Wüstensand von -Fynnian (Zu dem Wettbewerb Wüstensand) ================================================================================ Kapitel 3: Nächtliche Gräuel ---------------------------- Kapitel 3: Nächtliche Gräuel “Was ist Schicksal, Mutter?“ Ein kleiner Junge, er sah wohl gerade erst seinen dritten Sommer, saß im hohen Papyrusgeflecht am Ufer des heiligen Nil und spielte mit den hochgewachsenen Pflanzen. Er zog sie an ihren Spitzen nach unten, ließ sie wieder zurückschnellen, zog sie wieder herunter... Nach einer Weile kam ihm die Idee, kleine Kiesel an die Spitze zu legen, bevor er losließ. Das Spiel machte ihm Spaß, ganz ohne Zweifel. Seine Mutter saß etwas abseits im Sand und beobachtete ihn. Welch ein wundervolles Bild er gab. Der winzige braune Körper von Grün umgeben, die Haare zerzaust um den Kopf flatternd, das Gesicht starrend vor Dreck. Die Augen weit geöffnet, um den Flug der Kiesel genauestens verfolgen zu können, und der Mund von einem tiefen Lächeln geziert. Das herzerwärmende Kinderlachen drang laut zu ihr hinüber. Die Strahlen der mittäglichen Sonne spiegelten sich funkelnd und hell auf der Wasseroberfläche wieder, gaben der Szene einen glitzernden Rahmen. Sie könnte ewig hier sitzen und ihm zusehen. Bald darauf wurde dem Knaben sein Spiel zu trist. Er sprang belebt auf seine kleinen nackten Füße und lief mit ausgebreiteten Armen auf seine Mutter zu. Diese fing ihn lachend auf und warf ihn mehrmals in die Luft. So frei war dieser Moment, so glücklich, unbekümmert... Bis der Junge die eine Frage stellte, die sie so gerne vermieden hätte. Diese eine Frage, die den Augenblick zerstörte. „Mutter, was ist schicksal?“ Seine großen blauen Augen leuchteten erwartungsvoll, als sie ihn absetzte und neben ihm platznahm. Die Antwort, sofern er sie denn verstand, war schmerzvoll. Für sie und auch für ihn würde sie es schon bald sein... „Mutter?“ „Schicksal, mein Sohn...“, sie legte die Arme um seine kleinen Schultern, „Schicksal ist der Weg, der uns vorherbestimmt ist.“ „Kann man den Weg sehen?“ Sie antwortete ihm nicht. Vielleicht wusste sie es nicht? Doch schon brannte dem Kind die nächste Frage auf der Seele, die es sogleich seiner Mutter mitteilen musste. „Was ist mein Weg?“ Ihr Gesicht war voll des Kummers und des Schmerzes, ihre Arme zogen sich enger um den warmen Körper. „Dein Schicksal ist der Gott.“ „Der Wüstengott Seth?“ Ihre Stimme war schwer von trauer. „Ja...der Wüstengott, der dir deinen Namen gab.“ „Das ist toll!“ Ein dunkles Lachen fuhr durch seine Knochen, sandfarbene Augen bohrten sich in seine Seele... ‚Du gehörst mir’ Eine angsteinflößende, bibberkalte Stimme, mehr wie ein Hauch... Er schreckte aus seinen Träumen hoch, sein Atem schwer, sein Körper zitternd. Sein Blick ging unruhig über seine Beine, die zerwühlte Decke, den Boden, die Zeltwand... Alles war ruhig. Nur das leise Atmen Atemus, die auf dem Lager neben dem seinigen ruhte, durchbrach die nächstliche Stille. So beruhigte auch er sich wieder. Es war ein Traum...eine Erinnerung... Damals hatte er es nicht gewusst, nicht verstanden. Er spürte Wut in sich. Waum hatte sie es ihm nicht gesagt? Was sein Schicksal war... Sooft zerbrach er sich den Kopf darüber. So sinnlos oft... Nun war es endlich vorbei, er konnte zur Ruhe finden, leben...Er war frei. Doch die Freiheit spürte er nicht. Was ist, wenn sie mich suchen? Wenn sie vielleicht schon nahe sind? Ihn überfiel eine Rastlosigkeit, wie er sie noch nie gespürt hatte. Er musste weiter, weg hier, fliehen...Fort. Aber wohin? Hier war er sicher...vorerst. Zweifel nagten an ihm. War er denn sicher? Folgten sie ihm? Er fühlte sich bedroht. Die Dunkelheit um ihn herum schien näherzukommen, ihn zu umfassen, seine Brust zu umschlingen und fest zuzudrücken. Alles erschien so hoffnungslos. Die Dunkelheit... Er würde ihn immer finden! Es durchlief ihn wie ein eisiger Schauer. Er wusste, dass er hier war. Er würde ihn nicht gehen lassen. Er war es, der den Sandsturm schickte. Schickte er vielleicht auch Atemu? Angst schnürte ihm die Kehle zu. Da begann sich die Gestalt neben ihm zu regen. Sie stand auf, schlurfte einige Schritte und wenig später erhellte der sanfte Schein einer Kerze das Zelt. Das Licht beruhigte ihn. Der warme, orangene Schein ließ sein Blut wieder fließen, seine Lunge sich mit neuem Atem füllen. Atemu setzte sich neben ihn und legte musternd den Kopf schief. „Soll ich die Kerze die Nacht über brennen lassen?“, fragte sie nur. Sie stellte keine Fragen, ihre Stimme hatte nichts Vorwurfsvolles. Nein, sie war nicht von ihm geschickt. Sie nicht... Es war ihm mit einem Mal, als sei sie ein kleiner Schutzwall. Ein samtener Lichtkegel, unter dem die Dunkelheit ihn nicht finden konnte... Und er spürte tiefe Dankbarkeit für das sanfte Licht, für ihr Verständnis oder ihre Gleichgültigkeit. Er rückte näher zu ihr, schloss seine Augen und versank in ruhigeren Träumen. Atemu konnte nur den Kopf schütteln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)