Höllenqualen von Nochnoi (Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle") ================================================================================ Kapitel 11: Nichtexistente Waldspaziergänge, temperamentvolle Kochtöpfe, tierische Krisenberater und wilde Zoobewohner ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das war ja unfassbar. Da war man schon am Arsch der Welt und trotzdem lief man einem Typen über den Weg, der einem schon in der Hölle tierisch auf den Senkel gegangen war. Er, der Ex-Assistent Bariums, der hartnäckigste Stalker aller Zeiten, der mit Heiratsanträge und Geschenken nur so um sich warf, der bunte Paradiesvogel der Hölle – ausgerechnet hier?? Meine Güte, ich war nicht nur vom Pech verfolgt, es klebte ja förmlich an mir. Ich konnte hingehen, wohin ich auch wollte, es war stets bei mir. „Krytio, was für eine Überraschung!“ Shimo blinzelte erstaunt, als wäre er sich nicht sicher, ob der Teufel vor ihm nicht vielleicht doch nur eine Fata Morgana war. „Was machst du denn hier?“ Krytio zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Nur einen kleinen Waldspaziergang, sonst nicht.“ Während mein Vater diese Bemerkung widerspruchslos schluckte und offenbar kurz davor stand, Krytio zu fragen, wie vielen Eichhörnchen er heute schon begegnet war, musterte ich den Neuankömmling skeptisch. Er sah vollkommen verändert aus. Seine sonst immer so penibel nach hinten gekämmten Haare waren zerzaust und seine sonst so quietschbunte Garderobe, die einem jedes Mal einen schweren Augenkrebs bereitet hatte, war schwarzer Kleidung gewichen. Was war nur mit ihm geschehen? Ich musste an das Gespräch denken, dass ich mit Alymara geführt hatte, bevor Griffin aufgetaucht war. Ich hatte meiner Schwester zwar nur mit halbem Ohr zugehört, aber ich erinnerte mich noch, wie sie mir von Krytios spurlosem Verschwinden berichtet hatte. Einen ganzen Monat war er schon nicht mehr in der Hölle gesehen worden. Und jetzt traf ich ihn hier, im gottverlassenen Nirgendwo? „Jetzt grins sie nicht so dämlich an, sondern vernichte sie endlich!“, vernahm ich Kaguras ungeduldige Stimme. „Wir haben immerhin nicht den ganzen Tag Zeit.“ Krytio warf ihr einen scharfen Blick zu. „Nur die Ruhe, kleine Youkai. Ich weiß schon, was ich zu tun habe.“ An uns gewandt meinte er seufzend: „Bei allen Teufeln, die Kleine nervt ganz schön. Drittklassiges Dämonenpack ist echt das Letzte.“ Kagura schnaubte empört und schien ihn mit ihrem Blick aufspießen zu wollen, aber abgesehen davon hielt sie sich zurück. Inuyasha war inzwischen dazu übergegangen, Krytio näher in Augenschein zu nehmen. Man konnte förmlich hören, wie es in seinem Kopf ratterte, als er sich angestrengt zu erinnern versuchte, woher er den Teufel kannte. Schließlich hatte der Hanyou sogar erstaunlicherweise Erfolg. „Bist du nicht der Kerl, den wir damals in diesem Gerichtssaal in der Hölle getroffen haben? Der irgendwie Mirokus schwarzes Loch überlebt hat?“ Krytio betrachtete Inuyasha eine Weile schweigend, ehe er fragte: „Kenne ich dich?“ Dem Köter schien es augenscheinlich nicht besonders zu gefallen, dermaßen schnell in Vergessenheit geraten zu sein. Er wollte offenbar zu einer großen Rede ansetzen, um Krytio seine Existenz wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber ich kam dem zuvor, indem ich Inuyasha einmal kurz in den Arm boxte und mich direkt darauf an Krytio wandte, ohne auf das Gezeter des Hundis einzugehen. „Also sei ehrlich, was machst du hier?“, verlangte ich zu erfahren. „Ist es das, was ich denke, das es ist?“ Krytio beäugte mich kurz mit hochgezogener Braue, dann aber schien er meine Worte zu begreifen und er nickte seufzend. Zur Antwort krempelte er seinen Ärmel hoch und zeigte uns das Siegel des Helios, das auf seinem Unterarm prangte. Ich konnte daraufhin nur die Augen verdrehen. Also war Emmerett nicht nur in den Himmel gestiegen, um sich zwei lästige Engel zu angeln, sondern hatte darüber hinaus auch noch einen Abstecher in die Hölle unternommen. Ganz schön reiselustig, der Junge. „Haben noch andere Teufel die Ehre, den Sklaven zu spielen, oder bist nur du hier?“, erkundigte ich mich. „Nur ich“, meinte Krytio mit einem eindeutig sehr frustrierten Unterton. Im Grunde auch kein Wunder, wenn er schon einen Monat in dieser schrecklichen Welt festsaß. „Mein ‚Meister’ war ursprünglich so wagemutig und wollte sich Lucifer schnappen, aber ich kam ihm in die Quere. Als er mich dann mit den Siegel belegt hatte, hatte er keine Energie mehr für Lucifer.“ Darüber war ich tatsächlich froh. Zugegeben, Krytio war lästig und brachte mich immer wieder zur Weißglut, aber er war immer noch besser als dieser selbstverliebte Possenreißer Lucifer. „Und jetzt bist du hier, um uns zu töten, nicht wahr?“, zischelte Hisa feindselig. „So wie du es auch schon mit meiner Schwester gemacht hast.“ Krytio zuckte mit den Schultern. „Das tut mir wirklich leid, ich hatte einfach keine andere Wahl. Das müsstest du doch eigentlich gut verstehen können.“ Man konnte Hisa ansehen, dass sie es nachzuvollziehen vermochte, doch sie war zu stolz und verbohrt, um das auch einzugestehen. Stattdessen hielt sie einfach ihren Mund und starrte böse vor sich hin. „Außerdem will ich euch nicht töten“, fügte Krytio noch hinzu. Bei diesen Worten fuhr Kagura regelrecht zusammen. „Aber … es wurde dir doch befohlen!“, fauchte sie. „Bei einer Weigerung setzt du dein Leben aufs Spiel, du Idiot!“ Es war nicht schwer zu erraten, dass es der Youkai weniger um Krytios Wohlbefinden ging als um das Vergnügen, Inuyasha jammernd und sterbend am Boden zu sehen. Und ich musste ihr in diesem Punkt wirklich zustimmen. „Emmeretts genauen Worten waren: ‚Halte sie um jeden Preis von dem Juwel fern’“, meinte Krytio. „Er hat mir nie direkt befohlen, jemanden zu töten. Und ich werde sicher keinen Teufel einfach aus Spaß an der Freude umbringen.“ Irgendwie schade. Er hätte Shimo gerne abmurksen können. Na ja, falls er das überhaupt hingekriegt hätte. Man konnte viel über Krytio sagen, aber ein Kämpfer war nicht unbedingt an ihm verlorengegangen. Er war ein scharfzüngiger und gewitzter Politiker und Intrigant, ein Mann, dessen Waffe sein scharfer Verstand darstellte. Rohe Gewalt mied er deshalb so gut wie möglich. Wie also kam Emmerett auf die Idee, ihn allein zu uns zu schicken? Glaubte er wirklich, dass Krytio imstande war, uns zu besiegen? Nun gut, aus dämonischer Sicht war er sicher ein kräftiges Bürschchen. Immerhin hatte er Akako getötet. Das musste zwar jetzt nichts heißen, schließlich hatte ich keine Ahnung, was das Mädel alles auf dem Kasten gehabt hatte, aber dennoch hatte Krytio durch ihre Ermordung zumindest Hisa verschreckt und sicher auch den ein oder anderen. Offenbar war selbst Emmerett dermaßen von dieser Leistung beeindruckt gewesen, dass er tatsächlich glaubte, Krytio könnte es allein mit zwei Teufeln aufnehmen. Armer, kleiner, geistig verwirrter Junge. „Ich habe es langsam satt, dass ihr Teufel euch für die Mächtigsten der Welt haltet!“, brummte Inuyasha, während er theatralisch sein gigantisches Schwert schwang. Er fuhr im ähnlichen Bla-Bla fort, aber ich hatte schon auf taub geschaltet, als er seinen Mund geöffnet hatte. Krytio betrachtete den Hanyou eine Zeit lang mit hochgezogener Augenbraue, dann wandte er sich an mich und fragte: „Sag mal, macht es dir was aus, wenn ich diesen Knilch töte?“ Etwas Schöneres hatte mir noch nie ein Mann gesagt. Auf meinen Lippen erschien ein strahlendes Lächeln, als ich antwortete: „Bitte, tu dir keinen Zwang an. Du kannst ihn gerne auch was leiden lassen.“ Inuyasha war unverständlicherweise über meine Aussage nicht ganz so begeistert. „Du solltest mir nicht in den Rücken fallen!“, fauchte er. „Immerhin kämpfen wir auf derselben Seite … irgendwie.“ Ich schnaubte verächtlich. „Du solltest deinen Status wirklich nicht überschätzen, Hündchen. Griffin hat mir zwar verboten, dir körperlichen Schaden zuzufügen, aber mit keinem Wort hat er erwähnt, dass ich dazu verpflichtet wäre, deinen dummen Hintern zu retten. Ganz im Gegenteil, ich werde lachend dabei zusehen, wie man dich in Stücke zerfetzt.“ Ob Krytio wirklich dazu in der Lage war, den hartnäckigen Inuyasha in Stücke zu reißen, wusste ich zwar nicht genau, aber der Dramatik wegen erwähnte ich es einfach lieber mal. „Mit meiner Hilfe brauchst du nicht zu rechnen“, meinte ich kopfschüttelnd. „Schließlich bist du das Übel der Welt, das darüber hinaus Griffin meinen Namen verraten und mich in diese schreckliche Lage gebracht hat.“ Inuyasha gab ein missbilligendes Geräusch von sich. „Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass ich Griffin nichts erzählt habe. Hältst du mich für bescheuert?“ Musste ich auf diese Frage wirklich antworten? In meinem Kopf sammelte ich weitere Vorhaltungen, die ich dem Hanyou entgegenschleudern wollte, als ich aus den Augenwinkeln bemerkte, wie Krytio eine schuldbewusste Miene aufsetzte. Und plötzlich wusste ich, wer mich an Griffin verpfiffen hatte! „Du?“, fragte ich wutentbrannt. Meine Güte, da bemühte sich der Bursche sosehr um meine Gunst und dann fiel ihm nichts Besseres ein, als mich an einen größenwahnsinnigen Milchbubi zu verraten? Ein paar Süßigkeiten, das blutende Herz einer Jungfrau – DAS waren gute Geschenke! Aber mich zu einer Sklavin eines fanatischen Idioten zu machen, erhöhte seine Chancen bei mir nicht gerade. „Es tut mir leid“, meinte er kleinlaut. „Ich wusste es doch nicht. Als ich mit diesem Griffin geredet habe, hatte ich keine Ahnung, dass er ebenfalls Diener sammelt. Ich hielt ihn bloß für einen kleinen, neugierigen Jungen. Er fragte mich nach der Hölle und besonders herausragenden Teufeln und da hab ich … na ja …“ „ … und da hast du ihm von mir erzählt“, führte ich stöhnend seinen Satz zu Ende. Das war ja nicht zum aushalten! Weil dieser blöde, verliebte Trottel von mir geschwärmt hatte, saß ich nun auf der Erde fest und durfte einem verrückten Spinner dienen? „Es tut mir wirklich leid“, wiederholte er noch einmal. Krytio schien tatsächlich ein sehr schlechtes Gewissen zu haben, aber das machte die Sache für mich auch nicht viel besser. Ganz im Gegenteil, das Ganze wurde dadurch nur noch schlimmer. Mit Willkür und Schadenfreude hätte ich sehr gut leben können. Da konnte man demjenigen einfach den Kopf abhacken und alles war wieder in Ordnung. Aber Leute mit Gewissensbissen hatten sich schon innerlich darauf eingestellt, bestraft zu werden, manche wollten es sogar regelrecht. Da machte es keinen Spaß, jemanden mal eben das Lebenslicht auszupusten. Da tat man dem ein oder anderen sogar einen Gefallen – und das Letzte, was ich wollte, war irgendeinem Volltrottel eine Gefälligkeit zu erweisen! „Mir egal, wer hier wen verraten hat.“ Inuyasha trat einen Schritt vor und wuchtete sich sein riesiges Schwert auf die Schulter. „Ich will nur mal eben zu Naraku, den Mistkerl umbringen und mit dem Shikon no Tama wieder verschwinden. Ihr beide könnt ja derweil weitertratschen.“ Krytio musterte Inuyasha argwöhnisch. „Und wie willst du kleiner Hanyou durch den Bannkreis, wenn ich fragen darf? Deine jämmerlichen Kräfte reichen nicht mal annähernd aus, um da durchzukommen.“ Ach je. Provokation. Darauf reagierte Inuyasha meistens extrem überempfindlich. Und am Ende gab es dann nur wieder Streit und Kämpfe. Und wie ich an Inuyasha wutverzerrten Gesichtsausdruck erkennen konnte, lag ich mit meiner Vermutung nicht sehr falsch. Der Hanyou hatte aber auch wirklich das Temperament eines Kochtopfs, der bei zu viel Feuer gleich den Deckel in die Luft zischen ließ und völlig austickte. „Du solltest mich wirklich nicht unterschätzen, Freundchen!“, knurrte der Hund zornig. „Das ist schon Mächtigeren als dir nicht bekommen.“ Oh nein, jetzt fing er wieder an, große Reden zu schwingen. Hoffentlich begannen die beiden bald zu kämpfen. Dann wäre wenigstens diesem nervigen Gelaber ein Ende gesetzt. „Vielleicht sollten wir dem Hanyou sagen, dass er seine Zunge besser im Zaum hält“, flüsterte Shimo mir zu. Ich lachte spöttisch auf. „Und warum, bitte schön? Sollen sich die beiden Idioten doch ruhig ein bisschen kloppen, was ist schon dabei?“ Shimo schüttelte den Kopf, während er besorgt zu Krytio schaute. „Aber er ist nicht umsonst Lucifers Stellvertreter …“ Krytio war tatsächlich zu Lucifers Stellvertreter ernannt worden? Meine Güte, vielleicht sollte ich mir mal angewöhnen, Zeitung zu lesen. Irgendwie gingen die meisten Neuigkeiten an mir vorbei. Aber was machte es für einen Unterschied? Lucifer war ein Trottel und Krytio ebenso. Da hatten sich vermutlich zwei gefunden und die Hölle war somit noch ein bisschen tiefer im Morast versunken. Im Grunde konnte es mit der Regierung jetzt nur noch bergauf gehen … außer natürlich Lucifer käme auf die Idee, einen Affen zum Krisenberater zu ernennen, so wie Barium es vor vielen Äonen getan hatte. Aber was meinte Shimo mit ‚nicht umsonst’? Bevor ich meinen alten Herrn danach fragen konnte, war Inuyasha auch schon zum Angriff übergegangen. Er stürmte auf Krytio zu und wollte ihn offenbar mit einem einzigen ungelenken Schwenker seines Schwertes niederstrecken. Und auch wenn dieser ein Schwachmat und Schwächling war, so beherrschte er als Teufel doch auch den ein oder anderen Trick. Mit einem einzigen kraftvollen Sprung verschwand er aus Inuyashas Ziellinie, sodass der Hanyou ins Leere lief und beinahe vor Überraschung gestolpert wäre. Aber zu meinem großen Erstaunen fing sich der Köter ziemlich schnell wieder. Er wirbelte herum und setzte zum Gegenangriff an, noch bevor Krytios Füße wieder den Boden berührt hatten. Ich spürte, wie sich eine Menge Energie in Inuyashas Schwert sammelte, die der Hanyou mit einer einzigen Bewegung freiließ. Eine Art grelle Magiewelle raste auf Krytio zu und schien ihn zu verschlingen. Und diesmal hatte der Teufel keine Chance zu entkommen. Aber wie ich an dem überlegenen Grinsen auf seinen Lippen erkannte, hatte er das auch gar nicht vorgehabt. Für einen Moment verschwand Krytio in der gebündelten Energie. Ich hörte Inuyasha bereits triumphierend jubeln, sich seinem Sieg offenbar schon ziemlich sicher. Dummer, dummer Hanyou. Als das Licht schließlich verblasste, konnte er sehen, dass Krytio immer noch an Ort und Stelle stand. Nicht mal einen Kratzer schien er davongetragen zu haben. Inuyasha keuchte entsetzt auf und auch ich musste zugeben, dass ich etwas erstaunt war. Dieses blöde Schwert mochte zwar protzig wirken, aber dennoch verbargen sich in ihm nicht zu verachtende Kräfte. Als Sesshomaru mich vor einem Jahr mit dieser Macht angegriffen hatte, war ich lieber auf Nummer sicher gegangen und hatte den Rückzug angetreten. „Ganz nett“, meinte Krytio. „Darf ich jetzt ein bisschen mit dir spielen?“ Seine Augen glühten auf, als er den Arm ausstreckte und die Handinnenfläche direkt auf Inuyasha richtete. Eine gigantische Feuersalve schoss aus seiner Hand hervor und attackierte den Hanyou. Der Köter vermochte es zwar, sich irgendwie mit einem hastigen Satz in Sicherheit zu bringen, aber dennoch leckten die Flammen kurz über seine Beine und Füße, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte. Der Großteil von Krytios Angriff hingegen donnerte direkt auf den Bannkreis. Das magische Schutzschild flackerte einmal kurz auf, schien regelrecht zu stöhnen und begann dann, sich nach und nach aufzulösen, bis schließlich ein großes Stück schier vom Feuer weggeätzt worden war. Ich runzelte die Stirn. Oh. Damit hatte ich irgendwie überhaupt nicht gerechnet. Wie bereits gesagt, der Bannkreis war wirklich nicht übel. Kein Kunstwerk der Magie, zugegeben, aber gar nicht mal so schlecht. Ich persönlich hätte sicherlich einige Anläufe gebraucht oder zumindest einen großen Teil meiner Kraft opfern müssen, um da mal eben ein Loch reinzuhämmern. Und Krytio schaffte es einfach so? Mit einem einzigen Schlag? Wenn er nun wenigstens erschöpft auf die Knie gesunken wäre und um Luft gerungen hätte, hätte ich mich wesentlich besser gefühlt. Aber er stand einfach da, grinste breit und machte nicht den Anschein, als hätte er gerade einen hübschen Bannkreis ein bisschen zerdeppert. Ich richtete meinen Blick wieder auf den Schutzkreis. War es vielleicht möglich, dass dieses Ding einen stärkeren Eindruck erweckte, als er in Wirklichkeit war? Hatte ich seine Kraft möglicherweise falsch eingeschätzt? Oder hatte ich doch eher Krytios Macht unterschätzt? „Ich hab doch gesagt, dass der dumme Hund sich nicht mit ihm anlegen soll“, hörte ich meinen Vater neben mir flüstern. „Er wird nur unnötig draufgehen.“ Ich drehte mich zu Shimo um. „Hast du das etwa gewusst?“, fragte ich zischelnd. „Dass Krytio … na ja, soviel auf dem Kasten hat?“ Mein alter Herr lächelte unbekümmert. „Aber natürlich. Sag bloß, du hattest keine Ahnung?“ Er lachte auf. „Dabei hatte ich angenommen, dass der Junge all seine Vorzüge dir gegenüber präsentiert hätte, um dich für sich zu gewinnen.“ Ich konnte bloß die Augen verdrehen. Langsam wurde das alles wirklich zu viel! „Aber Krytio ist ein Schlappschwanz, ein Schwächling alleroberster Güte!“, meinte ich beharrlich. „Er kann doch nicht einfach …“ Ich konnte es nicht mal aussprechen, so dermaßen irreal kam mir das alles vor. „Das nennt man strategische Kriegsführung“, meinte Shimo besserwisserisch. „Er lässt jeden glauben, dass er schwach ist, so begehen seine Feinde stets den Fehler, ihn gewaltig zu unterschätzen. Erinnerst du dich zum Beispiel an Bakiuz?“ Natürlich erinnerte ich mich. Ein machthungriger, unsympathischer Teufel, der sich für den Besten, Charmantesten und Intelligentesten der Welt gehalten hatte, aber im Grunde nicht mehr gewesen war als ein ungehobeltes und laut röhrendes Trampeltier. Irrsinnig und verrückt wie er gewesen war, hatte er ohne Unterlass die höllische Regierung kritisiert, die höchsten Amtsträger beleidigt und sogar mehrere Male öffentlich von Revolution geredet. Sein ehrgeiziges Ziel, Herrscher der Hölle zu werden, hatte er mit großem Eifer verfolgt. Und dann irgendwann hatte man nichts mehr von ihm gehört. Zunächst hatte man angenommen, dass er tot wäre, verstümmelt in irgendeiner Jauchegrube, aber schließlich hatte man herausgefunden, dass er doch noch lebte. Er war zum Schweigen gebracht worden, indem man ihm offenbar liebenswürdig den Arm abgetrennt und ihn zu Tode erschreckt hatte. „Auch er hat sich dazu hinreißen lassen, Krytio und die Oberteufel zu unterschätzen“, meinte Shimo. „Und dafür hat er schließlich einen hohen Preis bezahlt. So wie viele andere vor ihm.“ Ich konnte bloß seufzend den Kopf schütteln. Was war nur aus der Welt geworden? Blieb denn gar nichts mehr beim Alten? „Das mag vielleicht alles stimmen, aber ihr seid immerhin zu zweit“, schaltete sich nun auch Hisa in das Gespräch ein. „Und ihr habt auch noch eine Youkai auf eurer Seite. Selbst wenn dieser Teufel so stark ist, wie du sagst, gegen uns alle kann er wohl kaum ankommen.“ Die Kleine hatte Recht, obwohl ich das nur ungern zugab. Ich war zwar überzeugt, dass ich es mit Krytio auch alleine würde aufnehmen können, aber wenn man das Loch im Bannkreis betrachtete, musste man kein Genie sein, um zu begreifen, dass das sicherlich sehr anstrengend werden würde. Viel zu anstrengend. Irgendwie hatte ich wenig Lust, mich dermaßen ins Zeug zu legen, nur um Griffin seine blöde Murmel zu besorgen. „Na fein“, sagte ich. Shimo und Hisa würden mir wahrscheinlich keine großen Hilfen sein, aber dennoch könnten sie nützlich werden. Besonders Hisas Rachedurst könnte sich als willkommene Ablenkung erweisen, um Krytio ohne Vorwarnung hinterrücks anzugreifen und ihn ins nächste Sonnensystem zu katapultieren. Ich weiß, nicht besonders fair – aber hey, ich bin nun mal ein Teufel! „Das klingt ja wirklich nach einer Menge Spaß“, meinte Shimo, unpassenderweise breit grinsend wie ein Honigkuchenpferd auf Drogen. „Es ist lange her, dass wir zusammen gekämpft haben. Dieser Tag strotzt ja nur so vor wunderschönen Vater-Tochter-Erlebnissen.“ Ich verdrehte genervt die Augen. Wir beide hatten noch nie zusammen gekämpft, nur um das mal klarzustellen! Na gut, vielleicht das eine Mal, als uns im Zoo eine wildgewordene Horde Schleimspucker angegriffen hatte, weil Shimo sie mit seinem ewigen „Duzi-Duzi-Duu“ provoziert hatte. Ich war damals noch recht klein gewesen, hatte aber dennoch schon über genügend Grips verfügt, um zu wissen, dass mein Vater ein gigantischer Trottel war. Zusammen hatten wir uns irgendwie gegen die aufgebrachten Tiere verteidigen müssen. Für Shimo ein Erlebnis, von dem er immer wieder gerne berichtete, für mich ein weiterer Beweis dafür, dass mein alter Herr endlich erschossen gehörte. „Allerdings weiß ich nicht, ob es wirklich so eine gute Idee ist, gegen Krytio zu kämpfen“, meinte Shimo einlenkend. „Ein direkter Angriff ist sicher nicht besonders schlau.“ Der wollte mir etwas von schlauen Plänen erzählen? Ich verspürte das unbändige Verlangen, laut aufzulachen. Shimo hätte wahrscheinlich noch nicht mal eine Schnecke ohne weiteres überwältigen können, geschweige denn einen Teufel. „Ach, halt die Klappe!“, zischte ich unwirsch. „Wenn du Bammel hast, kannst du dich gerne hinter einem Baum verstecken und die Show abwarten. Ich habe genauso wenig Lust wie du, mich mit Krytio zu prügeln, aber anscheinend bleibt uns keine andere Wahl. Wir haben den Befehl, das Juwel zu beschaffen, und ihm wurde befohlen, es zu beschützen.“ Eine verfahrene Situation. So oder so wäre es zu einem Zusammenprall gekommen, das war unumgänglich. Ich warf einen Blick zu Krytio, der sich gerade Kaguras Geschwafel anhörte. Offenbar war die Youkai immer noch nicht begeistert davon, dass er unser Leben verschonen wollte, und machte ihm deswegen ordentlich Vorhaltungen. Aber an seinem Gesichtsausdruck war deutlich zu sehen, dass er ihrem Gequatsche kaum Beachtung schenkte. Inuyasha inzwischen hatte sich etwas in den Hintergrund verzogen, um seine verbrannten Füße ein wenig besser in Augenschein nehmen zu können. Es schien sich zwar nicht um besonders schwerwiegende Verletzungen zu handeln – leider –, doch es war offenbar trotzdem schmerzhaft. Auch wanderte der Blick des Hanyou zwischen den zwei diskutierenden Dienern Emmeretts und dem Loch im Bannkreis hin und her. Die Gebäude im Inneren des Schutzkreises waren nun bestens zu sehen, dem Weg zum Juwel stand nun ein Hindernis weniger im Weg. Überlegte Inuyasha etwa tatsächlich gerade, sich dort einzuschleichen, während Kagura und Krytio miteinander zugange waren? Man hätte es vermuten können und es wäre sicherlich auch logisch und durchaus intelligent gewesen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Hanyou sich einfach so hinterlistig aus dem Staub machte und die Wunden, die der Teufel ihm zugefügt hatte, ungesühnt ließ. Dafür war der Stolz dieses aufgeblasenen Köters viel zu groß. Nun gut, dann waren wir also zu viert. Eine mächtige Teufelin und drei nervige Anhängsel, die höchstens als Schutzschilde oder Ablenkung zu gebrauchen waren. Damit müssten Krytio und auch Kagura auf jeden Fall zu besiegen sein. Zumindest hoffentlich. ____________________________________ Tja, wie man Rasias Pech ja mittlerweile kennt, wird es aber bestimmt nicht so einfach, wie sie sich das erhofft, nicht wahr? ;) Na ja, ihr werdet es ja sehen! Und nochmal vielen Dank für eure lieben Kommentare! ^______^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)