Piratenblut / Familienbande von Henry_Morgan (Dein Schicksal ist die See) ================================================================================ Kapitel 15: Samara Grace Norrington ----------------------------------- Es ist bereits Abend und die Crew, sowie ihr Captain haben sich auf den Weg nach Tortuga gemacht und feiern schon seit den Mittagsstunden. Ich bin freiwillig zurückgeblieben und bewache das Schiff, wobei sowieso niemand ein Schiff klauen wird, sind sie doch alle viel zu betrunken. Der Vollmond steht am Himmel, als ich das Krähennest verlasse und das Deck betrete, das in unheimliches Licht getaucht ist. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen die Pearl ist ein Geisterschiff. Sie wirkt viel größer, nun da niemand an Bord ist. Und erst jetzt, erst nach zehn Jahren erkenne ich ihre wahre Schönheit. Natürlich war sie für mich schon immer das schönste aller Schiffe, aber nun, da niemand an Bord ist und der wunderschöne Vollmond sie in dieses helle Licht taucht, erkenne ich erst alle ihre wunderschönen Seiten. Fasziniert wandere ich über das Deck, lausche den Wellen und dem Gesang in der Stadt, den Fiedeln und Geigen. Und schon wieder werde ich daran erinnert, warum ich dieses Leben so sehr liebe. Dieser Moment, der Inbegriff der Perfektion. Nichts könnte besser oder schöner sein… Doch im nächsten Moment ist alles auch schon wieder vorbei, höre ich doch Schritte am Kai und Rufe einer Frau, „Lass mich los!“ Erst will ich etwas tun, doch es ist nicht meine Aufgabe mich in anderer Leute Geschäfte einzumischen, bin ich doch kein Gesetzeshüter. So schreite ich an die Reling auf der gegenüberliegenden Seite des Kais und schaue aufs schwarze, stille, friedliche Meer hinaus, versuchend die Schreie der Frau zu überhören. Ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren und denke wieder an Jack, wie es immer geschieht. „Ich hab dir nichts zu sagen!“, das habe ich ihm gesagt, habe ihn angelogen. Es war keine kleine Lüge, keine einmalige, es war eine große, immer wieder kehrende Lüge. Nicht so sehr stört mich daran, dass ich ihn angelogen habe, obwohl dies schon schlimm genug ist. Viel mehr ist das Problem, worüber ich ihn angelogen habe und das ich es immer und immer wieder tue. „Lügen ist schlecht!“, das war einer der Grundpfeiler mit denen ich seit meiner Geburt erzogen wurde. Ehrlichkeit war das wichtigste, unterscheidet es uns doch von Verbrechern, wie mein Bruder immer sagte. Aber was ist Ehrlichkeit in einer falschen Welt? Warum lügen selbst Priester? Warum lüge ich? Warum lüge ich immer wieder? Ehrlichkeit ist eine große Tugend und schwer zu tragen. Niemand kann immer ehrlich sein. Niemand. Und wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich warum ich lüge, nicht aus Angst vor Bestrafung, wie es die anderen Menschen tun. Nein, sondern weil die Wahrheit so unglaublich weh tut. Deshalb ist lügen auch notwendig. Wir versuchen die Wahrheit zu ignorieren und zu leugnen, weil wir sie nicht ertragen können. Deshalb lügen wir, deshalb lüge ich… So grübele ich darüber, was ich Jack „angetan“ habe und es funktioniert, die Schreie der Frau verschwinden aus meinen Gedanken, bis dann die Schritte auf unser Deck führen und ich mich umdrehe. Es ist Jack! Wäre auch ein Wunder gewesen, wenn er einmal nichts damit zu tun gehabt hätte. Er zerrt eine Frau mit sich. Eine wunderschöne Frau. Schwarze lange Haare, gift-grüne Augen und eine goldbraune Haut. Eine wunderschöne Frau, wie ich sie nur einmal kannte und deren Ähnlichkeit mit dieser anderen Frau mir den Atem stocken lässt. >Mum….< „Hey Johnny, lass dich nicht stören“, bringt Jack nur heraus, während er die sich sehr gut wehrende Frau unter Deck schleift. „Lass mich los du Bastard“, schreit sie nur wild um sich schlagend, bis ihre Stimme mit dem Zufallen der Tür verhallt. >Mum… aber das…ist unmöglich…< Wie erstarrt stehe ich immer noch an meinem angestammten Platz, während mir tausende von Gedanken durch den Kopf schießen, bis ich schließlich eine, wenn vielleicht auch fatale Entscheidung treffe. Ich reiße mich aus meiner Trance und laufe unter Deck, folge dem Weg, den Jack zurückgelegt hat und höre schon von weitem das Fluchen und Schreien der Frau. >Verzeih mir Jack…< Ich schlage die Tür zur Kapitänskajüte auf, wo ich Jack sogleich erblicke, die Frau aufs Bett drückend und versuchend sie zu entkleidend. Wenn auch mit wenig Erfolg. „Johnny-boy, was ist los? Du hast doch gesehen, dass ich beschäftigt bin!“, kommt es vom schwer atmenden Piraten vor mir vorwurfsvoll. „Lass sie los“, fordere ich ihn kalt auf und endlich verhallen die Schreie der Frau. „Was?“, fragt Jack verwundert, lässt von der Frau ab und dreht sich zu mir. „Lass sie los, Captain“, wiederhole ich kalt und schaue auf die Frau, die sich aufgestellt hat und nun wegrennen will. Jack ergreift sie und hält sie, wenn auch mit Problemen fest. „Warum sollte ich das tun Johnny-boy?“, erkundigt sich Jack und wirft sie aufs Bett, „Das ist ganz allein meine Sache“ Er setzt sich auf sie und wendet sich dann an sie, „Sei ein liebes Mädchen und halt still, damit sich Good Ol’Jack und sein kleiner Freund unterhalten können“ „Jack, zum letzten Mal, lass sie los!“, herrsche ich ihn wieder an und weiß, dass es ein Fehler und ein Verrat an Jack ist. Ein Verrat, für den ich mich selbst hasse. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich Jack belogen habe, muss ich ihm jetzt auch noch in den Rücken fallen. „Du kannst sie ja auch gleich haben“, bietet Jack mit Unschuldsmiene an. „Captain, ich meins ernst“, ich schaue ihn durchdringend an und stöhne kurz, „Bitte zwing mich nicht die Waffe auf dich zu richten Jack“ Verwundert schaut er mich an, setzt dann jedoch ein Grinsen auf und steigt von ihr herunter. „Hast du wieder das Ufer gewechselt?“, grinst Jack, „Sag das doch gleich! Ich hätte sie dir direkt überlassen“ „Jack!“, schreie ich ihn wütend an, „Ich bin nicht schwul! Beiweilen nicht einmal ein bisschen! Ich war es nicht, ich bin es nicht und ich werde es niemals sein! Also hör endlich auf damit!“ „Alles klar Schätzchen“, sagt er und im vorbeigehen flüstert er mir ins Ohre, „Und wenn ihr fertig seid, bin ich immer gerne für dich da“ Noch bevor ich ihn zurechtstutzen kann, hat er schon den Raum verlassen. Den ganzen Zorn, die ganze Kränkung herunterschlucken schaue ich auf die Frau vor mir, die erschrocken und verängstigt zugleich an die Wand gedrückt auf dem Bett sitzt. „Komm mir nicht zu nahe!“, knurrt sie und schaut mich finster an. „Beiweilen junge Miss“, ich gehe auf das Bett zu, während sie zurückweicht und lasse mich darauf nieder, „Mir liegt im Moment nichts ferner, als mit Ihnen irgendwelchen Beschäftigungen nachzugehen“ „Verschwinde du… dreckiger Pirat“, faucht sie mich wieder an und langsam werde ich gereizt. „Verdammt noch mal“, schreie ich sie wütend an und baue mich vor ihr auf, „Ich will Sie nur einmal daran erinnern, dass ich Ihnen gerade geholfen habe! Denn Sie sahen mehr als hilfsbedürftig aus!“ >Ganz ruhig…das bringt doch alles nicht. Beruhig dich wieder< Tief durchatmend setze ich mich wieder aufs Bett und werfe der schockierten Person neben mir einen Apfel zu, den sie auffängt. „Essen Sie etwas“, sage ich und schaue auf den Boden vor mir, die Ellbogen auf meine Knie gestützt, „Wir müssen wohl einige Zeit hier drin bleiben. Sonst kann ich Sie wieder vor Jack retten“ Irritiert von meinen Worten beißt sie in den grünen Apfel. Es herrscht einige Zeit Stille in welcher ich mich meinen Gedanken hingebe, die so verwirrend und unrealistisch sind, dass ich das Gefühl habe den Verstand zu verlieren. „Warum hast du mir geholfen?“, unterbricht die zitternde Stimme der jungen Frau die Stille. „Ich habe meine Gründe“, antworte ich und richte meinen Blick auf ihre gift-grünen Augen, diese gift-grünen Augen, wie ich sie schon so lange nicht mehr gesehen habe, „Aber wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Sie auch wieder zu Jack schicken“ „Nein!“, ruft sie aus und bereut diesen Ausruf auch sofort wieder, „Wer bist du?“ „Wer ich bin? Ein Niemand. Ein Verräter von Gottes Gesetz, ein Verbrecher“, entgegne ich und schaue sie an, fahre jeden Millimeter ihres wunderschönen Gesichts mit meinen Augen ab, „und Ihr?“ Und als hätte ich es nicht geahnt, fing mein Herz doch schon vorher so stark an zu schlagen, kommt diese Antwort, die mich wie einen Schlag in den Magen trifft, innerlich zu Boden gehen lässt, mich betäubt, mich verletzt. Fragen über Fragen aufwirft und alte, schmerzhafte nur langsam verheilte Wunden wieder aufreißt. „Samara“, ist ihre unsichere Antwort, „Samara Grace Norrington“ Unfähig irgendetwas zu sagen starre ich sie nur an. Starre und starre, Minute für Minute. Versuche verzweifelt die Gedanken in meinem Kopf zu sortieren, ihrer Antwort eine Logik zu geben. Doch gibt es nur zwei logische Antworten und die eine wäre so unglaublich, dass sie beinahe gar nicht existieren könnte und die andere, wäre so schmerzhaft, so verletzend und vertrauen raubend, dass sie einfach nicht wahr sein darf. >Samara? Aber…nein…sie…nein…< „Du kannst nicht Samara sein“, ich steige langsam auf und gehe zur Tür, „Samara ist gestorben, noch als sie ein kleines Kind war!“ Bedächtig öffne ich die Kajütentür, „Verschwinde!“ Ein erschrockener, fragender Blick von dieser angeblichen Samara trifft mich, „Aber ich bin Samara, ich kenne doch meinen Namen!“ Und etwas passiert mit mir, etwas, dass ich immer verhindern wollte. Eine Wut, Enttäuschung, eine unglaubliche Enttäuschung und die Gewissheit über eine so große Lüge, die über Jahre, über mehr als zehn Jahre unterdrückt wurden, werden entfesselt. Ich ziehe mein Schwert und stürme auf die junge Frau zu. Angst und Panik spiegeln sich in ihren grünen Augen wieder und ihr schwarzes Haar weht, während sie versucht fortzulaufen. „Samara ist tot!“, brülle ich wütend und mein Schwert schlägt knapp hinter ihr in der Kajütenwand ein. „Nein“, schreit sie verzweifelt und läuft weiter fort, „Hilfe!“ Sie stolpert und fällt vor mir zu Boden, ihr dunkelrotes Kleid verbreitet, wie eine Blutlache, ihre grünen Augen voller Panik, ihre goldbraune Haut übersäht mich Schweißperlen, ihre vollen Lippen zitternd vor Angst. „Niemand zieht ihren Namen in den Schmutz“, knurre ich wütend und hebe das Schwert, „Niemand zieht Samaras Namen in den Schmutz!“ Kurz vor des Betrügers Brust wird die Klinge meines Schwertes von einer anderen davon geschlagen. Wütend richtet sich mein Blick auf Jack, der sich nun schützend vor die junge Dame stellt. „Geh mir aus dem Weg!“, befehle ich mehr als wütend, merke, wie ich keine Kontrolle mehr über mein Handeln habe, meine Wut, meine Kränkung die Kontrolle übernimmt und nur eins will, Rache. „Johnny-boy, also ich habe nichts gegen verschiedene Praktiken beim Sex, aber den Partner dabei umzubringen… na ja, das finde ich nicht so ganz in Ordnung“, entgegnet Jack grinsend. „Geh aus dem Weg, das hat nichts mit dir zu tun“, fordere ich ihn wieder auf, „Geh weg, oder ich töte dich“ „Magst du mich denn so wenig?“, fragt Jack mit kindlicher Miene und kann gerade noch so einen Schlag meinerseits parieren. „Hey, hey, ganz langsam mit den jungen Pferden“, versucht er mich zu beruhigen, doch es prasselt nur weitere Hiebe, die er zwar nur schwer, aber parieren kann. Die junge Frau ist inzwischen schon fortgelaufen, was mich nur noch weiter erzürnt und mich Jack nur noch stärker und zügelloser angreifen lässt. 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