Out of Place von Nordwind (Eine Frage des Vertrauens) ================================================================================ ACHTZEHN -------- ACHTZEHN| Wenn es jemals etwas gegeben hatte, das niemals zwischen ihnen gestanden hatte, so war es Neid gewesen. Kein Neid, keine Eifersucht und keine Missgunst. Diese Dinge hatte es zwischen ihnen niemals gegeben. Das, was sie gehabt hatten, war keine schlichte Freundschaft gewesen, sonder etwas anderes. Ein stummes Einverständnis, eine Art Pakt. Sie hatten niemals Worte gebraucht um sich zu verständigen, zu verstehen, keine Erklärungen. Um ehrlich zu sein hatten sie eigentlich eher selten miteinander gesprochen und wenn doch, so waren es zumeist über Dinge und auf eine Art gewesen, die außer ihnen beiden niemand verstanden hatte, die kein anderer hatte verstehen müssen. Niemand hatte je begriffen wo zwischen all dem Sarkasmus und den Spötteleien noch Platz für eine Freundschaft gewesen war, doch was sie gehabt hatten war keine Freundschaft gewesen, sondern vielleicht eher eine Art Seelenverbundenheit. Tala hatte Kai in dem Augenblick, als er den kleinen Testraum betreten und seinen Zimmergenossen mit dem schwarzen Beyblade in der Hand entdeckt hatte, keinen Neid empfunden. Nicht einmal im Geringsten. Im Gegenteil, er hatte sich sogar gefreut. Er hatte die Wette verloren, aber das war egal gewesen. Kai war besser, schneller und vielleicht auch klüger gewesen, aber das war bedeutungslos gewesen. Zwischen ihnen hatte niemals etwas gestanden und dieses schwarze Beyblade mochte noch so mächtig gewesen sein, es hätte sich niemals zwischen sie drängen können. Das hatte er damals gedacht. Nein, er hatte es nicht einmal gedacht, er hatte es gewusst, vielleicht nicht einmal bewusste, denn damals hatte er nie darüber nachgedacht, doch nun im Nachhinein war ihm klar, dass er niemals damit gerechnet hatte, nicht einmal annähernd, dass seine dämliche Wette, eine seiner bescheuerten Ideen, alles zerstören würde. Als Tala den weißen Beyblade, den er zum Training benutzte, aus seiner Hosentasche holte, hatte er keine Angst. Im Gegenteil, er freute sich auf den Kampf. Er spürte ein leichtes Kribbeln. Das war die Vorfreude, die Spannung. Dieses schwarze Beyblade, das Kai aus den Laboren geholt hatte, wie auch immer er das geschafft hatte, war unglaublich. Er hatte bei einem Test zuschauen dürfen und es war der Wahnsinn gewesen, absolut genial. Nur um den Jungen tat es Tala Leid. Er hatte den schwarzen Beyblade nicht kontrollieren können, war gestolpert und in die Flugbahn geraten, das sagten die Mentoren. Tala hatte zwar zugesehen, aber alles war so furchtbar schnell gegangen, dass er gar nicht recht mitbekommen hatte was eigentlich geschehen war. Tala machte sich keine Sorgen. Kai war ein ausgezeichneter Beyblader, der niemals solch einen Anfängerfehler machen würde. Ausgeschlossen. Nein, er hatte ganz andere Dinge im Kopf. Er brauchte eine Strategie und zwar eine verdammt Gute, wenn er gegen Kai und dieses schwarze bBeyblade gewinnen wollte. Er brauchte einen Plan. Am Anfang war es einfach nur der reine Wahnsinn gewesen. Die ultimative Herausforderung. Kai war ohnehin schon ein unheimlich starker Gegner, der mit Tala mindestens auf derselben Ebene stand. Ihre Matches waren niemals voraussehbar und der Ausgang meist nicht einmal zu erahnen, weil sie beide ständig neue Taktiken ausarbeiteten und Strategien entwickelten um den jeweils anderen zu überraschen, zu überrumpeln und zu übertrumpfen. Im Allgemeinen konnte man sagen, dass sie beide gleichstark waren. Natürlich hatte jeder von ihnen seine Stärken und Schwächen, die beide kannten und die sie auch nutzten, doch sie hatten niemals Listen darüber geführt, wer öfter gewonnen hatte. Solche Dinge brauchten sie nicht. Tala konnte Kai ganz gut einschätzen und umgekehrt war es wohl genauso. Tala wusste wie Kai kämpfte, er kannte seinen Stil. Er meinte damit nicht die allgemeine Taktik, denn diese variierte natürlich allzu oft, wurde verbessert, perfektioniert, mit Neuerungen gespickt, aber dabei gab es auch Dinge, die schlichtweg gleich blieben, die sich nicht änderten, sich in all den Jahren nicht geändert hatten. Es waren keine großen Dinge, die auch einem anderen auffielen, der Kai zum ersten Mal beybladen sah. Nein, es handelte sich eher um winzige Details, die nur das geschulte Auge erfasste. Die Weichheit der Bewegungen, die Winkel der Haken, die kurzen, beinahe unsichtbaren Pausen, im Allgemeinen Dinge, die Kai vielleicht selbst nicht bewusst wahrnahm, die auch Tala nicht bewusst waren bis zu jenem Augenblick, da es sie nicht mehr gab. Es war noch immer Kais Stil, schwarzes Beyblade hin oder her, aber er war es nicht ganz, vielleicht lediglich noch im Ansatz, dem Schein. Das schwarze Beyblade war schnell, verflucht schnell und es reagierte so unmittelbar auf Kais Befehle, dass Tala zunächst vermutete es führe ein Eigenleben. Die Bewegungen waren weicher und zugleich zackiger, schneller, gewandter und kurz. Minimaler Energieverbrauch. Nahezu perfekt. Nein, eigentlich perfekt. Jedes Mal, wenn Tala dachte nun hätte sein Angriff es erwischt, wich das schwarze Beyblade im aller letzten Bruchteil eines Augenblicks so minimal zu Seite, dass das weiße Beyblade es eben noch ohne zu schrammen verfehlte. Haarscharf im wahrsten Sinne des Wortes. Es war eine Spielerei. Natürlich. Kai wollte das schwarze Beyblade austesten, das verstand Tala und er ließ es zu, versuchte es mit schnellen Angriffen und wartete geduldig darauf, dass Kai genug gesehen hatte und zum Angriff überging. Kai ließ das schwarze Beyblade in die Mitte des eingelassenen Stadions zurückweichen und dort verharren. Tala verstand und setzte erneut zum Angriff an. Auch er wollte sehen, was dieses Beyblade nun wirklich bei einem direkten Angriff aushielt. Das weiße Beyblade raste mit rasanter Geschwindigkeit auf die Mitte der Bowl zu, als Kai im letzten Augenblick seine Meinung zu ändern schien und das Schwarze sich blitzschnell in Bewegung setzte um dem Weißen entgegenzukommen. Tala hob überrascht eine Augenbraue, tat aber nichts um den Aufeinanderprall zu verhindern. Er war sich später nicht einmal sicher, ob er überhaupt so schnell hätte reagieren können. Die beiden Beyblades krachten unter lautem Scheppern aufeinander, Splitter schossen durch die Luft, prallten gegen die Wände der Bowl und rutschten zurück zum Boden hinunter. Das weiße Beyblade hatte sie am äußersten Rand des Becken gefangen und eierte eher anstatt zu kreiseln. Tala stieß den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. Sein Beyblade sah ramponiert aus, aber immerhin hielt es sich noch. Es hatte einige Zacken des Angriffsrings verloren und wirkte ein wenig unbalanciert, doch es war noch immer im Spiel und das Match noch nicht verloren. Das schwarze Beyblade befand sich noch immer an derselben Stelle wie zuvor und hatte einem kurzen Blick nach nicht einmal einen Kratzer. Es verging kaum ein Augenblick, da war es bereits wieder verschwunden und tauchte nahezu im selben Moment wieder hinter dem Weißen auf, um dieses nun vor sich her mit rasanter Geschwindigkeit zum Boden der Bowl hinunter zu schubsen, während immer mehr weiße Splitter abfielen. Tala riss die Augen auf. Was tat Kai da? Er hätte das weiße Beyblade mit dieser Geschwindigkeit einfach aus dem Stadion stoßen können, doch stattdessen spielte er damit wie eine Katze mit einer halbtoten Maus. Kai tat nie etwas dergleichen und er wusste genau, dass Tala Ärger bekommen würde, wenn das weiße Beyblade allzu sehr ramponiert würde. „Hey!“ rief Tala laut und ein wenig irritiert. Wenn Kai das schwarze Beyblade austesten wollte, nur zu, aber nicht auf seine Kosten. „Hör auf, Kai.“ Doch Kai schien ihn nicht zu hören. Im Gegenteil. Die Augen des Jungen auf der anderen Seite der Bowl waren halb geschlossen und blickten starr und leblos hinab auf des schwarze Beyblade. Über die Distanz hinweg wirkten seine Augen wie zwei verbrannte Kohlenstücke. Tala wich mit immer weiter werdenden Augen zurück, als plötzlich leichter, schwarzer Dunst aufzog. Er wirkte wie eine Art Nebel nur dunkler, der sich langsam um das schwarze Beyblade herum bildete. Tala hatte kaum mehr Augen für sein eigenes Beyblade, das mehr und mehr einem Skelett glich, dass nacheinander alle Knochen verlor, während es von immer schneller werdenden Angriffen des schwarze Beyblades attackiert wurde. Tala riss sich aus seiner Starre und blickte erneut zu Kai auf. „Kai!“ rief er den Namen seines Freundes beinahe verzweifelt und als Kai aufsah, wurde ihm bewusst, wie verzweifelt er eigentlich aussehen musste. Er erkannte es an dem Flackern in Kais Augen. Der Junge zuckte zusammen, als wäre er eben erst wieder zu Bewusstsein gekommen. Tala wollte noch etwas sagen, doch noch ehe er den Mund aufmachen konnte sah er sich mit etwas ganz anderem konfrontiert. Das schwarze Beyblade schoss ein letztes Mal auf die kläglichen Überreste des Weißen zu, beförderte es mit einem letzten kraftvollen Angriff aus der Bowl und ließ es damit direkt auf Tala zuschießen. Tala sah noch, wie Kai den Mund öffnete, ehe er sich zur Seite warf um dem gefährlichen Geschoss auszuweichen. Das es ihm nicht ganz gelungen war spürte er an dem Schmerz, der sich den Bruchteil einer Sekunde später in seiner Wange ausbreitet und an dem Blut, das an seiner Hand zurückblieb, als er sich damit über das Gesicht wischte. Tala erholte sich von dem Schreck und als er aufsah, erkannte er eben noch, dass Kai zurückgewichen war und seinen Shooter hatte fallen lassen, ehe er auf die Knie fiel, die Augen starr und geweitet. Tala wollte ihm zurufen, doch in diesem Augenblick zog sich der Dunst um das Beyblade zu einem riesigen schwarzen Schattenknäul zusammen, das keine genaue Form erkennen ließ. Es wuchs an und füllte eine Sekunde später den ganzen Raum. Die Worte blieben Tala im Hals stecken. Er sah nichts mehr, nichts abgesehen von der undurchdringlichen Schwärze. Dann hörte er plötzlich Kai schreien und zuckte zusammen. Zuckte zusammen vor Schreck, wie er es niemals zuvor in seinem Leben getan hatte. Er versuchte aufzustehen und bemerkte dabei, dass sowohl seine Hände als auch Beine fürchterlich zu zittern begonnen hatten. Schwankend vor Angst und Entsetzen erhob er sich und wollte einen Schritt nach vorne machen, als im schwarzen Dunst vor ihm plötzlich eine Gestalt erschien. Eine zunächst formlose Gestalt, deren Konturen klarer wurden je näher sie kam und sie kam schnell näher. Tala blieb nicht einmal die Zeit zurückzuweichen, als sich der schwarze Nebel vor ihm zu einem großen Vogel manifestierte. Zu einem großen Vogel mit glänzendem schwarzen Gefieder, einem spitzen, golden schimmernden Schnabel und Augen wie zwei Kohlestücke im Feuer. Der Vogel, und dieser Begriff wirkte in Anbetracht der Kreatur, der er gegenüber stand, nahezu lächerlich, überragte ihn um ein Vielfaches. Er hatte die Flügel ausgebreitet und wirkte dadurch noch größer. Den Kopf trug er majestätisch erhoben, die Augen jedoch waren auf Tala gerichtet. Die bedrohlichen, messerscharfen Krallen hatten sich in den Betonboden gebohrt und ihn aufgebrochen. Dann ging alles sehr schnell. Der Kopf der riesigen Kreatur schoss plötzlich auf ihn herab während Tala erschrocken zurückstolperte und instinktiv die Augen zusammenkniff. Den Bruchteil eines Augenblicks später war alles, das er wahrnahm, der Schmerz, der fürchterliche, Atem raubende Schmerz, der sich anfühlte, als würde jemand glühende Kohlen in seine Brust drücken. Er spürte wie seine Beine unter ihm nachgaben, doch er spürte den Aufprall nicht. Er hörte einen Schrei und irgendwo zwischen Ohnmacht und Schmerz wurde ihm bewusst, dass er selbst es war, der geschrieen hatte. ~~~ „Du warst tot.“ Tala nickte nur. Er nahm die Worte wahr und wusste, dass man eine Reaktion von ihm erwartete, doch er hörte sie nicht. Hörte nicht was sie bedeuteten. Er saß aufrecht im Bett. Seine Augen waren starr auf einen unsichtbaren Punkt auf der gegenüberliegenden Wand gerichtet. „Dieses verdammte Biest hat dir das Herz herausgerissen“, Boris. Es war Boris Balkov der da sprach, Der Leiter der Abtei, den sie alle nur ehrfurchtsvoll mit Gaspadin ansprachen. „Aber keine Sorge“, fuhr der Mann fort und erklang mehr zufrieden als besorgt um seinen Schüler. „wir konnten es durch eine Prothese ersetzen. Eine neue Entwicklung aus einem besonderen Metall. Du wirst dich dessen würdig erweisen.“ Tala hörte die Worte, nahm sie auf, doch er nahm ihren Sinn nicht wahr, ihre Bedeutung. Auf der weißen Wand, die er nahezu apathisch anstarrte spielte sich immer und immer wieder ein und derselbe Film ab. „Wo ist Kai?“ fragte er nach einer schier endlosen Zeit. Seine Stimme klang leblos und abgehackt während er noch immer nicht den Blick abwandte. Boris Balkov, der inzwischen durch einen Stapel Papiere mit vielen Zahlen und absonderlichen Zeichen geblättert hatte, hielt inne und musterte den rothaarigen Jungen mit einer Mischung aus Unwillen und Verachtung. „Tot“, antwortete er schließlich. „Für dich ist er tot.“ ~~~ Weitere Flashbacks folgen... Aber nicht nur, keine Sorge. ^__^°°° Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)