Höllenqualen von Nochnoi (Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle") ================================================================================ Kapitel 13: Extrem schwache Momente, der Ort der ewigen Qualen, sehbehinderte Teufel und hübsche Ideen ------------------------------------------------------------------------------------------------------ Wohin Krytio mich genau brachte, konnte ich nicht erkennen. Ich hörte im Hintergrund das Knallen und Bummen eines sehr geräuschvoll ausgetragenen Kampfes (Inuyasha schien wohl ziemlich angepisst zu sein, dass man ihn gefangen nehmen wollte und irgendwie vermochte ich dieses Gefühl sehr gut nachzuempfinden), während ich meinerseits sehr damit beschäftigt war, mich mit diesen schmerzhaften Fesseln irgendwie zu arrangieren und mir gleichzeitig meine gekränkte Ehre nicht anmerken zu lassen, da ich von einem Kerl getragen wurde, der bis vor einem Jahr noch mit voller Hingabe einem vertrottelten Klappergestell gedient hatte. Krytio brachte mich schließlich, soweit ich das sehen konnte, in ein kleineres Nebengebäude. Er öffnete eine Menge Schiebetüren, wirbelte dabei reichlich Staub auf und setzte mich schließlich auf dem Boden eines wenig geräumigen Zimmerchens ab. Um wenigstens einen Teil meiner angeknacksten Würde zu bewahren, robbte ich von ihm weg, bis ich die Wand hinter meinem Rücken spürte. Ich hätte mich gerne aufgerichtet und ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, aber an eine vertikale Position war im Moment nicht zu denken. Dafür war ich viel zu zugeschnürt. Krytio schien mein Unbehagen zu bemerken und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, direkt mir gegenüber. Eine Zeit lang sagte er nichts, sondern musterte mich bloß mit reuevoller Miene. „Es tut mir wirklich leid“, meinte er schließlich. Ich hob eine Augenbraue. Besonders originell war der Spruch ja nicht gerade. „Ich würde dich ja gerne von diesen Fesseln befreien, aber gegen diese verfluchte Engelsmagie kann ich nicht allzu viel ausrichten“, fuhr er fort. „Tut mir leid.“ Irgendwie hatten wir das schon mal. Einen Augenblick betrachtete er mich noch mit diesem fürchterlich reuigen Gesichtsausdruck, dann aber stahl sich ein knappes Lächeln auf seine Lippen. „Du hast gerade eben deinen Vater gerettet, das ich dir doch hoffentlich klar, oder?“ Nun sah ich mich doch genötigt, meinen Mund aufzumachen. „Das war ein extrem, extrem, extrem, extrem schwacher Moment“, verteidigte ich mich schnaubend. „Außerdem hatte ich nicht mal Zeit, richtig darüber nachzudenken. Es war bloß ein dummer Reflex.“ Krytio wirkte ziemlich amüsiert. „Ja, ja“, meinte er schmunzelnd. „Was denn?“ Langsam machte mich der Kerl aggressiv. „Denkst du wirklich, ich hätte Shimo aus voller Berechnung aus der Schusslinie gestoßen? Ich hatte eigentlich angenommen, dass du ein ziemlich schlaues Bürschchen wärst, aber offenbar habe ich mich getäuscht.“ Krytios lästiges Lächeln wurde immer breiter. „Du kannst mir nichts vormachen, Rasia. In Wahrheit liebst du deinen Vater.“ Pfui-Bäh! Was benutzte der Kerl nur für dreckige Worte? Offenbar hatte seine Mutter ihm in seiner Kindheit nicht oft genug den Mund mit Seife ausgewaschen. „Du kannst von Glück sagen, dass ich gefesselt bin“, zischte ich wie eine gereizte Schlange. „Ansonsten hätte ich dir schon längst den Kopf abgerissen. Wag es ja nie wieder, so widerwärtige Lügen über mich zu verbreiten, verstanden?“ Krytio lachte bloß belustigt auf. Einfältiger Idiot! Er hatte mich und meine tollen Todesdrohungen nie richtig ernst genommen und irgendwann würde ihm das noch zum Verhängnis werden. Ganz sicher. „Im Grunde kannst du froh sein, einen Vater wie Shimo zu haben“, sagte er. „Mein werter Erzeuger schert sich einen Dreck um mich.“ Das konnte ich irgendwie verstehen. „Er würde nie kommen, um mich zu retten, wie Shimo es heute für dich getan hat. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich beneide.“ Wow, so was hatte mir noch niemand gesagt. Ich spürte bei diesen Worten das tiefe Verlangen, ihm meinen Vater zu schenken, damit die beiden Trottel für immer und ewig glücklich miteinander sein könnten. „Du bist wirklich ein unverbesserlicher Dummkopf, Krytio“, meinte ich kopfschüttelnd. „Hast du überhaupt – Moment!“, unterbrach ich mich selbst. „Woher weißt du eigentlich, dass Shimo gekommen ist, um mich zu retten?“ Krytio zuckte kurz mit den Schultern. „Emmerett hat seine Spione.“ „Ach tatsächlich?“, fragte ich verwundert. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass uns jemand beobachtet hatte. „Ja, Krähen.“ Man merkte an seinem abwertenden Tonfall, dass ihm diese Viecher nicht sonderlich zusagten. „Das sind irgendwelche Youkai, die Emmerett hier aufgesammelt hat. Die Kerle mussten nicht mal mit einem Siegel gebunden werden, die arbeiten völlig freiwillig für ihn.“ Igitt! Das war ja fast noch abartiger als Krytios „Ich-liebe-meinen-Vater“-Rede vorhin. „Emmerett hat ihnen, soweit ich weiß, ein bestimmtes Herrschaftsgebiet versprochen. Diese Krähen sind wohl ziemlich unbedeutende und mickrige Dämonen, die von den Großen immer rumgeschubst werden. Denen geht es wohl hauptsächlich darum, diesen besagten Youkai mal mächtig in den Hintern zu treten.“ Oh Mann, das wurde ja immer besser. Dieser Emmerett verstand es offenbar gekonnt, praktische Diener um sich zu scharen. Ganz sicher, der Junge würde nach seinem Tod direkt in die Hölle wandern. Nun ja, nicht direkt in die Hölle. Zumindest nicht in das Gebiet, wo wir Teufel lebten. Das wäre ja noch schöner, wenn in unseren Wohnorten überall tote Menschen rumwanken würden! Nein, die wurden in einen extra für sie abgesperrten Bereich verfrachtet. Genauer gesagt Bezirk 215 bis 256. Der Einfachheit halber auch öfter als ‚Hölle 2’, ‚Unterwelt’ oder ‚Ort der ewigen Qualen’ bezeichnet. Ein ödes, karges, stinklangweiliges Land, in dem kein Teufel je freiwillig leben würde. Somit war es dazu auserkoren worden, die verstorbenen Hirnis aufzunehmen, denen man im Himmel keinen Zutritt gewährt hatte. Das waren übrigens beileibe nicht so viele, wie man hätte meinen können, da der Himmel sehr großzügig mit seinem ganzen Vergebungs-Kram war. Nur die schlimmsten Buben, die noch nie etwas von Reue gehört hatten, wurden in die ‚Hölle 2’ runtergeworfen. Und irgendwie wirkte dieser kleine, fiese Emmerett nicht wie jemand, der etwas von Bedauern verstand. Ich freute mich schon auf den Tag, an dem dieser Bengel seinen letzten Gang antreten würde. Ich machte mir gedanklich eine Notiz, dass ich einem der Wärter von ‚Hölle 2’ mit ein paar netten Worten und einem verführerischen Augenaufschlag dazu bringen würde, sich eine ganz besondere Strafe für Emmerett einfallen zu lassen, sodass er bis in alle Ewigkeit schreckliche Qualen erleiden würde. Klassiker war natürlich, einen gigantischen Felsblock einen Hügel hinaufzuschieben, der dann, kurz bevor man die Spitze erreicht hatte, wieder nach unten rollte [1]. Auch schön war es, wenn man dabei zuschauen konnte, wie einem bei lebendigem Leib die Leber aufgefressen wurde [2]. Eine ebenso beliebte Foltermethode bei uns war das Bad im Salzsäuresee, das sogenannte ‚Skifahren’ ohne jegliche Ausrüstung vom höchsten Berg der Hölle und das Zählen von äußerst agilen Fliegen in einem Glaskäfig (wen’s interessiert: es sind genau 2.895.352 Fliegen – der einzige, der diese Zahl bis jetzt herausbekommen hatte, war ein sympathischer Massenmörder mit einem witzigen Sprachfehler gewesen, der dafür nur schlappe viertausend Jahre gebraucht hatte). Tja, vielleicht würde Emmerett auch irgendwann ewig und drei Tage Fliegen zählen oder Felsblöcke durch die Gegend rollen. Und Griffin würde ihm dabei je nachdem Gesellschaft leisten. Was für ein Spaß! „Rasia?“, unterbrach Krytio meine schönen Gedanken. „Darf ich dich was fragen?“ Hätte es was genützt, wenn ich ‚Nein’ gesagt hätte? Wahrscheinlich nicht. „Wenn’s denn unbedingt sein muss“, meinte ich somit. „Du weißt nicht zufällig, wie es Amelia geht, oder?“, erkundigte er sich. „Wem?“ Erst als ich diese Frage bereits gestellt hatte, fiel mir wieder ein, wen er meinte. Er sprach von seinem kleinen Töchterchen. „Keine Ahnung. Alymara hat mir erzählt, dass man sie mutterseelenallein zu Hause gefunden hat. Ob es ihr gut ging oder nicht, hat meine Schwester nicht gesagt. Wenn ich’s recht bedenke, hat sie nicht mal erwähnt, ob die Kleine überhaupt noch am leben war.“ Einen Augenblick starrte mich Krytio entsetzt an, sodass ich mich schon fast dazu genötigt sah, ihm ein paar beruhigende und speichelleckende Worte unterzujubeln, damit er nicht in Tränen ausbrach, aber dann entspannten sich seine Gesichtszüge wieder. „Amelia geht es sicher gut“, sagte er, mehr an sich selbst als an mich gerichtet. „Sie ist hart im nehmen.“ Wenn das Schätzchen auch nur annähernd so krass drauf war wie meine 47 oder 48 Nichten und Neffen, dann hatte sie die Zeit ohne ihren Papi sicher in vollen Zügen genossen. Ich betrachtete Krytio eine Weile, während er seinen eigenen Gedanken nachhing – vielleicht dachte er gerade an seine Tochter, unter Umständen überlegte er aber auch, was es heute zum Abendessen geben würde. Auf jeden Fall musste ich feststellen, dass er ohne die grelle Kleidung, die er sonst zum Leidwesen aller bevorzugt hatte, richtiggehend ernst und seriös aussah. Er war zwar immer noch ein Volltrottel, aber nun merkte man ihm das nicht unbedingt auf den ersten Blick an. „Was ist eigentlich mit dir passiert?“, fragte ich nach. „Waren Emmerett die Farben etwa auch zuwider und er hat dir befohlen, nur noch schwarz zu tragen? Was ich übrigens sehr gut verstehen würde.“ Krytio lächelte knapp. „Nein. Die Farben habe ich schon Monate vor Emmeretts Auftauchen abgelegt. Es ist … na ja, ich habe das eigentlich nur wegen Barium getragen.“ Ich legte meinen Kopf schief. „Wieso? Stand der so auf ekelerregende Farben?“ Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Das alte Klappergestell war ein wandelndes Beispiel des schlechten Geschmacks gewesen. „Nein“, erwiderte Krytio. „Mit Bariums Sehkraft stand es nicht zum Besten. In der Zeit, bevor ich anfing die grellen Farben zu tragen, hat er Anweisungen, die eigentlich für mich bestimmt waren, immer an Steinsäulen, Topfpflanzen oder den Hausmeister gerichtet. Darum musste ich was unternehmen, damit er mich nicht immer wieder verwechselte.“ Oh Mann, das klang verrückt und traurigerweise auch total einleuchtend. Bevor wir dazu kamen, das interessante Thema über Bariums Beschränktheit weiter zu vertiefen, war plötzlich ein Knarren zu hören. Die Schiebetür ging langsam auf und herein kam ein unerträglich triumphierend dreinblickender Emmerett. Ich hätte mich liebend gern zu meiner vollen Größe aufgerichtet, um dem Rotzlöffel auf den Kopf zu spucken, aber unglücklicherweise hatte sich meine Verschnürung kein bisschen gelockert und hinderte mich so an einem tollen Auftritt. Stattdessen hockte ich hier gefesselt auf dem Boden und musste mich von einem Kind angrinsen lassen. Das war einfach nicht mein Tag heute. „Es ist nett, dich mal in deiner wirklichen Gestalt sehen zu können“, meinte Emmerett mit einem ganz eindeutig schadenfrohen Unterton in der Stimme. „Und du bist tatsächlich eine Augenweide, so wie vielerorts behauptet wird.“ Was sollte das jetzt werden? Wollte er mich etwa anbaggern? Das konnte der kleine Giftzwerg aber knicken! Ich hatte Würmer in meinem Garten, die älter waren als er! „Hör bloß auf mit deinem dummen Gesülze!“, zischte ich ungehalten. „Töte mich, foltere mich, sperr mich in irgendein Loch – aber hör endlich auf, den Netten zu spielen! Davon kriege ich Ausschlag.“ Emmerett lächelte knapp. Er warf einen kurzen Blick zu Krytio, der bei Eintreten seines Herrn wider Willen aufgestanden war, ehe er sich wieder mir zuwandte. „Wie du willst, Teufel. Ich bin es als englischer Gentleman nur gewöhnt, es allen so recht und angenehm wie möglich zu machen.“ Also seine Definition von ‚angenehm’ war offenbar ganz anders als meine. „Aber ich habe nicht vor, dich zu töten“, offenbarte er mir. „Nun ja, sagen wir, wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Und meistens kriege ich auch immer das, was ich will.“ Klassisches Einzelkind, keine Frage. „Genaugenommen bist du nur Mittel zum Zweck, Teufel. Ich brauche dich, um etwas zu finden. Oder besser gesagt: Ich brauche dich und deinen Vater, um etwas zu finden.“ Ich verzog mein Gesicht. Na toll, das wurde ja immer besser. Und wenn ich seine überhebliche Miene richtig deutete, hatte auch Shimo sich schnappen lassen. Ansonsten wäre dieser Bubi niemals so großspurig hier aufgetreten. Zumindest war es sehr gut vorstellbar. In dieser kleinen Abstellkammer war ich völlig abgeschottet, nicht mal Inuyashas entzückendes Gefluche bekam ich hier mit. Somit konnte ich nicht genau sagen, ob meine lästigen Mitleidensgenossen schon den Engeln zum Opfer gefallen waren oder nicht. „Und wie kommst du auf den Gedanken, dass wir dir helfen könnten?“, fragte ich schnaubend. „Ganz ehrlich, wir haben schon einen vollkommen hirnverbrannten Meister, der sich für den Besten und Tollsten der Welt hält. Einen zweiten brauchen wir wirklich nicht.“ Emmerett lachte auf. Ihm schien die Beschreibung Griffins sehr zuzusagen. „Oh, ihr werdet mir helfen, da sehe ich kein Problem. Zumindest dein Vater – und auf ihn kommt es eigentlich hauptsächlich an – wird sich überreden lassen. Entweder er spielt mit oder ich töte seine geliebte Tochter vor seinen Augen.“ Im Hintergrund, so fiel mir auf, verfinsterte sich Krytios Gesicht bei diesen Worten merklich. Es war nicht zu übersehen, dass er Emmerett am liebsten in Stücke gerissen hätte. Was ich übrigens auch liebend gern getan hätte, wenn mich diese Fesseln nicht daran gehindert hätten. Im Grunde war es so simpel. Ich hätte diesen Jungen nur abmurksen müssen und die Engel wären auch am Ende gewesen. Dann hätte es Krytio zwar ebenso erwischt, aber dieses Risiko war ich jederzeit bereit einzugehen. Blieb nur die Frage, ob Griffin davon so begeistert gewesen wäre. Klar, ganz offensichtlich hasste er Emmerett bis aufs Blut, aber für einen Mord war er sicher nicht wirklich zu haben. Er würde mich zur Strafe wahrscheinlich von Blitzen grillen lassen, sollte ich es wagen, Hand an seinen Wettkumpan anzulegen. Menschen waren einfach so furchtbar kompliziert. „Und was genau sollen wir für dich finden?“, erkundigte ich mich. Wenn es um seinen Teddybären ging, den er irgendwo auf der Reise verloren hatte, würde ich unter Garantie anfangen, meinen Kopf gegen die nächstbeste Wand zu schlagen. „Ein Schwert.“ Emmeretts Augen blitzten gierig auf. „Ein Schwert, das Tote wieder zum Leben erwecken kann. Wenn ich dieses Artefakt besitze und einfach ein paar Dahingeschiedene wiederauferstehen lasse, wird das gemeine Volk mir zu Füßen liegen. Das würde mir eine unglaubliche Macht verleihen.“ Als er mit diesem siegessicheren Blick in die Ferne starrte und offenbar von seiner glorreichen Zukunft träumte, wirkte er nun ganz und gar wie ein Größenwahnsinniger. „Das klingt ja wirklich klasse“, sagte ich trocken. „Ganz toll. Und wie kommst du auf den Gedanken, dass nur Shimo und ich dir dieses Schwert besorgen können? Du hast doch haufenweise kleine Dienerchen, die das sicher liebend gern für dich machen würden.“ Krytio schnaubte. Offenbar schien er Emmeretts Befehle nicht so liebend gern auszuführen. „Weil du die Energie des Schwertes kennst“, erklärte der Bursche. „Du kannst dies dann deinem Vater übermitteln und er als Magiespürhund wird kein Problem haben, es aufzuspüren.“ Ich starrte verdutzt aus der Wäsche. „Ich kenne das Schwert?“, hakte ich verwundert nach. Ich konnte mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, einem Brötchenmesser mit solch einer Fähigkeit jemals über den Weg gelaufen zu sein. Zugegeben, was solche dummen Waffen anging, war mein Gedächtnis nicht immer das Beste, aber ein Schwert, das über Leben und Tod entscheiden konnte, würde ich bestimmt nicht so schnell vergessen. „Tensaiga“, sagte Emmerett bloß mit so einem dämlichen Grinsen auf den Lippen. Ich runzelte irritiert die Stirn. „Ich kenne auch niemanden, der Tensaiga heißt.“ Das dumme Lächeln erlosch. „Nein, das Schwert heißt Tensaiga“, erklärte er, nun offenbar ein wenig genervt. „Ein Schwertschmied hat mir davon erzählt. Irgendein Dämon, ein merkwürdiger alter Kauz mit einem ungehobelten Mundwerk. Krytio musste ihn ein bisschen in die Mangel nehmen, damit er gesprächig wurde.“ Irgendwie verstand ich immer noch nicht, worauf der Bengel hinauswollte. „Er erzählte mir von Tensaiga“, fuhr Emmerett fort. „Es befindet sich zurzeit im Besitz eines Daiyoukai. Eines Hundefürsten, um genau zu sein. Jenem, der, Krytio zufolge, vor einem Jahr der Hölle einen kurzen Besuch abgestattet hat.“ Plötzlich dämmerte es mir. Ich musste an den weißen Riesen mit der Kriegsbemalung denken. An den mürrischen und hinterhältigen Mistkerl, der es tatsächlich gewagt hatte, mich übers Ohr zu hauen. Und ebenso entsann ich mich an die zwei Klimperschwertchen, die an seinem Gürtel gehangen hatten. Seine kleine, menschliche Begleiterin hatte mir damals die Namen dieser Waffen genannt. Und soweit mich mein Gedächtnis nicht täuschte, war es sehr gut möglich, dass eine der Nagelfeilen tatsächlich Tensaiga geheißen haben könnte … „Redest du etwa von Sesshomaru?“ Ich knirschte mit den Zähnen, als ich diesen Namen aussprach. Ich hasste diesen Kerl wirklich. Inuyasha war einfach nur ein Idiot, der nur selten sein Gehirn anstrengte, aber Sesshomaru war eine durchtriebene Schlange ohne jedes Gewissen. Das waren die Schlimmsten. „Ich sehe, du erinnerst dich an ihn“, stellte Emmerett zufrieden fest. „Das ist sehr gut. Es wird meine Mission extrem erleichtern.“ „Du willst Sesshomaru also sein allesgeliebstes Schwert wegnehmen?“ Auf meinen Lippen bildete sich ein hinterlistiges Lächeln. „Eine wirklich schöne Idee. Und was hast du weiter mit ihm vor?“ Emmerett zuckte nur mit den Schultern. „Da bin ich noch unentschlossen. Ich könnte ihn selbstverständlich töten lassen, immerhin ist er ein mächtiger Daiyoukai, der meinen Eroberungsplänen im Weg steht. Aber auf der anderen Seite könnte er sich für mich auch als nützlicher Diener erweisen.“ Ich lächelte weiter vor mich hin. Für welche Variante auch immer sich Emmerett letztlich entscheiden sollte, es würde Sesshomaru nicht sonderlich in den Kram passen. Wenn man ihn tötete, war er ein- und für allemal tot, und wenn er zu einem Sklaven würde, wäre das für ihn wahrscheinlich tausendmal schlimmer als der Tod. Vermutlich würde er sich auch eher früher als später Emmeretts Befehlen verweigern – einem Menschenkind Gehorsam zu leisten, war für ihn sicherlich der schlimmste Albtraum – und somit qualvoll zugrunde gehen. So oder so, es würde nicht gut für Sesshomaru ausgehen. Und das begrüßte ich selbstverständlich sehr. „Also, was ist?“, wollte Emmerett wissen. „Hilfst du mir oder nicht?“ Er räusperte sich kurz und meinte: „Im Grunde könnte ich dich ohne größere Probleme einfach dazu zwingen, aber der Höflichkeit wegen frage ich davor lieber mal nach. Immerhin bin ich ein Gentleman.“ Wenn der Begriff ‚Gentleman’ Entführung, Kriegstreiberei und Größenwahnsinn beinhaltete, dann musste ich ihm zustimmen. Dummer, kleiner Bengel. Dummer, kleiner Bengel, der zufällig einen hübschen Plan hatte. „Weißt du, du mickriger Mistkäfer, ich helfe wirklich ungern einem unbedeutenden Menschlein wie dir, aber andererseits bleibt mir kaum eine andere Wahl, oder? Ich habe keinen Bock, einen frühzeitigen Tod zu sterben, und ganz sicher nicht deswegen, um diesen eingebildeten Köter zu schützen.“ Emmerett lächelte siegessicher. „Sehr schön. Ich wusste doch, dass ich auf dich zählen kann.“ Ich schnaubte. „Werd bloß nicht überheblich. Ich helfe nicht dir, sondern nur mir selbst. Ist das klar?“ Und – nicht zu vergessen – half ich Sesshomaru, so schnell wie möglich das Zeitliche zu segnen. Darauf kam’s schließlich an. Ich freute mich schon darauf, den Schneemann wiederzusehen und ihn für seine Verbrechen an meiner Wenigkeit büßen zu lassen. ________________________________________________ Die angedeuteten griechischen Mythen sind zwar sicher jedermann bekannt, aber nur noch mal zur Erinnerung: [1] Der gute alte, verschlagene Sisyphos, Gründer und König von Korinth, der wegen seiner Verbrechen an den Göttern dazu verdammt war, in der Unterwelt für immer und ewig einen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen, der kurz vor der Spitze immer wieder entglitt. [2] Anspielung auf Prometheus, der von Zeus an einen Felsen gefesselt wurde, wo jeden Tag ein Adler vorbeisah und seine Leber verspeiste, die sich immer wieder aufs Neue regenerierte. So, ich hoffe doch, das Kapitel hat euch soweit gefallen ;) Ihr seht also, unser lieber netter Schneemann bleibt auch in diesem Abenteuer Rasias nicht auf der Strecke XD Fragt sich nur, ob ihm die Begegnung mit der Teufelin so sehr zusagt … Man liest sich im nächsten Kapitel ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)