Piratenblut / Familienbande von Henry_Morgan (Dein Schicksal ist die See) ================================================================================ Kapitel 16: Die Wahrheit kommt immer ans Licht ---------------------------------------------- „It’s a basic truth of the human condition that everybody lies. The only variable is about what.” – Hugh Laurie, Dr. House Es war ein harter, unerbittlicher Kampf zwischen mir und Jack. Meine Klinge geführt von Hass und Verzweiflung, schmerzhafter Erinnerung, Enttäuschung auf nichts anderes sinnend als Rache und Jacks Klinge geführt von der Hoffnung seinen alten „Freund“ zu beruhigen ihn nicht zu verletzen, war seine letzte Verletzung doch immer noch nicht verheilt. Oft hatte ich Jack getroffen, mehrmals an Armen, Beinen, aber auch einmal im Gesicht, zierte deswegen nun dort eine nicht sehr tiefe Schnittwunde über dem linken Auge sein Gesicht. Über eine halbe Stunde hatten wir gekämpft bevor ich, unter dem Blutverlust, der wieder aufgerissenen Narbe an meinem Unterarm zusammenbrach und selbst dann wollte ich noch weiter kämpfen. Unersättlich war mein Hunger nach Rache, nach Erlösung und unerträglich ist nun das Schuldgefühl, welches mich quält. Wieder liege ich auf Jacks Bett, habe wieder Haltung verloren, bin Jack wieder in den Rücken gefallen, wurde wieder mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Aber was noch viel viel schlimmer ist: Ich habe Jacks Leben gefährdet, ich wäre bereit gewesen ihn ohne zu zögern zu töten. Ich hätte ihn einfach getötet… ein schwerer Schmerz legt sich in meine linke Brust, ein Gefühl das Tränen in meine Augen steigen lässt, Verrat, ich habe ihn verraten. Sein Vertrauen enttäuscht. Etwas, das ich mir selbst geschworen hatte niemals zu tun. Niemals…war es doch viel zu schmerzhaft, um es jemandem anzutun. Jack betritt den in Kerzenlicht getauchten Raum. Meine Wunde hat er wieder verbunden, sie erneut ausgebrannt, sie versorgt. Doch seine Wunden hat er nicht angerührt. Er kommt mit einer Schale Wasser wieder, einer Flasche Rum und einem Tuch. Langsam taucht er das Tuch ins Wasser und fährt mit dem feuchten Tuch über meine Stirn. Warum tut er das? Das macht alles nur noch schlimmer. „Jack…“, sage ich leise, fast unhörbar und so voller Scham, voller Enttäuschung über mich selbst. „Aye?“, fragt er und legt das Tuch wieder ins Wasser. Sein gebräuntes, wunderschönes Gesicht über mir und seine wunderschönes dunkelbraunen Augen in die meinen schauend. „Es tut mir Leid“, entschuldige ich mich und spüre, und ich kann nicht glauben das ich dies wirklich tue, Tränen über mein Gesicht laufen, „Ich weiß, dass was ich getan habe ist unverzeihlich, aber…es tut mir Leid“ Nein, ich darf nicht weinen! Nicht vor Jack, nicht jetzt, nicht deswegen. Aber ich tue es. Ich weine, vor Jack. Ich weine. „Shhht“, haucht Jack und wischt meine Tränen mit einem feuchten Tuch weg, „Ganz ruhig“ Es ist still, man hört nur das leise Rauschen der Wellen und ganz leise, fast nicht hörbar, die Musik der Geigen und Fiedeln. „Es ist schon okay“, sagt Jack leise. „Ist es nicht“, schniefe ich und versuche mich langsam zu beruhigen, „Ich habe dich verraten, bin dir in den Rücken gefallen. Ich habe dich angelogen…“ Er wischt mir wieder die Tränen weg „Jack, ich habe ein Geheimnis, aber ich kann es dir nicht sagen, weil … ich kann nicht“ Unaufhaltsam fließen meine Tränen weiter, genau wie das Blut aus Jacks Schnittverletzung, das sich langsam seinen Weg über sein Gesicht bahnt. Ich fühle mich geborgen bei ihm. Was soll ich denn sagen? Ich fühle mich einfach geborgen bei ihm. So absurd das auch klingen mag. „Beruhige dich“, flüstert Jack und wischt wieder meine Tränen weg, „Es ist in Ordnung, jeder hat Geheimnisse und ich habe dich ja auch mehr als einmal angelogen“ „Aber nicht so“, entgegne ich und beruhige mich, bringe die Tränen zum versiegen und bemerke erst jetzt wie nah mir Jack eigentlich ist. Sein Körper mehr oder weniger auf dem meinigen liegend…nicht gut! Er schaut mich mitleidig an und wischt ein letztes Mal mit dem nassen Tuch über mein Gesicht, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gibt. >Nicht gut…< Mein Verstand ist immer noch gelähmt und mein Herz blutet vor Leid. Ich muss es ihm sagen, muss es wieder gut machen. Aber ich kann es ihm nicht sagen. Ich kann nicht. „Johnny, ich muss dir was sagen“, flüstert Jack leise und bedächtig. Nicht gut! „Jack, ich muss dir zuerst was sagen“, bestehe ich, obwohl ich es nicht möchte, es alles was ich in den zehn Jahren aufgebaut habe zerstören kann. „Was denn?“, fragt er lächelnd und ich habe das ungute Gefühl, dass was auch immer Jack mir sagen möchte, ich lieber nicht wissen möchte. „Ich…“, stammele ich vor mich hin, zum ersten Mal Jacks Geruch nach Meer, Rum, nach Freiheit wahrnehmend, „Ich bin…nicht…der für den du mich hälst. Ich bin nicht…John Christopher Richard Every“ Er lächelt, „Und? Die meisten Leute, die Piraten werden legen ihren Namen ab und nehmen einen andern an“ Ich stöhne leicht, „Das meine ich nicht“ Mir wird schlecht, habe ich doch solche schreckliche Angst es ihm zu sagen. Will ich es ihm doch gar nicht sagen. „Sondern?“, erkundigt er sich und sein Gesicht sinkt näher an das meinige, so nah, dass ich seine Wärme spüre, seine unglaublich schöne Wärme. >Nicht gut!< „Jack, bitte“, sage ich, jeden Zweifel aus meinem Herzen bannend, „Sei nicht böse“ „Das bin ich nicht“, entgegnet er und schaut mich bannend an. Ich atme tief durch und besinne mich kurz auf die Worte meines Bruders „Wenn der Tag unseres Todes, an dem über uns gerichtet wird, kommt, dann sollten wir ihm tapfer und erhobenen Hauptes entgegentreten. Denn wir haben nichts zu befürchten, außer unserer Angst.“ Stelle ihn mir in seiner Uniform vor, wie er voller Stolz auf seinem Schiff steht. Ein sanftes Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. „Ehrlichkeit ist das Einzige was uns von Verbrechern unterscheidet“, das hatte mein Bruder immer gesagt und er hatte Recht. Ich bin kein Verbrecher! „Ich“, atme tief durch, mache mich bereit, mir selbst den letzten Schups in Richtung Totenreich zu geben, „Ich bin kein Mann“ Ein breites Grinsen macht sich auf seinem nun auf der linken Seite mit blutverziertem Gesicht breit, seine Augen leuchten auf, „Ein sehr schöner nebenbei“ Ich schaue ihn verwirrt an, meine Angst ist wie zerplatzt, wie eine Seifenblase. Anstatt ihrer findet sich jetzt nur noch Verwirrung und Unsicherheit. „Ich weiß das du eine Frau bist“, erklärt er sanft und schaut mich bedächtig an, „Wer hätte geglaubt das du es so lange durchhältst? Eigentlich dachte ich es fällt schon nach einer Woche irgendwem auf, oder wenigstens nach einem Monat…aber du bist gut“ „Was?“, entfährt es mir erschrocken und enttäuscht, tausendmal lauter als in dem stillen, bedächtigen Ton, in dem wir vorher sprachen. „Hey, glaubst du ich hab es nicht gemerkt“, entgegnet er wieder leise und grinsend, „Ich bin Captain Jack Sparrow, Liebes“ „Aber du…“, stammele ich verwirrt, „Wir waren auf Tortuga und du… und die Frau eben und…du wolltest doch das ich….und das mit Mr Gibbs…und du hast dich vor mir umgezogen“ „Warum sollte ich mich vor dir schämen?“, grinst er, „Ich hab doch nen tollen Körper“ Ich blicke ihn ungläubig an. „oder?“ „Eh…“, entfährt es mir nur und ich merke wie meine Anspannung schwindet. Warum macht es mir auf einmal nichts mehr aus? „Du zögerst!“, Jack schaut mich geschockt und enttäuscht an, „Also bis jetzt hat sich noch keine Frau bei mir beschwert….“ „Wie lange weißt du es schon?“, frage ich die Frage, die auf meinen Lippen brennt. „Seit ich dich das erste Mal sah“, er fährt mit seinen beringten Fingern über mein Gesicht, „Du bist das Ebenbild deines Bruders“ „Und wieso wusstest du dann, dass ich ein Mädchen bin? Er hätte auch einen Bruder haben können“ „Er hat es mir gesagt“, entgegnet Jack sanft, während seine Finger über mein Gesicht fahren und ich muss bemerken, auch wenn ich es nicht so empfingen sollte, dass es ein wunderschönes Gefühl ist, „Auch wenn er mich nicht mochte, so hatten wir doch eine sehr tiefgründige Unterhaltung“ Ich schaue ihn fragend an und er scheint überrascht, dass ich seinem Handeln, über mein Gesicht zu fahren, keinen Einhalt gebiete. „Er hat mir von seiner Schwester erzählt, die Lord Beckett heiraten sollte und das er, wegen ihr, unbedingt zurück zur Navy muss und seine Ehre und die Ehre eurer Familie wiederherstellen. Er habe dir versprochen dich zum Altar zu führen. Gott, wie er dich liebte“, er lachte leise, aber keinesfalls höhnisch, sondern eher voll Respekt und traurig auf, „Er hat gesagt, du bist der wichtigste Mensch in seinem Leben, wichtiger als Lizzie, wichtiger als er selbst“ „Das war er auch für mich“, sage ich traurig und schaue hinunter auf Jacks Brust. Zwar wollte ich zu Boden schauen, aber Jack sitzt im Weg, so schaue ich auf seine Brust. „Wir holen ihn ja zurück“, erinnert mich Jack und ich spüre seinen warmen und rumhaltigen Atem auf meiner Haut, „Er wird sich freuen seine geliebte Schwester wieder zu sehen“ „Was willst du von ihm?“, frage ich eine Frage, die mich so lange schon quält. „Nur eine einfache Antwort, mehr nicht. Eine Antwort, die nur er mir geben kann“, antwortet er sanft lächelnd und mein Blick richtet sich wieder in seine wunderschönen braunen Augen. „Welche?“ „Shht“, flüstert er leise und legt sich langsam neben mich, „Nicht sprechen…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)