Suri No Tegami von abgemeldet (Briefe eines Taschendiebes) ================================================================================ Kapitel 1: Everyday Pleasure ---------------------------- 1 „ Ich hab schrecklichen Hunger und mir ist kalt, Suri. Wann besorgst du uns endlich wieder was zu essen, Nii-chan!? “ Kami sagte das so, als würde er regelrecht darum flehen, dass ich ihm Essen gab. Ich war für meine Familie verantwortlich, obwohl auch ich erst 17 und noch ein Kind war. Unsere Eltern hatten uns – meine beiden Brüder Kami und Sen und meine Schwester Maki vor ungefähr einem halben Jahr verlassen. Vater war geschäftlich unterwegs, als er bei einem Autounfall ums Leben kam, während Mama sich mit einem anderen Mann aus dem Staub machte und uns vier einfach im Stich ließ. Seitdem leben wir hier alleine, in einem heruntergekommenen Appartement, das wir uns auch nur leisten können, weil ich dafür jede Woche sehr hart arbeiten muss. Sen ist 15 und damit 2 Jahre jünger als ich. Kami hingegen ist erst 12 und Maki mit 9 die jüngste von uns. Als ältester hatte ich so etwas wie die Vaterrolle übernommen und kümmerte mich so gut wie möglich um meine Geschwister, aber das Geld, das uns blieb war nicht gerade ein Vermögen. Mit anderen Worten: „ Wir hatten so gut wie gar nichts und um nicht zu verhungern musste ich fast regelmäßig stehlen, was mir in die Finger kam. Selbst damit konnten wir uns aber nur das nötigste kaufen. Wir mussten Strom sparen, benutzten so wenig Wasser wie möglich und hatten nur selten genug Holz um damit den Kachelofen, der in der Zweiraumwohnung stand, so zu heizen, dass wir nicht froren. Im Winter war das fast unerträglich. Meistens opferte ich mich und gab die wenigen Decken und das wenige Essen, das wir hatten an meine jüngeren Geschwister weiter. Immerhin waren sie diejenigen, für die die Kälte und der Hunger noch schlimmer waren, als für mich. Sie waren die einzigen Menschen, die mir noch geblieben waren und die einzigen Menschen, die ich liebte und so hatten sie es verdient wenigstens von mir gut behandelt zu werden, auch wenn das nicht immer leicht war. Im Moment hatten wir August – nicht unbedingt so kalt wie im Dezember, aber auch nicht so warm wie es für einen August der Fall sein sollte. Meine Arbeit bestand darin von 23.00Uhr – 5.00Uhr in einem japanischen Restaurant zu kellnern. Eigentlich war es eher ein Nachtclub, deswegen die ungewohnten Arbeitszeiten. Ich war immer dann nicht da, wenn meine Geschwister gerade schliefen. Dann waren sie wenigstens nicht auf meine Hilfe angewiesen und wenn doch mal etwas schief laufen sollte, war immer noch Sen, der Zweitälteste zur Stelle, der sich um Kami und Maki kümmern konnte. So gesehen hatten wir es nicht einmal so schlecht. Auf Kamis Klage hin stand ich auf und ging zum Kühlschrank. Ich war mir ziemlich sicher dort heute Morgen noch etwas zu essen gesehen zu haben. Ich behielt Recht und zog das letzte Stückchen Reisbällchen hervor. „Hier Kami, fang! Das ist leider das letzte das wir haben.“ Mit diesen Worten warf ich ihm das Essen zu, dass Kami geschickt fing. „ Heute Nacht muss ich wieder arbeiten, das heißt spätestens morgen kann ich wieder ein bisschen was mit hinausschmuggeln. Bis dahin haltet ihr drei es doch sicher noch aus, oder!?“ , fragte ich meine Geschwister leicht lächelnd, um ihnen ein bisschen mehr Mut zu machen. Sie erwiderten das Lächeln Gott sei Dank und nickten mir zustimmend zu. Der Grund dafür war, dass ich jeden morgen nach der Arbeit, bevor ich nach Hause ging, ein paar Lebensmittel aus dem Restaurant mitgehen lassen konnte, ohne dabei erwischt zu werden. Meistens jedenfalls. Manchmal gaben mir die Besitzer sogar freiwillig ein paar Sachen, nur mit der Einschränkung dass diese dann meistens schon halb abgelaufen oder nicht mehr allzu genießbar waren. Für Menschen, die kein Geld haben um sich selbst etwas zu kaufen, sind diese Dinge aber eher klitzekleine Nebensachen. „ Du hör mal, Su… wirst du wieder von deinem Chef geschlagen werden, wenn du dabei erwischt wirst wie du uns was mitnimmst!? Ich will nicht dass er dir wehtut!“, sagte Sen ernst und sah mir dabei mitfühlend in die Augen. Es kam wirklich schon vor, dass ich von meinem Chef dabei ertappt wurde und er mir Ohrfeigen oder ähnliches verpasste. Normalerweise würde ich meinen Geschwistern niemals etwas davon erzählen, weil sie sich so nur unnötig um mich sorgen würden, aber als ich an diesem Morgen von der Arbeit zurück kam, war meine Wange richtig dick angeschwollen und rot. Maki sprach mich darauf an und obwohl ich zuerst noch nach einer passenden Ausrede suchte, durchschauten sie mich und ich musste ihnen wohl oder übel die Wahrheit sagen. Seitdem bin ich zwar etwas vorsichtiger geworden, aber trotzdem wurde ich auch noch ein zweites Mal gestellt und die Sache ging nicht so glimpflich aus wie zuvor. Diesmal drohte er mir mit dem Rauswurf und machte mich vor dem ganzen Personal zur Schnecke. Er beleidigte mich aufs Tiefte und schlug mir erneut ins Gesicht. Nur weil einige der Angestellten Mitleid mit mir hatten, konnten sie den Chef dazu überreden mich gehen zu lassen. Obwohl er nicht sehr glücklich dabei aussah, hat er mich bis jetzt nicht mehr erwischt. Der Grund dafür lag bei Yuki und Hana, zwei der Arbeitskollegen, die sich nach dem Angriff von Herrn Nakamura um mich gekümmert hatten und mir seitdem nach jeder Schicht ein bisschen Essen, das übrig geblieben war, in eine Tüte packten und mir beim Hinterausgang des Restaurants überreichten. Ohne sie wären wir vermutlich schon längst verhungert. Ich hatte ihnen viel zu verdanken. Nur wenn Herr Nakamura, der Chef nicht da war, konnte ich getrost Essen stehlen, denn den Arbeitern machte das Recht wenig aus. Im Gegenteil: Nicht nur Yuki und Hana unterstützten mich. Der einzige, der mir nach Nakamura ein Dorn im Auge war, war Kei Takanori, ein 22-jähriger Mann, der mir das Leben zur Hölle machte-oder zumindest versuchte. Kei hatte kurze braune Haare und blaue Augen. Er sah jeden noch so kleinsten Fehler von mir als Grund, um meinen Chef darauf aufmerksam zu machen. Ich wusste nicht wieso er mich so wenig leiden konnte, aber ich tat es ihm nach und ging ihm sooft wie möglich aus dem Weg. Yuki Minami war erst 19 und mir schon seit dem ersten Tag sehr sympathisch. Er hatte schulterlange, dunkelbraune Haare und sein Pony hing ihm andauernd in die Augen. Yu machte andauernd Witze und seine Lieblingsbeschäftigung bestand darin Kei zu ärgern. Er war ein richtiger Visu-Fan und demnach immer entsprechend gestylt. Zu seinen Standard-Outfits gehörten dunkel umrandete Augen und Bandshirts von allen möglichen Japanischen Stars. Seine Lieblinge waren The Gazette, D´espairs Ray und Dir en Grey, aber er hörte auch Miyavi, Ayabie und Nightmare. Ständig hatte er ein Lächeln auf den Lippen und man konnte ihn J-Rock summen hören. Hana Kaido hingegen, war genau das Gegenteil. Sie war schon 23 und spielte sehr gerne die Aufpasserin. Immer wenn jemand einen Fehler machte, wies sie ihn streng zurecht und erklärte demjenigen genau was er zu tun hatte. Manchmal konnte sie einen damit sehr einschüchtern und beängstigen, im Grunde jedoch war sie eine sehr nette Freundin, auf die man sich im Notfall genauso wie auf Yuki-kun verlassen konnte. „ Nein, Sen. Yuki und Hana nehmen mir ja jetzt die Arbeit ab und Nakamura verlässt schon immer 2 Stunden vor Arbeitsschluss das Restaurant. Er wird mich also sicher nicht mehr erwischen. Außerdem würden die beiden mir ja helfen, falls es wirklich nochmal so weit kommt. Ihr müsst euch also keine Sorgen machen, okay?! “, antwortete ich auf Sens Frage und sowohl er als auch Kami und Maki nickten erleichtert. „ Wie spät ist es überhaupt gerade? Muss ich mich schon fertig machen oder kann ich noch ein bisschen bei euch bleiben? “ Sen sah auf die einzige Uhr im Haus und stellte fest dass es bereits 22:30 Uhr war. Neben ihm gähnte Maki müde vor sich hin. Während ich meine Jacke holte und meine Schuhe anzog, warf ich Sen noch ein paar Standartsätze entgegen: „ Na gut, dann mach ich mich mal auf den Weg. Sen, du schickst die beiden kleinen bitte ins Bett. Und bleib du bitte auch nicht zu lange wach, in Ordnung?! Bis morgen dann…“ Als ich schon fast vor der Tür stand, konnte ich noch hören wie er mir: „ Bis morgen Suri! … und pass auf dich auf! “, zurief, bevor ich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen die Tür schloss und die lange Treppe nach unten zur Haustür lief. Es war zwar schön zu wissen, dass sich meine Geschwister um mich sorgten, aber wegen mir sollten sie keine unnötigen Probleme auf sich nehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)