ziehen. Etwas das er besaß und Kai wollte. Einfach, oder? Alles was Kai jemals angestrebt hatte seit jenem Tag an dem er Black Dranzer zum ersten Mal in den Händen gehalten hatte war Perfektion und das einzige Mittel um diese zu erreichen war Black Dranzer selbst. Also besaß Boris nun Black Dranzer und bot ihn Kai an, der im Gegenzug dafür Bitbeasts stehlen sollte? Simpel. Sehr simpel und plausibel. Konnte das die Lösung sein? Wieder Boris, der mit einer Bitbeastarmee… ja, was eigentlich? Was hatte er eigentlich damit gewinnen wollen? Macht? Einfluss? Geld? Und nun? Immer noch? Die Abtei war geschlossen, aber dass hieß nicht, dass man dort nicht mehr hineingelangte. War es denn noch nicht zu Ende? Noch nicht genug? Oder hatte man irgendwo eine andere Schule eröffnet, neue Labore? Oder hatte es die vielleicht schon lange gegeben? Was war das Ziel? Es hatte keinen Zweck, nicht wahr? Er musste mit Boris persönlich sprechen oder wahlweise mit Kai. Tala war der einzige, der zumindest im groben wusste was vor sich ging. Er musste etwas tun, er konnte nicht einfach nur zusehen. Er musste handeln und das so schnell wie möglich. Tala blieb liegen und regte sich nicht. Er blinzelte nicht einmal, sondern starrte lediglich geradewegs auf die im Dunkeln grau gewordene Wand. Er blinzelte nicht einmal dann, als es an der Tür klopfte und Spencer seinen Namen rief. „Tala?“ drang Spencers Stimme dumpf durch das Holz der Tür. „Kann ich reinkommen?“ „Nein.“ brummte Tala schließlich leise und löste sich aus seiner Starre indem er sich auf den Rücken drehte. Scheinbar war seine Stimme zu leise gewesen, denn Spencer öffnete die Türe trotz allem und trat in den stockdunklen Raum. „Tala?“ Das Licht ging an. Bryan stand im Türrahmen, die Hand auf dem Lichtschalter, Spencer einige Schritte vor ihm mitten im Raum. Tala führ sich mit der Hand über die Augen. Seit wann waren die Beiden so penetrant und seit wann hatten sie scheinbar jeden Respekt vor ihm verloren? Tala knurrte eine russische Verwünschung und klang dabei mehr wie ein bedrohtes Tier. Das dachte zumindest Spencer, als ihm leise Zweifel kamen, ob es so gut gewesen war Tala zu folgen. Der rothaarige Russe konnte sehr wütend werden, wenn man ihm nicht genügend Respekt entgegenbrachte und nicht den nötigen Abstand zu ihm einhielt. Tala hatte niemals jemanden besonders nahe an sich heran gelassen. Oder vielleicht doch, aber dann war es lange her. Tala lag auf dem Bett mit dem Gesicht zur Decke gerichtet und mit geschlossenen Augen. Der rothaarige Russe rührte sich nicht und ignorierte seine beiden Teamkollegen vollkommen. Spencer schluckte seine Zweifel hinunter und verbarg sie hinter einer Maske aus Ernst. „Tala“, sagte er nun schon zum dritten Mal. Tala öffnete die Augen und setzte sich beinahe ruckartig auf. „Ich kenne meinen Namen, Spencer“, schnitt er dem Blonden das Wort mit kalter Stimme ab, die keine Widerworte zuließ. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann tu’s und stammel nicht herum.“ Spencer kannte Tala gut genug um sich von diesen Worten nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Kannst du uns nicht einfach sagen, was du über diese Sache weißt?“ Er machte sich nicht allzu große Hoffnung mit dieser Frage, doch er musste es versuchen und Tala konnte von Zeit zu Zeit auch recht vernünftig sein. Manchmal. Tala schweig einen Augenblick lang, bevor er schließlich antwortete. „Ihr schuldet mir noch einen Gefallen.“ sagte er schließlich anstatt Spencers Frage zu beantworten. Er hasste es auf solche Mittel zurückgreifen zu müssen, aber er tat es ohne zu zögern, wenn es denn nötig war. „Haltet euch einfach heraus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)