Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 16: ------------ Elphaba und Glinda hetzten Hand in Hand durch den Palast. Die Wachen waren ihnen dicht auf den Fersen. „Im Palast treibt sich eine böse Hexe herum!“, donnerte die Stimme des Zauberers durch die Hallen, „FINDET SIE!“ „Schnell, hier in die Bücherei!“, flüsterte Elphaba und mit einem Ruck zog sie die aufstöhnende Glinda in den Raum. „Autsch!“ Keuchend und nach Atem ringend standen die beiden an der Tür, doch dann liefen sie weiter, bis zu den hintersten Regalen. Glindas gelbes Kleid war nicht gerade unauffällig. Auch nicht in der Dämmerung. Die grüne Hexe hielt der blonden ihren Besen hin: „Glinda, stell dir vor, was wir alles bewirken könnten, zusammen!“ Die Angesprochene streckte ihre Hand nach dem Besen aus, doch kurz bevor sie ihn berührte, zog sie ihn zurück. „Ich kann nicht!“, sie war den Tränen nahe. Elphaba dachte: ‚So muss es sich anfühlen, wenn einem das Herz bricht…’ Glinda dachte: ‚So fühlt es sich an, wenn einem das Herz bricht!’ Doch keine der beiden jungen Damen war mehr in der Lage gewesen, etwas zu sagen. Glindas Hand suchte Elphaba und zog sie zu sich heran. Das grüne Gesicht verschwand bei einer engen Umarmung in blonden Locken. Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und die Soldaten strömten herein. Elphaba sprang erschrocken in eine dunkle Ecke. Glinda jedoch, welche die abrupte Unterbrechung verärgerte, wurde gefasst. Zwei starke Männer umfassten ihre Arme, der eine auch ihre Taille. Elphaba versuchte, unter den dunklen Kapuzen jemanden oder etwas zu erspähen. Einer der beiden Wachen drehte sich um und sie sah sein Gesicht, jedoch konnte er sie nicht erkennen. Auch sie war in einen dunklen Umhang gehüllt, wie der Mann, welcher mit seiner Hand auch Glindas Taille umschlang. Sie sah, wie er fester zudrückte und Glinda aufschrie. In dem Moment hob der Mann den Kopf und Elphaba versuchte abermals, in sein Gesicht zu blicken. Nichts. Sie konnte nichts erkennen. Sein Gesicht war ein einziger Schatten. Nun konnte sie nicht länger warten! Als die Männer versuchten, Glinda mitzuschleifen, schrie sie: „Ich bin es, die ihr sucht! Ihr sucht MICH!“ Nun hatten die Wachen auch sie entdeckt und packten die grüne Hexe sehr brutal. „NEIN!“, schrie Glinda. Halb benommen vor Schmerz sah Elphaba noch, wie der Mann mit dem unerkennbaren Gesicht Glinda wegzuschleifen schien. Elphaba streckte erschöpft die hand aus und schrie… Sie schrie. Fiyero, der neben ihr im Bett gelegen hatte, machte einen Satz und plumpste vor lauter Schreck aus dem Bett. Seine grüne Schönheit glänzte fiebrig und warf sich wild im Bett herum. Ihr Körper krümmte sich, wie unter Schlägen. Ihre Haut glühte und dann bemerkte Fiyero erst, dass Elphaba schwitzte. „Oh nein!“, fluchte er und war mit einem Sprung wieder neben seiner Geliebten. Sanft rüttelte er sie: „Fae, Fae, wach auf. Fae!“ Elphaba fühlte Hände und Griffe überall auf ihrem Körper. Überall brannte es, es schmerzte. Verstört öffnete sie die Augen. Sie sah eine Vogelscheuche. „… ae… Fae… Fa…“, hörte sie leise eine Stimme… Sie schloss die Augen wieder. Sie war müde und erschöpft. Es war ein anstrengender Kampf gewesen. ‚Kampf?’, dachte sie nun angestrengt. Verwirrt davon, dass sie sich nicht bewegte, aber ihr Körper sich schüttelte, öffnete sie erneut die Augen. „Yero…“, murmelte sie erschöpft. „Ja, Fae. Ja, ich bin hier. Komm steh auf, du musst…“ „Wo bin ich?“ „…Was? In deinem Bett. Ist gut mein Schatz, es war nur ein Traum!“, flüsterte er besänftigend und streichelte ihr dabei über die Haare. Als er fühlte, wie durchgeschwitzt sie waren, überkam ihn erneute Panik. „Fae, steh auf, bitte. Du musst dich abwaschen!“ Noch immer verwirrt, warf Elphaba die Decke von sich. Fiyero erschrak. Sie war übersehen von roten Brandflecken. Nun begriff auch sie. ‚Ich hatte einen Albtraum!’, stellte sie beunruhigt fest. So schnell es ging, rappelte sie sich auf und gelangte mit Fiyeros Stütze ins Badezimmer. Dort half er ihr, sich auf den Badewannenrand zu setzen und reichte ihr Kamillenöl und einen Waschlappen. Dann verließ er den Raum, genau wissend, dass Elphaba dabei keine Gesellschaft wollen würde. Fiyero war noch nicht ganz zur Türe raus, da versuchte Elphaba sich ihr Nachthemd vom Leib zu reißen. „Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhrrrr!!“, knirschte sie schmerzend, als sie merkte, dass das Hemd vom ganzen Schweiß an ihrem Rücken klebte. ‚Mein Rücken wäre eine einzige Wunde, würde ich da jetzt dran ziehen!’, dachte sie hilflos. Dann band sie sich die haare zu einem Dutt zusammen und griff nach der Ölflasche. Vorsichtig griff sie mit der rechten Hand and die Kleideröffnung an ihrem Hals und zog sie von sich weg, sodass eine Öffnung entstand. In diese Öffnung goss sie mit der linken hand etwas Öl und fühlte, wie es mildernd und kühl ihren Rücken hinunterlief. Durch den Stoff ihres Nachthemdes verteilte sie das Öl mit den Fingern, bis sie sich sicher war, dass es an keiner Stelle Haut mehr klebte. Dann erst streifte sie es sich über den Kopf. Daraufhin wusch sich Elphaba erst einmal ihren Köper mit Öl. Als sie damit fertig war, stellte sie sich vor den großen Standspiegel, um den Schaden abzuschätzen. Ihren Nacken hatte es schlimm erwischt. Er leuchtete krebsrot. Auch die Mitte ihres Rückens sah nicht besser aus. ‚Die anderen Rötungen werden binnen einer Stunde verschwunden sein…’, nickte sie sich selber im Spiegel zu. „Fiyero?“, rief sie durch die Badezimmertür. Keine Antwort. Also band sie sich das Handtuch nur um ihre untere Region und hielt ihre Brüste mit den Händen verdeckt. So öffnete sie die Tür. Niemand war im Zimmer, aber Fiyero hatte schon eine frische Bettwäsche aufgelegt. Elphaba watschelte, noch immer etwas vom Schmerz benommen, zum Schrank und zog sich eine Unterhose an. Dann ging sie langsam zum Bett und legte sich vorsichtig auf den Bauch. Erschöpft schloss sie die Augen und versuchte, sich an den Traum zu erinnern. Verschwommen erinnerte sie sich: ‚Irgendwas mit Glinda und dem Zauberer… und ich hatte Schmerzen… und die Wachen…’ „Fae!“, hörte sie eine sanfte Stimme nach ihr rufen und wurde so aus den Gedanken gerissen. Elphaba öffnete die Augen. „Wie geht es dir?“ „Ging schon mal besser!“, murrte Elphaba, dennoch lächelnd. „Das ist mein Mädchen!“ Fiyero strich ihr sanft über die Wange für eine zeitlang, bis Elphaba fast wieder eingeschlafen war. Er küsste sie auf die Wange und murmelte: „Schlaf gut, mein Mädchen.“ Dann ging er zur Tür. „Ich bin nicht dein Mädchen…“, kam die leise Antwort. Verdutzt drehte er sich um und sah eine tief und fest schlafende Elphaba in seinem Bett liegen. In regelmäßigen Abständen schaute Fiyero in das Zimmer, um nachzusehen, wie es seiner Liebsten ging. Jedes mal schlief sie, aber diesmal schien es ein ruhiger Schlaf zu sein. Fiyero seufzte: „Das ist es wohl, was sie nun dringend braucht.“ Jedes Mal, wenn er nach ihr sah, ließ er einige Tropfen Wund- und Heilsalbe auf Elphabas Rücken und Nacken fallen, dann verrieb er sie, so gut es ging, mit einem weichen Waschlappen. Mit jedem Mal wurde er frustrierter, weil er sich über seine Strohhände ärgerte. Er würde Elphaba noch mehr Schmerzen hinzufügen, wenn er seine ‚Hände’ benutzen würde. Gegen Abend erst wachte Elphaba auf. Als sie die Augen öffnete, war sie sichtlich erleichtert, dass sie sich im Schlaf nicht gedreht oder gewendet hatte. Die Hexe lächelte. Fiyero hatte ihr ein weites Oberteil auf die andere Seite des Bettes gelegt. Vorsichtig schlüpfte sie hinein. Erleichtert entwich ihr ein Seufzer. ‚Schon viel besser…’, dachte sie. Dann zog sie sich eine weite und bequeme Hose an, sowie ein Paar dicker Socken. Obwohl draußen noch die Sonne warm vom Himmel schien, war ihr kalt. Als sie auf den Flur trat, hörte sie Geklimper und Geschepper. „Nanu? Was ist denn da los?“, fragte Elphie sich selber und beschloss, nachzusehen. In der Küche fand sie Fiyero, welcher gerade dabei war, zu kochen. Erschrocken schrie Elphie auf: „Bist du etwa lebensmüde? Mit dem Feuer!!“ Erschrocken ließ Fiyero den leeren Topf fallen, welchen er gerade unter den Wasserhahn hatte halten wollen und es gab erneut ein ohrenbetäubendes Geräusch. „Oz im Ballon!“, fluchten Fiyero und Elphaba zeitgleich. Dann grinste Fiyero sie an: „Mir scheint, dir geht es besser?“ „Allerdings!“, nickte Elphaba. „Der Ballon hat’s in sich!“, lachte sie. „Komm, lass mich das machen!“ Aber Fiyero ließ sich nicht darauf ein. Er verwies die grüne Hexe aus der Küche, schimpfend und lachend. Dann machte er sich wieder ans Werk und Elphaba musste geduldig im Esszimmer auf ihn warten. Sie setzte sich auf einen großen, weichen Stuhl und seufzte. Anlehnen konnte sie sich zwar, aber nicht lange. Der Schmerz saß noch zu dicht unter der Oberfläche. Also stand sie auf und schlenderte zu dem großen, weißen Flügel, der in der Ecke des Esszimmers stand. Sie ließ sich auf den Hocker nieder, öffnete den Deckel und begann, ihre langen, grünen Finger über die Tasten gleiten zu lassen. Eine wundervolle Melodie entstand und sie spielte und spielte. Als sie, von einer unglaublichen Wärme durchzogen, die Finger wieder von den Tasten nahm und sie schüttelte, hörte sie Yero applaudieren: „Bravo!“ „Huch!“, sagte sie erschrocken und drehte sich um, „Wie lange stehst du denn schon da?“ Mit einem Blick zum Tisch sah sie, dass alles schon gedeckt und bereit stand. „Lange genug!“, schmunzelte er und bot ihr einen Stuhl an. Elphaba stand auf und setzte sich auf den dargebotenen Sitz: „Dankeschön!“ Fiyero beugte sich vor und gab ihr einen sanften Kuss. Gemeinsam aßen und lachten sie. „Ich habe schon ewig nicht mehr gespielt!“, stellte Elphaba mit vollem Munde fest, was Fiyero zum Grinsen brachte. „Schade, eigentlich. Dabei kannst du es doch so gut!“, antwortete er. „Hat die Wundsalbe geholfen?“ „Wie? Ach, darum geht es mir waschreinlich schon so viel besser. Du warst das also!“, zwinkerte Elphaba ihn an. Fiyero nickte nur und nahm noch eine Gabel von dem köstlichen Gemüse. „Wie oft hast du mich denn bitte damit eingeschmiert?“ „Oh, oft genug!“, lachte er, „Vielleicht sieben oder acht Mal?“ „Wow!“, war die erstaunte Antwort. „Dankeschön!“ „Fae?“ „Ja?“, Elphaba hob den Kopf. „Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich dich liebe?“ Fiyeros Stimme war nun ganz ernst und weich. Fiyero sah, wie seine Fae die Gabel sinken ließ. In sich hineinhörend, suchte Elphaba die Stimme ihres Herzens. Nichts. ‚Nein, nichts stimmt nicht. Es ist etwas da. Aber was nur?’, fragte sie sich verzweifelt. „Ich dich auch, Yero.“, war schließlich ihre Antwort und schnell fügte sie hinzu: „Wollen wir nicht wieder ins Bett gehen? Ich bin immer noch unglaublich erschöpft…“ Als sie nach einer halben Stunde im Bett lagen, nachdem Fiyero den Abwasch und Elphie sich bettfertig gemacht hatte, zog Fiyero seine Fae in die Stroharme seines Körpers. Schweigend kuschelten sie eine Weile, bis Elphaba die Stille unterbrach. Sie hatte sich seit dem Essen den Kopf über diese Frage zerbrochen und schließlich konnte sie niemand anderen fragen… „Yero?“ „Ja?“ „Woher weiß man…“, sie machte eine kurze Pause, dann setzte sie erneut an: „Woher weiß man eigentlich, ob man jemanden liebt?“ Fiyero sah sie verdutzt an. Sie lag immer noch mit dem Kopf an seine Brust gelehnt und schaute geradeaus. Dann entspannte er sich wieder und kicherte. „Was? Was ist? Hey, das war eine ernste Frage!“, nun sah Elphaba ihn an. „Schon gut…“, sagte er sanft und streichelte ihre Wange. Sie legte sich in ihre ursprüngliche Position und wartete auf die Antwort. „Fae, dabei geht es nicht um Wissen. Nicht um Glauben. Man fühlt es einfach. Es gibt keine Anzeichen, die Liebe belegen können. Keine Beweise. Keine Worte oder Handlungen. Nur das, was du in deinem Herzen fühlst. Liebe ist es oft dann, wenn du jemanden … jemanden immer an deiner Seite haben willst. Du kannst dir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen und willst es auch erst gar nicht. Du würdest ihm am liebsten jeden Wunsch erfüllen, denn das macht dich glücklich. Und wenn er dir etwas gibt, ist das Gefühl unbeschreiblich. Du willst ihn halten und küssen. Gehalten werden von ihm und geküsst werden. Du willst eine psychische und physische Beziehung. Du spürst Kribbeln im bauch, alleine schon, wenn er dich etwas anders ansieht oder deine Hand nur streift. Du willst ihn fühlen, riechen, schmecken und erk…“ „Oh…“, Elphie erdunkelgrünte. „Entschuldige, Fae. Du hast danach gefragt!“, lachte Fiyero. Er wusste, dass Elphaba gewisse Dinge auf diesem Gebiet kaum kannte und dass sie damit auch nicht umgehen konnte. Noch nicht. Er war zuversichtlich, was die Zukunft betraf. Also beschloss er, die Frage ein andermal aufzugreifen und begann, Elphaba einige Geschichten seiner Jugendliebe zu erzählen. Den Rest des Abends amüsierte sich Elphaba köstlich und lachte auch die ein oder andere Träne, welche Fiyero schnell wegwischte, z.B. als er ihr erzählte, er habe einen Brief an die heilige Ozma geschickt, um seine Angebetete zu verzaubern. Als Fiyero jedoch eine kurze Pause machte, um zu überlegen, was genau er in diesem Brief gereimt und gedichtet hatte, war Elphaba eingeschlafen und er hatte es dabei belassen. ‚Der Montag ist schrecklich genug gewesen…’, dachte er lächelnd, als er sich an die ersten Zeilen des Briefes erinnerte: „Liebe Ozma, alles klar? Da gibt es ein Mädchen, das find ich wunderbar….“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)