Traditions von Lunatik (Tendershipping (auch Bronzeshipping)) ================================================================================ Kapitel 5: Wunden ----------------- Blutspritzer. Hände, die von den Schlägen, die er verteilt hatte, schmerzen. Ein Lachen – sein eigenes. Leere Augen, die ihn anstarren. Hass. Angst. Enttäuschung, die man ihm entgegen schleudert. Gefühle, die er so gerne bei anderen hervorruft. Dinge, von denen er seine Seele nährt. Eine Blonde Strähne in seiner Hand – herausgerissen. Mariku schlug mit der Faust gegen die Wand der Dusche. Ein stumpfer Schmerz, von dem Schlag ausgelöst, holte Mariku aus seiner düsteren Gedankenwelt zurück. Kaltes Wasser floss seinen Körper herunter. Er hob den Kopf und hielt sein Gesicht in den Wasserstrahl. Duschen war eine tolle Erfindung. Ryou saß auf seinem Bett und starrte aus dem großen Fenster. Vor seinem inneren Auge spielte sich die Szene mit Marikus Überfall auf Bakura noch einmal ab. Mariku hatte zwar schon öfters Überraschungsangriffe gestartet, vor allem wenn er sich provoziert fühlte, doch dieses Mal war es irgendwie anders gewesen. Eine Gänsehaut jagte über Ryous Rücken als er wieder an den Blick dachte, der für eine Millisekunde auf ihn gerichtet war. Ein Blick, der ihn nur gestreift hatte und der ihn doch erzittern ließ. Er fühlte sich wie Marikus Beute. In dem Moment waren all seine Gedanken wie weggefegt gewesen. Es blieb nur eine undefinierbare Angst zurück. Er hatte solch einen Blick schon mal irgendwo gesehen… Bakura schien im Gegensatz zu ihm vollkommen unbeeindruckt gewesen zu sein. Er war trotzdem anders als sonst. So viel ernster und ruhiger, anstatt provokant. Er hatte die Situation anscheinend sofort richtig eingeschätzt. Ryou schloss die Augen und ließ sich auf das Bett fallen. Bakura war wirklich…bewundernswert. Er hatte keine Angst. Er war nicht gelähmt von dieser unbekannten Situation gewesen. Nein, er hatte sofort reagiert. Das spitzbübische Grinsen von dem Morgen drängte sich durch all die Gedanken hindurch in den Vordergrund. Die anzügliche Stimme. Ryou spürte wie seine Wangen und Ohren heißer wurden. Was dachte er da nur? Er erhob sich ruckartig vom Bett und starrte entschlossen zum Fenster. Er würde jetzt trainieren, das Zimmer bot genug Platz für Taisabakis, und nicht Zeit an unnötige Fantasien verschwenden! Mariku zog wieder seine Trainingsuniform an und betrachtete sich im Spiegel. Alles war ganz anders als vor fünf Jahren. Er war anders. Er fuhr mit der rechten Hand über seinen linken Arm und dann durch seine nassen Haare durch. Diese waren schon wieder so lang geworden. Zu lang war ihm aber lieber als zu kurz. Letzteres erinnerte ihn zu sehr an die Vergangenheit. Wobei es in der Vergangenheit auch etwas Gutes gegeben hatte – er hatte Malik getroffen. Seinen überaus heißen Geliebten, den er erst nach ihrer dritten Begegnung ins Bett zu kriegen schaffte, obwohl er ihn vom ersten Augenblick an begehrt hatte. Ein Grinsen legte sich bei der Erinnerung auf sein Gesicht. Gleichzeitig verspürte er eine kleine Regung in seiner unteren Körperhälfte. Er war nun schon seit drei Tagen hier. Er glitt mit der Hand über seinen Bauch und dann weiter nach unten. Nein, keine gute Idee. Er seufzte. Er hatte gerade erst geduscht und in einer Viertelstunde würde das Training weiter gehen. Aber zum ersten Mal dämmerte in seinen Gedanken die Frage, wie er diesen Monat eigentlich überleben sollte, so ohne Malik? Bakura ging zum wiederholten Male die unzähligen Bücher in seinen Regalen durch. Es war eine Beschäftigung, der er manchmal sehr gerne nachging, auch wenn sie meistens vollkommen sinnlos war, denn er kannte all diese Bücher und wusste genau wo welches zu finden war. Im Gegensatz zu den Gästezimmern war sein Zimmer groß und geräumig und beinhaltete um einiges mehr als nur die notwendigste Möbel. An den Wänden standen mehrere große Regale, vollgestellt mit Büchern und Brettspielen wie Go und Schach. In einer Ecke stand ein Schrank mit zur Jahreszeit passender Kleidung. Auf dem Schrank lag ein Motorradhelm. Auch ein Schreibtisch stand im Zimmer, beladen mit einem Laptop, Papieren, Stiften und einem eingerahmten Foto. Er hatte einiges aus seiner Wohnung in der Stadt hierher gebracht. Aber das wichtigste an diesem Zimmer war, dass man direkt auf eine vom Haupthaus abgelegene Terrasse gelangen konnte, auf der man sich der Wildnis extrem nahe fühlte, denn sie begann direkt davor. Bakura griff nach einem Buch und setzte sich damit auf den Holzboden draußen. Der Himmel war zwar größtenteils bewölkt, doch einige Sonnenstrahlen drangen trotzdem hindurch und einer davon wärmte den Fuß des Aikidomeisters. Sonst war es kühl, was Bakura nicht störte. Sein Sportanzug hielt ihn warm. Bakura schlug das Buch auf und vertiefte sich ins Lesen. Etwas, was er sehr gerne tat. Denn beim Lesen blendete er seine Außenwelt recht gut aus – auch wenn man ihn wohl auch in solchen Momenten nicht hätte überraschen können. Nach einer halben Stunde legte er das Buch zur Seite und betrachtete die Landschaft. Mariku hatte eine gefährliche Seite von sich gezeigt. Gefährlich dadurch, dass sie unkontrollierbar für diesen zu sein schien. Er hatte zwar von Malik etwas in die Richtung gehört, aber er hatte nicht erwartet, dass er diese Seite hervorholen würde. Das war nicht seine Absicht gewesen. Ein unkontrollierbares Biest, das nicht erkennt, dass der Gegner aufgegeben hat. Das die erschrockenen Schreie, das Klopfen auf der Matte, die aufgerissenen Augen voller Angst einfach ignoriert. Das weiterhin drückt und Schmerzen zufügt, bis schließlich das Geräusch von brechenden Knochen zu hören ist. Und nicht einmal das kann das Monster aus seinem Wahn holen. Mit präzisen Griffen und einer kühlen Miene macht es weiter bis starke Arme ihn zurückreißen. Zum Boden reißen. Ihn festhalten. Bis er nur noch die Matte an seiner Wange spürt. Weiße Strähnen bewegten sich hin und her, als Bakura mit einer langsamen Kopfbewegung die Gedanken von sich schüttelte. Es brachte nichts an Dinge, an denen man nichts mehr ändern konnte, zu denken. Es war nur das Hier und Jetzt von Bedeutung. Aber er sollte das Blondchen im Auge behalten. Bakura erhob sich und machte sich langsam auf den Weg zum Dojo, das Buch vorher zurück ins Regal stellend. Ryou atmete erleichtert auf. Er war pünktlich! Sogar ganze fünf Minuten zu früh. Das hieße keine weiteren Runden außer den zehn vom Vormittag. Durch diese Tatsache erfreut, nickte er dem schon wartenden Bakura zu und setzte sich lächelnd an den üblichen Platz und versuchte es mit der Konzentrationsübung. Es ging darum seinen Geist von allen unnötigen Gedanken und Sorgen zu befreien, damit man seine Kraft sammeln und lenken konnte. Es war wichtig einen klaren geistigen Zustand zu erreichen damit man effektiv trainieren konnte. Ryou atmete tief ein und aus, die Augen geschlossen. Er versuchte sich auf seinen Bauch zu konzentrieren. Automatisch waren seine Gedanken bei seiner eigenen Atmung angelangt. Tief einatmen und tief ausatmen. An eine leichte Strömung denken. Einatmen. Ausatmen. Er hörte Klatschen und öffnete die Augen. Neben ihm saß schon Mariku, dessen Ankunft er überhaupt nicht bemerkt hatte. Bakura verbeugte sich vor dem Portrait an der Wand, wie immer am Anfang einer Stunde. Waren die fünf Minuten etwa schon vorbei? Hieß es, dass ihm die Übung wenigstens ein bisschen gelungen war? Ryou lächelte ein weiteres Mal. Er hatte die Wiederholung der gestrigen Übung zum Shiho-Nage angeordnet für den Anfang und betrachtete nun abwechselnd seine beiden Schüler, die als Paar trainierten. Sie schienen beide höchst motiviert zu sein und er bemerkte Fortschritte. Aber auch viel zu viele Ungenauigkeiten und Fehler. Einige sprach er an. Er wusste, auf was es am Anfang ankam, was wichtig zum Verinnerlichen war und was die beide im Laufe der Zeit von selbst lernen würden. Er stoppte die beiden und nahm Ryous Arm und führte ihn in die richtige Lage. Danach führte er an Ryou selbst den Unterschied der beiden Armhaltungen vor. Dies war immer noch die beste Methode, um solche Dinge zu verstehen und sich zu merken – das Spüren der Wirkung an sich selbst. Nach einer Stunde des Übens ließ er die beiden sich setzten und erklärte ihnen eine neue Technik. Ein weiterer wichtiger Punkt beim Lehren – Abwechslung. Er erinnerte sich nur zu gut an einen seiner Aikidolehrer, der sie stundenlang ein und die gleiche Bewegung ausführen ließ, und wie genervt und gelangweilt er davon immer gewesen war. Vor allem wenn er keinerlei Fortschritt bei sich gesehen hatte. „Ude-Osae – eine Armstreckhebeltechnik mit Haltegriff. Ihr werdet sie zuerst aus dem Ai-Hanmi Angriff versuchen. Ryou.“ Angesprochener stand auf und fasste an das ihm entgegengestreckte Handgelenk – er war jetzt der Angreifer. „Ude-Osae ist die wichtigste Hebeltechnik des Aikido. Sie ist die Grundlage aller Bodentechniken. Deshalb ist es wichtig diese Technik stets zu üben und zu beherrschen. Die Technik funktioniert auf Grund der ständigen Kontrolle über den Ellbogen des Gegners. Ihr führt diesen zunächst in eine kreisförmige Bewegung über den Schwerpunkt des Gegners und dann schräg nach unten." Die erklärenden Worte begleitete das mehrmalige langsame Ausführen der Technik. „Ihr dürft euch erst nach vorne bewegen und damit die eigene sehr standfeste Stellung aufgeben, wenn der andere aus dem Gleichgewicht ist. Am Ende legt ihr den Arm des Gegners nach vorne gestreckt auf der Matte ab." Bakura fuhr mit seiner Hand über den ausgestreckten Arm Ryous. „Und fixiert ihn mittels verstärktem Druck auf den Ellenbogen.“ Ryou summte eine heitere Melodie, während er Gemüse für das Mittagessen schnitt. Neben ihm schelte Mariku Kartoffeln. Beide wurden überwacht aus dem Hintergrund von Bakura, der immer wieder zu ihnen Blicke warf und sonst in einem Buch las. Es herrschte lange Zeit Schweigen, bis Mariku dieses mit einer Frage brach. „Was summst du vor dich hin?“ Ryou hielt kurz inne in seiner Tätigkeit und sah zu dem Größeren hoch. Dieser blickte konzentriert zu den Kartoffeln. „Ich kenne den Namen nicht, aber es war das Lieblingslied meiner Mutter. Sie spielte es sehr gerne am Klavier“, antwortete Ryou in einer sanften Stimme. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen bei der Erinnerung an die Frau mit den langen platinblonden Haaren, die in seinen Erinnerungen stets am schwarzen Piano in ihrem Wohnzimmer saß und lachte. „War?“ Einen kurzen Augenblick lang herrschte Stille, während zwei Augenpaare sich auf Ryou richteten. Dieser blieb unverändert und antwortete in der gleichen sanften Stimme wie zuvor nach einigen Momenten. „Sie ist gestorben als ich klein war.“ „Sorry“, murmelte Mariku. „Ist in Ordnung, es liegt lange zurück.“ Ryou legte das Messer zur Seite und füllte einen großen Topf mit Wasser für das Curry, an dessen Zubereitung sie gerade hantierten. „Schneidest du die Kartoffeln danach noch, bitte?“ Er fühlte sich erschöpft, aber es war ein wohliges Gefühl. Er war nicht ausgelaugt oder kraftlos, wie nach den Strafrunden am Tag zuvor. Nein, er fühlte sich gut. Er spürte, dass er trainiert und Kraft verbraucht, also etwas getan hatte. Die dritte Trainingseinheit war ähnlich wie die zweite verlaufen. Sie hatten erst die alte Technik und dann die neue geübt. Er musste zugeben, dass Ude-Osae ihm sehr gefiel. Die schöne Drehung und die Möglichkeit, wenn man es richtig machte, auch jemand größeren und kräftigeren zu Boden zu bringen… Es war eine Technik, die er sehr gerne gut beherrschen würde. Ryou schloss das Fenster in seinem Zimmer und setzte sich mit einem Block und seinem Mäppchen auf das Bett. Auch die Strafrunden um das Dojo waren diesen Abend nicht so schlimm gewesen. Er war zwar wieder langsamer als Mariku gewesen, der eindeutig mehr Kondition als er hatte, aber dafür musste Mariku auch fünf Mal so viele Runden laufen. Ryou musste schmunzeln – Mariku war am Nachmittag wieder zu spät gekommen und hatte vollkommen unbeeindruckt die Anzahl seiner sich addierenden Runden entgegengenommen. Wahrscheinlich würde er sich auch weiterhin nicht disziplinieren lassen und eine Politik des Zuspätkommens führen. Irgendwie passte das zu ihm. Gut gelaunt nahm Ryou einen Bleistift in die Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)