The Right Touch von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 4: Anger ---------------- "Was ist?", wollte Nathalie wissen. "Du guckst wie ein begossener Pudel." Zoey konnte es noch immer nicht fassen. Sie hoffte, dass Josh nur eine Erscheinung gewesen war, aber instinktiv ahnte sie, dass das nicht stimmen konnte. Leider. Aber, verdammt noch mal, wie hoch standen die Chancen, im großen, weiten England ausgerechnet auf ihren ungeliebten Kindheitsfeind zu treffen? Doch langsam begannen die Puzzleteile, sich zusammenzufügen, wenn auch nur widerwillig. Josh's Mutter mit der Zeitung von Norwich, Josh's Mutter mit dem Hinweis auf diesen Job... es war wie verhext, und dabei so simpel, dass sie fast laut auflachen könnte, wenn... ja, wenn es nicht gleichzeitig so schrecklich verärgert gewesen wäre. Von allen Menschen, die sie kannte, war Josh der letzte, den sie treffen wollte. Und damit nicht genug: ihre Heimatstadt war jetzt auch seine Heimatstadt, genauso wie vorher. Sie schien ihn nie loswerden zu können. "Das war Josh", sagte sie deshalb ganz verwirrt zu Nat, um ihr "pudelhaftes" Aussehen, wie diese es genannt hatte, zu erklären. Nathalie nickte begeistert. "Ja! Und ich kann's nicht fassen, dass du ihn tatsächlich kennst!" Stumm starrte Zoey ihre neue Freundin an. "Weißt du was, Zoey?! Du bist ein echter Glücksgriff! Ich wusste es vom ersten Moment an." Nat lachte fröhlich und hob ihren Kaffeebecher, um Zoey zuzuprosten. Glücksgriff, dachte Zoey bitter. Sie konnte das von sich selbst nicht gerade behaupten. Als erstes - und wahrscheinlich auch letztes - würde Melissa daran glauben müssen. Josh's Schwester. Sie musste doch eingeweiht sein! Doch sie hatte ihn ihr gegenüber kein einziges Mal erwähnt, so, wie es eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre. Zoey fühlte sich schrecklich hintergegangen. Viel schlimmer, dass Josh auch in Norwich verweilte - und sogar in derselben Firma angestellt war wie sie auch! -, fand sie die Tatsache, dass eine ihrer besten Freundinnen ihr diese unbedeutende Kleinigkeit verschwiegen hatte. Die Wut über Josh und seinen Auftritt verwandelte sich in die Wut über Melissa, und obwohl Zoey wusste, dass man wichtige Sachen nie im Zorn klärte, konnte sie gar nicht anders, als die Nummer ihrer Freundin zu wählen. Nach dem unglücksseligen Aufeinandertreffen mit Josh war das Gespräch zwischen ihr und Nat eher einseitig verlaufen. Nathalie schwärmte die meiste Zeit darüber, dass Zoey solch "coole Typen" kannte und Zoey war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihre Gedanken zu ordnen. Jetzt, zu Hause, waren ihre Gedanken zwar noch immer nicht geordnet, aber dafür ziemlich aufgebracht. "Rate mal, wen ich heute in der Stadt getroffen habe", verkündete sie ohne große Vorrede, als Melissa den Hörer abnahm. Am anderen Ende der Leitung war es zunächst still, dann: "Zoey?" "Genau, Zoey", meckerte sie, "die Zoey, der niemand gesagt hat, dass sie mit dem gemeinsten Typen der Welt fortan in einer Stadt leben wird!" Zoey wusste, dass es nicht in Ordnung war, Melissa gegenüber so über ihren Brüder zu reden, aber sie konnte sich einfach nicht zurückhalten. Außerdem, so rechtfertigte sie sich, hätte sie auch noch viel unschönere Ausdrücke benutzen können, um die vielen widerwärtigen Charakterzüge dieses Kerls zu beschreiben. Melissa schwieg. "Oh." "Oh? Eine kleine Warnung wäre äußerst nett gewesen!" Vor lauter Wut kritzelte Zoey ihren ganzen Block voll mit einem schwarzen Kugelschreiber, der neben ihr auf dem Tisch lag. "Ich weiß." Melissa zögerte. "Aber..." "Aber?" "Weißt du, ich hatte Angst, dass du dann nicht nach Norwich gehst... und du wolltest doch so gerne..." Das nahm Zoey ein wenig den Wind aus den Segeln. Außerdem war es unmöglich, auf jemanden wie Melissa lange böse zu sein. Sie gab immer sofort klein bei und erweckte bei anderen den Eindruck, immer nett zu ihr sein zu müssen. Nicht nur ihr Aussehen - sie war klein und zierlich -, sondern auch ihre leiste, ruhige Stimme und ihre Art an sich trugen dazu bei. Zoey seufzte resigniert. Diese Frage hatte sie sich bis dahin noch nicht gestellt, und es war eigentlich eindeutig, dass sie, auch wenn sie gewusst hätte, dass in Norwich der Feind residiert, trotzdem hingezogen wäre. Nur hätte sie vielleicht diesen vermaledeiten Job nicht angenommen, um jeden einzelnen Tag der Sommerferien mit einem Jungen im selben Gebäude zu sitzen, der ihr einmal ein Glas voller Ameisen - zusammen mit einem großen Teil des Ameisenhaufens -, über den Kopf geschüttet hatte. "Natürlich wäre ich gegangen", brummte Zoey, unwillig, ihrer Wut bereits so schnell nachzugeben, obwohl diese schon fast verklungen war. "Und du wolltest so gerne über die Sommerferien arbeiten", fuhr Melissa fort, als müsste sie sich weiterhin verteidigen. "Deine Mum war hier und hat das erzählt, als Josh auch zufällig da war. Na ja, er hat das gehört und er war so nett, eine Zeitung zu schicken, in der diese Angebote inseriert waren. Du weißt schon", fügte sie verlegen an, als wollte sie das Offensichtliche nicht aussprechen: Den Höllenbetrieb! "Und weil du ihn doch immer so verabscheut hast, dachte ich, es wäre besser, nichts zu sagen. Er sollte dem nicht im Wege stehen, was du willst, weißt du." Zoey seufzte erneut. Noch etwas hatte sie an Melissa unterschätzt: Nicht nur, dass diese sich praktisch nie den Zorn eines gerechneten Mann einfing, nein, sie war zudem noch furchtbar vernünftig, was es gleich doppelt so schwierig machte, seiner völlig unvernünftigen Wut weiter zu frönen. Sie gab auf. "Eine Warnung wäre trotzdem nett gewesen", beklagte sie sich. "Ich hab' heute einen echten Schrecken bekommen." Sie stellte sich vor, wie Melissa nachsichtig lächelte, als sie verständnisvoll sagte: "Das kann ich mir gut vorstellen. Und war er nett zu dir?" "Nicht netter als üblich", log Zoey, obwohl Josh sie dieses Mal nicht in einen Strauch voller Brennnesseln geschubst, sondern sich 'nur' ein wenig über sie lustig gemacht hatte. "Aha", kommentierte Melissa. Es klang ein wenig skeptisch, aber ansonsten ließ sie sich keinerlei Details darüber entlocken, wie sie das Ganze beurteilte. Und auch Zoey wollte nicht mehr darüber reden und erzählte stattdessen von ihrem ersten Arbeitstag und von der fröhlichen Nathalie, die über alles, vom Pudding bis hin zu coolen Jungs, absolut begeistert war. Melissa freute sich für sie, wie nicht anders erwartet, und sie versprachen sich, am Wochenende wieder miteinander zu telefonieren. Nachdem sie aufgelegt hatte, betrachtete Zoey ihre noch unfertige Wohnung. Die wichtigsten Sachen, Kleidung, Bücher und all so was, waren schon an ihren Plätzen, jedoch wirkten die Wände noch ein wenig kahl, und da es noch nicht zu spät war, um Hammer und Nägel rauszuholen, beschloss sie, sich dieser Sache anzunehmen. In einer Ecke stand der Karton mit Fotos, Bilderrahmen und Bildern. Darin befand sich auch ihre Pinnwand, der Kalender von diesem Jahr und eine Lichterkette, die sie sich über das Bett hängen wollte, oder über ein Fenster, so genau wusste sie das noch nicht. Außerdem würde es sicher gut tun, jetzt auf etwas einzuschlagen und sich vorzustellen, es wäre Josh's Kopf... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)