Different Views von She-Ra ================================================================================ Prolog: 14.Juli 1789 - Paris ---------------------------- Serie: Lady Oscar - Die Rosen von Versailles Autor: She-Ra Genre: Drama Disclaimer: Die Serie, wie auch die Charas gehören Riyoko Ikeda ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Paris, 14.Juli 1789 In dem Moment als André starb, starb auch Oscar innerlich. Andrés Seele wurde mit den Tauben in den Himmel in Gottes Paradies gebracht. Trotz ihrer durch ihre Krankheit gebeutelt, kämpft sie weiter. Nur für ihn. Ihr Leben hat seinen Sinn verloren. Das wird ihr auch auf dem Sterbebett bewusst. //Oh, André. Verzeih mir, dass ich so selbstlos war. Im Kampf mit den drei Soldaten auf der Brücke, die meinen Schimmel niederstreckten, der meine letzte Erinnerung an ihn war, wurde mir noch so vieles mehr bewusst. Ich habe ihn geliebt. Hätte ich es früher erkannt, hätten wir glücklich miteinander sein können. Wenn mir nur von Anfang an klar gewesen wäre, was ich für ihn empfinde, wäre alles anderes gekommen. Obwohl er immer bei mir war, habe ich es nicht bemerkt. Ich hoffe, er verzeiht mir. Jemanden zu lieben und es nicht zu bemerken, dass ist die größte aller Sünden. Er war früher immer für mich da. Für mich war dies selbstverständlich. Erst viel zu spät habe ich das bemerkt. Ich war bereit mein Leben für dich zugeben. Aber mir wurde klar, dass du niemals gewollt hättest, dass ich mein Leben einfach fortwerfe. Nur für dich habe ich weiter gekämpft.// Kurz verzieht Oscar schmerzverzerrt ihr Gesicht. Rosalie kniet bei ihr, genauso wie ein paar der Ärzte. Der Donnerhall der Kanonen, die auf die Bastille feuern, ist deutlich in der Gasse zu hören. //Für dich allein, mein André! Dein Kampf war niemals sinnlos. Du hast für deine Ideale, aber auch für das französische Volk gekämpft. Langsam verstehe ich immer mehr. Ich bemerke erst jetzt, wie er mich immer angesehen hat. Wie er zu mir sprach und warum er zur Garde Francaise gegangen ist. Ich habe ihn hier hin getrieben. Wenn ich doch nur früher seine und meine eigenen Gefühle erkannt hätte, hätte es nie soweit kommen müssen. Wir hätten fort gehen können, nur hätte er dies wirklich gewollt? Bei unserer letzten Besprechung in der Kaserne hat er sich für den Kampf entschieden. Er war so stark und mutig. An seiner Brust konnte ich mich anlehnen und dort Schutz, Wärme und Geborgenheit erfahren. Deutlich konnte ich seinen kräftigen Herzschlag hören. Sein Herz, welches nur für mich und das französische Volk schlug. Bei ihm konnte ich sein, was ich bin. Seine Frau! Wir hätten glücklich leben können. Ich habe das Gefühl, als kann ich seine Worte, wie sehr er mich liebt, genau hören. Wieder und wieder schalen sie in meinem Gehörgang. Ich wünsche mir so sehr, dass alles nur ein Traum ist. Das ich gleich aufwache und André ist bei mir. Gemeinsam könnten wir nach Arras reisen. Uns dort an die schönen vergangenen Zeiten erinnern und unsere gemeinsame Zukunft planen. Ich frage mich jetzt, wie es wohl geworden wäre. Wie unser Leben zusammen verlaufen wäre… als Familie. Mir ist vollkommen bewusst, dass ich gewiss niemals die Haus- und Ehefrau für ihn wäre, die er verdient hätte, aber für ihn würde ich es versuchen. Nur für André allein würde ich mich ändern. Seit unserer Kindheit waren wir immer zusammen, selten waren wir wirklich getrennt. Und in dieser gemeinsamen Zeit hat er mir soviel gegeben und ich gab ihm nichts zurück. Diese Erinnerungen schmerzen mich.// Lady Oscar spürte, wie man an ihrem Arm, den Puls fühlte. Sie selber starrte nur vollkommen abwesend in Richtung Himmel. //Ist nun wirklich alles zu Ende? Ist das, was zwischen uns war, für immer und ewig vorbei? Wenn du nur jetzt bei mir wärst, in dieser schweren Stunde.// Ein starker Husten erschütterte Oscar gepeinigten Körper. //Vor ein paar Stunden glaubte ich, ihn in einer Seitestraße auf mich zugehen zusehen. Wie er mich fragte, warum ich nicht bei der Gruppe sei. Sie würden sehnsüchtig auf mich warten. Aber mein Wunsch, dass er es wirklich war, ging nicht in Erfüllung. Es war Alain. Seine Worte, die er am Kirchenportal zu mir sprach, dass ich nicht die Einzige sei, dessen Herz blutet. Das er mich verstehen würde. Ja, nicht nur André gab sein Leben für diese Revolution. Auch viele andere unschuldige Menschen, seien es Männer, Frauen oder auch die Kinder, gaben ihr Leben, für eine bessere Zeit. Alain hatte Recht. André hätte es genauso gesehen wie er. Sie waren wirkliche Freunde. Nie zuvor ist mir aufgefallen, dass André wirklich welche hatte. Er war immer bei mir. Natürlich mochten ihn alle gerne, aber macht dies allein eine Freundschaft aus? Ich glaube, dass er für mich allein, auf so vieles verzichtet hat. Er hätte ein viel besseres Leben führen können. Aber seine Liebe war so stark, dass er bei mir blieb. Ich danke dir, André. Ich danke dir für alles. Du bist mein Leben. Ich liebe dich!// Langsam verhallte der Donner der Kanonen und man konnte das Volk hören, wie es die Bastille erstürmte. Bernard, der nicht von Rosalies Seite gewichen war, berichtete Oscar, was geschehen war. Aber sie antwortete nicht auf seine Worte. Ihr Auge fixierte die Taube am Himmel. Es war genau die, sie bei ihrem direkten Angriff auf die Bastille gesehen hatte. //Oh, André. Mein André…// Langsam schlossen sich ihre Lider und der Arzt legte Oscars Arm zurück. Traurig schüttelte er seinen Kopf, als die anderen ihn fragend ansahen. Rosalie begann sofort laut zu schluchzen und Bernard senkte seinen Kopf. In der Seitengasse war nur Rosalies Schluchzen zu hören, alle anderen schwiegen betreten. Als der Rest der Garde Francaise, unter Alains Führung, zurückkehrte, schluckten sie alle. Kein Auge blieb trocken. Es schien, als sprachen sie alle ein Gebet für Oscar und André. Man beschloss kurz darauf, Oscars Körper neben Andrés in der Kirche aufzubahren. Wenn sie schon nicht im Leben zusammen sein konnten, dann sollten sie es nun. Man überließ es Rosalie, Oscar zu reinigen und sie etwas herzurichten, so wie sie es auch schon bei André getan hatte. Es schien, als würden beide schlafen, so friedlich lagen die beiden nebeneinander in der Kirche auf ihren Blumenbetten. Es kamen immer wieder Menschen in die Kirche, um sich zu verabschieden. Nicht alle kannten Oscar und André persönlich, aber das Schicksal der beiden hatte sich, wie ein Lauffeuer immer rascher verbreitet. Alle wollten sie sehen und sich von ihnen verabschieden. Erst am späten Abend waren nur noch Bernard, Rosalie und Alain in der Kirche. Keiner sagte ein Wort und so sahen sie nur zu den beiden Verschiedenen. Bernard hielt es dann für besser, Rosalie nach Hause zu bringen. Daher nickte er Alain kurz zu, legte seinen Arm um seine Frau und führte sie ruhig hinaus. So blieb Alain allein mit seinen Gedanken zurück. Kapitel 1: Alain Soisson ------------------------ Paris, 15.Juli 1789 Alain Soisson konnte einfach nicht glauben, dass sein Oberst nicht mehr bei ihm und der Truppe war. Auf ihren Wunsch hatte er am Vortag die Kanonen an der Bastille sprechen lassen. Als er mit ein paar der Männer zurück z Oscar kehrte, war diese bereits nicht mehr am Leben. Er war auf die Knie gefallen und hatte den Leichnam mit geweiteten Augen angesehen. Es war schier unglaublich für ihn. Auch seine Kameraden konnten es nicht glauben, dass die scheinbar so unnahbare Oscar nicht mehr unter ihnen weilen sollte. Auch wenn das Zusammenleben in der Kaserne zu Beginn gewiss nicht leicht gewesen war, hatte Alain, wie auch die meisten anderen, rasch begriffen, dass Oscar wirklich auf ihrer Seite, auf der Seite des Volkes, stand. Es war eine innige Freundschaft zwischen ihnen geworden. Manchmal hatte Alain sogar den Eindruck gehabt, dass es vielleicht mehr gewesen war. Das sie sein Herz auf eine gewisse Weise berührt hatte, allein durch ihre Schönheit, ihre Anmut und ihre Stärke, konnte er gewiss nicht abstreiten. Jedoch hatte er schnell die Gefühle von André für den Oberst erkannt. Auch wenn er es zuerst nicht verstehen konnte und den Freund damit aufzog. Aber nun, ein Tag nach der Erstürmung, sah er alles in einem anderen Licht. Erste Anzeichen für seinen Meinungswechsel waren schon erkennbar gewesen, als Oscar sich für die Soldaten einsetzte und wie André sie wieder und wieder beschützte. Es war kaum für Alain fassbar, dass seit dem Unglück, erst ein paar Stunden vergangen sein sollten. Noch immer sah er ihren Tod vor Augen, genauso wie den seines Freundes André. Aber ihm war bewusst, dass er, wie auch seine Kameraden, nicht auf ewig trauern würden können. Auf die Toten würde niemand in dem ganzen Tumult Rücksicht nehmen. Nur im Moment herrschte seit ein paar Stunden Waffenruhe, um die Verwundeten zu versorgen und den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Oscar war neben André, in einem Bett von Blumen, aufgebahrt. Alle die von Oscars und Andrés Schicksal gehört oder die beiden gekannt hatten, brachte Blumen mit, sodass die beiden Körper darauf gebetet werden konnten. Für alle wirkte es, als würden sie tief und fest schlafen und in Bälde erwachen, so friedlich lagen sie neben einander. Alain hatte dafür gesorgt, dass man die beiden herrichtete. Das die Gesichter und Hände gereinigt und sie einwandfreie Kleidung trugen. Nun kniete er allein vor den beiden mit geschlossenen Augen. Seine Hände waren zu einem stummen Gebet gefaltet und sein Haupt gesenkt. //Oberst, ich habe Euren Befehl ausgeführt. Wir haben die Bastille gestürmt.// Kurz unterbrach Alain seinen Gedankengang und schüttelte seinen Kopf. //Was rede ich nur da? Bitte verzeiht mir. Eigentlich wollte ich etwas anderes sagen, Oberst… Wisst Ihr, Ihr seit immer so stark gewesen. Ihr habt gezeigt, dass nicht alle Adeligen verwöhnt, besserwisserisch und arrogant sind. Sondern, dass sie auch die Wahrheit hinter dem eigenen Prunk erkennen können Wir sind hier eines besseren belehrt worden und dies nur durch Euch, Oberst. Ihr seid und wart immer etwas besonders und wir alle wären geschlossen, ohne eine Frage zu stellen, Euch überall hin gefolgt. Ja, ich weiß, wir hatten einst Meinungsverschiedenheiten, aber diese sind längst beigelegt und vergessen.// Alain stoppte und öffnete seine Augen. So dass er nun Oscar und auch André direkt ansehen konnte. //Es tut mir im Herzen weh zu wissen, dass Ihr Euch für diesen Kampf, der nicht einmal der Eure hätte sein müssen, und somit gegen ein freies Leben mit André, an einem besseren Ort, entschieden habt. Ihr hättet ein besseres Leben mit ihm führen können, weit ab von Pari und fern dieser unruhigen Zeit. Ihr hättet dort auf ewig glücklich sein können und Ihr beiden wäret noch am Leben. Aber wie ich Euch beide kennen gelernte habe, hättet Ihr niemals alles nur aus der Ferne mit betrachten können. André stand immer stolz zu den Bürgern Frankreichs, zu seinen Brüdern und Schwestern im Geiste. Und so wie er, wart auch Ihr, Oscar. Euer Mut und Eurer Kampfeswille für das Gute ein zustehen, hat sich auf die ganze Truppe übertragen. Wir werden Euch und auch André niemals vergessen! Glaubt mir, Ihr seit keinen unnützen Tod gestorben. Eure Kraft und Euer Mut lodern in unsern Herzen auf ewig. Ich werde in Eurem Namen weiter Kämpfen, Oberst! Genauso wie all die anderen. Ihr wart und seit immer ein Vorbild für uns gewesen. Und wir werden Euer Andenken immer in Ehren halten. In Eurem Namen werden wir alles zu Ende bringen und unsere Kinder und auch deren Kinder werden eines Tages in Frieden leben und Eure Geschichte kennen und sie weiter erzählen. Ich hoffe, Ihr und André seit nun auf ewig miteinander verbunden und glücklich, wo immer Ihr auch jetzt seid. Lebt wohl, André und Oscar Grandier!// Alain erhob sich und wischte sich die stummen Tränen aus den Augenwinkeln. Dann warf er noch einen letzten Blick auf die beiden Verstorbenen und salutierte für die beiden, als letzte Ehrerbietung. Anschließend ging er schweren Schrittes aus der kleinen Kapelle hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen. Draußen setzte er sich seine Mütze auf und sah kurz zum Himmel empor. Dort sah er zwei weiße Tauben, die frei in Richtung der strahlenden Sonne flogen. //Ja, für Euch werden wir weiter kämpfen und allen den Frieden und die Freiheit bringen! Das verspreche ich bei meinem Leben!// Alain trat zu seiner Truppe und sah in die Runde der fragenden und abwartenden Gesichter. „Was soll nun geschehen, Alain? Nun, wo der Oberst nicht mehr lebt? Was sollen wir tun?“ Kurz räusperte Alain sich, bevor er zu seiner Antwort ausholte. „Wir sollten langsam aufbrechen, LaSalle. Es ist Zeit. Wer weiß, wie lang die Waffen noch schweigen werden.“ „Du hast Recht, Alain.“, erwiderte LaSalle, der sich gegenüber Oscar noch immer dankbar fühlte. Alain ließ seinen Blick über seine Kameraden schweifen. „André und unser Oberst werden hier ein paar Tage aufgebart bleiben, dann werde ich dafür Sorge tragen, dass sie eine standesgemäße Beerdigung bekommen.“ „Wie willst du das machen, Alain?“, fragte LaSalle. „Ja, Alain. Wie?“, kam es von einem anderen Soldaten. Alain schob sich ruhig seine Mütze etwas nach hinten. „André sprach einst von Arras, wie sehr es ihm und auch dem Oberst dort gefallen hätte. Ich bin dafür, dass sie dort ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Und wie das ganze von statten gehen soll, wird sich noch herausstellen.“ „Wir werden es bestimmt schaffen und Hilfe werden wir auch bekommen. Ich kenne einen Steinmetz, er wird uns bestimmt die wunderbare Grabmale für die beiden herstellen.“ „Das ist nett, LaSalle. Kümmere du dich bitte darum. Aber ich habe eine Bitte. Sie sollen so schlicht wie möglich sein.“ „Das werde ich tun. Aber warum möchtest du das, Alain?“ „Ich glaube, die beiden hätten es niemals anders gewollt. Bestimmt sind sie nun gemeinsam glücklich und das werden auch ihre Körper sein und dafür braucht es keine prunkvollen Grabsteine.“ „Wie wäre es mit schlichten Steinkreuzen?“ Alain überlegte kurz und nickte. „Das ist eine gute Idee. So soll es sein. Aber nun lasst uns aufbrechen.“ Die anderen Soldaten, wie auch LaSalle nickten. Dabei erhoben sie sich und gingen mit Alain gemeinsam in Richtung Stadtkern. Tage später wurden Oscars und Andrés Körper nach Arras überführt. Nur wenige Menschen, wie Alain selber, LaSalle, Rosalie und Bernard, waren dabei. So wussten nur die wenigen, wo die Gräber der beiden, geziert von zwei schlichten weißen Steinkreuzen, sich befanden. Kapitel 2: Rosalie Châtelet ---------------------------- Paris, 15. Juli 1789 Oscar war in Rosalies Armen gestorben. Nun sah die junge Frau jede Nacht, die letzten paar Minuten Oscars vor ihren Träumen. Immer wieder schreckte sie aus ihren Alpträumen auf und Bernard konnte sie kaum beruhigen. Rosalie hatte Oscar einiges zu verdanken und niemals würde die junge Frau sie vergessen. Und nun war diese tot. Rosalie konnte das Geschehene kaum verkraften. Noch weniger, als schon das Ableben Andrés am Tage zuvor. Jeder Ort, jede Person, erinnerte die blonde Frau an Oscar. Öfter versuchte sie sich sogar einzureden, dass alles nur ein böser Alptraum gewesen war. Aber ihr Mann holte sie immer wieder auf den harten Boden der Realität zurück. Und dies schmerzte Rosalie nur noch viel mehr. Wenn die Unruhen nicht so groß gewesen wären, hätte ihr Weg sie direkt zu dem Anwesen von Oscars Eltern geführt Aber ihr war klar, dass im Moment niemand die Stadt verlassen konnte, genauso wenig wie es möglich war in die Stadt vorzudringen. So schrieb sie an ihre ehemaligen Herrschaften und auch an Sophie einen Brief je einen langen Brief, in denen sie erklärte was mit Oscar und André geschehen war. Rosalie fiel es nicht leicht die passenden Worte zu finden und auch ihr Mann konnte ihr leider dabei nicht weiterhelfen. Sie wollte und musste es alleine schaffen, dass hatte sich die junge Frau vorgenommen. So landeten einige zerknüllte Seiten Papier auf dem Boden, bis sie endlich mit den Briefen zufrieden war. Nur erschien nun ein neues Problem. Wie sollte sie die Briefe den Adressaten zukommen lassen? Alle Straßen und auch die kleinsten Gassen waren stark bewacht oder schwere Unruhen herrschten dort, sodass kein Durchkommen möglich war. Hier hoffte sie nun auf die Hilfe ihres Mannes. Dieser gab sein Bestes, jedoch brachte er Abend für Abend schlechte Nachrichten nach Hause. Bis jetzt hatte er noch niemanden gefunden. So saß Rosalie vor der offenen Feuerstelle mit dem schweren Kessel darüber und starte ins Feuer. Seit Oscars und Andrés Tod waren bereits vier Tage ins Land gezogen. In zwei Tagen soll die Überführung der beiden Körper stattfinden. Dies hatte sie von Alain erfahren. Gewiss hätte mindestens Sophie, wenn nicht auch Oscars Mutter gewusst, wo ihre Kinder begraben sind. Aber Rosalies Hoffnung, dass die Angehörigen noch rechtzeitig davon erfahren würden, schrumpfte von Stunde zu Stunde. //Oh Lady Oscar. Ihr wart immer eine so stolze Frau. Zu Euch habe ich aufgesehen und ich habe Euch, wie auch André sehr viel zu danken. Und dies, wo ich doch einer Verwechslung unterlegen bin und Eure verehrte Mutter töten wollte. Ich höre heute noch Euer Lachen in meinen Ohren, als wir uns auf dem Anwesen Eurer Eltern gesehen haben. Ich kam in Eure Dienste und erledigte meine Arbeiten, so wie sie mir aufgetragen wurden. Dafür unterrichtete Ihr mich in Konversation und höfischer Etikette. Zudem versuchtet Ihr in Erfahrung zubringen, wer meine leibliche Mutter war. Ihr führtet mich in die Welt des Adels mit all seinem Prunk, aber auch des Neides und der Missgunst, ein. So fand ich meine Mutter, die auch zugleich die Mörderin meiner Ziehmutter war. Ich kann heute noch deutlich den Hass gegen sie spüren, aber auch die Trauer. Ich wollte sie wirklich umbringen, aber Ihr hieltet mich davon ab. Wenn ich heute darüber nachdenke, hätte ich es auch nicht gekonnt. Ich bin keine Mörderin. Das habt Ihr immer gewusst, Lady Oscar. Aber wenn Ihr meine wahren Beweggründe, warum ich Euch damals so überstürzt abgereist bin, gekannt hättet, hättet Ihr mich gewiss aufgehalten. Aber mir war immer klarer geworden, dass ich dort selber durch muss. Die Zeit bei meiner leiblichen Mutter zeigte mir mehr als deutlich, dass ich, auch wenn ich von adligem Geblüt bin, keine Adelige bin. Ich bin eine Bürgerin Paris. Dies veranlasste mich auch, hierher zurück zukehren. Und durch Euch lernte ich auch meinen Gemahl Bernard kennen. Wir verliebten uns in einander. Auch als ich dachte, ich würde Euch lieben und mir gewünschte habe, dass Ihr doch als Mann geboren wärt, war es nur eine Schwärmerei, so wie ich heute weiß. So etwas, wie meine Liebe zu Bernard, ist etwas ganz neues und wunderbares für mich. Es erfühlt mich jeden Tag aufs Neue. Ihr Oscar, seid mir immer eine liebe, treue und loyale Freundin gewesen. Und das werdet Ihr auf ewig bleiben. Ich war erfreut, als ich von Bernard hörte, dass Ihr Eure wahre Liebe gefunden habt, auch wenn sie nun nur von geraumer Dauer war. Aber ich bin mir sicher, dass der liebe Gott, Euch nun zusammen sein lässt. Ohne Unterschiede. Ohne Leid oder Trauer. Niemals werde ich Euch vergessen, Lady Oscar. Genauso wenig wie André. Ich bin Euch beiden über alles dankbar.// Rosalie liefen einzelne Tränen über die Wangen. Als sie sie gerade fortwischen wollte, öffnete sie die Haustür und Bernard kam eiligen Schrittes zu ihr. „Rosalie, sag wo…“, kurz stoppte ihr Mann. „Du weinst ja wieder, Liebste.“ Sanft nahm er sie in seine Arme. „Verzeih, aber ich konnte nicht anders.“, kam es traurig von der jungen Frau. „Shht… ich weiß, Rosalie. Aber sag, wo hast du die beiden Briefe?“ „Die Briefe? Hier in meiner Tasche. Warum?“ Bernard löste leicht seine Umarmung und sah sie nun mit einem Lächeln an. „Über Alain habe ich jemanden gefunden, der die Briefe zustellen wird.“ „Ist das wirklich wahr?“ Rosalies Augen wurden größer. Sofort sprang sie auf und griff in die Tasche ihrer Schütze. So förderte sie kurz darauf die zwei Briefe hervor und reichte sie Bernard. „Hier sind sie.“ „Danke, Liebste.“, antwortete Bernard und gab ihr einen kurzen aber sanften Kuss auf die Stirn. „Ich werde sie eben dem Boten bringen.“ Mit diesen Worten war er schon zur Haustür gegangen. „Bernard?“ „Ja, Rosalie?“, erwiderte er, als er im Türrahmen stehen blieb. „Ich danke dir.“ „Das brauchst du nicht.“, kam es mit einem sanften Lächeln. „Aber nun muss ich mich beeilen.“ Mit diesen Worten war Bernard dann auch schon wieder unterwegs. Rosalie schloss die Tür hinter ihm und nahm kurz darauf vor der Feuerstelle wieder Platz. Nun, wo die Briefe endlich unterwegs waren, wurde ihr Herz etwas leichter. Zwei Tage später brach sie mit ihrem Mann, Alain, LaSalle und ein paar wenigen anderen nach Arras auf. Dort trugen sie Oscar und André zu Grabe. Es war eine kleine ruhige Zeremonie, die Rosalie niemals in ihrem Leben vergessen würde, genauso wenig wie Oscar und André selber. Kapitel 3: General Claude Amour de Bouillé ------------------------------------------ 17.Juli 1789 Durch eine seiner Patrouillen erfuhr der General von Oscars Tod. Er nahm es ohne eine wirklich menschliche Regung auf. Als der Soldat seine Meldung beendet hatte, ließ Bouillé ihn abtreten. Als er wieder allein in seinem Raum war, drehte er sich zu einem der großen Fenster. Kurz richtete er sein Monokel und räusperte sich kurz. Dann schüttelte er leicht seinen Kopf. //Ich habe es doch gewusst. Eine Frau kann einen Mann einfach nicht ersetzen. Sie hätte an die Seite eines starken Mannes gehört, der ihr gezeigt hätte, welche Aufgaben die ihren sind. Zu Beginn war es ja schon ein lustiges Schauspiel. Aber es stellte sich zu der Zeit raus, dass General de Jarjayes wirklich gute Arbeit geleistet hatte. Jedoch hat er seine Erziehung mit der Zeit schleifen lassen, sonst wäre es gewiss niemals so weit gekommen. Als Kapitän der königlichen Garde hätte sie gewiss noch etwas geben können, aber diese Schande, sich auf die Seite des Pöbels zu stellen, ist niemals wieder gut zu machen. Sie hat nicht nur die Ehre ihrer einst so ehrwürdigen und königstreuen Familie beschmutzt, sondern auch das ganze Ansehen des Adels in den Dreck gezogen. Und ich werde dafür Sorge tragen, dass dies Folgen mit sich ziehen wird. Ich werde den Namen Oscar Francois de Jarjayes aus den Stammbüchern streichen lassen. Ihr Name wird nur noch im Zusammenhang mit Hochverrat auftauchen. Ich hoffe doch inständig, dass ihr Vater bereits Konsequenzen daraus gezogen hat.// Ruhig ging General de Bouillé zurück zu seinem Schreibtisch und ließ sich dort nieder. Ruhig glitt seine Hand in Richtung seines Federkiels, um danach ein Schreiben aufzusetzen. Doch die Spitze der Feder berührte das Blatt nicht. Ungewollt waren Bouillés Gedanken wieder auf Wanderschaft gegangen. Er konnte sich genau an den Eklat erinnern, als Oscar vor Jahren Girodel abfing und sich mit ihm duellierte. Der damalige König war mehr als erzürnt, als Girodels Bote auf den Innenhof galoppiert kam. Sie hatte schon in so jungen Jahren Schande über die Familie gebracht. Nur durch den Einsatz des jungen Girodel hatte sich alles für sie zum Positiven gewandt. //Als junge Offizieren hat sie sich später schon einen Namen gemacht. Nicht nur weil alle Damen bei Hofe von ihr Sprachen. Sondern ihre Hingabe im Schutz der damaligen Dauphine und der späteren Königin. Ihre Zunge konnte genauso gefährlich wie ihre Zunge sein. Und ihre Courage war ebenfalls nicht zu unterschätzen. Niemals hätte ich damals gedacht, dass eine so junge Person zu zielstrebig sein könnte. Auch wenn ich eine geraume Zeit kaum bei Hofe gewesen bin, haben immer wieder Berichte mich erreicht. Allein schon ein Duell auszutragen… hätte sie nicht die Gunst der Dauphine besessen, hätte das um einiges Unangenehmer für sie laufen können. Und dann von ihr der befohlene Hausarrest… diese Befehlsverweigerung hätte ebenfalls Konsequenzen nach sich gezogen. Aber das Glück war auf ihrer Seite und niemand bei Hofe bemerkte dies. Auch ich habe es nur durch Zufall erfahren. Zudem Zeitpunkt hätte ich niemals gedacht, wo dies alles enden wird. Wenn ich alles nur im Geringsten erahnt hätte, wäre meine Reaktion anders gewesen. Jedoch es ist geschehen und nicht mehr abänderbar.// Wieder schwebte der Federkiel über dem Blatt Papier, ohne etwas auf dieses zubringen. //Ich muss ehrlich zugeben, sie war immer ein sehr guter Offizier. Treu und loyal. So wie es Verpflichtung jedes guten Soldaten ist. Jeder der ihr unter ihr gedient hat, sah immer zu ihr auf und auch nachdem sie ihren Dienst in Versailles beendet hatte, änderte sich ihre Einstellung zu ihr nicht. Wir hätten mehr von solchen Offizieren brauchen können. Aber die meisten hatten nicht annähernd soviel Potential wie Lady Oscar.// Der General seufzte kurz auf und legte den Federkiel zur Seite. Für einen Moment starrte er auf das leere Blatt Papier vor sich, dann verließ abermals ein Seufzer seine Lippen. Eigentlich hatte er ein paar Zeilen an General Jarjayes schreiben wollen. Ihm ein paar Dinge über seine Tochter mitteilen, aber nun war er sich nicht mehr sicher. Oscar war Tod. Auch wenn sie in seinen Augen eine Verräterin war, hatte sie es nun verdient in Ruhe zu leben. Er selber hatte genug eigene Probleme. Zudem musste er wichtigere Entscheidungen treffen und konnte sich nun nicht mit etwas Herumschlagen, was bereits zur Vergangenheit zählt. Was mit Oscar Leiche geschah, war ihm egal. Er hoffte nur inständig, dass sie sie nicht zur Märtyrerin erheben würden. General de Bouillé wollte verhindern, dass noch mehr seiner Soldaten die Seiten wechselten. Es war so schon sehr schwer für die Armeen, um gegen das Volk anzukommen. Und die ständigen Unruhen nahmen seit der Erstürmung der Bastille stetig zu. An einer Front machten seine Soldaten Boden gut, an anderer Stelle wurden sie weitläufig zurück gedrängt. Und dies geschah, ohne dass man ein Ende absehen konnte. Dem General war vollkommen bewusst, dass dieses auf Dauer nicht gut konnte. Er hoffte, dass das Pariser Volk sich bald wieder beruhigen würde. Zumindest solange bis sie endlich Verstärkung anrücken würde und sie die Rädelsführer dingfest machen konnten. Wenn sie dieses Ziel erreicht wäre, würden sicher rasch Ruhe und Ordnung wieder in Paris einkehren. Das war sein sekundäres Ziel, neben dem Hauptziel, der Sicherheit des Königspaares und deren Kinder. Der General war der Meinung, wie auch die meisten anderen Adeligen, dass das Land ohne den König, der von Gottesgnaden ernannt war, nicht existieren konnte. Und hinter seiner Meinung stand er, wie ein Fels in der Brandung. Der General war sich sicher, dass er für das Königshaus bis zu seinem eigenen Tode dienen würde. Daher war er sich sicher, dass das Volk niemals bis Versailles kommen würden, geschweige den, es dann zu stürmen. Und wenn es zum Äußersten kommen sollte, würden er und seine Männer, jeden Mann und jede Frau stoppen. Egal von welchem Stand sie wären. Auch eine Lady Oscar würde keine Gnade mehr erwiesen werden, wenn sie noch Leben würde. Sie hatte sich, Bouillés Ansicht nach, gegen das Königshaus mit den Aufständischen und Revolutionären verbündet. Und ihr Tod war für ihn ein sicheres Zeichen, dass das Königsgeschlecht niemals untergehen und auf ewig fortbestehen würde. Kapitel 4: Sophie Glacé ----------------------- Anwesen de Jarjayes, 18.Juli 1789 Es dauerte einige Tage bis Sophie Rosalies Brief erhielt. Sie war überrascht von ihr einen Nachricht zubekommen. Natürlich hatte die Amme von dem Sturm auf die Bastille gehört, aber wie schlimm es wirklich in Paris war, wusste die alte Dame nicht. Nachdem sie das weitere Schreiben an den General übergeben hatte, zog sie sich mit dem ihrem zurück, um den Brief in Ruhe zu lesen. Jedoch kaum dass sie die ersten Zeilen gelesen hatte, weiteten sich ihre Augen und Tränen begannen über ihre Wangen zu rinnen. „Oh, mein Gott…“, kam es gepresst von ihr. Als sie von dem Tod ihres Enkels las, konnte sie nicht mehr. Sophie brach laut weinend über dem Brief zusammen. Ihr Körper war durch ihr Schluchzen gebeutelt. //Oh, André… Warum nur?// Mehr, als diesen einen Gedanken, brachte Sophie nicht mehr zustande. Ihr Herz schmerzte ins Unermessliche. Die Zeit schien in Sophies kleiner Kammer still zustehen. Draußen zwitscherten die Vögel und ein leichter Wind ließ in den nähen Bäumen die Blätter rascheln. Aber davon bekam das alte Kindermädchen nichts mehr mit. //Warum hast du dich nur dem Kampf gestellt? Du sahst doch kaum noch etwas… Ja, ich habe es gemerkt. Ich hätte dich aufhalten können. Nein! Ich hätte es müssen! Warum habe ich es nicht getan? Es ist meine Schuld!// Wieder wurde ihr Körper von erneutem Schluchzen erschüttert. Der Brief in ihrer Hand war bereits von ihren Tränen durchnässt und durch ihren Griff zerknittert. Sophies Tränenfluss stoppte kaum. Aber sie versuchte sich die Tränen fortzuwischen, um den Brief zu Ende zu lesen. So nahm sie ihr Taschentuch und putzte sich umständlich die Nase. Anschließend versuchte die alte Frau den Brief wieder zu glätten. Die Worte Rosalies waren durch ihre Tränen bereits leicht verschmiert, aber dennoch lesbar. Sophies Finger zitterten, als sie weiter las. Doch dann stockte ihr Atem, als nun von Oscars Tod las. Wieder verkrampfte sich die Hand, in dem der Brief sich befand. //Lady Oscar… Erst André… und nun Ihr… Wieso musste das Geschehen? Oh, hätte Euer Vater, der General, Euch doch niemals als Mann erzogen. Ich habe es ihm damals gesagt. Es wird Unglück über das Haus bringen. Und ich habe Recht behalten. Lady Oscar war so eine wunderschöne junge Frau, auch wenn sie die Sturheit und den Dickkopf ihres Vaters geerbt hat. Wie gern hätte ich es gesehen, wenn sie sich, wie ihre Schwestern, heraus geputzt hätte und zu prunkvollen Bällen gegangen wäre. Sie wäre heute verheiratet und würde ihren Mann glücklich machen.// Sophie musste ihre Nase schnäuzen, allein dieser letzte Gedanke ließ erneute Tränen in ihr hochkommen. Für Oscar hatte sie sich immer nur das Beste gewünscht. //…aber wäre sie dann wirklich glücklich geworden? Ich erinnere mich an ihre Worte, wie sie mir einst sagte, dass sie froh sei, wie ihr Leben verlaufen wäre. Das sie Dinge lernen und auch erleben durfte, die keine andere Frau je erleben würde. Und bei ihren Worten strahlten ihre Augen wie zwei Sterne. Ich weiß, sie hätte mich niemals belogen. Egal wie sehr mich die Entscheidungen des Generals oder auch die ihren mir missfallen haben, war ich immer für Lady Oscar da. Sie war immer etwas ganz besonderes und das wird sie auch auf ewig bleiben.// Das Herz der alten Dame zog sie stetig immer weiter zusammen und ihre Atmung war stockend. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn und der Schock saß ihr noch immer in den Knochen. //André hätte Lady Oscar bestimmt glücklich gemacht. Er war immer an ihrer Seite und hat sie beschützt. Seine Blicke, ihr gegenüber, sind mir in den letzten Jahren nicht entgangen. Sie waren so voller Liebe und Zuneigung, aber auch Schmerz habe ich darin sehen können. Es muss fast unerträglich für ihn gewesen sein. Wie gerne hätte ich es ihm erspart, aber wie hätte ich dies tun sollen? Niemals hätte ich ihn damals in ein Waisenhaus geben können, nach dem seine Eltern nicht mehr unter uns weilten. Er war so dankbar hier zu sein. Und ich erinnere mich an seinen entsetzten Gesichtsausdruck, als er merkte, dass Oscar kein Junge sondern ein Mädchen war. Aber schon damals hat Lady Oscar ihren Charme spielen lassen. Sie waren so schnell unzertrennlich. Damals waren sie wie Geschwister und für sie gab es keinen Standesunterschied. Nur dies änderte sich zum Teil mit den Jahren, wo sie langsam erwachsen wurden.// Sophie wischte sich ein paar Tränen fort und seufzte dabei. Dann fiel ihr Blick zurück auf das Stück Papier in ihren Händen. Auch wenn es ihr schwer fiel, las sie nun den Brief zu Ende und erfuhr so, dass ihr Enkel und Lady Oscar sich doch gefunden hatten und wann und wo die Beerdigung sein würde. //Sie haben sich gefunden. Das erfreut mein altes Herz. Ich hoffe sie befinden sich nun bei Gott, unserem Herren, und sind dort miteinander vereint.// Wieder musste sich die Dame ein paar Tränen fortwischen. //Es war niemals von Gotte vorbestimmt, dass die Eltern und Großeltern ihre Kinder überleben. Er hätte es niemals gewollt. Aber soll es für uns ein Zeichen sein? Ein Zeichen des Umbruches?// Ihre Hand verkrampfte sich wieder um das Stück Papier und ihr Herz schmerzte immer schlimmer. Dann sackte sie langsam in sich zusammen. Eines der Dienstmädchen fand sie eine halbe Stunden später und alarmierte sofort die Herrschaften wie auch einen Arzt. Dieser diagnostizierte Sophie unter einem starken Schock litt und ihr altersschwache Herz dies kaum verarbeiten konnte. Man sollte sich darum kümmern, dass Sophie ruhig blieb, um sich zu erholen. Wenn dies nicht geschehen würde, sah der Arzt keine große Chance mehr für das alte Kindermädchen. Sie war einfach nicht mehr die Jüngste. Sophie selber hatte ein Beruhigungsmittel erhalten und schlief nun tief und fest. Dabei träumt sie von André und Oscar. Von deren Kindheit, aber auch von einer Zukunft die niemals geschehen würde. Wie die beiden heiraten und eine Familie wurden. Das dies nur ein Traum war, realisierte Sophie nicht. So dauerte es einige Tage bis die alte Dame sich wieder etwas erholt hatte. Im Hause de Jarjayes herrschte eine Totenstille. Als Sophie erwachte, dachte sie alles wäre ein Traum gewesen, aber dies war nicht der Fall. Das traf die Amme wieder sehr. Auch das sie nicht wusste, wo genau die Gräber von André und Oscar sich befanden. Aus Rosalies Schreiben hatte sie entnommen, dass die beiden in Arras ihre letzte Ruhe finden sollten. Sophie hätte sehr gern die schweren Strapazen der langen Reise auf sich genommen, nur um sich noch einmal verabschieden zu können und die Gräber mit ein paar Blumen zu schmücken. Da ihr dies nun unmöglich war, stellte die alte Frau, nachdem es ihr soweit wieder besser ging, in die Zimmer der beiden jeden Tag frische Blumen. Niemand sprach mehr im Haus über das Geschehene. Kapitel 5: General Francois Augustin Reynier de Jarjayes -------------------------------------------------------- Palais de Jarjayes, 18. Juli 1789 General Francois Augustin Reynier de Jarjayes erhielt Rosalies Brief etwas später. Da dieser Brief an ihn und auch seine Gemahlin gerichtet war, ließ er diese zu sich kommen. Ihr reichte er das Schreiben, damit sie es verlosen sollte. Selber stellte er sich an die Tür zum Wintergarten und zündete sich seine Pfeife an. Ruhig lauschte er den Worten seiner Frau. Als diese auf einmal stockte und er deutlich ihre Tränen hören konnte, drehte er sich zu ihr um. Auch wenn er seine Frau liebte, konnte er es nicht leiden wenn sie weinte. So ging er zügigen Schrittes zu ihr. Er wollte, dass sie nicht weinen sollte. Aber er brachte aber kein Wort aus seiner Gemahlin heraus. Sie reichte ihm nur unter Schluchzen den Brief. Verärgert nahm er ihn etwas grob entgegen. Dann lass er den Brief zu Ende, dabei zog sich seine Stirn immer weiter zusammen. Anschließend zerknüllte er den Brief und warf ihn vor die Füße seiner Gemahlin. „Was soll ich damit? Ich habe kein Kind mit dem Namen Oscar.“, sprach er in einem äußerst scharfen Ton, sodass seine Frau nicht wagte etwas dagegen zu sagen. Der General stampfte geradezu an ihr vorbei in sein Arbeitszimmer. Dann konnte man nur noch das Knallen der schweren Eichentür hören, die unsanft ins Schloss gestoßen wurde. Reynier ließ sich auf seinem Sessel nieder und zog wieder und wieder an seiner Pfeife. Sein Mienenspiel hatte sich kaum verändert. Ab und zu verließen ein paar nicht verständliche Worte seinen Mund. Kaum das die Glut in seiner Pfeife erloschen war, legte er diese unsanft auf seinen Schreibtisch und erhob sich. Sein direkter Weg führte ihn zum Fenster, von dort aus sah er hinaus in den Garten, genau zu jener Stelle, wo Oscar und André immer trainiert hatten. Reynier schüttelte seinen Kopf und senkte leicht seine Lider. Dann seufzte er und sah wieder hinaus. //Ich war wirklich stolz auf dich, Oscar. Auch wenn es zu Beginn erst nicht danach aussah, hast du dich mit der Zeit entwickelt. Alle lobten dich für deine Courage, für deinen Einsatz und deine Stärke. Vor allem die Königin war die mehr als wohl gesonnen. Warum hast du das alles aufgegeben? Oscar hatte eine riesige Karriere vor sich. Die Königin wollte sie in Bälde zum General befördern. Aber was tat dieses Kind? Es lehnte ab. Und dann? Es nahm den Posten als Kommandant der Garde Francaise an. Schon damals habe ich diese Entscheidung nicht verstehen können. Auch wenn sie es mir wieder und wieder versuchte zu erklären. Oder lag es damals schon an diesem Stallburschen? An André? Ich hätte ihn schon früher des Anwesens verweisen sollen. Gewiss, hat er immer seine Arbeit in vollster Zufriedenheit aller erledigt. Jedoch hätte ich ahnen müssen, dass wenn er Tag täglich mit Oscar zusammen ist, dass er irgendwann seine Gefühle für sie entdeckt. Ich hätte ihn hier mehr einspannen sollen, dann wäre dies bestimmt nicht geschehen. Aber nun ist es zu spät und nicht mehr abänderbar.// General de Jarjayes war so sehr in seinen Gedanken versunken, dass er die Unruhe wegen Sophie nicht mitbekam. Ihm war in diesem Moment auch nicht bewusst, wie sehr es die alte Frau treffen musste. //Vielleicht hätte ich von Anfang an nicht gegen Gotteswillen zuwider handeln sollen und Oscar wie eine Frau erziehen lassen. Mir ist kein Sohn geschenkt worden und ich hätte nicht so handeln dürfen. Gott bestraft mich damit. Auch wenn sie es selber nicht so sah. Sie sagte sogar einst, dass sie dankbar für meine Entscheidung war. Jedoch der Zweifel nagte schon sehr lange an mir und er wird mir gewiss bis zu meinem Tode folgen. Aber was sie nun getan hat, hat sie selber zu verantworten. Ich habe ihr helfen wollen. Dafür bin ich sogar bei der Königin gewesen und habe sie darum gebeten, sie wieder in der königlichen Garde aufzunehmen. Aber dieses Kind lehnte einfach ab. Die Zeit in der Garde direkt in Paris ist nicht bekommen. Warum habe ich sie gehen lassen? Sie hat immer auf meine Worte gehört. Aber dann habe ich ihr die Zügel überlassen. Natürlich, eines Tages müssen sie auf ihren eigenen Beinen stehen. Jedoch ist es nicht die Aufgabe der Eltern, sie auf den richtigen Weg zu bringen? Daran ist doch nichts Falsches. Zudem wusste Oscar genau, dass wir seit Generationen königstreu sind und dass wir dafür ausgezeichnet wurden. Durch ihr handeln hat sie der ganzen Familie Schande bereitet. Und sie wusste, dass ich diesen Fehltritt niemals ungestraft zulassen würde. Und ich hätte ihre Strafe vollzogen! Und sie war sich diesem bewusst. Ich hätte es für sie getan. Aber André musste sich einmischen. Wäre nicht der Bote der Königin erschienen, hätte ich wahrscheinlich an diesem stürmischen Abend Mord begangen.// Kurz fiel Reyniers Blick noch nach draußen, zu der langsam untergehenden Sonne. Wieder seufzte er schwer und ging anschließend zurück zu seinem Schreibtisch. Hinter diesem ließ er sich nieder. Er stützte seinen Kopf auf seine Hände und schloss seine Augen. //Verzeih mir, Oscar. Verzeih mir, was ich dir antat und das ich dich verstieß. Aber ich habe meinen Standpunkt, den du immer kanntest. Lebe wohl, mein Kind.// Der General erhielt ein paar Stunden später einen Bericht über die momentane Situation in Paris. Ihm gefiel diese gar nicht und er begann damit zu planen, seine Gemahlin mit dem Hausmädchen fortzubringen. Für seinen Geschmack war es zu unruhig und er fürchtete um den Rest seiner Familie. So setzte er ein Schreiben an seine Tochter Hortense de Rolancy auf. Sie wohnte am weitesten entfernt und er hoffte dort, seine Gemahlin in Sicherheit zu wissen. Er selber würde in Paris und somit in der Nähe des Königspaares bleiben. Das hatte er sich schon als junger Mann geschworen. Es war seine Lebensaufgabe, wie die seine Vaters und seine Großvaters zuvor. Diese Tradition würde er bis zu seinem Lebensende vollziehen. Die einzige Ausnahme wäre die, dass der König ihn aus seinem Dienst und seiner Pflicht entlassen würde. Aber dieses würde der General nur sehr ungern befolgen. Am Abend schickte er einen Boten mit dem Brief für seine Tochter los. Kapitel 6: Hortense de la Rolancy --------------------------------- Anwesen de la Rolancy, 10.September 1789 Fast einen Monat später erhielt seine dritte Tochter Hortense das Schreiben ihres Vaters. Es kam fast zeitgleich mit der Meldung, wie sehr die Unruhen in Paris zunahmen. Da sie soweit von der Landeshauptstadt entfernt mit ihrer Familie wohnte, dauerten diese Meldungen doch recht lange. Natürlich machte sich die junge Frau sorgen um ihre Eltern und ihre jüngste Schwester. So war sie noch mehr überrascht, als sie das Schreiben ihres Vaters erhielt. Mit dem Brief in Händen, war sie auf den Weg in Richtung des Salons. Durch ihre Neugier beflügelt, öffnete sie während des Gehens bereits den Umschlag und begann so die ersten Zeilen zu lesen. Und als sie den Salon endlich erreichte, ließ sie sich dort sofort auf die erstmögliche Sitzgelegenheit nieder. Ihre Augen waren geweitet und ihre freie Hand ruhte vor den vor Schrecken geöffneten Lippen. //Oh nein, wie konnte dies alles nur geschehen?// Noch waren ihre Wangen trocken, aber in ihren Augen bildeten sich langsam Tränen. //Meine geliebte kleine Schwester Oscar. Warum hat sie sich dem Kampf gestellt? Mutter schrieb mir vor einiger Zeit einen Brief, in dem sie berichtete, dass Oscar zur Garde Francais gegangen ist? Das war doch kein Ort für sie. Wenn ich nur verstehen könnte, was ihre Beweggründe gewesen sind? Gab es Ärger mit Vater? Ich weiß, er ist kein einfacher Mann und er ist von den Kriegen gezeichnet, aber hast sie ihn je anders kennen gelernt als, Marie – Anne, Clautilde, Cathérine, Josephine und ich? Vater war immer streng, aber sehr gerecht. Nie hat er etwas getan, was uns schaden würde. Nur Oscar musste er wie einen Mann erziehen, gegen den Willen Gottes. Warum hat ihn daran niemand hindern können? Gewiss hätte Mutter es versuchen können, aber Vater hätte niemals auf sie gehört. Auch wir Schwestern hätten uns niemals getraut.// Hortense seufzte schwer bei der Erinnerung an das Ende ihrer Kindheit, als sie ihrem zukünftigen Gemahl vorgestellt worden war. Aber genau wie ihre beiden älteren Schwestern hätte sie es niemals gewagt, etwas gegen diese Bindung auszusprechen. So war ihre Erziehung, eine Frau hatte niemals ihren Eltern oder ihrem Gemahl zu widersprechen. Aber Hortense hatte Glück mit ihrem Gemahl, der sie wirklich liebte und auch die junge Frau hatte rasch an ihm Gefallen gefunden, so dass es eine gute Bindung geworden war. Hortense war dies vollkommen bewusst und sie hatte sich vor Oscar immer etwas Ähnliches gewünscht, auch wenn ihr klar war, dass ihre jüngste Schwester immer ein Wildfang gewesen war, der sich kaum bändigen ließ. Allein die Bilder der Vergangenheit ließen Hortense schmunzeln. //In einem Moment konnte sie unsere Amme fast zur Verzweiflung bringen und im nächsten Moment war Oscar wie ein Engel. Auch wenn André immer viel ihrer Scherze und Neckereien ausbaden musste, bekam auch sie genug Rügen und Tadel. Allein wenn ich mich daran erinnere, wie es damals den Streit um Cathérines Puppe gab, mit der Oscar ’gespielt’ hatte. Oder sollte man es wirklichen spielen nennen? Vater hatte ihre Spielsachen beschlagnahmt und Oscar war darüber wütend, so dass sie ihre Wut erst an Cathérines Sachen und dann an Sachen der anderen ausgelassen hatte. Ich erinnere mich heute noch daran, wie wütend Vater war und wie seine Stimme durch das ganze Haus halte. Alle verhielten sich still, nur Oscar stand ‚ihren Mann’ und ließ die Strafe ohne Klagelaut über sich ergehen. Sie entschuldigte sich bei uns, wie sie es immer tun musste, wenn es Streitereien unter uns gab. Und ich erinnere mich, dass Oscar ein paar Tage in der Küche essen musste, wobei ihr nichts anderes übrig blieb, als zu stehen, weil ihr Hinterteil zu empfindlich war, um sich zu setzen. Ich weiß noch wie Sophie zeterte, aber auf der anderen Seite hat sie ihr Leid getan und versuchte ihr zu helfen. Ach, gute Sophie. Du warst immer die Gute Seele im Haus. Und dir zu Liebe hat Oscar einiges getan. Vater konnte noch so schimpfen, aber wenn sie von unserer Amme um etwas gebeten wurde, erfüllte sie ihr alles und das in Windeseile. Ach, Oscar…// Nun gewannen die Tränen doch und begannen über Hortense Wangen zu laufen. Leise schluchzte sie dabei. Kurz benötigte Oscars Schwester um ihr Taschentuch zu finden, um ihren Tränenfluss zu stoppen. Mit etwas Selbstbeherrschung, auch wenn ihr diese im Moment schwer fiel, gelang es ihr. So putzte sie rasch ihre Nase. //Meine geliebte Schwester, du wirst immer einen Platzen in meinem Herzen haben. Ich werde dich niemals vergessen!// Hortense Mann trat in den Salon und bemerkte sofort, dass etwas mit seiner Frau nicht zu stimmen schien. Er hatte ihre leicht geröteten Augen gesehen. So nahm er sie zärtlich in den Arm und ließ sich von ihr Schildern was geschehen war. Er war genauso wie sie geschockt und drückte sie so noch etwas kräftiger an seine Brust. Dabei strich er ihr tröstend über den Rücken und sprach beruhigende leise Worte zu ihr. So ließ Hortense ihren ganzen Gefühlen freien Lauf und es dauerte einige Minuten, bis sie sich soweit gefangen hatte, dass sie die Bitte ihres Vaters an ihren Mann herantrug. Dieser erklärte sich sofort dazu bereit, seine Schwiegermutter und das Kindermädchen bei sich aufzunehmen. Er höchstpersönlich wollte ein Schreiben aufsetzen, aber Hortense bat darum, dies selber zu erledigen. Natürlich stimmte er dieser Bitte zu. So schrieb die junge Frau etwas später ihrem Vater einen Brief. In diesem bestätigte sie, dass ihre Mutter wie auch Sophie jederzeit bei ihr und ihrem Gemahl auf das herzlichste Willkommen seien. Auch würde sie sich über seine Anwesenheit freuen. Auch wenn ihr unterbewusst schon klar war, dass er ihrer Bitte nicht folgen würde. Über Oscar schrieb sie bewusst nichts. Kaum das der Brief beendet war, ließ sie einen Boten kommen und den Brief zu ihrem Vater bringen. In der Zeit, wo sie auf ihre Mutter und Sophie warteten, richteten sie alles her. Hortense Mann holte immer wieder Einkünfte darüber ein, wie der Stand in Versailles, Paris und Umgebung sich verhielt. Und die Berichte waren nicht die Besten. Nur ein Teil davon gab er an seine Frau weiter, z.B. der, dass er in Erfahrung gebracht hatte, dass auch André sein Leben hatte geben müssen. Diese Meldung hatte General de Jarjayes nämlich nicht in seinem Brief erwähnt. Diese Meldung traf Hortense genauso. Sie hatte André schon als Kind in ihr Herz geschlossen und die Meldung, dass er ebenfalls nicht mehr lebte, schürte vor allem die Sorge um ihr geliebtes Kindermädchen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen als Hortense endlich ihre Mutter und auch Sophie in die Arme schließen konnte. Mit aller Liebe kümmerte sie sich um die beiden und vor allem um Sophie. Dieser stand die Trauer am deutlichstem ins Gesicht geschrieben. Aber egal was Hortense auch tat, sie konnte ihr altes Kindermädchen nicht aufheitern. Erst ihre eigene Tochter Lulu schaffte es, an Sophie heran zukommen und ihr eine neue Aufgabe zu geben. Kapitel 7: Graf Victor Clemont de Girodel ----------------------------------------- Palais de Girodel, 12. September 1789 Graf de Girodel erfuhr erst Wochen später von Oscars Tod, da er mit seinem Vater weit ab von Paris und Versailles sich befand. Nun war er nach Hause zurückgekehrt, als ihn diese schreckliche Nachricht ereilte. Victor saß im unbeleuchteten Salon, in einer Hand ein Glas Cognac und starrte in das offene Kaminfeuer, die als einzige Lichtquelle diente. Sein Blick war trüb und seine Augen brannten. Dass draußen ein Unwetter tobte, registrierte er überhaupt nicht. //Oh Oscar, mein Engel. Warum musste sie mit in die Schlacht gehen? Wäre sie doch meine Frau geworden. Ich hätte niemals zugelassen, dass ihr jemand etwas antut. Ich wäre mit ihr fort gegangen. Wohin sie es sich auch gewünscht hätte. Jeden Wunsch hätte ich ihr erfüllt! Niemals hätte ich zugelassen, dass sie traurig wäre. Auf ewig hätte ihr liebliches Antlitz erstrahlen können, mit ihrem wunderschönen Lächeln. Aber nun ist sie fort. Fort auf ewig. Niemals wieder kann ich sie direkt vor mir stehen sehen. Auch wenn ich das in den letzten Monaten kaum tun konnte. Hätte ich nur früher ihre Gesinnung erkannt… Für sie allein hätte ich allem entsagt, was mir einst wichtig war: meiner Familie, meinem Titel, dem Königshaus, meinem Glauben, einfach allem. Aber ich war zu feige. In meinem Herzen war nie so eine Courage, wie in dem ihrem, welches hinter ihrer Brust nur so wild schlug. Sie war nicht nur liebreizend und wunderschön. Nein, Sie war auch in vielerlei Hinsicht unendlich stark. Auch wenn sie eine Frau war, war sie doch auch fast wie ein Mann. Ich kenne niemanden, der sein Leben nicht in ihre Hände gelegt hätte. Alle haben auf sie gebaut und ihr vertraut. Sie wären für sie in den Tod gegangen. Aber nun ist sie von uns gegangen, meine geliebte Oscar… Wie soll nun alles weiter gehen? Ohne sie hat mein Leben keinen Sinn mehr für mich. Sie war meine Sonne, mein Sein. Tief in meinem Herzen habe ich immer gehofft, dass sie mich nur ein einziges Mal als den Mann sieht der ich bin, und nicht der Soldat, der in der Garde unter ihr diente. Auch wenn ich weiß, dass sie meine Gefühle niemals erwidert hat, werden sich meine Gefühle zu ihr niemals ändern. Ihr wird mein Herz für immer gehören!// Der Griff um sein Glas wurde fester, während Victor seine Augen zusammenkniff, um die aufsteigenden Tränen zurück zudrängen. Es fiel ihm schwer, aber seine Erziehung verbat es ihm noch immer offen zu solchen, genauer gesagt zu seinen eigenen Gefühlen zu stehen. Einige Minuten vergingen bis seine freie Hand in seine Jackentasche glitt und dort ein kleines unauffälliges Tütchen hervor zog. Langsam öffnete er seine Augen, als er den Inhalt in sein Glas gab. Genau sah er, wie das Pulver, welches das Tütchen enthalten hatte, sich langsam in dem Getränk auflöste. Es schien als hätte er Champagner in seinem Glas und keinen Cognac, so sehr sprudelte es in dem Glas. Victor beobachtete es, bis die Flüssigkeit sich wieder beruhigt hatte. Langsam führte er sein Getränk an seine Lippen. Doch bevor das Gefäß seine Mund nur berührte, hielt er inne. //Ist dies wirklich die richtige Entscheidung? Würde Oscar das wirklich wollen?// Victor war verunsichert. So sah er abermals in das Glas hinein. Bange Minuten schienen zu verstreichen, bis er sich wieder sichtbar regte. Der Griff seiner Hand um das Glas verfestigte sich, um es kurz darauf mit einem gezielten Wurf in den Kamin zu befördern. Wo es zerschellte und die Flüssigkeit via Sekunden verdampfte. Aber Victor hörte das ganze fast gar nicht mehr. Sein Oberkörper war nach vorne gesunken und sein Haar verbarg ein Teil seines Gesichtes. Seine Hände hatten die Armenlehnen geradezu umklammert, als würde er im nächsten Moment den Halt verlieren. Seine Haltung im Ganzen wirkte verkrampft, aber sonst war keine Regung seinerseits zu erkennen. //Ich bin feige. Nicht einmal das konnte ich! Für mich kann man sich nur Schämen! Wenn Oscar dieses wüsste… sie hätte mich gewiss ausgelacht.// Sein Griff wurde fester, sodass seine Knöchel schon weiß hervorstanden. Jedoch verharrte Victor weiter in seiner Position. So schien Minute um Minute zu vergehen, bis er auf einmal ruckartig aufstand und der Sessel, auf dem er die ganze Seite gesessen hatte, mich einem Poltern zu Boden ging. Victors Atem war schwer und seine Hände nun zu Fäusten geballt. Langsam öffneten sich seine Augen. Erst war nur ein Spalt zusehen und erst nach und nach kam das grün seiner Augen zum Vorschein, welches im Licht des Kaminfeuers undefinierbar glänzte. //Nein, ich kann jetzt nicht sterben! Ich muss dieses Land und das Königshaus beschützen! Würde ich nun den Freitod wählen, wäre Oscars Wahl damals falsch gewesen. Sie wäre gewiss von mir enttäuscht.// Langsam entspannte sich Victors Körper wieder. Er richtete sich gerade auf und strich sich dann seine Uniformjacke glatt. //Auch wenn es nicht ganz im Sinne Oscars ist, aber meine Aufgabe ist es, das Königspaar zu schützen! Oscar würde dies gewiss befürworten. Da bin ich mir sicher.// Mittlerweile vollkommen ruhig ging er zu einem kleinen Beistelltisch und ergriff dort ein neues Glas. Die Karaffe mit dem Cognac stand direkt daneben, aus der er sich nun etwas eingoss. Leicht schwenkte er anschließend das Glas und beobachtete dabei die Bewegung des bernsteinfarbenen Getränkes. Aus einem nicht erklären baren Grund zeichnete sich ein Lächeln auf Victors Gesicht ab, als er das Glas in Richtung seiner Lippen führte. //Auf Euch, Oscar. Ihr seid Eurem Weg gefolgt, ich werde den meinen gehen. Auch wenn diese sich sehr voneinander unterscheiden. Euer Verlust schmerzt mich sehr, aber ich werde Euch niemals vergessen! Meine Oscar Francois.// Dann erreichte das Glas seinen Mund und er leerte es in einem Zug. Anschließend stellte er das Glas ab und machte sich auf den Weg in sein Gemach. Am nächsten Tag trat er seinen Dienst an, ohne dass man ihm anmerkte, dass er in seinem Inneren um Oscar trauerte. Aber er wusste, dass wenn man diesen seinen Schwachpunkt herausfände, wäre er für jeden jederzeit angreifbar und dies durfte ihm in seiner Position nicht geschehen. Das war eines der Dinge, die er von Oscar gelernt hatte. Und dafür war er ihr dankbar. In der Nacht zuvor hatte er sich geschworen, niemals wieder würde er sein Herz an eine Frau verschenken. Er würde auf ewig alleine bleiben. Kapitel 8: Königin Marie Antoinette oder in diesem Falle die Witwe Capet ------------------------------------------------------------------------ Concièrgerie Gefängnis, 05.Oktober 1793 Die einst so strahlende Königin von Frankreich, Marie Antoinette, erfuhr erst Jahre später von dem Tod der Freundin. Sie befand sich seit Anfang August desselben Jahres im Verlies des Concièrgerie Gefängnisses. Rosalie kümmerte sich um die entthronte Königin, so wie Oscars Vater sie darum gebeten hatte. Diese war es auch, die der ehemaligen Königin von Oscar berichtete, nachdem Marie Antoinette sie mehrfach darum gebeten hatte von der Freundin zu erzählen. Rosalie hatte in den vergangenen Jahren mit diesem Wissen leben gelernt, aber dennoch traf sie die Erinnerung noch immer sehr hart. Erst Recht, als sie Marie Antoinette wieder und wieder von Oscar erzählen musste. Aber dennoch tat sie es gerne. In der kurzen Zeit hatte sie die einstige Herrscherin besser kennen lernen können und daher auch gemerkt, dass diese eine innige Freundschaft zu Oscar hegte. An dem Abend nachdem Rosalie gegangen war und Marie Antoinette von dem Tode Oscars gehört hatte, weinte sie bittere Tränen um die Freundin. Sie hatte gehofft, dass die einstige Freundin irgendwo glücklich leben würde. Aber das Schicksal schien es scheinbar anders für Oscar vorbestimmt zu haben. //Meine geliebte Freundin, Oscar… Wie lange ist es her, dass ich sie sah? Sind bereits so viele Jahre vergangen? Mein Herz ist schwer, bei dem Gedanken, sie nicht noch einmal gesehen zu haben.// Marie Antoinette ging auf die Knie, faltete ihre Hände und senkte dabei ihr Haupt. //Herr im Himmel, der Ihr über alles wacht. Haltet Euer waches Auge über Lady Oscar und auch über ihren André. Erfüllt mir diese eine Bitte, oh Herr. Ich weiß, ich habe viele Fehler in meinem Leben begangen, die nicht mehr rückgängig zumachen sind, aber mir wurde soviel genommen… Mein Gemahl, meine Kinder… nun auch Lady Oscar, meine Freundin. Nur diesen einen Wunsch. Nicht für mich, sondern für meine geliebte Oscar. Lasst sie in Eurem herrlichen Reich willkommen heißen und gebt ihr Geborgenheit.// Einzelne Tränen rannen über ihre Wangen und nässten den dreckigen kalten Boden. Die Kälte zog sich durch ihr dünnes Kleid, aber es war ihr gleich. Ihre Gedanken weilten längst an einem anderen Ort. //Ich hätte auf Oscar hören sollen, als sie mich warnte. Aber mein falscher Stolz und meine Eitelkeit ließen es nicht zu. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen kann. Innständig hoffe ich, dass sie nun an einem besseren Ort verweilt und nicht dies alles hier mit ansehen muss. Mein geliebter Joseph ist gewiss bei ihr. Er hat, genauso wie sie, diese Welt viel zu früh verlassen müssen. Aber heute merke ich immer mehr, dass es auch das Beste für sie ist. Sie mussten die ganzen Qualen nicht mehr miterleben. Ich hoffe, sie können sich an die schönen Seiten ihres Lebens erinnern und nicht an dieses Dunkelheit, die geprägt ist von Angst, Gewalt, Blut und Tod. Das wünsche ich ihnen so sehr.// Langsam hob Marie Antoinette ihren Kopf und noch immer liefen ihr dabei die Tränen über die Wangen. //Meine Freundin war immer so stark. Das möchte ich nun auch sein. Sie hat soviel in ihrem Leben durchstanden. Wenn ich an sie denke, habe ich keine Angst vor dem Weg, der vor mir liegt.// Marie Antoinette hielt den Kopf nun hoch erhoben. Ihre Hand strich die Tränen fort. //Auch wenn in mir die Furcht vor dem Unbekannten wütet, habe ich keine Angst. Meine Freundin soll mir nun Wegweiser sein an einen besseren Ort.// Langsamen Schrittes ging sie zu der Pritsche, die ihr Nachtlager war und ließ sich auf dieser nieder. //Verzeiht mir Mutter, dass ich nicht in Eurem Sinne gehandelt und nicht auf Eure weisen Ratschläge gehört habt. Ihr ward mir immer eine gute und lehrreiche Mutter. Ich hoffe dennoch, dass wir uns eines Tages irgendwo noch einmal begegnen werden und ich Euch dennoch Dank aussprechen kann.// Die gefallene Königin bettete ihr Haupt auf der Liege, welche nicht mal ein richtiges Kissen oder eine anständige Decke besaß. Langsam schloss sie ihre Augen. //Vielleicht werde ich auch Oscar wieder sehen. Dann kann ich mich auch bei ihr bedanken. Ich weiß, sie würden diesen Dank nicht annehmen. Soweit kenne ich sie. Aber habe ich sie sonst wirklich gekannt, dass ich sie meine Freundin nennen durfte? Rosalie erzählte so viele Dinge von ihr, die mir unbekannt waren. Jedoch ist Oscar immer für mich da gewesen, wenn ich sie brauchte. Aber was konnte ich für sie tun? Ich hätte ihr Titel verleihen oder ihr einen besseren Rang verschaffen können. Jedoch Oscar lehnte bereits meine letzte Beförderung zum General ab. Ich gebe zu, ich war getroffen, dass sie dies nicht annehmen wollte. Aber nun ist mir bewusst, dass zufrieden mit war, was sie war und was sie hatte. Zu guter letzt, wenn auch in meinen Augen zu spät, fand sie sogar die Liebe. Wenn sie es früher erkannt hätte, genauso wie ich, hätte ich den König darum gebeten, André einen Titel zu verleihen, dann hätte niemand etwas gegen diese Bindung unternehmen können und dürfen. Nur der König alleine. Dies wäre mein Geschenk für sie gewesen. Für all das, was sie mir immer gab. Auch wenn das meine, die ihren nicht im geringsten Aufwiegen kann. Ich hätte vieles tun können, aber was habe ich getan? Ich liebte Dinge wie schöne Kleider, Schmuck und auch das Tanzen oder aber Besuche in der Pariser Oper. Ich war blind und naiv. Wenn ich nur mehr auf die Menschen gehört hätte, die mir am nächsten gestanden haben. Und nicht auf all die anderen, die Speichellecker, Hetzer und Schönredner, die nur um meine Gunst… nein, die um das Geld, Wohlstand und ihr eigenes Fortbestehen buhlten und daher um mich herum schlichen. Auch wenn es nun zu spät ist, habe ich erkannt, dass ich falsch gehandelt habe. Ich habe alles im Leben verloren, was mir einst wichtig schien. Aber ob es dies wirklich war, bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher. Musste es wirklich erst zum Tode Lady Oscars und den anderen Unglücken kommen, dass mein Blick sich nun erst klärt und ich endlich zu verstehen scheine? All dies hätte ich verhindern können. Die Macht dazu habe ich einst besessen.// Mit diesen Gedanken und Tränen in den Augenwinkeln schlief Marie Antoinette ein. In ihren letzten Tagen würde sie von Rosalie noch ein paar Dinge über die geliebte Freundin Oscar erfahren. Das war ihr kleiner Lichtblick in der sonstigen Dunkelheit. Kapitel 9: Graf Hans Axel von Fersen ------------------------------------ Paris , 12.Oktober 1793 Graf Hans Axel von Fersen erfuhr erst bei seinem letzten geheimen Treffen mit Marie Antoinette im Concièrgerie Gefängnis, von Oscars Tod. Natürlich hatte er sich in den vergangenen Jahren gefragt, wo die einstige Freundin sich aufgehalten habe, jedoch war er selber viel zu beschäftigt gewesen, um die Königin zu unterstützen, dass er nicht die Chance erhalten hatte, Nachforschungen über Oscars Verbleib betreiben zu können. Dennoch traf es ihn hart zu hören, dass Oscar nicht mehr unter ihnen weilte. Genauso, wenn nicht sogar noch mehr, setzte es ihm zu, dass Marie Antoinette sehr unter diesem Verlust zu leiden schien, auch wenn sie sich nach Außen hin stärker gab. //Oscar… das letzte Mal, dass ich sie sah, ist so viele Jahre her. Aber ich habe dennoch das Gefühl, als wären erst ein paar Stunden vergangen, seit ich sie in die Seitengasse zog und sie auf einmal von ’ihrem’ André sprach. Ich habe mich wirklich für sie gefreut, dass sie nun scheinbar endlich ihren Weg gefunden hatte. Aber das dies so für die beiden Enden würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Jedoch hätte es wirklich anders ablaufen können? Oscar hatte immer einen sehr starken Charakter, aber hinter dieser harten Schale befand sich immer ein sehr feinfühliger, wunderschöner und weicher Kern. Den sie niemandem zeigt. Nur für mich zeigte sie diesen, als sie auf einem Ball in einem wunderschönen Kleid erschien. Niemand erkannte sie. Auch ich zuerst nicht. Dafür schäme ich mich. Wenn ich nur vor so vielen Jahren sie als das gesehen hätte, was sie wirklich war... Vielleicht wäre einiges anderes gelaufen. Aber dies werde ich niemals erfahren.// Seufzend ließ von Fersen sich auf einem Sofa in seiner Unterkunft nieder. //Aber dies alles hätte nicht geschehen müssen. Nicht nur, dass mit Oscar und André. Auch mit meiner geliebten Königin… Wenn ich nur etwas ändern hätte können? Vielleicht hätte ich damals wirklich heiraten sollen, als man mir diese Bitte zutrug…// Wieder seufzte er und lehnte sich dann zurück. //Es ist hart, aber es ist geschehen. Und somit ist es unabänderbar. Ich werde gewiss Lady Oscar und auch André niemals vergessen. Beide werde ich in meinem Herzen tragen, so wie sie immer waren. Oscar, so stolz und anmutig und André, als ihr stetiger und treuer Begleiter.// Hans Axel griff nach seinem Glas und goss sich etwas Wein ein. //Langsam wird mir auch immer klarer, warum André sich damals so verhalten hat. Als ich erfuhr, dass Oscar eine Frau war und kein Mann. Wieso er mich mit so einem merkwürdigen Blick angesehen hatte, so streng sprach und anschließend rasch im Stall verschwunden war. Wie er reagierte, als ich aus Amerika wiederkam und mich bei Oscar zurückmeldete. Ich hätte es damals schon an seinen Worten und Gesten merken müssen. Aber ich habe ja schon nicht geahnt, dass Oscar eine Frau war. Wie hätte ich es mir auffallen sollen? Vielleicht war ich einfach zu blind, zu voreingenommen von der Schönheit Marie Antoinettes? Ich werde es wohl nie herausfinden und kann es daher nur vermuten.// Er führte das Glas zu seinem Mund und trank einen guten Schluck des Weines, als wäre es Wasser. //Die Zeiten haben sich sehr verändert, genauso wie Oscar sich verändert hat. Aber ich schimpfte sie als Kameradin… Doch wenn ich wirklich ein guter Kamerad gewesen wäre, hätte ich an ihrer Seite gestanden und mit ihr gekämpft. Gewiss hätten wir nicht ganz dieselben Ziele verfolgt, aber wir hätten uns unterstützt. Lady Oscar war immer eine Kämpfernatur. Allein wenn ich mich an die Situation erinnere, als das Pferd Marie Antoinettes durchging und man André die Schuld gab. Oscar setzte sich für ihn ein, ohne an ihr eigenes Wohl zu denken. Sie bot dem Ludwig XV. die Stirn. Ich kenne niemanden, der dies für einen so gesehenen Diener nur im Ansatz getan hätte. Dies war wirklich zu bewundern. Sie setzte sich für ihn ein, weil sie dagegen war, dass ein Unschuldiger schwer bestraft werden sollte. Und als die damalige Dauphine sich ebenfalls für André aussprach, war die Wut des Königs verschwunden.// Von Fersen stellte sein geleertes Glas zurück. //Wer hätte damals nur erahnen können, was so viele Jahre später geschehen würde? Hätte jemand dies überhaupt aufhalten können? Ich weiß es nicht. Vielleicht wäre es möglich gewesen, vielleicht auch nicht. Nur Gott weiß, was hätte sein können. Vielleicht war es auch unser aller Schicksal. Ein Schicksal, welches uns alle zusammenführte und uns nun nach und nach trennt. Wenn ich könnte, würde ich dies verhindern. Aber mir sind die Hände gebunden. Niemand kann sich gegen das Schicksal erheben und es ändern, so wie er es gern hätte. Nur Gott, dem Allmächtigen, ist dies alles möglich. Daher müssen wir alle mit unserem Laster auf ewig leben.// Wieder seufzte der Graf. Dann erhob er sich und trat zum Fenster hin, um hinaus in das dunkle Paris zu blicken. Das er seine geliebte Marie Antoinette das letzte Mal in seinem Leben gesehen hatte, erahnte er in dem Moment noch nicht. Ihm war bewusst, dass ihr Prozess in Bälde stattfinden würde, aber er hoffte innerlich, dass sie nicht dem verstorbenen König, auf das Schafott folgen würde. Dafür betete er jeden Tag. Und dies nun auch nicht mehr zu Gott allein, sondern auch zu Lady Oscar. Jedoch wurde ihm bei Urteilsverkündung deutlich vor Augen geführt, dass seine Gebete unnütz gewesen waren. Marie Antoinette sollte am 16.Oktober 1793 durch die Guillotine ihr Leben verlieren. Diese Erkenntnis traf ihn mehr als schwer. Von Fersen versuchte noch mal Marie Antoinette zu sehen und mit ihr zu reden, aber egal was er auch tat, es verließ alles im Sande. So konnte er nur ‚zusehen’, wie sie am 16. Oktober, mit kurzen Haaren, auf einem Karren zum Schafott gebracht wurde. Aber länger verweilen konnte er nicht. Er konnte nicht mit ansehen, wie man seine Geliebte, direkt vor seinen Augen das Leben nahm. So trat er nach ihrem Tode seinen direkten Heimweg nach Schweden an. Niemals würde er die Königin vergessen. Genauso wenig wie Oscar und André. Innig hoffte er, dass er seine Marie Antoinette eines Tages wieder sehen würde. In einer besseren Zeit, an einem besseren Ort. Epilog: Auf ewig ---------------- Weit fort von allem, erwachte Oscar, wie aus einem langen Traum. Ihre Lider flatterten und ihre Augen benötigten einen Moment bis sie sich an das klare Licht der Sonne gewöhnt hatte. //Wo bin ich?// Bei diesem Gedanken erhob sie sich. Ihr Blick streifte umher und sie stellte fest, dass sie auf einer riesen Blumenwiese saß. Hier schien sie vollkommen allein zu sein. Nur der Wind spielte in den Bäumen sein vertrautes Lied und ein paar Vögel zogen am Himmel ihre Kreise. Oscar schien dies alles zwar sehr fremd, zugleich jedoch auch sehr vertraut. Sie verspürte keinen Argwohn oder Angst. Ohne hektische Bewegung stand sie auf. „Ist hier jemand?“, rief sie. Aber ihre Worte erhielten keine Antwort. Oscar drehte sich auf ihrer Stelle, um einen besseren Überblick zu erhalten. Jedoch die, in voller Blüte stehende, Wiese direkt vor ihr blieb. Hinter Oscar befanden sich einige Bäume, die ebenfalls die schönsten Blüten trugen. Dort flogen die Bienen ein und aus, um ihren Nektar zusammeln. Aufmerksam beobachtete die junge Frau das emsige Treiben dieser kleinen Kreaturen. Es schien fast, als wäre sie ein kleines Kind, dass die Natur mit all ihrer Pracht und Schönheit zum ersten Mal für sich entdeckt. //Was mache ich hier nur?// Leicht schüttelte Oscar ihren Kopf. Dabei begannen sich Bilder vor ihrem inneren Auge zu bilden. Es waren Erinnerungen an vergangene Zeiten, wie sie als junges Mädchen durch die Parkanlagen des elterlichen Anwesens lief und lachend von einem Jungen verfolgt wurde. Die Bilder verschwanden und wurden von den nächsten ersetzt. Wieder konnte Oscar sich sehen. Diesmal war sie am fechten, direkt vor dem Brunnen ihres Elternhauses. Das nächste was sie sah, dass sie erhaben auf ihrem Schimmel in Richtung Versailles ritt. Ihr blondes Haar glänzte in der Sonne und sie sah sehr staatlich in ihrer weißen Uniform aus. Neben ihr ritt ein junger Mann. Wieder verschwammen die Bilder und Oscar blinzelte kurz. An immer mehr Dinge im Bezug auf diesen jungen dunkelhaarigen Mann, kamen ihr in Erinnerung. Ihr Herz wurde davon immer mehr bewegt. Was zu Folge hatte, dass auf einmal ein Name ihre Lippen verließ. „André!“ Ihre blauen Augen weiteten sich leicht. Auf einmal konnte sie sich an alles erinnern. An ihr früheres Leben, an die teils sehr schöne Zeit und auch an die Zeit, wo sie ihre Liebe für André entdeckte und sie gemeinsam in den Kampf zogen. Auch erinnerte sie sich daran, wie André starb. Diese Erinnerung ließ Tränen in Oscars Augen erscheinen. //Oh mein André…// Leicht begannen ihre Schultern zu beben und Tränen netzten ihre Wangen. //Warum sind wir nicht fort gegangen, dann könnten wir nun gemeinsam glücklich sein…// Oscar stützte sich an die Rinde eines nahen Baumes. Ihren Kopf hielt sie gesenkt und immer mehr Tränen tropften auf den Boden. Ohne es wirklich zu bemerken, nahm der Wind langsam etwas zu und das Rauschen der Blätter nahm immer weiter zu. Auch fielen immer mehr Blütenblätter herab und schienen sie, durch die Hilfe des Windes, um sie herum zutanzen. Jedoch reagierte Oscar nicht. Ihr Herz war voller Trauer und Verzweifelung. Wo sie sich selber im Moment befand und was mit ihr geschehen war, interessierte sie nicht. Ihr Sein war ohne André sinnlos. //Warum habe ich deine Gefühle nur so spät erkannt, mein André?// Auf einmal wurde Oscar aus ihren Gedankengängen gerissen. Ein klares Wiehern erhallte. Dies ließ Oscar ihren Blick heben. Ihr Blick war noch zu sehr von ihren Tränen verschleiert, um zu erkennen, was sich vor ihr abspielte. Daher wischte sie sich rasch mit ihrem Hemdsärmel über die Augen. So wurde ihr Blick klarer und sie entdeckte ein Pferd. Aber es war nicht irgendein Pferd. Es war ihr Schimmel, der mit gespitzten Ohren und hocherhobenem Schweif auf sie zugaloppierte. Wie in Trance ging Oscar auf ihr Tier zu, welches kurz vor ihr zum Halten kam. „Du bist hier, mein Freund? Aber… aber ich dachte… die Soldaten haben dich mir doch genommen…“ Zärtlich strich sie dem Tier über den Hals und musterte es ganz genau, aber sie konnte keine Wunden oder ähnliches Feststellen. „Wie ist das nur möglich?“, fragte sie sich nachdenklich. Ihr Schimmel schien sie, wie immer, zu verstehen. Daher knuffte er sie sanft und wieherte abermals. Oscar sah mit leicht verschleiertem Blick auf und strich ihm wieder über den Hals. „Schon gut, mein Freund.“, sprach sie sanft zu ihrem Pferd. Diese jedoch warf kurz seinen Kopf hoch und machte kehrt auf seiner Hinterhand. Ein paar Meter lief es voran. Dort stoppte es und sah von dort zurück zu Oscar. Abermals war sein Wiehern zu hören. „Was hast du?“ Als Antwort erhielt sie wieder ein klares Wiehern. Ihr Schimmel lief abermals ein paar Schritte und stoppte. Oscar schien zu verstehen. „Ich folge dir, mein Freund.“ Mit diesen Worten trat sie zu ihrem Pferd, welches sie problemlos aufsteigen ließ und sie dann in gestrecktem Galopp über die weite Wiese führte. Die Landschaft zog an Oscar vorbei, während sie sich an der Mähne ihres Schimmels festhielt. Ihr Blick war nach vorne gerichtet. Ihr Weg führte sie über einige Hügel. Wie viele es waren, wusste Oscar nicht. Erst auf dem scheinbar höchsten, endete der rasante Ritt. Die junge Frau war überrascht und bedachte ihr Pferd mit einem fragenden Blick. Sanft klopfte sie dessen Hals. „Sind wir am Ziel?“, fragte sie ihren Schimmel. Dieser stampfte kurz mit seinem Vorderhuf auf und regte dabei seine Nüstern in eine Richtung. Oscars Blick folgte seiner Wegweisung und sie konnte ein einfaches Haus ausmachen. „Wo hast du mich hingebracht, mein Freund?“ Unwirsch schüttelte ihr Schimmel seinen mächtigen Kopf. Es schien, als würde er nun keine Worte Oscars wollen. Die junge Frau zögerte, und als sie abermals ihre Worte an ihr Pferd richten wollte, sah sie, wie die Tür des Hauses sich öffnete und eine Gestalt heraustrat. Schon anhand der schmeidigen Bewegungen erkannte Oscar die Person sofort. Ihre Augen weiteten sich und ihre Lippen öffneten sich. Jedoch verließ diese kein Laut. Kurz schluckte Oscar und drückte dabei sanft ihre Beine an die Flanken ihres edlen Pferdes. Dieses setzte sich bereitwillig sofort in gang. So näherte sich Oscar immer weiter dem Haus. Die Gestalt schien sie noch nicht bemerkt zu haben und schlug daher in vollkommener Ruhe Feuerholz. Erst als ein Schatten sich vor ihm aufbaute, sah die Gestalt hoch. Wer vor ihm stand konnte er nicht kennen. Die Sonne umrahmte Oscars Körper und ließ sie geradezu leuchten. Ihr Gegenüber beschattete seine Augen mit einer Hand. Aber viel half ihm dies nicht. „Wer seit Ihr?“, ertönte eine bekannte Stimme. Oscar lächelte und ihr Herz schlug schneller, erst recht, als sie seine Stimme hörte. „Ich bin es. Oscar. Deine Oscar, mein André.“, sprach die junge Frau im zärtlichen Tonfall. „Os… Oscar?“ „Ja, André. Ich bin es.“ Mit diesen Worten rutschte sie vom Rücken ihres Schimmels und trat anschließend auf ihren Geliebten zu. „Mein Pferd brachte mich her.“ „Aber Oscar, was machst du hier?“ „Das ist mir egal, André. Ich bin nur so unsagbar froh, endlich wieder bei dir zu sein.“ Bei diesen Worten war sie dicht vor ihm stehen geblieben. Ihre Augen schimmerten feucht. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und fuhr ihm mit ihren Fingern über seine Wange. „André, du… du kannst ja wieder sehen.“ Ihr Gegenüber ließ sie gewähren und sah sie dabei weiterhin direkt an. „Ja, seit ich hier bin, ist es so.“ „Und wo sind wir?“ „Weißt du das nicht?“ Oscar schüttelte ihren Kopf und ein paar der Blütenblätter, die den raschen Ritt in ihrem Haar überdauert hatten, flogen durch die Luft. „Wir sind im Paradies, Oscar.“ „Im… im Paradies? Aber…“ „Ja, Oscar. Du hast richtig gehört. Hier ist das Reich Gottes.“ Die Augen der jungen Frau weiteten sich. Jedoch wurde ihr so einiges immer klarer, z.B. warum ihr Schimmel wieder da war und warum sie ihre Alltagskleidung trug, was sie beim über die Augen wischen bemerkt hatte. „Aber bitte sag mir, Oscar… warum bist du hier? Du hast doch nicht…“ Oscar legte ihre Finger auf seine Lippen und stoppte somit seine Worte. „Ich habe mit unseren Freunden gekämpft. Sie haben die Bastille gestürmt, nur ich habe es scheinbar nicht überlebt.“ Oscars Stimme war klar und rein. Ihre Augen glänzten und schimmerten in den schönsten Blautönen. André sah sie ruhig an. Doch dann schloss er sie fest in seine Arme. „Meine Oscar.“, murmelte er in ihr blondes Haar. Die junge Frau schmiegte sich zeitgleich an ihn und schloss dabei ihre Augen. „Mein André. Endlich sind wir miteinander vereint.“ „Ja, auf ewig.“ Bei diesen Worten löste er sich etwas von ihr. Kurz sah er sie an, dann verschloss er ihre Lippen mit einem sanften und zärtlichen Kuss. Wie es derweil den anderen erging und wie sie alles erlebten, erahnten die beiden nicht. Sie waren glücklich miteinander vereint und lebten nun friedlich zusammen in Gottes großem Garten. Der Wunsch ihrer Freunde und Verwandten hatte sich erfüllt, die beiden hatte ihr Glück auf ewig gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)