A Dreamless Carroll von Yu_B_Su ================================================================================ Kapitel 2: My Boulevard of Broken Soul -------------------------------------- Hallo, dies ist nicht - wie der Titel der Fanfix vermtuen lassen könnte - ein zu DReamless Carrol gehörendes Kapitel, sondern ein Beitrag für den WB mit den fünf Worten von ... mir ist der Name entfallen ... peinlich, peinlich ... jedenfalls habe ich ihn hierein gepackt, weil La vie neugierig nur Gedichte beeinhalten soll. Deshalb kommt es hierein. Die Emotion lautet ANGST (zumindest unterschwellig), die Worte waren: Trost, Maß, erschein, deutlich und helfen. Der Text ist komplett in sächsisch, so wie ich es spreche, weil es besser passt, eine Übersetzung liegt bei. Hei, altes Haus, scheen disch widdor zu sähn! Is lange her, dassisch dor ieber de Plattn gelatscht bin. S kommt mor äwisch vor, dabäi worns nur dräi Dage. Klar, für disch isses nischt, de lieschst äinfach da und de bist da, un dausend Leude trammpln däglisch ieber disch drieber, abbor für misch sin dräi Dage änne lange Zäid, äine zu lange Zäit und isch hab Angst, dass schon dieser Dag dor letzte säin gönnte, an dem wor uns sähn. Mor kenn uns jetzt schon so viele Johre, isch hab disch gesähn, da wor isch noch gans kläin und du schon ä paar hundort Johre alt. De sahst gonz andors ohs, als heude. De warscht irschnwie scheen. Heude biste hässlisch! De bist voller Grater, och wenn de nischt dafier gannst, abbor so isses nu ma. Isch mäine, es hatt disch käinor gzwung, diese ganzn Scheenhäits-OBs, odor bessor: Hässlischkäits-OBs, zu machn, käiner. Klar, du gannst nischt dafier, dasses ausgereschnet uns treffn musste, mitm Zwoten Weltkriesch, und dem großn Brand. Du gannst och nisch dafier, dass mor disch so widdor offgebot hatt, wie mor disch aufgebot hat. Und och nisch dafier, dass de Vorscheenrungn, die mor dabäi an dor vorgenommn hatt, und die noach Johrn eischntlisch zu dier gehördn, äinfach kabutt gingn, weil de Leude, de disch damals nach jahrelangem Sträit wieddor aufgebot ham, noch käine Ahnung hattn, oder nisch de Middl, de Rohstoffe, de Kneede. Und de gannscht, vordammte Schäiße, jetz rolln mor och noch de Trän runder, och nisch dafier, dass disch einische Leude, äinflussräische Leude, äinfach zu hässlisch fandn, obwohl de de Aller-Scheenste bist! Abbor Scheenhäit is heudzutache sowieso reladiv: De Wissnschaftler, de Studierdn, fier die is Symmedrie de Scheenhäit, fier mansche Menschn sinds Schlochboodlibbn, fier mansche sinds kläine Busn, fier mansche isses ebn Asymmedrie. De warscht numa schon immor anders: frieher de Prachtstroaße, danach das Opfer, irschendwie oach dor Vorräider äines neun Gedangn. Un dasis a Trost: de bist dor Hehepungd dor DeDeeR-Arschidedur (gewesn), de standst im Kontrast zum Aldn drumrum, das noch von frieher iebrischgebliebn woar. Un heude? Stick fier Stick alles weg. Äinfach weg. Zuerst kam Garstadt, dann de Flud, danach de Baufällischkäit un zum Schluss dor Brandschutz. Und wiedor gannst de nischt dafier. Wedor fier de Margdwirdschaft, noch fiers Wassor, noch fiern Verfall. Isch erinnor misch, als isch noch ganz kläin wor, als de ganze Stadt noch anders aussah. Wie isch ieber disch drieber gelofn bin, im Springbrunn gespielt hab, im Kofhaus mäine erste Barbie bekomm hab. Dor ganze Arschitegdurkram mit Linien un Formen, dor kam mir damals gar nisch so for. Unwischtisch. Du warst äinfach da. Späder, a wors dann wischtisch. De Arschidektn, de Studierdn, wolldn das Alde bewahrn und das Neue achtn. Das häißt: weg mitm Stäin, her mitm Glas. Weg mit dor Wärme, her mit dor Gälte. Isch kanns ja verstehn – Kälte is in – im Gefiel, worum nich oach in dor Gestaldung? Oßerdemm, warum soll man den arm, arm Studierndn nich oach ma äine Freude machn, un se iere Vorschläsche, ihre in enner hochpoetischn Sproache gemachtn Werge umsetzn? Neu is Rationalisierung, Rationalisierung is Zugunft, Vergangnhäit ist sinnlos, is zu zerstörn. Unrühmlische Verganghäit zumindest. Rühmlische Verganghäit kann bleibn – Glanzzäiten dor Stadt könn bläibn, weil de Douris hinlofn. Dunkle Vorganghäitn, Digdaduren, unDemokradische Verganghäitn wern zerstört. Damit käiner off dumme Gedanken kommt. Globt ihr Oberen, wo er nich ma euern eischnen Kram off de Räihe krischt, dasser den Kommendn wirglisch helft? Indemer alles oslöscht, wa ma war? Scheen, wenner an de Gommendn dengd, abbor was is mit n Geschenwardschn? Habtor se äin änzeschma gefracht, wasse dazu dengen? Isch mäine, wennor se gefracht hättet, dann wärn vielleischt 200 000 verschiedne Mäinungen rausgekomm, abbor vermutlisch was bessres als es jetzt. Nu is nur noch een Gebäude ierbisch, sogar under Dengmalschutz, aber oach da wern se enn Grund finden …. Abbor Offreschn bringt oach nisch, behaltn wor uns lieber de Verganghait. S erschäint vielleicht a bissl nostalgisch, abbor da wor sowieso nischt ändern gönn, is das de äinzsche Meglischgäit. Inne paar Jahrn wird sisch sowieso als gomplett vorändort ham, das wird jetzte schon deutlich. Abbor vielläischt findet man irgendwann ma das rischitsche Maß aus Verganghäit, Geschenward und Zugunft. Un bis dahin bläibt mor nischt, als diese Liebeserklärung, die ich an de Bauzäune, de Schaufenster, de Bodenplatten dransprühn werde: Ich liebe dich, so wie du bist, wie du warst, vielleicht auch, wie du sein wirst. Ich küsse deine Bodenplatten, ich liebkoste deine dreißig Jahre alten Träger, ich baden in den warmen Flüssen deiner Springbrunnen und hoffe, dass du meine und deine Vergangenheit für immer bewahrst. Denn wer weis schon, was die grausame Zukunft für uns bereithält. Deutsch: Hallo, altes Haus, schön dich wieder zu sehen! Es ist lange her, dass ich über deine Platten gelaufen bin. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dabei waren es nur drei Tage. Klar, für dich ist das nichts, du liegst einfach da und du bist da, und tausend Leute trampeln täglich über dich trüber. Aber für mich sind drei Tage eine lange Zeit. Eine zu lange Zeit und ich habe Angst, dass schon dieser Tag der letzte sein könnte, an dem wir uns sehen. Wir kennen uns jetzt schon so viele Jahre. Ich habe dich schon gesehen, da war ich noch ganz klein und du schon ein paar hundert Jahre alt. Du sahst ganz anders aus als heute. Du warst irgendwie schön. Heute bist du dagegen hässlich! Du bist voller Krater, auch wenn du nichts dafür kannst, aber so ist es nunmal. Ich meine, es hat dich keiner gezwungen, diese ganze Schönheits- oder besser Hässlichkeits-Operationen zu machen, keiner. Natürlich, du kannst nichts dafür, dass es ausgerechnet uns treffen musste, mit dem Zweiten Weltkrieg, und dem großen Brand. Du kannst auch nichts dafür, dass man dich so wieder aufgebaut hat wie man dich eben aufgebaut hat. Und auch nichts dafür, dass die Verschönerungen, die man an dir vorgenommen hat, und die nach Jahren eigentlich zu dir gehörten, einfach kaputt gingen, weil die Leute, die dich damals nach langem Streit wieder aufgebaut hatten, einfach nicht die Mittel, die Rohstoffe, das Geld hatten. Und du kannst, Mist, jetzt kommen mir auch noch die Tränen, nichts dafür, dass dich einige Leute, einflussreiche Leute, einfach zu hässlich fanden, obwohl du die Allerschönste bist! Aber Schönheit ist heutzutage ohnehin relativ: Die Wissenschaftler, die Studierten, für die ist Symetrie Schönheit. Für manche Menschen sind es Schlauchbootlippen, für manche ist es ein kleiner Busen, für manchandere ist es Asymetrie. Du warst nunmal schon immer anders: Früher die Prachtstraße, danach das Opfer, irgendwie auch der Vorreiter eines neuen Gedanken. Und das ist ein Trost: du bist der Höhepunkt der DDR-Architektur (gewesen), du standest im Kontrast zu dem Alten drumherum, das noch von früher übriggeblieben war. Und heute? Stück für Stück alles weg. Einfach weg. Zuerst kam K., dann die Flut, danach die Baufälligkeit und zum Schluss der Brandschutz. Und wieder kannst du nichts dafür. Weder für die Marktwirtschaft, noch für das Wasser, noch für den Verfall. Ich erinnere mich, als ich noch ganz klein war, als die ganze Stadt noch ganz anders aussah. Wie ich über dich rüber gelaufen bin, im Springenbrunnen gespielt habe, im Kaufhaus meine erst Barbie bekommen habe. Der ganze Architekturkram, mit Linien und Formen, der kam mir damals noch gar nicht so vor. Unwichtig. Du warst einfach da. Später, da war es dann wichtig. Die Architekten, die Studierten, wollten das Alte bewahren und das Neue achten. Das heißt: weg mit dem Stein, her mit dem Glas. Weg mit der Wärme, her mit der Kälte. Ich kann es ja verstehen – Kälte ist in – im Gefühl der Menschen, warum nicht auch in der Gestaltung? Außerdem: warum soll man den armen, armen Studierten nicht mal eine Freude machen, und ihre Vorschläge, ihre in einer hochpoetischen Sprache verfassten Werke, umsetzen? Neu ist Rationalisierung, Rationalisierung ist Zukunft, Vergangenheit ist sinnlos, muss zerstört werden. Unrühmliche Vergangenheit zumindest. Rühmliche Vergangenheit kann bleiben – Glanzzeiten der Stadt können bleiben, weil die Touristen sie besuchen. Dunkle Vergangenheiten, Diktaturen, unDemokratische Vergangenheiten werden zerstört. Damit keiner auf dumme Gedanken kommt. Glaubt ihr Oberen, wo ihr nichtmal mit eurem eigenen Kram fertig werdet, dass ihr den Kommenden wirklich helft? Indem ihr alles auslöscht, was mal war? Schön, wenn ihr an die Kommenden denkt, aber was ist mit den Gegenwärtigen? Habt ihr sie einmal gefragt, was sie denken? Ich meine, wenn ihr sie gefragt hättet, dann wären vielleicht 200 000 verschiedene Meinungen dabei herausgekommen, aber vermutlich wäre das besser als jetzt. Nun ist nur noch ein Gebäude übrig, sogar unter Denkmalschutz, aber auch da werden sie einen Grund finden. Aber Aufregen bringt auch nichts, also behalten wir uns lieber die Vergangenheit. Es erscheint vielleicht etwas nostalgisch, aber da wir sowieso nichts ändern können, ist das die einzige Möglichkeit. In ein paar Jahren wird sich sowieso alles verändert haben, das wird heute schon deutlich. Aber vielleicht findet man irgendwann das richtige Maß aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und bis dahin bleibt mir nur diese Liebeserklärung, die ich an Bauzäune, Schaufenster und Bodenplatten dransprühen werde Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)