Traditions von Lunatik (Tendershipping (auch Bronzeshipping)) ================================================================================ Kapitel 9: Mut und Stolz ------------------------ Ryou blickte unsicher zu Mariku auf dem Beifahrersitz vor ihm. Sein Blick huschte jedoch sogleich wieder zum Fenster des Autos. Mariku hatte gerade eine witzige Geschichte aus seinem Leben erzählt, die sogar ihren Lehrmeister zum Lachen gebracht hatte. Ryou hatte den Ägypter in der Woche, die sie schon zusammen trainierten, noch nie so gut gelaunt erlebt. Ob das wohl damit zusammenhing, dass – Ryou brach seinen eigenen Gedanken ab. Er spürte wie sogleich Hitze in seine Wangen kroch. Gut, dass er auf dem Hintersitz des Autos saß und die beiden anderen sich vorne angeregt unterhielten. So würde es keinem auffallen. Ryou hatte langsam genug von den grinsenden und wissenden Gesichtern, die er den ganzen Tag schon zu sehen bekam, sobald er sich an…an die Sache…an den Anblick…an den Morgen erinnerte. Er wusste, dass es vermutlich schwer zu übersehen war, wenn er jedes Mal errötete. Langsam stieg in ihm jedoch trotzdem ein Gefühl der Unmut auf. Es war ein Versehen! Er hatte gedankenlos gehandelt und sowas passierte nun mal. Das war kein Grund ihn so anzusehen. Ryou seufzte und lenkte seinen Blick auf die am Fenster vorbeirauschende Landschaft. Verschiedene Facetten der gleichen Farbe verschmolzen zu einem Bild. Dunkleres Grün floss über in die helleren Variationen der Farbe. Dazwischen sah man die zahlreichen Baumstämme. Dick, dünn, dunkel, hell. Alte Bäume, die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten ihre Kronen dem Himmel entgegenstreckten. Junge Gebüsche, die um die Sonnenstrahlen kämpften und erst zu leben lernten. Ryou sog die Eindrücke mit seinem Blick auf wie ein Schwamm. Er würde definitiv noch in den Wald gehen und die Natur genauer beobachten. Wie die einzelnen Blätter aufgebaut waren. Wie Insekten von einer Blüte zur nächsten flogen, nur um dann im Schnabel eines Vogels zu verschwinden. Wie sich Grashalme im Wind bogen und wie Regentropfen an Baumästen entlang flossen. Er wollte diese Details. Details, die er dann irgendwann in seinen Zeichnungen festhalten können würde. Denn eines Tages würde er die Fähigkeit haben gut zu zeichnen. Genauso wie er eines Tages den Berg erklimmen würde. Ryou wusste, dass er lächelte. Es erinnerte ihn an die Worte Bakuras nach ihrem morgendlichen Training. Bakura hatte über Fortschritte und die Wichtigkeit der Selbstevaluation gesprochen. Sich selbst zu kennen: seine eigenen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Die eigenen Grenzen, aber auch Fortschritte und Möglichkeiten. Am Ende seiner Rede hatte er ihnen aufgetragen sich selbst mit dem eigenen Ich von vor dem Training zu vergleichen. Ryou sah es ganz deutlich vor seinen Augen. Die Veränderung.   Mariku lehnte gelangweilt an den Einkaufswagen und schaute sich um. Sie waren gerade erst in den Supermarkt gekommen und schon war Ryou breit grinsend abgeschwirrt und lief gerade fröhlich durch die Gemüseabteilung. Bakura begleitete den Kleineren und nickte hier und da bei dem unaufhörlichen Wortregen, der aus Ryous Mund prasselte. Mariku schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick durch den Obststand wandern. Warum musste er mit zum Einkaufen? Im Auto konnte er wenigstens noch mit Bakura plaudern. Er hatte versucht auf subtile Art und Weise mehr aus ihrem Lehrmeister zu locken – immerhin war es gut seinen Rivalen zu kennen. Mariku hatte viele witzige Geschichten aus seinem Leben erzählt in der Hoffnung damit den Meister zum Plaudern animieren zu können. Doch am Ende hatte Bakura nur eine einzige preisgegeben. Mariku untersagte sich erneut in Lachen auszubrechen. Die Erzählung war wirklich witzig gewesen, was für ihn sehr überraschen gekommen war. Marikus Blick wanderte gerade über die Bananen und haftete an diesen. Ein Grinsen legte sich unwillkürlich auf sein Gesicht, als er den Wagen zum Stand steuerte und ein gelbes Bündel hineinlegte. Ob es Ryou wohl wieder erinnern würde? Es war eine schöne Beschäftigung diesen immer wieder zum Erröten zu bringen. Mariku hatte gar nicht gewusst, wie viele Rottöne ein menschliches Gesicht alles annehmen konnte! Und alles nur, weil der Kleine morgens reingekommen war, als Mariku gerade mit Malik telefoniert hatte. Nun, nicht nur telefoniert. Er hatte auch andere Dinge getan. Bei der Erinnerung daran und vor allem der Erinnerung an die Stimme seines Geliebten entspannten sich automatisch Marikus Haltung. Er spürte wie eine unbewusste Anspannung wich und sich stattdessen wohlige Wärme in ihm ausbreitete. Malik war einfach großartig.   Bakura spürte wie ein Schmunzeln immer öfter versuchte sich in seine Mimik zu schleichen. Die Begeisterung Ryou war irgendwie schön. Schon seit fünf Minuten lief dieser von einem Regal zum nächsten und lobte die verschiedenen Gemüsesorten. „Es ist erstaunlich wie groß die Auswahl hier ist! Ganz anders als in der Stadt. Da muss man in spezielle Märkte fahren, um einige der Zutaten zu finden.“ Ryou begutachtete gerade die verschiedenen Bambussprossen. „Und alles so frisch!“ Er lief weiter zum nächsten Regal, welches eine ganze Menge Weißkohl präsentierte. Ryou suchte sich ein Prachtexemplar aus und nahm es in die Hand. Suchend blickte er sich um. Diese Heiterkeit war…angenehm, gestand sich Bakura ein und ließ es schließlich zu, dass seine Mundwinkel sich auseinander zogen. Es war eine positive Abwechslung zu seinem doch eher eintönigen Leben der letzten Jahre. Manchmal vermisste er seine wilde Jugend, die mit viel Lachen gefüllt war. Bakura schüttelte leicht den Kopf. Andere Dinge seiner Jugendzeit brauchte er allerdings nicht. Er war ganz zufrieden mit seiner inneren Ruhe und Gelassenheit, die ihm damals gefehlt hatte.   Ryou schaute hinter sich und suchte mit seinen Augen nach Mariku und dem Einkaufswagen. Dieser steuerte ihn gerade an. In dem sonst leeren Wagen lag etwas Gelbes. Ryou ging auf den Ägypter zu und erkannte Bananen, neben denen er den Weißkohl hinlegte. Ob Mariku Bananen mochte? Er konnte sich nicht erinnern, dass der anderen etwas in die Richtung mal erwähnt hatte. Er schaute auf und sah dabei direkt in das Gesicht Marikus. Dieser grinste ihn an und der Ausdruck hatte etwas von…Erwartung? Vorfreude? Wollte er ein Gericht mit Bananen? Oder…Ryou sah wieder zu den Bananen und die Form brannte sich in seine Gedanken. Sofort spürte er wie seine Wangen aufflammten. Verdammt! Er musste schon wieder an den Morgen denken, wo er Mariku bei… bei… dabei überrascht hatte. Er hörte Mariku lachen. Empört drehte er sich wieder zum Regal, an dem immer noch sein Lehrmeister stand. Dieser sah ihn schon wieder mit diesem typisch sadistischen Funkeln und purer Freude im Gesicht an. Verdammt! Er warf Bakura einen vernichtenden Blick zu und drehte sich wieder zu Mariku. So konnte das nicht weiter gehen! „Hör auf!“, zischte er und verengte seine Augenlider zu Schlitzen. Das hatte er schon oft bei Mariku gesehen, bevor dieser Angriff. Ob es bei ihm genauso gut wirken würde? Zumindest hörte das Lachen augenblicklich auf. Stattdessen grinste Mariku nur noch. „Es ist mir nun mal peinlich. Das ist kein Grund sich darüber lustig zu machen. Ich habe mich schon entschuldigt“, presste Ryou zwischen den Zähnen hervor. Es war wirklich beleidigend, wie die beiden ihn an diesem Tag behandelten. Er war wirklich der Meinung, dass solch intimen Handlung hinter verschlossene Türen gehörten. Es wäre ihm peinlich gewesen, wenn jemand ihn dabei erwischt hätte. Wie konnte eigentlich Mariku so unbeeindruckt darauf reagieren? „Schon gut. Ich hab wohl übertrieben, sorry.“ Eine Hand wuschelte durch sein Haar und Ryou blinzelte verwirrt. Seine Wut wich der Verwunderung. Es hatte geklappt? Mariku sah ihn nun mit einem neutralen Gesichtsausdruck an und wartete sichtlich auf etwas. Vielleicht seine Reaktion? Ryou nickte schließlich. Eine Entschuldigung war gut. Wieder fuhr Mariku durch sein Haar und zerzauste dieses. Irgendwie war das schön. Auch wenn er kein Kind mehr war, war es eine wärmende Geste. Zufrieden lächelnd drehte sich Ryou zum nächsten Gemüseregal. Er sollte endlich mit dem Einkaufen loslegen! Dabei fiel sein Blick auf eine Frau, die ihnen einen missbilligenden Blick zuwarf und ihren kleinen Sohn hastig an der Hand weiterzog. Verwirrt legte Ryou den Kopf schief. Sie waren vielleicht etwas auffällig und vielleicht nicht ganz der Norm entsprechend mit ihren Haarfarben, doch war das nicht irgendwie…übertrieben? Besonders bei Bakura verzogen sich die Gesichtszüge der Frau im Vorbeigehen als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Ryou schluckte. Er blickte zu seinem Lehrmeister, doch dieser stand weiterhin gelassen da und hatte wieder den Ausdruck von Überlegenheit und Herablassung aufgesetzt. Wie kriegten eigentlich Mariku und Bakura diese Mimik hin? Übten sie das vor dem Spiegel? Er sollte definitiv mal fragen. Vielleicht konnten sie ihm Tipps geben. Er würde auch brav sich vor dem Spiegel stellen und trainieren.   Mariku trug gerade die letzte Einkaufstüte in die Küche, während Bakura das Auto parkte. Sie hatten eine ganze Menge eingekauft. Ryou war so begeistert gewesen, dass es wohl Bakuras Herz erweicht hatte, der für den ganzen Spaß bezahlte. Ein Grinsen breitete sich auf Marikus Gesicht aus. Auch ein Raubtier konnte sich wohl an etwas erfreuen, was nicht mit Jagen und Wildnis zu tun hatte. Mariku stellte die Tüte auf dem Tisch ab, neben den vier weiteren. „Kannst du bitte auch gleich ausräumen?“, fragte Ryou, der sich eine Kochschürze – ein Geschenk von Bakura – umgebunden hatte und schon mit der Zubereitung des späten Mittagessens anfing. Oder frühen Abendessens. Mariku blickte auf die Uhr. Es war kurz nach vier. Wahrscheinlich würde es heute keine weitere Trainingseinheit geben. Mariku verstaute die ganzen Nahrungsmittel in der Küche. Was sie dann wohl stattdessen machen würden?   Bakura zerlegte den angebratenen Fisch mit seinen Stäbchen und kostete. Er schmeckte ausgezeichnet! Dies war nicht die übliche Soße, die Ryou die Woche über benutzt hatte. Welch unerwartete Talente sich da auftaten. Es war die richtige Entscheidung gewesen Ryou die Freiheit der Auswahl beim Einkaufen zu lassen. Doch viel unerwarteter fand Bakura das Kontra, das Ryou Mariku geboten hatte. Er hatte wahrhaftig dem Blondchen eine Entschuldigung entrungen. So amüsant Bakura auch die Situation seit dem Morgen gefunden hatte, so hatten sich bei ihm auch leichte Sorgen eingeschlichen. Ryou hatte wie ein typisches Opfer auf das Aufziehen seitens Marikus reagiert. Er hatte offen Scham gezeigt und sich passiv zurückgezogen. Wenn Ryou immer so war, dann war es kein Wunder, dass Tanaka so besorgt geklungen hatte, als er um das Training für Ryou gebeten hatte. Doch dann hatte er Mariku seinen Unmut offen und direkt gezeigt. Er hatte ihn konfrontiert! Dieses ungezähmte wilde Tier, das schon mehrmals die Kontrolle verloren hatte. Ob Ryou endlich seinen Mut gefunden hatte? Oder er war einfach auf gut Glück von seinen Gefühlen gesteuert in eine Konfrontation gerannt… Nun, das sprach zumindest davon, dass der Kleine sich bei ihnen wohlfühlte. Das forderte definitiv Mut. Das erinnerte ihn daran, dass er eigentlich gar nichts über Ryou wusste. Tanaka hatte, im Gegensatz zu Malik, nicht viel erzählt. „Was machst du eigentlich, Ryou, außer bei Herrn Tanaka zu arbeiten?“   Ryou blickte von seinem Essen auf. Es war ungewöhnlich, dass Bakura so etwas Persönliches fragte. Vielleicht interessierte er sich für ihn? Ryou verbannte den Gedanken. Sein Lehrer war nur höflich. „Auf die Aufnahmeexamen warten.“ Mariku sah nun auch von seinem Essen auf und schaute verwundert zu Ryou. „Uni?“, fragte er. Ryou nickte. „Ich habe sie leider beim ersten Mal nicht geschafft, also muss ich auf die Prüfungen von diesem Jahr warten. Währenddessen jobbe ich in einem Izakaya. Ich bin also ein rôrin…“ Zum Ende des Satzes wurde seine Stimme leiser. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass man die Aufnahmeprüfung wiederholte, doch es hatte trotzdem schon unschöne Reaktionen hervorgerufen. Unsicher blickte er zu den beiden. Bakuras Gesicht zeigte einen Hauch… Besorgnis? Erleichterung wuchs in Ryous Brust. „Unterbricht dieses Training nicht deinen Lernplan? Die Aufnahmeprüfungen sind hart.“ „Ich erinnere mich noch an die Zeit, wo Malik seine Aufnahmeprüfung hatte. Das war die Hölle. Der hat die drei Monate davor praktisch nicht geschlafen“, stimmte Mariku zu. Ryou schluckte und wandte den Blick zum Tisch. „Die Prüfungen werden kein Problem sein“, nuschelte er. Doch dann erinnerte er sich an die Aura der Selbstsicherheit, die er so an Mariku und seinem Aikidomeister beneidete. Ryou hob seinen Kopf und straffte die Schultern. Er war stolz auf sein Können! „Ich habe beim letzten Mal nur nicht bestanden, weil ich Fieber hatte. Natürlich lerne ich immer noch und wiederhole fleißig. Ich habe auch meine Unterlagen dabei. Doch eine Pause ist im Moment genau das Richtige, denke ich“, schloss er mit einem Lächeln ab. Mariku pfiff anerkennend. „Bist also ein schlaues Bürschchen. Sag bloß du willst an die T-Uni?“ Ryou schüttelte den Kopf. „Handai. Tokyo ist mir zu groß… Osaka mag ich viel mehr.“ Mariku lachte auf. Doch Ryou fühlte sich keineswegs aufgezogen von dem Lachen. Es klang einfach nur heiter. Im nächsten Moment spürte er wieder Marikus Hand, die seine Frisur schon wieder durcheinander brachte.   Bakura nickte leicht. Handai war ein ambitioniertes Ziel! Dass Ryou dies mit so viel Selbstsicherheit verkündete war schon erstaunlich. Wenn der Kleine doch diese Selbstsicherheit auch sonst zeigen würde, dann hätte er keine Probleme mehr mit aufdringlichen Gästen. Vielleicht würde dieser Monat dafür ausreichen. Er merkte schon eine beachtliche Veränderung in Ryou. Ein Gefühl klopfte vorsichtig an Bakuras Herz und riss dann die Tür auf, um ihn völlig zu überrennen. Bakura konnte es nicht mehr unterdrücken. Den Stolz, der es sich gemütlich in seiner Brust machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)