Piratenblut / Familienbande von Henry_Morgan (Dein Schicksal ist die See) ================================================================================ Kapitel 8: Serenity's Alptraum ------------------------------ „Wenn wir Anfang und Ende des Lebens mit dem Überqueren eines imaginären Meeres vergleichen, so machen wir nach Jahren des heiteren und unbegrenzten Hingleitens auf einmal die schmerzhafte Entdeckung, daß es ein unaufhaltsam näher rückendes Ufer gibt.“ - Manfred Poisel, (*1944), deutscher Werbetexter, »Sprach-Juan« und »Verbanova« Ich erwache und mein Kopf dröhnt, erinnere ich mich doch an gar nichts mehr, was gestern war. Es scheint mir, als hätte der letzte Tag gar nicht existiert, dabei weiß ich es doch besser. Mit unerträglichen Kopfschmerzen richte ich mich auf und finde mich in einem weichen Bett in der Kapitänskajüte wieder. >Was mach ich hier?< Ein kurzer Schock durchfährt, aber das kann ja nicht passiert sein, oder doch? Mein Blick wandert durch die Kajüte und ich entdecke Jack, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes steht, ohne Hemd und an irgendetwas rumzupft. „Was tust du da?“, stöhne ich und halte meinen Kopf. Jack zuckt zusammen, doch dreht sich grinsend um, „Aha, ist der kleine Trunkbold endlich aufgewacht?“ „Was?“, gebe ich verwirrt zurück und bemerke, wie mein Blick gen Boden wandert, bin ich doch peinlich berührt Jack so zu sehen. „Du hast gestern einiges getrunken“, erklärt Jack und kommt wankend, sein Hemd in der Hand auf mich zu, „Tja, warst sehr anhänglich. Welcher Mann kann da widerstehen?“ „WAS?“, rufe ich schockiert aus, mein Herz bleibt beinahe stehen und falle fast vom Bett. „Das war ein Witz“, lacht Jack aus vollem Leib. „Das ist nicht witzig!“, beschwere ich mich wütend und stehe auf, „Und zieh dir was an!“ „Aha! Findet unser Johnny-boy das etwa anziehend?“, fragt Jack grinsend und stellt sich so nah an mich, das ich die Wärme seines Körpers spüren kann. „Nein, aber das ist eine Beleidigung für jedes Auge“, antworte ich, obwohl es eigentlich das genaue Gegenteil ist. „Musst doch nicht gleich so beleidigend werden“, entgegnet er immer noch selbstsicher grinsend und zieht sich das Hemd an, „Abgesehen davon, bist du doch nur eifersüchtig“ „Red dir das bloß ein“, stöhne ich und verlasse die Kajüte. Eifersüchtig? Auf Jack? Niemals würde ich SEINEN Körper als meinen wollen! NIEMALS! >Idiot< Müde und angeschlagen betrete ich das viel zu helle und laute Deck, wobei dies dem Eintritt in eine Folterkammer gleich kommt. Nach fünf Minuten der Folter entscheide ich mich um und gehe wieder unter Deck, in die Vorratskammer. Ohne Kraft falle ich in eine Ecke und ich weiß, würden wir jetzt angegriffen werden, könnte ich mich nicht verteidigen. Doch das beruhigende Schwanken des Schiffes, lässt diesen Gedanken schnell verschwinden. Gibt es mir doch das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit und lässt mich in seliger Ruhe einschlafen. Nach einiger Zeit, ich kann nicht sagen, wie lang es war, wache ich auf, meine Kopfschmerz sind ertragbar geworden. Ich setze mich auf und atme tief durch. Immer noch leicht müde greife ich nach Henry Every’s Buch und öffne es. >Was willst du mir sagen Henry?< Stöhnend blättere ich durch das Buch, starre nur, jedoch lese nicht. Dann bemerke ich einen Brief und öffne ihn. Diesen Brief hatte ich dort hinein gelegt, ich erinnere mich. Habe ich ihn doch auf meiner Suche nach Antworten und auf der Suche nach Jack Sparrow erhalten, mehr oder weniger freiwillig. Auch wenn er mir nicht viel gebracht hat. Ich hatte ihn ins Buch gelegt, damit ich ihn nicht verliere und vielleicht auch, damit Jack ihn nicht bei mir findet. Tief durchatmend lese ich erneut den Brief, dessen Worte mich damals so trafen und die nun fast schon verblasst sind, jedoch wieder alte Wunden aufreißen: Ehrenwerter Offizier Norrington, hiermit möchte ich mich für Ihre Treue und die Treue Ihrer Familie, insbesondere, die Ihres Sohnes Commodore James Norrington bedanken und ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihrem Anliegen mit freudiger Erwartung nachkomme. So haben Sie zu Recht erkannt, und dies ohne irgendeinen Tadel an Ihrer Ausdrucksweise zu finden, fürchten Sie nicht, dass es für mich Zeit ist, eine ehrenwerte Frau zu ehelichen. Doch hatte ich, wie Sie zu Recht erkannten, nicht Zeit eine solche Frau zu finden. So bin ich glücklich, dass Sie Ihr Anliegen vor mich gebracht haben und bin bereit, mit Freude im Herzen dieses Anliegen zu erfüllen. Sind unsere Familien doch schon seit mehreren Generationen geschäftlich, wie persönlich miteinander verbunden. So wäre diese Verbindung die perfekte Krönung, der perfekte Abschluss unserer lang lebenden und Blüte tragenden Zusammenarbeit. Ich erfreue mich Ihnen hiermit mitteilen zu können, dass die Vorbereitungen für diesen Festtag schon in vollem Gange laufen und ich mich darüber freue, Ihre Tochter bald hier begrüßen zu dürfen. So ist der Hochzeitstag auf den 25. Mai dieses Jahres gesetzt und ich erwünsche mir Ihre Anwesenheit. Eines unserer Schiffe wird Sie und Ihre Familie eine Woche nachdem dieser Brief Ihr ehrenwertes Haus erreicht von den Islas del Rosario nach Port Royal bringen, wo Sie im Haus des Gouverneurs herzlich willkommen sind. So hoffe ich, dass Ihre ehrenwerte Tochter, Serenity Hope, mit der gleichen Freude, wie ich, auf diesen Tag wartet und sich hier in Port Royal gut einleben wird. Habe ich doch alles unternommen, um es ihr hier so gemütlich wie möglich zu machen. In tiefer Dankbarkeit und fröhlicher Vorausschau Lord Cutler Beckett Bei jedem Wort das ich lese dreht sich mir der Magen um. Wie kann man ein Mädchen nur dazu zwingen, ein solches Monster zu heiraten? Wobei es im Grunde ja gar nicht zur Hochzeit kam, ist der Bräutigam doch vorher auf dem Schlachtfeld gefallen, genau wie Vater und Bruder der Braut. So hat das arme Mädchen nicht nur Bräutigam, sondern gleich seine ganze Familie verloren. Armes Ding! Mit einem tiefen Atemzug stelle ich mich auf und verlasse den Frachtraum hinauf an Deck. Eine kühle salzige Brise empfängt mich und die Sonne strahlt wieder heiß herab. Ich atme erneut das Meer ein, die Freiheit. >Schön…< Mit einigen Schritten über das Deck, auf der die Crew wieder mit allem möglichen beschäftigt ist, von Arbeiten bis Wetten, lehne ich mich an die Reling und schaue dem blauen Meer beim Sein zu. Wunderschön glitzert die Sonne darin und bricht sich in tausenden kleinen Wellen. Fische schwimmen darin, auch einige Delfine, die freudig vor dem Bug aus dem Wasser springen. Das ist das Paradies auf Erden. Das Paradies, das so viele Menschen suchen und es doch nicht finden. Und ich habe es gefunden, erneut gefunden an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Ich nehme eine Rumflasche und trinke einen Schluck daraus. „Alles Gute zum Geburtstag“, sage ich leise zu mir selbst und versinke in Erinnerungen an meine Geburtstage in meiner damaligen Heimat. An Geburtstage mit meiner Familie. An Geburtstage ohne irgendwelche Sorgen. Doch diese Zeiten sind so lange vorbei und wenn ich eins gelernt hatte, dann das man die Vergangenheit nicht zurückholen kann. Sie ist vergangen und es ist unmöglich, gar verrückt sie erneut erleben zu wollen, oder sie gar zu Gegenwart, Zukunft zu machen. Es ist viel zu schmerzhaft…zu schmerzhaft. Stöhnend wende ich mich vom Meer ab und gehe hinauf zum Ruder, setze mich auf die Reling. Mr Cotton steuert uns an irgendeinen weit entfernten Ort, einen Ort der vielleicht gar nicht existiert. >Was mach ich hier eigentlich?< So lange bin ich schon an Bord und im Grunde ist das der schlechteste Haufen Piraten den es überhaupt gibt. Aber aus irgendeinem Grund schaffen sie es immer wieder das Gegenteil zu beweisen, obwohl es ja eigentlich gar nicht sein kann! Alle diese Gedankengänge machen mich gerade aggressiv und so denke ich ist es besser mich ins Krähennest zu legen und einfach darauf zu warten, dass irgendwas geschied. Irgendwas, egal was. Ein Schiff das wir angreifen können, eine Insel am Horizont. Einfach irgendwas, dass mich aus meiner Depression reißt und mich wieder leben lässt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)