Out of Place von Nordwind (Eine Frage des Vertrauens) ================================================================================ ZWÖLF ----- Nach der x-ten Überarbeitung bin ich endlich einigermaßen zufrieden mit diesem Kapitel. Allerdings werde ich es mir überlegen, ob in dieser Geschichte noch ein weiteres Match vorkommen wird. Ich hatte es gar nicht mehr so anstrengend in Erinnerung etwas Deratiges zu schreiben... ~~~ ZWÖLF| Hätte Mr. Dickenson auch nur einen Funken anständigen Verstandes besessen, so hätte er Tala ins Gesicht gelacht und einen Kugel gezogen. Stattdessen nickte er jedoch lediglich und ließ ihn gewähren. Niemand widersprach Tala, niemals, und schon gar nicht Mr. Dickenson. Wäre er nur für einen Augenblick nicht der verblendete und naive alte Mann gewesen, der er, bei allem Respekt für sein friedliebendes Wesen, nun einmal war, so hätte er den Gegner persönlich gewählt und einen der weniger bekannten Beyblader genommen. Der Vorsitzende der BBA war ein respektabler und guter Mann, der für alle immer das Beste wollte, doch seine Einschätzungsvermögen anderen Menschen gegenüber ließ des Öfteren zu Wünschen übrig. Er versuchte in allen Menschen immer nur das Beste zu sehen, aber nicht jeder Mensch war nun einmal von Grund auf gut und manche konnten oder wollten es auch gar nicht sein. Mr. Dickenson hingegen konnte oder wollte dagegen nicht sehen welches Unheil er möglicherweise heraufbeschwor. Er nickte Kai mit einem freundlichen Lächeln zu und bat ihn auf das Podium. Jazman zögerte den Bruchteil eines Augenblicks, dann zuckte er jedoch lediglich mit den Schultern. „Tala von den Demolition Boys gegen Kai Hiwatari, den ehemaligen Teamleader der Bladerbreaker!“ Kai blendete das aufkommende Geschrei und die Sprechgesänge aus. Sonnenstrahlen fielen ihm ins Gesicht, während er die Stufen empor stieg. Es erschien ihm mit einem Mal falsch und fahl. Dieses Match würde nicht gut enden. In Mr. Dickensons Augen war ein Match nichts weiter als ein faires Kräftemessen zwischen zwei begeisterten Anhängern derselben Sportart, ein freundschaftliches Spiel. Vielleicht sollte es das auch sein, vielleicht war es auch irgendwann einmal so gewesen, aber jeder, der sich regelmäßig Wettbewerbe oder zumindest die Weltmeisterschaften im letzten Jahr angesehen hatte, musste inzwischen begriffen haben, dass es so nun einmal nicht war. So einfach. Er stieg die letzte Stufe hinauf und blieb dann stehen. Seine Augen streiften kurz Mr. Dickenson, dann Jazman und hielten schließlich inne, als sie auf die Talas trafen. Es war schwer zu beschreiben, was er dort in den eisblauen Tiefen sah. Früher einmal, vor langer Zeit, war es einfach gewesen in Tala zu lesen. Zumindest für Kai. Es war einfach gewesen zu erraten was er dachte und fühlte, was er mit dem was er tat bezweckte, doch heute, heute sah er lediglich die Oberfläche. Talas Augen, nein, Talas ganzes Selbst glich einem zugefrorenem See. Einem See, dessen Tiefe man nur erahnen konnte, mit einer dicken Eisschicht, bei der man ständig befürchten musste an eine dünne Stelle zu gelangen und einzubrechen, wenn man zu weit ging. Es war ein seltsames Gefühl Tala so blind gegenüber zu stehen wie ein Fremder, der er nun einmal nicht war. Oder doch, eigentlich waren sie einander inzwischen so fremd wie nur irgend möglich. Damals waren sie schließlich noch Kinder gewesen. Man sollte meinen, er hätte sich in der langen Zwischenzeit daran gewöhnt, doch manchmal fiel es ihm schwer zu glauben, dass Tala nicht mehr dieselbe Person war, der er einst so nahe gestanden hatte wie einem Bruder. Nein, nicht wie einem Bruder. Bruder war nicht das rechte Wort. Aber das machte nichts, denn heute waren sie mehr Fremde. Er hatte ihn vor einem Jahr kaum wieder erkannt. Talas Augen waren kalt. Kalt wie sie vor einem Jahr gewesen waren, doch etwas hatte sich verändert. Etwas in diesem Blick war anders. Etwas fehlte. Ein Funken, irgendetwas. Irgendetwas, das im vergangenen Jahr noch vorhanden gewesen war. Etwas. Jazman sagte etwas, worauf er und Dickenson das Podium verließen. Kai achtete nicht darauf, er blendete die Stimmen aus, blendete alles um sich herum aus und konzentrierte sich nur auf Tala und auf den fehlenden Funken. Er wandte sich nicht einmal ab, als das Podium sich in der Mitte zwischen ihm und Tala teilte und die beiden Teile in entgegen gesetzten Richtungen wie auf Schienen zurückfuhren. Er beachtete die Kluft nicht, die sich zwischen ihnen auftat und immer größer wurde und auch nicht die in den Boden eingelassene Bowl, die an der freigewordenen Stelle zum Vorschein kam. Was mochte es sein? Was war verschwunden? Es war ein taubes Gefühl. Nicht schmerzhaft, aber auch nicht angenehm. Dumpf. Ein dumpfes Gefühl, wie ein Schatten, den man nicht immer sieht, aber dessen Existenz man sich bewusst ist. Ein Gefühl der Resignation. Leere. Seltsam. „Hast du Angst?“ Kai blinzelte als er Talas spöttische Stimme vernahm, die ihn schließlich aus seinen Gedanken riss. Die beiden Teile des Podiums, auf denen nun je einer von ihnen stand, hatten sich inzwischen je auf einer Seite der Bowl platziert. Tala hatte bereits seinen Shooter gezückt und zielte damit unvermittelt auf Kai. Sein Gesicht war starr wie eine Maske, die Augen unverändert. „Todesangst.“ gab Kai gelassen zurück. Er zog Dranzer und befestigte das dunkelblaue Beyblade an seinem Shooter. Sie brauchten keinen Countdown, niemanden der ihnen ein Zeichen gab oder ein Wort sprach, damit sie zeitgleich beginnen konnten. Wolborg und Dranzer berührten gleichzeitig den Boden der Bowl. Ohne ein Wort oder ein Zeichen. Sie landeten am Rande des Beckens und begannen gleichzeitig in gleicher Geschwindigkeit mit nach vorne und hinten jeweils gleichmäßigem Abstand zu einander ihre Kreise im Stadion zu ziehen. Sie waren dabei absolut synchron. „Was hast du vor?“ fragte Kai schließlich und wechselte übergangslos ins Russische. Niemand brauchte zu hören, worüber sie sprachen. Niemand würde es verstehen außer Bryan und Spencer, die ohnehin über alles Bescheid wissen würden, wenn sie es denn nicht schon bereits taten. „Ich will herausfinden, ob Spencer dich besiegen könnte.“ erwiderte Tala in derselben Sprache, mit demselben ungerührten, desinteressierten Ton. Für einen Außenstehenden musste es sich anhören, als sprächen sie über das Wetter. Im Stadion war es inzwischen mucksmäuschenstill geworden. Das unerwartete Ignorieren des Countdowns, der normalerweise den Beginn eines Matchs ankündigte, und der trotz allem perfekt synchrone Start der beiden Spitzenbeyblader hatte den Zuschauern wohl zunächst einmal die Sprache verschlagen. „Das hat er vor einem Jahr schon getan.“ erwiderte Kai. Seine Augen waren nicht ein einziges Mal zu Dranzer hinuntergewandert und auch Talas Augen ruhten noch immer auf denen Kais. Es war nicht der richtige Zeitpunkt sich provozieren zu lassen, wenn es diesen überhaupt jemals gab. „Nein“, konterte Tala und etwas in seinen Augen änderte sich. Sie blitzten mit einem Mal herausfordernd auf. „Du hast ihn gewinnen lassen. Spencer könnte dich niemals schlagen.“ Wolborg beschrieb mit einem Mal einen Bogen und hielt nun direkt auf Dranzer zu. Beide Beyblades beschleunigten im winzigen Bruchteil einer Sekunde derart, dass sie eigentlich im nächsten Augenblick hätten aufeinanderprallen müssen, doch anstatt einem lauten Krachen, dem Splitern von Teilen und einer kleinen Explosion geschah überhaupt nichts. Stattdessen waren beide Beyblades, sowohl das Blaue als auch das Schneeweiße, mit einem Mal spurlos verschwunden. Ein Raunen ging durch die Reihen der Tribüne anschließend folgte ehrfürchtiges Schweigen. Dann, beinahe sofort, erschien Wolborg in der Mitte der Bowl auf einer Stelle kreiselnd und Dranzer den Bruchteil eines Augenblick später direkt über ihm in der Luft. Wie aus dem Nichts stürzte das blaue Beyblade mit rasanter Geschwindigkeit auf das Weiße hinab. Einen winzigen Augenblick ehe die beiden aufeinander zu prallen drohten, wich Wolborg zur Seite aus und Dranzer, beinahe als hätten sie sich abgesprochen, tat es ihm in die entgegen gesetzte Richtung nach. Erneut nahmen die beiden Beyblades ihre Ausgangsposition auf halber Höhe am Rand der Bowl ein und zogen dort wiederum in derselben Geschwindigkeit ihre Kreise. Das ganze Spiel glich dabei eher einem einstudierten Tanz als einem Match in dem zwei Kotrahenten um den Sieg kämpften. „Also“, nahm Tala das Gespräch erneut auf. „Warum?“ „Warum was?“ fragte Kai zurück. Inzwischen waren seine Augen fest und konzentriert auf Dranzer fixiert, trotzdem nahm er aus dem Augenwinkel wahr wie sich Talas Lippen zu einem vagen Lächeln verzogen. „Warum hast du ihn gewinnen lassen?“ gab Tala gelassen zurück. Er war sich dessen bewusst, dass Kai ganz genau wusste wovon er sprach. Natürlich war er das. Einen Moment lang überlegte Kai, ob er nicht einfach wahrheitsgemäß auf die Frage antworten sollte anstatt schlichtweg zu schweigen und damit praktisch zu gestehen. Das Problem dabei war nur, dass Tala ihm zum einen sehr wahrscheinlich nicht glauben würde und zum anderen wohl nicht wirklich daran interessiert war, eine Antwort zu bekommen, sonder eher daran ihn abzulenken. Es gab eine dritte Möglichkeit, die beste Möglichkeit. „Gegenfrage.“ erwiderte Kai schließlich und sah endlich zu Tala auf. „Warum hast du Tyson gewinnen lassen?“ Tala war ein Meister des Überspielens und er machte diesem Titel alle Ehre indem er, anstatt das Lächeln auf seinen Lippen vor Überraschung erstarren zu lassen, es aufrecht erhielt und lediglich eine Augenbraue hob, so dass er beinahe belustigt gewirkt hätte, hätte das Lächeln auch seine Augen erreicht. „Tyson hat einen fairen Kampf gewonnen.“ antwortete Tala ungerührt. „Er hätte den Kampf fair gewonnen, aber du hättest es ihm nicht unnötig leicht machen müssen.“ Anstatt etwas darauf zu erwidern, griff Tala plötzlich an. Wolborg war mit einem Mal direkt neben Dranzer und griff das blaue Beyblade von der Seite her an. Kai, der mit einem solchen Angriff nicht direkt gerechnet, aber zumindest darauf vorbereitet gewesen war, ließ seinen Dranzer zurückfallen, so dass Wolborg ihn um Haaresbreite verfehlte. Tala ließ sich dadurch jedoch keineswegs irritieren, geschweige denn entmutigen. Stattdessen wechselte Wolborg in Sekundenschnelle die Richtung und griff nun diagonal von Vorne an, doch erneut war Dranzer einen Hauch schneller und beschleunigte um dem Angriff erneut auszuweichen, dieses Mal jedoch nach Vorne. Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Kai machte sich nichts vor. Im Gegenteil, er hatte bereits damit gerechnet, dass Tala ihn zunächst testen würde. Balance und Schnelligkeit waren schon seit jeher seine Stärken gewesen. Natürlich wusste Tala das und natürlich musst er überprüfen in wie weit sich Dranzers Bewegungen verändert hatte. Dasselbe galt übrigens auch umgekehrt. Wolborg war unheimlich schnell und Tala setzte darauf, wobei es wahrscheinlich auch seine Spezialangriffe in sich hatten. Ein Bitbeast durfte man niemals unterschätzen. Da konnte der Beyblader noch so mangelhaft sein, ein Bitbeast hatte immerhin so etwas wie einen freien Willen und konnte im Ernstfall auch alleine kämpfen. Nichts sehr lange und nicht sehr effektiv, aber immerhin. Ein Bitbeast jedoch in Kombination mit einem entschlossenen, talentierten und nicht zu vergessen ausgebildeten Beyblader wie Tala war praktisch unberechenbar und nur sehr, sehr schwer einzuschätzen. Da blieb nichts anderes übrig als den Gegner auszutesten. Tala tat niemals etwas ohne Zweck. Es gab einen Zweck für dieses Match und es gab auch einen Zweck für dieses Gerede. Entweder Tala wollte Zeit gewinnen um ihn besser einschätzen zu können oder etwas anderes. Jedenfalls redete er nicht nur um des Smalltalks Willen. Das tat er niemals. Inzwischen hatten sich dicke, graue Wolken vor die Sonne geschoben und es war ein wenig kühler geworden. Es war schon seltsam wie das Wetter im April so plötzlich umschlagen konnte. Kai begnügte sich weiterhin damit Talas kurzen, aber schnellen Angriffen zu entgehen. Er ließ Dranzer rasante Haken schlagen und in alle Richtungen ausweichen, entfernte sich dabei jedoch niemals weit von dem anderen Beyblade, sondern ließ es gerade so weit zu Seite weichen, dass Dranzer und Wolborg sich nicht berührten. Er startete dabei jedoch nicht einmal den versuch eines Angriffs. Mit einem Mal war es wirklich kalt. Das war nicht mehr nur das eigenwillige Aprilwetter. Das war viel mehr. Es war viel zu kalt und schon fiel die erste Schneeflocke. Kai ließ Dranzer zurück in die Mitte der Bowl weichen und das Beyblade dort auf der Stelle kreiseln. Tala hielt sich nun von ihm fern und ließ Wolborg weite Kreise um ihn herum ziehen anstatt ihn weiterhin zu attackieren. Glitzernder, weißer Raureif überzog langsam die Podiumsteile und die Bowl. Weder Kai noch Tala zeigte sich sonderlich von dem plötzlichen Temperaturumschwung beeindruckt. Diese ein bis zwei Grad unter Null waren nichts im Vergleich zu den Temperaturen, die zeitweise in ihrer Heimat herrschten. Dazu kam, dass sowohl Tala als auch Kai wussten, warum dies geschah. Ein süffisantes Lächeln schlich sich auf Talas Lippen und er verschränkte die Arme vor der Brust. „Du läufst mir gerade direkt in die Falle.“ bemerkte er tonlos und dieses Mal erreicht das Lächeln nicht einmal mehr seine Stimme. „Deine Fallen haben bei mir noch nie funktioniert.“ gab Kai gelassen zurück. Er schloss die Augen anstatt zu beobachten was geschah, er wusste ohnehin was als nächstes passieren würde. Tala ließ sich davon nicht irritieren. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal damit gerechnet Kai ernsthaft in eine Falle zu locken. Sie beide hatten dieselbe Ausbildung hinter sich und sie beide kannten die wichtigste Regel: Man musste eine Falle erkennen und durchschauen, ehe man hinein lief. Was als nächstes geschah passierte zu schnell, als dass man es wirklich hätte beschreiben können. Es war als käme ein Schneesturm aus dem Nichts und zöge in Sekundenschnelle über das Stadion hinweg. Für einen Moment lang war alles vollkommen weiß, so dass es nicht mehr möglich war die Hand vor Augen zu sehen. Die Temperaturen sackten ab und es wurde bitterkalt. Der mit einmal Mal eisig gewordene Wind glich scharfen Klauen, die in Sekundenschnelle über die Gesichter fuhren. Hier und da schrie einer der Zuschauer auf wenn ihm der plötzliche Kälteschock nicht die Stimme geraubt hatte. Für einen Moment erstarrte alles in der weißen Kälte, im nächsten Augenblick zerbrach das Weiß mit einem Klirren, gleich einer Milchglasscheibe, und es war es bereits wieder vorbei. Die Temperatur normalisierte sich und alle Spuren von Schnee waren verschwunden. Kai öffnete die Augen. Er kannte diese Art des Angriffs nur allzu gut. Tala hatte sie immer mit Vorliebe gegen Gegner eingesetzt, die noch niemals zuvor gegen ihn gekämpft hatten und nicht mit etwas derartigem rechneten. Normalerweise war das Match nach diesem Angriff vorbei. Kais Blick fiel auf die Bowl hinab. Diese war bis zur Kante mit Eis gefüllt und glich nunmehr einem zu gefrorenem See. In der Mitte dieser Eisfläche kreiselte Wolborg. Dranzer hingegen befand sich irgendwo weit darunter. „Zeigs mir.“ forderte Tala und Kai sah langsam zu ihm auf. Das Lächeln war von den Lippen des Rothaarigen verschwunden und einem ernsteren, kälteren Ausdruck gewichen. Das Spiel war vorbei. Noch einen Zug, dann würde der Kampf beginnen. „Wie viel stärker bist du geworden?“ Es war ein altes Spiel. Früher, in der Abtei, hatten sie diesen Angriff benutzt um zu Trainieren, um die Stärke ihrer Bitbeasts und ihrer Elemente zu testen. Es war ein spiel gewesen. Irgendwo zwischen all dem Ernst hatten sie ein Spiel daraus gemacht. Kai wandte den Blick nicht ab und er brauchte es nicht zu sehen, denn er wusste genau, was nun jeder andere, der genau hinschaute, beobachten können würde. Tief unter der Eisschicht glomm ein blasses Licht auf, das kaum bis zur Oberfläche hinauf reichte und dort nur als gelblicher Schimmer zu erkennen war. Erst wirkte es eher, als spiele das Auge einen Streich, dann jedoch wurde dieser Schimmer langsam heller, röter und wuchs, bis er sich schließlich über die ganze Eisschicht ausgebreitet hatte. Dünne, kaum sichtbare Dampfschwaden stiegen von der Oberfläche auf. Ein leises knacken, feine Haarrisse auf der Oberfläche, schließlich folgte ein lautes Krachen, Eissplitter wurden durch die Gegend geschleudert. Es wirkte, als wäre das Eis, das die Bowl gefüllt hatte, von innen heraus explodiert. Weder Kai noch Tala machten sich die Mühe den Splittern auszuweichen, keiner der beiden regten sich, die Splitter schienen sie wie durch Zufall ausnahmslos zu verfehlen. Alleine zurück blieb, am Grund des Stadions kreiselnd, Dranzer. Um das blaue Beyblade herum züngelten rotgoldene Flammen. Dann ging alles sehr schnell. Schneller als zuvor, so schnell, dass das untrainierte menschliche Auge den Geschehnissen kaum zu folgen vermochte. Eiszapfen schossen wie aus dem Nichts in die Bowl hinab und Dranzer wich ihnen aus, als hätte er seine Lebzeit nichts anderes getan. Mit den Eiszapfen erschien Wolborg. Während die beiden Beyblades am Boden immer wieder in sekundeschnelle aufeinander prallten, gesellten sich zu den Eiszapfen, die noch immer vom Himmel herunterschossen, Feuerbälle, die wie kleine Meteoriten mit rasanter Geschwindigkeit auf Wolborg zuhielten. Wo sie auf die Eiszapfen trafen, zerschmolzen diese zischend und fielen als kleine Wassertropfen zu Boden, so dass das Stadion bald nass und rutschig war. Wasser spritzte auf wo sich die beiden Beyblades drehten, doch keinen der beiden Beyblader schien sich besonders darum zu kümmern. Im Gegenteil, die Angriffe wurden immer kürzer und schneller. Dann fielen plötzlich keine Eiszapfen mehr und auch die Feuerbälle waren mit einem Mal verschwunden. Der riesige Wolf erschien als erstes. Das schneeweiße Fell des Bitbeasts glitzerte, als wäre es mit einer hauchdünnen Schicht gefrorenen Raureifs überzogen. Die blauen Augen, ähnelten dem Himmel an einem kalten Wintertag, der sich in einem Eiszapfen spiegelte. Ein lautes Heulen zerrüttete die plötzliche Stille, ihm folgte ein hohes Kreischen, wie das eines Adlers. Dann erschien Dranzer, der majestätische Phönix mit goldrotem Gefieder und Augen wie lebendige Flammen. Wie auf einen stummen Befehl hin fielen die beiden Erfurcht gebietenden Kreaturen, die dort über dem Stadion schwebten, übereinander her. Wolborgs rasiermesserscharfe Fänge gruben sich tief in das Gefieder des Phönix’, während sich Dranzers Klauen in das dichte weiße Fell bohrten. „Hättest du so gegen Spencer gekämpft, hättest du problemlos gewonnen.“ verkündete Tala mit zusammengebissenen Zähnen. Ein Bitbeast unter Kontrolle zu halten und ihm dabei auch noch genügen Kraft zuzuführen war sehr anstrengend und schmerzhaft. Nicht für Tala, sondern für jeden Beyblader, der in der Spitzenklasse mitmischte, Kai eingeschlossen. Natürlich übertrieb Tala. So einfach wäre es nicht gewesen Spencer zu besiegen, dafür war der Blonde zu gut, aber sie hatten gerade erst angefangen ernsthaft zu kämpfen. Kai antwortete nicht. Er konzentrierte sich vollends auf Dranzer und hatte nicht vor sich dabei ablenken zu lassen. „Gegen mich kannst du nicht gewinnen.“ fuhr Tala trotz allem unbeirrt fort. Wer wusste schon, auf was er hinaus wollte, wenn es ihm nicht darum ging Kai abzulenken, was er natürlich keineswegs nötig hatte. „Das letzte Mal hat mich dein Sieg das Leben gekostet und ich hab nicht vor diesen Preis noch einmal zu bezahlen.“ Kai erstarrte. Äußerlich mochte es nicht zu erkennen sein, doch in ihm erstarrte alles. Regungslos. Für einen Augenblick wurde ihm schrecklich kalt. Es war, als wäre sein gesamter Körper in Eis gehüllt. ‚Dein Freund, meine ich. Er hat dir bestimmt vergeben.’ ‚Nein, hat er nicht.’ Er hatte es gewusst. Er hatte es immer gewusst. Tala vergas nicht. Tala war nicht dumm. Tala vergab nicht. Nicht so einfach. Nicht nach allem was geschehen war. Er wusste es, er hatte es zu spüren bekommen, warum also überraschte es ihn plötzlich? Warum berührte es ihn plötzlich? Warum ließ es ihn plötzlich so erstarren? „Kannst du dich daran erinnern, Kai?“ wollte Tala wissen, doch seine Stimme wurde etwas leiser. „Erinnerst du dich überhaupt an irgendetwas?“ Kai starrte in die Bowl hinab auf sein Beyblade während sowohl Dranzer als auch Wolborg am Himmel plötzlich innehielten. Es war, als hätte jemand alle Geräusche ausgefiltert und nur Talas Stimme übrig gelassen. Es tat weh. Irgendwie, irgendwo. Ein dumpfer Schmerz. Wie ein Loch, dass sich seiner Nichtexistenz bewusst wurde. Dumpf und leer. Ob er sich erinnerte? „Es war deine Wette.“ antwortete er schließlich. Die Worte waren aus seinem Mund noch ehe er sich bewusst darüber geworden war, dass er genau das nicht sagen wollte. Alles andere, wenigstens ein schlichtes ‚Ja’, aber nicht das. Er sagte es so leise, dass er sich nicht einmal sicher war, ob Tala es überhaupt gehört hatte, doch ein Blick in das Gesicht des Rothaarigen genügte. Tala starrte ihn unverwandt an, aber es gab keine Wut in seinem Blick. Kai hatte erwartete, dass er wütend werden würde, dass er ihn anschreien würde, ihn vielleicht sogar schlagen würde, aber das hier war Tala und er hatte ihn stärker getroffen, als ihm überhaupt im Augenblick klar werden konnte. Das hier war Tala und Tala wurde nicht wütend, jedenfalls nicht so, wie andere Menschen wütend wurden. Tala starrte ihn an und in seinem Blick lag nichts als Leere. Und es schmerzte beinahe noch mehr. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Tala ihn angeschrieen oder geschlagen hätte. Jeder andere hätte es wahrscheinlich getan, aber das hier war Tala und Tala war nun einmal kompliziert. Da standen sie nun mitten im Stadion umgeben von tausenden Zuschauern, über ihnen die eindrucksvollen Erscheinungen ihrer Bitbeasts, irgendwer stahl Bitbeasts und sie hatten nichts Besseres zu tun als die Ereignisse der Vergangenheit wieder aufzurollen und sich dafür gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Und natürlich hatten sie beide Recht. ‚Also gut, wie wäre es dann mit einer Wette?’ „Ich weiß, dass du es warst“, erwiderte Tala schließlich. Seine Stimme klang kühl, aber neutral. „und ich weiß auch wofür. Ich weiß, was er dir versprochen hat. Etwas, das du haben willst.“ Tala verdächtigte ihn und hatte auch noch allen Grund dazu. Zwei Gründe. Entweder er wollte dadurch von sich selbst ablenken oder aber er hatte das Gespräch mit Boris belauscht. Es gab auch etwas, das Tala haben wollte. ‚Wer es als erster schafft zu Black Dranzer zu kommen ohne von den Wachen entdeckt zu werden, der darf ihn behalten.’ Es war die letzte Erinnerung und seitdem hatte es keine weiteren gegeben. Es war das Ende gewesen. Das Ende und der Anfang von allem. Kai ließ sein Beyblade zurückweichen, Dranzers Gestalt verschwand vom Himmel und ließ Wolborg alleine zurück, dann hatte Kai sein Beyblade plötzlich in der Hand. „Du gewinnst.“ verkündete er schlicht mit tonloser Stimme und sah ein letztes Mal zu Tala hinüber, dann wandte er sich ab, schob Dranzer in seine Hosentasche und stieg die Stufen hinunter. Er ging durch die Reihen der anderen Beyblader, die ihm mit perplexen Gesichtern nachstarrten, auf den Ausgang zu. „Kai Hiwatari gibt auf und verlässt das Stadion!“ verkündete Jazman deutlich verwirrt das Offensichtliche. Kai hatte den Ausgang beinahe erreicht, als er am Arm gepackt und herumgerissen wurde. Hinter ihm stand Tala. Das nächste, das er spürte war der Schmerz in seiner linken Gesichtshälfte, als Talas Faust ihn traf. Für einen Moment hielt Kai den Kopf in der Position, in die ihn Talas Schlag gebracht hatte. Für einen Moment starrte er regungslos ins Nichts, dann wandte er sich langsam um und richtete seine Augen erneut auf Tala. „Du tust dir selbst mehr weh als mir.“ erklärte er schließlich so ungerührt, als wäre nichts geschehen. „Mag sein“, erwiderte Tala ebenso ungerührt, das Gesicht zu einer leblosen Maske erstarrt. „Aber mit ein Bisschen Glück wirst du dich Morgen noch daran erinnern.“ ~~~ „Zu schade.“ sagte plötzlich ein Beyblader eines der weniger bekannten Teams, der nach dieser unerwarteten Auseinadersetzung der beiden Beyblader recht schnell die Sprache wieder gefunden zu haben schien. „Was?“ fragte Ray überrascht, der daneben stand. Er wandte sich halb zu seinem Nachbar um ohne jemals wirklich den Blick von dem Ausgang zu nehmen, durch den Kai soeben verschwunden war. „Zu schade, dass die beiden nicht im selben Team kämpfen.“ ergänzte der Braunhaarige daraufhin, worauf Ray ihn nur leicht verständnislos ansah. Hatte der Junge den eben nicht zugesehen? „Sie waren zum Anfang absolut synchron und ihre Bitbeats ergänzen sich perfekt. Jeder von ihnen wusste die ganze Zeit über genau wie der andere als nächstes reagieren würde. Es sah so aus, als hätten sie schon immer miteinander trainiert. In einem Zwei-gegen-Zwei-Match wären sie bestimmt unschlagbar.“ Ray sah den Jungen noch einen Augenblick lang an, dann wanderte sein Blick zu Tala hinüber, der noch immer mit absolut ausdruckslosem Gesicht regungslos dastand, bevor er sich schließlich vollends abwandte und ebenfalls das Stadion verließ. ~~~ Done. Ich hoffe ich konnte euren Erwartungen zumindest im Ansatz gerecht werden. Ich bin am Ende, gute Nacht. 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