Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 45: ------------ Und wie versprochen, das neue Kapitel - enjoy! Bilder: Reseda - http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Reseda-101298986 Akaber - http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Akaber-101299644 Glinda - http://gillian-leigh.deviantart.com/art/Schall-und-Rauch-Glinda-101299796 Gelphie beim Streit: http://wickedryu.deviantart.com/art/Lover-s-tiff-101837706 ____________________________________ Kapitel 45 Zur gleichen Zeit, als es im Turmzimmer der beiden Frauen immer ruhiger wurde, wurde es in der Smaragdstadt immer lauter. Seit 17 Uhr hatten die Menschenmassen begonnen, sich auf dem Marktplatz zu sammeln und nun standen die Leute schon auf den dahinterliegenden Straßen, da der große Platz völlig ausgefüllt war. Ganz am Ende war eine Bühne aufgebaut worden, die noch im Dunkeln lag und die Menschen starrten abwartend und murmelnd dorthin. Margo Blair war eine der letzten, die sich dort versammelten, da sie in einen Streit mit ihrer Frau geraten war. Als sie sich nun in einem schwarzen Umhang mit Kapuze durch die Menschenmenge zwängte, hörte sie noch immer ihre eigenen Worte und die ihrer Frau: „Margo, ich möchte mitkommen!“ „Nein, das ist zu gefährlich. Wir dürfen noch nicht auffliegen!“ „Ach und du meinst, deine Präsenz bleibt unbemerkt?“ „Das habe ich nicht gesagt, aber ich gebe mein Bestes… Ich muss aber dorthin. Erstens, weil ich sehen muss, was dort vor sich geht, um dann weiter planen zu können und zweitens, weil ich mit eigenen Augen sehen will, wie es Meredith und Reseda geht!“ „Dass du dich immer als Heldin aufspielen musst! Es sind unsere Freunde und das bedeutet, auch mich interessiert das alles!“ „Yve… Ich spiele mich überhaupt nicht auf. Und ich gehe alleine, weil ich es nicht überleben würde, wenn sie dich mir wegnehmen…“ Margo wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ein Mann sie mit seinem Ellbogen am Kinn erwischte. „Passen Sie doch auf!“, zischte der Mann. „Verzeihung!“, nickte Margo und zog sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht. Dann bahnte sie sich ihren Weg in den vorderen Teil der Menschenmasse. Als sie stehen blieb, schaute sie sich vorsichtig um. Es waren sehr viele bekannte, aber auch doppelt so viele unbekannte Gesichter hier. Sie hatte allen Frauen, mit denen sie zurzeit in Kontakt stand, nahe gelegt, diese Veranstaltung nicht zu besuchen, um erst gar keinen Verdacht auf sich zu lenken. „Blair!“, zischte es auf einmal neben ihr und sie fuhr erschrocken zusammen. Als sie den Mann neben sich anblickte, fiel ihr ein Stein vom Herzen. „Menko! Oz, hast du mich erschreckt.“, flüsterte sie gedämpft. „Verzeih mir, aber es hat ja eine Ewigkeit gedauert, bis ich dich gefunden habe! Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.“ Margo sah den alten Freund fragend an. „Ich hatte dich schon erspäht, als du gerade erst in die Menschenmenge reingehuscht bist. Aber ich war zu langsam!“, grinste der Heilkünstler. „Ah, ich verstehe. Gut, dass du es doch noch geschafft hast. Wie ist die Lage?“ „Es hat alles geklappt, hoffe ich. Ich habe diesem blonden Typen aber auch nahe gelegt, die anderen Leute aus dem Verlies zu holen und paarweise in ein Zimmer zu lassen… Ich glaube, den Ratschlag hat er auch befolgt.“ „Fantastisch!“, flüsterte Margo mit funkelnden Augen und klopfte Menko anerkennend auf die Schulter, „Ich hoffe nur, unseren beiden geht es gut…“ „Woher kennst du sie eigentlich?“, fragte Menko neugierig und in diesem Moment wurde die Bühne hell erleuchtet. „Lange Geschichte… Das erzähle ich dir ein anderes Mal!“, zischte Margo ihm zu, bevor sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Bühne richtete, die nun im hellen Glanz der gleißenden Lichtstrahler vor ihnen lag. Madame Akaber war gerade fertig und betrachtete sich zufrieden in ihrem Wandspiegel, als es an der Tür klopfte. „Ja bitte?“, fragte sie und drehte sich um. „Madame Akaber, Ihr Sohn schickt mich. Es ist an der Zeit.“, sagte Kwen, nachdem er nur seinen violetten Haarschopf zur Tür reingesteckt hatte. „Ich bin fertig!“, nickte Accursia, nahm sich einen breiten Schal von der Stuhllehne und hängte ihn sich um die Schultern, als sie ihre Zimmertür hinter sich schloss. „Was ist mit den Schiforsans?“, fragte sie, als sie gemeinsam mit Kwen die Treppen hinunterstieg. „Fertig und startbereit. Sie sind schon da.“, antwortete Kwen und blickte auf seine Uhr, „Wir haben jetzt halb acht, das bedeutet, Ihre Tochter eröffnet gerade in diesem Moment die Veranstaltung. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist Mutter Meredith dann in einer halben Stunde dran und danach…“ „Danach kommt mein Part, exakt. Kwen, würden Sie jetzt bitte aufhören, mich zu nerven und mich einfach zu meiner Kutsche begleiten?“ „Ja, Madame…“, nuschelte Kwen und sein Selbstbewusstsein, welches gerade noch stetig angestiegen war, befand sich nun wieder im Keller. Meredith und Reseda standen Arm in Arm hinter der Bühne und lauschten angespannt den Worten von Aylin Akaber, die gerade auf der Bühne stand und die Veranstaltung eröffnete. Überall um sie herum standen Wachleute und andere Bedienstete. Auch die anderen drei jungen Frauen, welche Meredith bei ihrem Verhör eben gesehen hatte, standen nicht weit von ihnen entfernt. „Das ist doch alles absoluter Schwachsinn!“, zischte Meredith, die das Gefühl der Ohnmacht hasste, als Aylin die Bürger von Oz gerade über ‚Glinda die Sappho’ aufklärte. „Mer…“, flüsterte Reseda sanft und streichelte ihrer Frau beruhigend über den Arm, der sie festhielt, „Das ist alles ein durchgeplantes Spiel… Sie machen Glinda jetzt vor dem Volk schlecht und machen den Leuten auch noch Angst, sodass niemand mehr wagt, seine Stimme für sie zu erheben… Aber ich glaube nicht, dass…“, hustete Reseda und musste den Satz abbrechen. Sie trug einen weißen Rollkragenpullover und darüber einen weinroten Schal, dennoch zitterte sie von Zeit zu Zeit. „Aber genau das ist es doch, was mich so stört… Wir können nichts dagegen tun und ich muss diese Lüge gleich auch noch bestätigen…“, antwortete Meredith mit gedämpfter Stimme, nachdem Resis Hustenanfall abgeebbt war. Resi fühlte Merediths Anspannung und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Ich liebe doch von ganzem Herzen, Meredith Schiforsan und wir werden das zusammen durchstehen. Es wird alles wieder gut werden, hörst du?“ „Ohne deinen Optimismus wäre ich verloren, mein Engel…“, flüsterte die rothaarige Frau ihrer großen Liebe zu und küsste sie noch einmal. „Meredith!“, unterbrach Ramón leise den Kuss, „Es ist Zeit. Du bist gleich dran.“ „Ich liebe dich…“, flüsterte Resi noch einmal, bevor die Hände der beiden Frauen auseinandergerissen wurden. Madame Akaber stieg gerade aus ihrer Kutsche aus und sah, wie Meredith die Stufen zur Bühne hochging. Kwen war sofort neben Reseda und zog sie seitlich zum Podest hin, sodass Meredith genau in ihrem Blickfeld war. „Schön stillhalten, meine Hübsche…“, flüsterte er in Resis Ohr und schmiegte seine an die glühend heiße Wange der hübschen Frau. „Und hier ist sie! Mutter Meredith!“, sagte Aylin gerade zum Publikum hin und ihre Stimme schallte laut. Die Menschenmenge applaudierte lautstark, als Meredith mit ihren Stöckelschuhen ganz ruhig über die Bühne ging, bis sie gegenüber von Aylin stand. Die junge Frau blickte abwartend in die stechend grünen Augen der älteren Dame, welche sie ganz still anblickte. Aylin wusste nicht, was sie tun sollte, also deutete sie Meredith mit einer Geste an, sich zum Publikum zu drehen und zu sprechen. Langsam drehte sich Mutter Meredith zu der Menschenmasse um und hörte ermutigende Zurufe. Mit starrem Blick durchforstete sie die vielen Leute, doch es war unmöglich, bei der ganzen Masse von Menschen Margo Blair ausfindig zu machen. ‚Komm schon, Margo…’, dachte sie verzweifelt und presste ihre Zähne aufeinander. „Meredith, bitte sehr!“, schallten Aylins Worte über den Marktplatz und sie wiederholte die Geste. Die rothaarige Frau auf der Bühne jedoch regte sich nicht. Stumm ließ sie ihre Blicke über das Publikum schweifen. „Meredith…“, schrie auf einmal eine Stimme links von ihr. Schnell drehte Mutter Meredith ihren Kopf in die Richtung und sah, wie Kwen ihre geliebte Frau fest umklammerte. Mit flehenden Augen sah Resi zu ihr hinüber. Resi stand zusammen mit Kwen an der ersten Stufe, sodass nur Meredith und Aylin die beiden sehen konnten, da die schweren Vorhänge, welche an der Bühne angebracht worden waren, die beiden verdeckte. ‚Augen zu und durch…’, dachte die rothaarige Frau, als sie ihren Blick wieder dem abwartenden Publikum zuwandte. „Bürger von Oz…“, begann sie und wunderte sich nicht darüber, dass ihre Stimme genauso zu schallen schien, wie die von Aylin. Als die Frau auf der Bühne endlich zu sprechen begann, kuschelte sich Stellaione Arlet noch tiefer in die warme Umarmung ihres Freundes. „Mein Schatz, habe ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?“ „Wofür?“, grinste Domingus. „Dafür, dass du den Stischa-Zauber bei mir gleich noch etwas versüßt…“, grinste Stella zurück. „Aha, daher weht der Wind!“, lachte ihr Freund. Adlerauge hatte die kurze Unterhaltung mitbekommen und fragte verwirrt: „Stischa-Zauber?“ „Ja…“, nickte Stella nun in ihre Richtung, „Der Stimmen-Schall-Zauber. Was meinst du, warum das Gesprochene dort oben auf der Bühne in der ganzen Smaragdstadt zu hören ist?“ „Aha. So funktioniert das also.“, murmelte Adlerauge nickend. „Seid doch mal leise! Ich will das hören!“, zischte Penelope und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Meredith, als die anderen verstummten. Ein plötzlich aufsteigendes Übelkeitsgefühl drohte, die Überhand zu nehmen, also atmete Meredith einmal tief durch, bevor sie weitersprach. Sie hasste die Worte, die sie nun sprechen musste und konnte sich nur mit dem Gedanken an ihre Frau dazu überwinden. „Bürger von Oz…“, fing sie noch einmal an, „Ich bin heute hier, um zu bestätigen, dass Glinda die Gute eine Sappho ist. Sie war eine gute Freundin, doch die derzeitige Lage macht es mir unmöglich, ihr weiterhin den Rücken zu decken.“ Sie pausierte kurz und wartete, bis das laute Gemurmel abgeklungen war. „Ganz zu Beginn meiner Dienstzeit hat Glinda die Gute mir Avancen gemacht, doch ich lehnte sie aus Liebe zu meiner Frau ab.“ Nach diesem Satz musste sie schon wieder innehalten, da laute Rufe und Proteste aus dem Publikum zu hören waren. Beschwichtigend hob sie die Arme: „Auch ich war im ersten Moment geschockt, da sie von meiner Ehe wusste und ich mit so etwas nicht gerechnet hätte. Doch nun ist sie mit der bösen Hexe des Westens geflohen und hat uns alle zurück gelassen. Wir wissen nicht, was uns erwartet und in Anbetracht der Situation müssen wir auf das Schlimmste gefasst sein….“ Meredith wusste, was der nächste Satz für Schäden anrichten würde, doch Madame Akaber hatte darauf bestanden. Sie hielt erneut inne und konnte die Worte nicht über ihre Lippen bringen, bis sie Resis Wimmern hörte. Ohne sich umzusehen sprach sie schnell weiter: „Glinda die Gute ist nun mit der offensichtlichen Liebe ihres Lebens wieder vereint und ich für meinen Teil muss gestehen, wenn jemand so schlecht über meine Frau geurteilt hätte, dann würde ich vor nichts mehr zurückschrecken. Auch nicht vor Rache…“ Meredith hatte es geahnt: nach diesen Worten ging ein lautes Raunen durch die Menge, welches sich schnell zu einem noch lauteren Gemurmel ausbreitete. Sie stand still auf der Bühne und starrte in die Menschenmenge, ohne wirklich hinzusehen. ‚Jetzt!’, dachte Margo, schloss die Augen und legte ihre Zeigefinger an die Schläfen. ‚Meredith… Meredith…’, dachte sie und konzentrierte sich stark. Im gleichen Moment hatte die rothaarige Frau auf der Bühne das dringende Bedürfnis, die Augen zu schließen und ging ihm nach. Ein leichtes Schwindelgefühl stieg in ihr auf und sie erschrak leicht, als sie Margos bekannte Stimme in ihrem eigenen Kopf hörte: ‚Meredith… ich bin es. Kannst du mich hören? Du weißt, wie es funktioniert… Kommuniziere mit mir…’ Mutter Meredith konzentrierte sich nun ebenso stark und dachte: ‚Ich bin hier und höre dich… Wo bist du?’ ‚In der Menschenmenge… Ich kann die Verbindung nicht lange halten… Es sind zu viele Gedanken hier… Wie geht es dir?’ ‚Soweit ganz gut. Körperlich zumindest. Deine Kräfte sind mit den Jahren erstaunlich gewachsen!’ ‚Danke, Meredith, aber unsere Studienzeit liegt auch schon lange zurück. Aber weswegen ich hier bin: Wir arbeiten an einem Plan, euch da rauszuholen. Wenn es stimmt, was Jytte mir erzählt hat, wollen sie Glinda bald öffentlich vorführen und dann wollen wir zuschlagen.’ ‚Jytte? Unsere Jytte? Die Dienstmagd?!’ ‚Genau die. Du kennst mich, Mer. Ich habe überall meine Leute. Wenn ich schon keine öffentliche Politik betreiben darf, dann wenigstens inoffiziell!’ ‚Oh Margo, ich bin dir so viel schuldig.’ ‚Nein mein Schatz, nach dieser Sache sind wir quitt. Du weißt, was ich meine…’ ‚Ja, ich weiß.’ ‚Ich muss….’, war das letzte, was Meredith noch hörte, bevor sie die Augen wieder öffnete. Die Verbindung war unterbrochen worden und als sie fühlte, wie Aylin sie an der Schulter rüttelte, wusste sie auch, warum. „Meredith, du bist noch nicht fertig!“, flüsterte Aylin und blickte sie böse an. Die rothaarige Frau seufzte, bevor sie erneut ansetzte, um ihrem Vortrag endlich ein Ende zu bereiten. „Ela, hörst du das?“, fragte Gideon aufgeregt und löste sich von seiner Frau. Auch Elanora stand nun auf und ging hinter ihrem Mann zum Fenster. „Was ist das?“, fragte sie verwirrt, als sie leises Gemurmel hörte. „Da spricht jemand… Warte mal…“, murmelte ihr Mann und öffnete das Fenster. Mit einem Mal waren die Worte ganz deutlich zu verstehen. „Das ist Meredith…“, hauchte Elanora fassungslos und lauschte dann noch fassungsloser den Worten, welche sie nicht glauben konnte… Orez und Elaine, die nur zwei Türen weiter einquartiert worden waren, waren ebenso perplex. „Was redet sie da für einen Mist?“, fragte Elaine aufgebracht. „Es hat begonnen…“, murmelte Orez vor sich hin. „Was hat begonnen?“ „Der Tag der Vergeltung…“ Madame Akaber grinste zufrieden, als Meredith offensichtlich erschöpft die Treppen hinunterstieg und Reseda kraftlos umarmte. Zu ihrem Erstaunen beobachtete sie auch, wie ihr Sohn Kwen von den beiden Damen wegzog und ihn anscheinend anwies, die Damen nicht zu stören. Sie konnte sich jedoch nicht länger daran aufhalten, denn nun hatte sie ihren glorreichen Auftritt und bei dieser Show durfte nichts schiefgehen. „Sieh zu, dass Kwen die beiden zurückbringt!“, knurrte Accursia im Vorbeigehen ihren Sohn an und stieg dann anmutig die Stufen zum Podest hinauf. Langsam ging sie zur Mitte der Bühne und schaute auf die noch immer murmelnde Menge hinab. Rasant schossen ihre Arme in die Höhe und sie klatschte einmal kurz in die Hände. Im gleichen Augenblick donnerte es laut und wie aus dem Nichts schossen die Blitze vom Himmel. Sofort war die Menschenmenge verstummt und blickte wie gebannt zum wolkenfreien Himmel hinauf. „Meine lieben Bürger von Oz…“, begann sie laut und ihre Stimme schallte durch die ganze Stadt. Accursia wackelte leicht mit ihrem rechten Zeigefinger und plötzlich fuhr ihr eine kräftige Brise durch das Haar, welches daraufhin in die Höhe flatterte. Zufrieden stellte sie fest, wie die Menschen zu ihren Füßen sie mit offenem Mund anstarrten. Sie trug ein weinrotes, figurbetontes Kleid, welches an ihrer linken Schulter mit gelben Federn besetzt war. Ihr langes, graues Haar flatterte noch immer im Wind, als sie erneut zu sprechen begann: „Bevor ich nun mit irgendetwas anderem beginne, möchte ich euch, geschätzte Mitbürger, erst einmal darüber aufklären, wie es dazu kommt, dass ihr mich heute vor euch seht! Vor etwas länger als einem Jahr wurde ich – wie alle wissen – inhaftiert. Jedoch wusste niemand, dass es ungerechtfertigt passierte. Glinda die Gute hat all die Jahre mit der bösen Hexe zusammengearbeitet und es deshalb geschafft, den Zauberer und mich zu verbannen. Nach einem halben Jahr gab Glinda die Gute dann bekannt, ich sei geflohen und dabei ums Leben gekommen. Auch das war Betrug. Die böse Hexe des Westens hatte versucht, mich zu töten. Erst als sie sich sicher war, dass ich sterben würde, ließ sie von mir ab. Ich jedoch überlebte nur aufgrund von drei hilfsbereiten Frauen, die mich damals von der Straße aufgelesen haben. Ich habe ein weiteres halbes Jahr gebraucht, um meine Kräfte und meine Erinnerungen wieder zu finden….“ Als Madame Akaber sprach, tat sie es mit einer solchen Überzeugungskraft, dass das ganze Publikum ihr wie gebannt zuhörte. „Es war der Todestag der Hexe und unser offizieller Feiertag, an welchem ich mein Gedächtnis wiederfand und ich nahm an, Glinda sei in Gefahr. Ich wusste ja nun, dass die böse Hexe des Westens gar nicht tot war und machte mich auf den Weg, um Glinda zu warnen. In diesem Moment war es für mich unwichtig, dass ich wegen ihr ein halbes Jahr in diesem schrecklichen Gefängnis verbracht habe. Ich wollte sie warnen, denn ich wollte nicht tatenlos mit ansehen, wie das Volk von Oz wieder sein Oberhaupt verliert. So dachte ich zumindest… Als ich am Palast ankam, traf ich dort zu meinem Erstaunen meinen eigenen Sohn, der sich nach meinem offiziellen Tod in den Dienst von Glinda der Guten gestellt hatte, um dem Land seinen Dienst zu erweisen. Da ich ja meine Erinnerungen erst kurze Zeit vorher wiedergefunden hatte, erklärte ich ihm in aller Eile meine Situation und das, was ich wusste. Gemeinsam mit den drei besagten Frauen durfte ich dann in den Palast und stürmte in Glindas Zimmer, da ich schon von Weitem die verdächtigen Geräusche gehört hatte. Als ich die Tür aufriss, sah ich, wie die Hexe sich gerade über Glinda beugte und ihre grünen, hässlichen Hände hielten Glindas Körper fest umschlungen. Ich schrie, sie solle sie loslassen und als beide Damen sich erschrocken umdrehten, wurde mir schlagartig klar, in was für eine Situation ich da gerade reingeplatzt war. Die böse Hexe des Westens wollte Glinda die Gute überhaupt nicht umbringen… Sie waren gerade dabei…“ Accursia machte eine dramatische Pause. Diese Stelle hatte sie lange geübt und errötete nun gespielt. „Oh Oz…“, seufzte sie, „Das kann ich gar nicht aussprechen. Ich sage es mal so: In diesem Moment wurde mir klar, dass ich ohne Zweifel ein Sappho-Pärchen vor meinen Augen hatte…“ Wie erwartet brach die Menge nun in laute Diskussionen aus und Accursia nickte nur hin und wieder. Sie wusste, dass diese Sätze erst einmal ihre gesamte Wirkung entfalten mussten und diese Zeit nahm sie sich, bevor sie weitersprach. „Und dann kam alles ganz plötzlich…“, begann Madame Akaber laut und sofort richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf sie, „Erst sahen mich beide erschrocken an, doch dann griff die Hexe nach einem großen Gegenstand und prügelte erneut auf mich ein, bis ich mein Bewusstsein verlor. Ich… Ich…“, stammelte sie gekünstelt, denn auch diese Stelle hatte sie mehrmals geübt. Nach einem lauten Seufzer fand sie ihre Stimme wieder – so schien es zumindest für das Publikum: „Ich lag sogar einige Tage im Koma… Und als ich aufwachte, erfuhr ich, dass sowohl Glinda die Gute als auch die böse Hexe des Westens spurlos verschwunden waren… Und da wusste ich: Die beiden haben das Volk jahrelang an der Nase herumgeführt und werden auch jetzt vor nichts zurückschrecken. Es musste sich also jemand um das Volk kümmern, das war mir klar, aber ich war ratlos. Niemand außer mir wusste von dieser Situation und ich wusste auch, wenn ich diese Informationen euch, liebe Bürger von Oz, mitteilen würde, wäre der Schock groß. Aber das habe ich gerade riskiert. In dem Jahr meiner Abwesenheit ist mir klar geworden, dass ich unmöglich alleine in der Lage dazu bin, dem ganzen Volk von Oz gerecht zu werden und ich hatte eigentlich nicht geplant, jemals wieder in eine solche Situation zu geraten, die dies von mir verlangen würde. Doch ich habe mich im Interesse des Volkes dazu entschieden, diesen Posten wieder einzunehmen, jedoch mit Hilfe der drei Frauen, die mir damals und auch vor wenigen Tagen noch das Leben gerettet haben. Diese Frauen möchte ich dem Volk auch gleich vorstellen. Zum Schluss möchte ich aber noch eine Sache loswerden…“ Accursia atmete tief durch, denn nun kam der Part, den sie am Schluss doch noch einmal umgeschrieben hatte: „Ich kann verstehen, wenn einige von euch mir noch nicht trauen, denn wir wissen alle, welchen Einfluss Glinda die Gute auf uns alle hatte. Ja, auch ich muss zugeben, ich wurde von ihr geblendet. Aber nichtsdestotrotz ist uns allen klar, dass Oz nicht ohne eine Führungsperson überleben kann und es war für mich keine leichte Entscheidung, ob ich diesen Schritt nun gehen sollte oder nicht. Ich will, dass sich in Oz nun endlich etwas ändert und nicht nur eine Person das Sagen hat. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden, für jedes Land ein weiteres Oberhaupt einzusetzen, denn so wird es leichter fallen, auf die Wünsche und Interessen der Bürger einzugehen. Ich wünsche mir für Oz, dass die Bürger des Landes endlich so leben können, wie sie es wollen! Doch lasst euch noch eines gesagt sein: Wir sind noch auf der Suche nach Glinda und der Hexe, also seit wachsam! Jede Sappho könnte eine Verbündete sein und wir wissen nicht, wie weit das Wirken der beiden noch geht. Nehmt euch also in Acht…“ Nickend beendete Madame Akaber ihren Vortrag und nach einigen Sekunden der unangenehmen Stille brach tosender Jubel aus. Sie hatte mit Absicht den Aspekt der TIERE ausgelassen, da Accursia wusste, dass das Volk noch immer empfindlich darauf reagierte. Außerdem waren genug TIERE im Publikum, sodass es zu riskant gewesen wäre, über dieses Thema zu sprechen. „Doch nun…“, schrie Accursia in den Jubel hinein, „Will ich euch die anderen vier Oberhäupter vorstellen: Die drei Lebensretterinnen und meine Tochter! Gebt mir Fünf!“ „Gebt mir Fünf!“, echote es aus dem Publikum her, „Gebt mir Fünf!“ „Oh großer Oz, küssen Sie mich doch endlich, Domingus Wigluv…“, hauchte Stella ihrem Freund ins Ohr und hörte für einen kurzen Moment auf, daran zu knabbern, als der Mann sie sanft auf das große Bett ihres Zimmer hob. „Mit Vergnügen, Fräulein Arlet…“, nuschelte er erregt und drückte seine hungrigen Lippen auf Stellas feuchten Mund. „Du hast so sexy ausgesehen…“, nuschelte Domingus weiter, als er den Reißverschluss von Stellas langem Abendkleid öffnete und seine Hand darunter schob. Die Blondine grinste frech in den Kuss hinein: „Es hat ja auch alles so geklappt, wie es geplant war… Und das auch dank dir, mein Geliebter.“ „Oh, du kennst kreativere Wege, um mir deinen Dank zu erweisen…“, grinste der Zauberer zurück und zwinkerte seiner Freundin zu. „Allerdings….“, flüsterte Stella und küsste den Mann erneut. In Wirklichkeit war es sogar noch besser gelaufen als geplant. Nachdem die Damen sich der Reihe nach vorgestellt hatten, hatte Madame Akaber noch einmal die neue Regierungsform und auch die Ergebnisse der Konzepttagung überliefert. Das Volk war in erneuten Jubel ausgebrochen, da natürlich bestimmte Dinge ausgelassen und andere Dinge beschönigt worden waren. Die große Feier unten im Palast war noch immer in vollem Gange. Aus diesem Grund hatten Stella und Domingus auch nach einer Weile ungesehen verschwinden können. Die tanzende Menge war vom Wein benebelt und zur Feier des Tages hatte Madame Akaber eine Runde Hexenkraut für jeden Gast spendiert. Penelope hatte ihr diesen Tipp gegeben, denn niemand wusste besser als sie, dass dieses Kraut eine berauschende Wirkung hatte, aber nur, wenn es in Maßen geraucht wurde. Penelope selber jedoch zündete sich gerade schon das dritte Stäbchen Hexenkraut an und sah, wie Accursia sich durch die Menge zu ihr hindurch kämpfte. „Auria, du siehst so verdammt heiß heute Abend aus! Großer Oz, jede Sappho würde dich vernaschen. Tanz doch mal ne Runde mit Meredith!“, lachte Penelope laut der Frau entgegen. Als Accursia die benebelte Frau erreichte, packte sie diese am Arm und zog sie ein Stück zur Seite: „Reiß dich zusammen, Penelope Griek. Wie viele hast du davon heute schon gehabt?!“ „Ist meine zweite, ich schwör’s!“ „Himmel und Ballon, ich komme mir vor, wie in einem Kindergarten!“, seufzte Accursia verärgert. „Aber Schätzchen, das ist es doch… Das ist das Tolle daran. Morgen früh, wenn die Leute aufwachen, haben sie noch dieses beschwingte Gefühl der angerauchten Euphorie in sich. Darum habe ich es dir doch auch empfohlen! Die Leutchen werden nur denken, was das für eine umwerfende Party war und das alles gut und schön ist!“ „Ich nehme dich beim Wort, meine Gute! Wo ist mein Sohn eigentlich?“ „Haste den nich grad irgendwohin geschickt?“ „Ja, er sollte Meredith zurück auf ihr Zimmer begleiten. Jetzt, wo die Menschen hier so … benebelt sind, fällt ihre Abwesenheit nicht mehr auf.“ „Ja, da haste doch deine Antwort. Kannste mich mal loslassen?“, fragte Penelope bettelnd, denn Madame Akaber machte es ihr unmöglich, sich das dritte Stäbchen anzustecken. „Aber das war vor einer halben Stunde! Wo ist er?“, fragte Accursia verwirrt und ließ Penelope endlich los. „Keine Ahnung. Aber ich sag’s dir… Wenn ich ihn sehe, entfernen wir uns auch mal unauffällig!“, nuschelte Penelope und grinste breit. „Oh du Grundgütiger, Penelope! So was will ich gar nicht wissen!“, zischte Accursia zurück und machte sich dann auf die Suche nach ihrem Sohn. „Ramón! Da bist du ja! Wo hast du gesteckt?“, rief sie ihrem Sohn zu, der gerade die Treppen hinunterkam. „Hallo Mutter, es ist auch schön, dich zu sehen und ja, danke, es geht mir gut!“, lächelte der blonde Mann. „Lass den Quatsch! Wo warst du so lange?“ „Ich habe auch noch mal nach den anderen Inhaftierten dort oben gesehen.“, entgegnete Ramón trocken. „Und das hat so lange gedauert?“ „Nein.“ „Was… Ramón, lass diese Spielchen!“, fauchte Accursia nun aufgebracht. Sie wusste, auch ihr Sohn hatte das ein oder andere Stäbchen geraucht, denn seine Augen leuchteten rot. „Mutti, wenn du es genau wissen willst: Ich bin dann in Neles Zimmer gegangen, habe 34 Kerzen angezündet, dann habe ich das Bett neu bezogen… Nee, eigentlich war es anders herum, aber das ist ja auch egal… Und dann habe ich den Ring hier in meine Jackentasche gesteckt. Jetzt bin ich auf dem Weg zu ihr, um sie abzuholen und mit mir zu nehmen.“ Mit diesen Worten wollte sich Ramón an seiner Mutter vorbeidrängen, doch sie hielt ihn fest. „Das mit dem Mutti kann ich überhören, aber was für ein Ring?“, fragte Accursia nur halb so verärgert wie geschockt. „Ich werd sie heiraten!“, grinste Ramón breit und befreite sich aus dem festen Griff seiner Mutter. Verblüfft starrte Accursia ihrem Sohn hinterher und schüttelte den Kopf: „Macht doch, was ihr wollt, Kinder. Ich gehe jetzt ins Bett…“ Als sie erschöpft und vom Wein beduselt die Stufen zu ihrem Schlafzimmer hochstieg, summte sie eine leise Melodie und sang den Kinderreim mit: „Kurz nach Mitternacht - Ich habe dir etwas mitgebracht. Sieh mal hier, Hexenkraut! Und schon hat der nächste eine Braut.“ Dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Sag mal, Fiyero…“, keuchte Londaro, als er mit dem Scheuch vorne weg den Trupp den Berg hoch leitete, „Wie weit ist es noch? Wie lange müssen wir noch marschieren?“ „Hmm…. Ich schätze noch ungefähr fünf Stunden!“, grinste Fiyero und hopste mit Leichtigkeit über einen im Weg liegenden Baumstamm. „Dann… sind … wir ja … nur zwei Stunden zu spät!“, hechelte der Sekretär, als er über denn Stamm kletterte und Fiyero wieder eingeholt hatte. „Ja, das wundert mich auch! Ich hatte mit einigen Stunden mehr gerechnet!“ „Dann… müssten… wir…“ „Oh Oz, sag mir doch, dass ich etwas langsamer gehen soll!“, erschrak Fiyero, als er Londaros schweißbedeckte Stirn bemerkte. „Danke… Geht schon…“, murmelte der Sekretär nach einer Weile, als seine Atemzüge wieder gleichmäßiger kamen, „Aber was ich eben fragen wollte: Dann müssten wir also so um acht Uhr heute früh dort sein?“ „Wenn wir jetzt ungefähr drei Uhr nachts haben, ja!“, grinste Fiyero zurück und wackelte mit seinem Uhrlosen Handgelenk vor Londaros Nase herum. Um die gleiche Zeit schreckte Elphaba aus ihrem Schlaf hoch und wäre durch den Schwung beinahe aus dem Bett gefallen. Sie hatte von Madame Akaber geträumt und dann war ihr im Traum eingefallen, dass sie Glinda nichts von Accursia und Meredith erzählt hatte. „Glinda!“, sagte sie panisch, während sie noch halb träumend die zarte Schulter rüttelte, „Glinda, Akaber lebt! Sie lebt!“ „Nicht jetzt… noch schlafen…“, murmelte Glinda müde und drehte sich mit dem Rücken zu Elphaba, die schwer atmend im Bett saß. Erst langsam kehrte Elphaba aus ihrer Traumwelt auf und es dauerte einige Minuten, bis sie diese Welt von der Realität getrennt hatte. In dieser Zeit war Glinda schon wieder eingeschlafen. Langsam drehte sich die Hexe zu der blonden Frau um und rüttelte erneut, diesmal jedoch sanfter, ihre Schulter. „Glinda, bitte wach auf. Wir müssen los! … Glinda? Glinda? Glinda!“ „Was ist denn? Wir haben fünf Uhr!“, fauchte die müde Blondine und wirbelte im Bett herum, sodass sie Elphaba ansehen konnte, „Ich bin ja wach!“ „Glinda, Akaber lebt! Und Meredith auch!“, brach es aus Elphaba heraus. „Was?“, fragte Glinda geschockt und war augenblicklich hellwach. Sie rieb sich verwirrt die Augen und setzte sich auf. Als die blonde Schönheit nun mit verschlafenen Locken vor Elphaba saß, bemerkte diese, dass sie sich gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie der Freundin beibringen wollte, dass die beiden nun als Sappho-Pärchen verschrien waren. „Hallo?“, fragte Glinda und wedelte mit der Hand vor Elphabas Augen herum. Diese löste ihren starren Blick und schaute im Schein des noch immer brennenden Feuers in Glindas blaue Augen: „Ich… also… Als ich heute… gestern, für uns eingekauft habe, da stand in einer extra Ausgabe der Neuigkeitenblätter, dass Madame Akaber und Meredith am gleichen Abend eine öffentliche Rede in der Smaragdstadt halten sollten…“ „Aber das ist doch noch nicht alles?“ Glinda sah mit sie mit argwöhnischem Blick an und wusste, dass Elphaba nicht ohne Grund so aufgebracht war. „Nein… Aber das… Wir… Da stand…. Oh Oz…“, seufzte Elphaba und gab schließlich auf, „Kann ich dir das alles erklären, wenn wir uns angezogen haben?“ Glindas Augenbrauen schossen vor Überraschung in die Höhe: „Du willst jetzt gehen? Jetzt sofort?“ „So schnell wie möglich, ja…“, nickte Elphaba. „Ich habe zwar keine Ahnung, was du mir noch zu sagen hast, aber offensichtlich ist die Situation brenzlig. Also ja, du kannst es mir auch danach sagen, wenn du die passenden Formulierungen gefunden hast…“, grinste Glinda. „Du kennst mich eben zu gut…“, grinste Elphaba zurück, lehnte sich ein Stück vor und schloss Glinda in ihre grünen Arme, „Danke.“ In diesem Moment schmolz Glinda in das warme Zeichen der Zuneigung hinein und wurde sofort wieder an den vergangenen Abend erinnert. Sie merkte, wie sehr die Geschichte mit ihrer Schwester ihr noch auf der Seele lag und atmete seufzend Elphabas Duft ein. Diese angenehme Duftnote aus Milch und Honig beruhigte sie immer wieder. „Kein Problem…“, flüsterte Glinda schließlich und drückte Elphaba zärtlich, bevor sie sich aus den Armen der Freundin befreite, „Aber jetzt will ich sehen, was du mir mitgebracht hast!“ „Ich bin gespannt, ob es dir gefällt…“, murmelte Elphaba, als sie aus dem Bett kletterte und ihren Morgenmantel fest um ihren dünnen Körper zog. „Und ich erst!“, grinste Glinda breit und ließ ihre Füße von dem Bettende baumeln. Mit einem leisen Stöhnen holte Elphaba ihre Tasche aus dem Badezimmer und machte dann das Licht im Schlafzimmer an. „Uhhh…“, quietschte Glinda und zog eine Grimasse, bei welcher sie die Augen zusammenkniff, „Ich hasse elektrisches Licht! Das ist so hell…“ Auch Elphaba musste blinzeln: „Ich auch. Darum haben wir im Wohnsaal auch nur den Kamin und die Kerzen!“ Glinda öffnete ihr linkes Auge halb, während sie das andere noch immer zukniff: „Ich hoffe sehr, dass das nicht meine Anziehsachen sind!“, sagte sie ernst. „Wie, was? Ich habe doch noch gar nichts in den Händen!“, sagte Elphaba verwirrt. „Darum ja!“, lachte Glinda und öffnete langsam wieder beide Augen. „Du bist unmöglich!“, grinste Elphie und öffnete ihre Tasche. „Ich weiß! Nun mach schon!“, lachte Glinda und wackelte aufgeregt mit ihren nackten Füßen. Als Elphaba eine große Plastiktüte aus ihrer Tasche zog, staunte Glinda nicht schlecht: „Großer Oz… Ich hoffe, da sind nicht nur schwarze Sachen drin…“ Elphaba hielt augenblicklich in ihren Bewegungen inne und schielte hinüber zu der Frau auf ihrem Bett: „Glin, deine Kommentare sind nicht gerade hilfreich! Willst du die Sachen nun sehen oder nicht?“ „Bin schon brav…“, flötete Glinda grinsend und faltete ihre Hände auf dem Schoß. „Wer’s glaubt wird selig…“, murmelte Elphaba und öffnete die Einkaufstüte. „Hey! Das habe ich gehört!“ „Anziehsachen: Ja oder nein?“ „Ja….“ „Dann sei leise!“, grinste Elphie. „Nicht fair!“, schmollte Glinda und unterdrückte ein Grinsen. Als Elphaba sah, wie die blonde Schönheit ihre Arme vor der Brust verschränkte und gespielt schmollte, rollte sie mit den Augen und musste lachen. Wie sie jedoch in die Tüte schaute, erstarb das Lächeln auf ihrem Gesicht. Oben auf lag die Kette mit den zwei Herzen, die ineinander verlinkt waren. Vorsichtig schob Elphaba die Kette zur Seite und zog Glindas Outfit hervor. „Tada!“, flötete Elphaba sarkastisch und machte eine sehr untypische Bewegung, welche Glinda zum Lachen brachte. Ohne wirklich hinzusehen schlug Glinda vor: „Ich ziehe jetzt meins an und du deins! Erst wenn wir fertig sind, öffnen wir die Tür!“ Noch bevor Elphaba antworten konnte, stand sie alleine und ohne Kleidung in der Hand im Schlafzimmer. „Alles klar…“, grinste Elphaba in den leeren Raum hinein und zog sich ihre neuen Sachen an. Dann betrachtete sie sich im Spiegel. „Grün auf grün… Ach nein, petrol auf grün!“, kicherte sie und entschied sich dann dazu, die Kette vom Nachtisch zu nehmen und sie anzuziehen. „Aha, schon besser!“, stellte sie nickend fest, als nur noch der petrolfarbene Rock die einzigen Grüntöne an ihrem Körper beinhaltete. Sie hatte sich in sekundenschnelle umgezogen und wusste, dass Glinda etwas länger brauchen würde. Also setzte sie sich auf ihr Bett und dachte darüber nach, wie sie ihrer blonden Freundin nun die ganze Geschichte erklären könnte. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Doch als Elphaba das nächste Mal auf die Uhr sah, waren es schon kurz nach halb sechs. „Glinda?“, fragte Elphaba besorgt und stand vom Bett auf, „Alles in Ordnung da drinnen?“ „Jaaaa…“, kam Glindas Antwort augenblicklich. „Was machst du denn so lange?“, fragte Elphaba und wollte die Tür öffnen. „Nein! Nicht reinkommen!“, schrie Glinda laut und vor Schreck ließ Elphaba die Tür wieder los. „Noch fünf Minuten!“, hörte sie Glindas Stimme durch die wieder geschlossene Tür. Seufzend setzte Elphie sich auf ihr Bett und wartete geduldig ab. Sie wusste nun, wie sie die Sache am Besten angehen sollte. Noch vor den angekündigten fünf Minuten ging die Badezimmertür auf, doch Elphaba konnte Glinda nicht sehen. Das Licht im Bad war jedoch noch an. „Glin…“ „Tadaaaa!“, rief Glinda nun ganz und gar nicht sarkastisch und sprang hinter der Tür hervor. Sie riss die Arme in die Höhe und strahlte Elphaba abwartend an. Mit offenem Mund starrte die Hexe ihre Freundin an und es dauerte einige Sekunden, bis sie ihre Fassung wiedergefunden hatte. „Großer Oz!“, stöhnte sie und betrachtete Glinda von oben bis unten. „War die Farbe etwa nicht für mich?“, fragte Glinda verwirrt und ließ die Arme sinken. „Doch… doch… aber… Ich… Woher hast du sie denn bitte gehabt?“, stammelte Elphaba und staunte über Glindas brünette Haare. „Die Packung steckte zwischen meinen gefalteten Sachen und ich nahm an, es gehörte zu meiner Tarnung.“, grinste Glinda und fuhr sich mit einer frechen Geste durch ihr Haar, bevor sie es sich zu einem Zopf zusammenband. „Gefällt es dir?“ „Es ist anders, aber ich müsste lügen, wenn ich nein sagen würde. Es steht dir gut… Aber woher wusstest du denn, wie so was funktioniert? Ich wusste bis vor ein paar Stunden nicht einmal, dass so etwas existiert!“, fragte Elphaba, nachdem sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. „Du hast dir auch bestimmt nicht in deiner Kindheit die Haare mit dem Zeug blau gefärbt, oder?“, fragte Glinda lachend. „Du hast was?“, entgegnete Elphaba fassungslos und musste bei der Vorstellung grinsen. „Das Zeug gibt es schon Jahrzehnte! Du mischst einfach den Puder nach Anleitung und streust es über deine Haare. Dann nehmen sie die gewünschte Farbe an. Na ja… Wenn du es richtig machst. Damals habe ich mir von einer Freundin eine braune Strähne in die Haare machen lassen und meine Mutter fand es so scheußlich, dass sie mit so einem Zauberpuder die Strähne wieder blondieren wollte. Sie hatte aber zwei Zutaten vertauscht und in falscher Reihenfolge gemixt… Und danach waren meine Haare blau!“, lachte Glinda und nachdem sie sich beruhigt hatte, fügte sie grinsend hinzu: „Aber jetzt sind sie braun und ich muss sagen, mir gefällt es auch. Aber für immer ist das keine Lösung!“ „Soll es ja auch nicht sein! Aber Lexie hat wirklich gute Dinge ausgesucht!“, nickte Elphaba und musterte Glinda erneut. „Wer ist Lexie?“, fragte Glinda erstaunt und zog fragend ihre linke Augenbraue in die Höhe. Elphaba seufzte und blickte auf den Boden. Sie wusste, nun war es an der Zeit, Glinda aufzuklären. Die blonde Schönheit merkte, dass ihre Freundin offensichtlich Probleme hatte, ihr die ganze Geschichte zu erzählen, also ging sie langsam hinüber zum Bett uns setzte sich neben Elphaba. „Aber egal wer es ist, ich stimme dir zu. Du siehst fabelhaft aus!“, sagte Glinda leise, als sie neben Elphie saß und diese abwartend anblickte. Ohne auf den Kommentar einzugehen, sagte Elphaba: „Lexie oder Lexana war mehr oder minder die Verkäuferin… Aber ich fange am besten vorne an…“ „Wäre vielleicht ganz praktisch!“, grinste Glinda, die nicht wusste, was eine mehr oder minder Verkäuferin bedeuten sollte. Also erzählte Elphaba ihr, wie sie Frieda getroffen hatte und auf dem Weg zum Geschäft noch das Buch von Margo Blair gekauft und auch noch einen Mini-Schneemann gebaut hatte. Dann berichtete sie von Gunilla und Lexana und sie erzählte Glinda von dem Gespräch in der Küche, jedoch ohne auf den Inhalt des Artikels einzugehen. „Deena Elrik?“, lachte Glinda und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Was ist daran so komisch?“, murmelte Elphaba, leicht verärgert. „Das ist einfach nur so… so… typisch du!“, grinste die blonde Schönheit an Elphies Seite und musste sich erneut die Lachtränen von der Wange wischen. „Muss ich mich jetzt beleidigt fühlen?“, fragte Elphaba und konnte ihr eigenes Grinsen nicht länger unterdrücken. Sie wusste, dass Glinda es nicht böse meinte und das Lachen ihrer Freundin steckte Elphaba immer wieder an. „Nein, ich bitte Sie, Fräulein Elrik!“, kicherte Glinda und war kurz davor, in einen weiteren Lachanfall auszubrechen. Elphaba rollte stöhnend mit den Augen und erzählte schnell weiter, bevor Glindas Lachmuskeln erneut gereizt wurden. „Und dann hat Lexie mir noch mit der Kleiderauswahl geholfen. Als es dann so plötzlich anfing zu gewittern, habe ich mich direkt auf den Weg gemacht. Und gestern Abend habe ich dann einfach nicht mehr daran gedacht, weil du… weil … das andere einfach wichtiger war…“, schloss Elphaba seufzend, da sie wusste, was Glinda nun fragen würde. Glinda war die ganze Zeit über still gewesen und ihr war nun klar, dass es der Artikel sein musste, der ihre Elphie so aus der Fassung gebracht hatte. „Elphaba…“, begann sie ruhig und wartete, bis die dunklen Augen sie ansahen, „Was stand in dem Artikel genau drin?“ Ohne ein Wort stand Elphaba auf und ging hinüber zu ihrer Tasche. Ihr Herz klopfte wie wild und sie konnte nicht genau zuordnen, woran das lag. Sie war nervös und wusste nicht warum, aber genau das war es, was sie ärgerte. Mit zitternder Hand griff Elphaba in die Tasche und zog den Artikel hervor, den Lexana ihr noch gegeben hatte. Glinda entging nicht, dass Elphaba etwas zittrig war und hoffte, dass es in dem Artikel nicht um ihre Eltern ging oder um irgendetwas anderes, was sie erschüttern würde. „Elphie? Ist alles in Ordnung?“, fragte Glinda vorsichtig und machte Anstalten, vom Bett aufzustehen. „Jaja doch! Alles in Ordnung!“, antwortete Elphaba etwas zu schnell und setzte sich wieder neben Glinda auf das Bett. Innerlich rang sie noch immer um Kontrolle, während ihr äußeres Erscheinungsbild nun wieder etwas ruhiger wirkte. „Ist… das da der Artikel?“ Glinda deutete mit einer zarten Geste ihres rechten Zeigefingers auf das Neuigkeitenblatt in Elphabas hautfarbenen Händen. Mit einem leichten Nicken und einem tiefen Blick in die blauen Augen hielt Elphaba ihrer Freundin den Artikel hin. Glinda wusste nicht, ob Elphabas Schweigen ein gutes oder ein schlechtes Vorzeichen war, also fragte sie etwas unsicher: „Muss ich irgendetwas wissen, bevor ich das lese?“ Mit diesen Worten nahm sie Elphaba den Artikel aus den Händen und als Elphaba, immer noch schweigend, den Kopf schüttelte, begann sie zu lesen. Elphaba beobachtete Glinda angespannt von der Seite. „Was?!“, hauchte Glinda fassungslos und Elphaba nahm an, sie hätte gerade die Überschrift gelesen. ‚Oh Oz, ich kann das nicht… Ich kann das nicht…’, dachte Elphaba und versuchte, ihr pochendes Herz zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. Gestresst stand sie auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen. Glinda schien dies gar nicht zu bemerken, denn sie war so sehr vertieft in diesen Artikel, dass ihr auch nicht auffiel, wie die Glühlampe durchbrannte. „Wundervoll!“, grummelte Elphaba ironisch mit einem Blick zu der Deckenlampe und ließ die Kerzen an den Wänden auflodern. Dann setzte sie ihre Wanderei durch das Turmzimmer fort, ohne zu merken, dass Glinda mit starrem Blick das Blatt auf ihren Schoß legte. Nach einigen Minuten hob Elphaba den Kopf und war überrascht, als sie eine stumme Glinda mit glasigem Blick auf dem Bett entdeckte. Sie hatte damit gerechnet, dass Glinda ausflippen würde, sobald sie den Artikel gelesen hatte. Doch nun wusste die Hexe nicht, ob sie erleichtert oder besorgt sein sollte. Langsam löste sie ihre Hände, die sie hinter dem Rücken gefaltete hatte und ging vorsichtig auf die blonde Freundin zu. „Glin?“, fragte sie leise und kniete sich vor Glinda auf den Boden, um ihr in die Augen sehen zu können. Glinda schien ganz in Gedanken versunken. Ihr Herz schmerzte, denn es schlug viel zu schnell. In ihrem Körper fühlte sie, wie langsam verschiedene Gefühle aufstiegen und sie wusste, dass sie diese nicht kontrollieren konnte. Die Worte ‚… um sich zu lieben… Untreue… Mutter Meredith wird davon berichten…’ schossen ihr durch den Kopf und sie war nicht in der Lage dazu, diese ganzen Dinge zu ordnen. Erst das zweite „Glin?“ riss sie aus ihrer Starre und als sie in Elphabas dunkle Augen blickte, brach Glindas innere Mauer, die die Gefühle und Gedanken noch zurückgehalten hatte. Ohne Vorwarnung sprang die blonde Schönheit energisch auf und warf Elphaba dabei um, sodass diese auf ihrem Hinterteil landete. „Untreu?!“, schrie Glinda aufgebracht. Elphaba schaute verblüfft in ihre Richtung und sah zu, wie nun ihre Freundin begann, im Raum auf und ab zu laufen. Jedoch war dieses Laufen von wilden Gestikulierungen begleitet. „Untreu! Ich glaube das nicht!“, spuckte Glinda beinahe aus, „Ich habe nie… Die ganzen Jahre über… seit, Oh Oz hilf mir… seit ich weiß nicht wann… NIE habe ich jemand anderen ge…“ Plötzlich hielt Glinda inne. Sie hatte ihre Hände zu zwei festen Fäusten geballt und ihren Rücken zu Elphie gedreht, welche gar nichts mehr verstand und verdattert auf dem Boden hockte. ‚Glinda Hochborn, reiß dich zusammen, bevor du zu viel sagst!’, tadelte sich Glinda in Gedanken, denn beinahe hätte sie ihre eigene Entscheidung missachtet, welche sie erst vor ein paar Stunden in einem Gedicht getroffen hatte. Mit tiefen Atemzügen stand sie schweigend dort und versuchte, sich zu beruhigen. Elphaba hingegen saß unbeholfen am Boden und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Also drehte sie sich zu Glinda um und verschränkte ihre Beine zu einem Schneidersitz. Geduldig wartete sie, bis Glinda sich endlich umdrehte und sie ansah. „Entschuldige Elphie…“, murmelte Glinda verlegen, als sie auf Elphaba zuging und sich zu ihr auf den Boden setzte, „Vergiss das einfach…“ Als Elphie sie nur fragend ansah, sprach Glinda schnell weiter, um das Thema nicht aufgreifen zu müssen: „Ich kann nicht glauben, dass Meredith so etwas tun würde…“ „Ich glaube auch kaum, dass sie das freiwillig gemacht hat.“, sagte Elphaba sachlich. „Ich weiß…“, seufzte Glinda und blickte Elphaba in die Augen, „Aber genau das macht mir Sorgen. Ich meine, ich weiß jetzt, dass sie lebt… und Oz sei Dank, sie lebt! Aber… sie würde so etwas nie tun… niemals… es sei denn, sie hat keine andere Wahl…“ Elphaba bemerkte, dass Glinda offensichtlich eine Vorahnung hatte. „Was glaubst du, womit sie ihr gedroht haben?“, fragte die Hexe vorsichtig. Glinda senkte ihren Blick und flüsterte resigniert: „Resi etwas anzutun.“ Elphie erinnerte sich an das Gespräch über das weibliche Ehepaar. „Wie kommst du darauf?“, fragte sie nach einer kurzen Pause. „Weil Reseda das einzige ist, worum Meredith in ihrem Leben wirklich hart kämpfen musste. Sie hätten alles mit ihr machen können, es wäre ihr egal gewesen. Aber wenn Resi irgendetwas passieren würde… darüber würde sie nie hinwegkommen.“, sagte Glinda mit Tränen in den Augen, als sie wieder zu Elphaba aufblickte, „Sie liebt sie von ganzem Herzen. Sie ist ihre große Liebe. Für Resi würde Mer alles tun. Alles…“ Elphaba wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also strich sie Glinda schweigend die Träne von der Wange. „Aber sie lebt…“, seufzte Glinda erleichtert, „Und Resi auch…“ „Und Accursia auch…“, murmelte Elphaba, „Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich deswegen erleichtert sein sollte oder eher das Gegenteil…“ „Ich glaube, du bist beides. Einerseits erleichtert, weil du sie nicht… umgebracht hast und andererseits wäre es vielleicht doch besser gewesen…“, kommentierte Glinda einfühlsam. Elphie war froh, das schwierigste Thema noch weiter hinauszögern zu können: „Du hast wohl Recht. Aber das erleichtert uns die Sache nicht wirklich.“ „Nein…“ Glinda schüttelte den Kopf und hob den auf dem Boden liegenden Artikel auf, welchen sie vorhin runtergeworfen hatte, „Es macht alles nur noch viel komplizierter.“ Die Hexe schwieg und sah zu, wie ihre blonde Freundin sich den Artikel erneut durchlas. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Als Glinda die Zeilen immer und immer wieder durchging, wusste sie, dass nun der richtige Zeitpunkt wäre. Nie hatte sie Elphaba nach ihren Gefühlen oder Sichtweise über die Beziehung zwischen ihnen gefragt. ‚Jetzt oder nie, Glinda… Jetzt oder nie…’, dachte sie bei sich, ‚Vielleicht ist das deine letzte Chance…’ „Elphaba, zieh doch bitte deine Kette aus…“, sagte Glinda schließlich und sah Elphie an. Ohne etwas zu erwidern, ging Elphie der Bitte nach und steckte die Kette in ihre Rocktasche. Erst dann fragte sie: "Wieso?" "Weil ich dich etwas fragen möchte und nicht Deena Elrik..." Der Hexe glitt ein Schauer über den Rücken, als sie den Blick aus den funkelnden Augen sah. Sie wusste, was nun kommen würde und sie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren sollte. Aus diesem Grund konnte Elphaba auch nichts erwidern und sah Glinda nur fragend an. „… was hast du gedacht, als du das gelesen hast?“, fragte Glinda ruhig und fügte dann noch hinzu: „Also ich meine, das mit uns. Diese Anschuldigung hier, oder was es auch immer ist…“ In Elphabas Kopf rasten die Gedanken durcheinander und sie konnte nicht mehr klar denken. „Ich… ich weiß nicht…“, stotterte sie nach einem kurzen Schweigen und blickte auf den Boden, während Glinda schweigend abwartete. ‚Oh großer Oz, Elphaba! Konzentriere dich! Du benimmst dich wie ein Kind!’, ermahnte sich die Hexe in Gedanken und brachte es nur mit ganzer Willenskraft fertig, Glinda wieder anzusehen. „Ich fand es merkwürdig. Ich hätte nicht gedacht, dass man uns so sehen könnte.“, gab Elphaba zu und ihre Stimme klang schon wieder etwas sicherer, obwohl sie nervlich ein totales Wrack war. „Wieso nicht?“, fragte die brünette Schönheit neugierig. „Wie… Na weil … du und ich.. Ich meine, wir haben nie das gemacht, was Akaber und Anhang uns da ankreiden.“, stammelte Elphie, während Glinda ganz ruhig schien. „Natürlich nicht. Das ist ja auch nur ein politischer Schach-matt-Zug. Aber ich meinte ja auch nicht das, sondern vielmehr… Was hast du gedacht, als du gelesen hast, dass wir uns lieben?“ Glindas Herz pochte laut und ihre Hände waren schwitzig. Sie hielt noch immer den Artikel umklammert, doch Elphaba schien ihre Anspannung nicht zu bemerken. Sie hatte große Schwierigkeiten damit, ihre Stimme ruhig und gelassen erklingen zu lassen und die Frage hatte sie nur über ihre Lippen bringen können, weil sie ihren Verstand nach hinten gestellt hatte. „Glinda, ich habe da noch nie drüber nachgedacht. Ich kenne keine Liebe…“, murmelte Elphaba und sah Glinda erwartungsvoll an. Sie fühlte so viel, aber sie fand keine Worte, um diese Gefühle auszudrücken. Das hatte sie vorher in ihrem Leben auch nie getan und aus ihrer Kindheit hatte sie auch keine Erinnerungen an warme Worte, die ihr Vater hätte zu ihr sagen sollen. ‚Ich kenne keine Liebe…’, hallten Elphabas Worte in Glindas Kopf wieder und gleichzeitig sah sie vor ihrem Auge all die gemeinsamen Momente mit der grünen Frau, die in ihr immer ein bestimmtes Gefühl erweckt hatten. ‚Du kennst keine Liebe?’, dachte Glinda verärgert und sah sich selber neben der grünen Frau im Bett liegen. Dann sah sie, wie die Freundin ihr aus einem dicken Buch vorlas und mit einem grünen Zeigefinger kleine Kreise auf Glindas Unterarmen zog. Plötzlich wandelte sich das Bild vor ihrem inneren Auge und sie fühlte wieder den sanften Kuss auf ihren Lippen, als Elphaba sie das erste Mal verlassen hatte. In Glinda stiegen in sekundenschnelle all die Gefühle wieder auf, die sie je empfunden hatte, wann immer sie mit Elphaba zusammen gewesen war. Sie wusste, dass es Zuneigung war und jetzt stellte Elphaba alles so hin, als wären all diese Gefühle von Wärme, Geborgenheit… ja, sogar Liebe nur einseitig gewesen? „Du bist so… oah!“, sagte Glinda verärgert und stand ruckartig auf. Elphaba sah ihr verwirrt hinterher, als die nun brünette Freundin sich vor das Fenster stellte und mit verschränkten Armen in das Morgengrauen hinausblickte. „Glinda?“, fragte Elphaba irritiert und stand auf. Die Freundin rührte sich nicht. ‚Wie kann sie nur?’, dachte Glinda immer wieder verärgert und vor allem verletzt. Elphaba wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. Sie hätte Glinda am liebsten in den Arm genommen, aber sie merkte, wie aufgebracht ihre Freundin war und blieb zwei Meter hinter ihr stehen. „Glin?“ „WAS?“, schrie Glinda und fuhr herum. Sie merkte, wie sie langsam, aber sicher außer Kontrolle geriet. Elphaba erschrak, doch fand ihre Stimme augenblicklich wieder: „Ich wollte nicht….“ „Was wolltest du nicht?“, keifte Glinda und unterbrach Elphaba mitten im Satz. „Du wolltest nicht die Wahrheit sagen? Wolltest du mich in dem Irrglauben lassen? Ich fasse das einfach nicht!“ Als Elphaba sah, wie Glinda die Tränen in die Augen schossen, fühlte sie sich noch schuldiger, als sie sich ohnehin schon fühlte. „Glinda, wovon redest du da?“, fragte sie verzweifelt und blieb stehen, als Glinda einen Schritt auf sie zuschnellte. „Wovon ICH rede?“, fragte Glinda aufgebracht, „Wovon redest DU, Elphaba? All die Jahre habe ich geglaubt… und dann, in einer Sekunde… Oh Oz, ich fühle mich so dämlich!“ Die Hexe verstand nichts von dem zusammenhangslosen Zeugs, was Glinda redete: „Glinda, ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt getan habe. Bitte, erkläre es mir doch!“, bat Elphaba verzweifelt und wusste nicht wohin mit ihren Händen. Seufzend drehte sich Glinda zum Fenster um und sah hinaus. Dann murmelte sie leise: „All die Jahre habe ich geglaubt, dass ich dir auch etwas bedeute und zwar in dem Ausmaß, wie du mir etwas bedeutest.“ „Aber Glinda!“, hauchte Elphaba nun entsetzt und die Freundin drehte sich wieder zu ihr um. „Du bedeutest mir doch etwas! Was ist das für ein Unsinn? Du warst der Mensch, der mir am meisten bedeutet hat und das bist du auch noch immer…“ Bei diesen Worten ging die Hexe auf Glinda zu und nahm ihre Hände in die eigenen. „Sie mich an, Glin.“, flüsterte Elphaba mit zittriger Stimme. Als die blauen Augen in die ihren blickten, sprach sie weiter: „Hast du gehört? Du bedeutest mir sehr wohl etwas!“ „Ach, Elphie…“, seufzte Glinda müde und schüttelte leicht den Kopf, „Ich rede hier nicht von Freundschaft. Immer, wenn du in der Nähe warst, habe ich mich sicher gefühlt. Immer, wenn du mich in den Arm genommen hast, habe ich mich geborgen gefühlt. Immer, wenn ich mich an dich kuscheln durfte, habe ich mich umsorgt gefühlt. Und als du mich geküsst hast, habe ich mich… geliebt gefühlt.“ In diesem Moment verstand Elphaba plötzlich, was Glinda ihr die ganze Zeit über hatte sagen wollen. Glinda hingegen konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wollte Elphabas Nähe fühlen, auch wenn sie wusste, dass ihre Freundin zurückschrecken würde. Ohne Vorwarnung zog Glinda ihre Elphie an sich heran, schloss die Augen und küsste die Hexe sanft auf den Mund. Als die rosigen Lippen die dunkelgrünen berührten, setzte das Herz beider Frauen einen Schlag aus. Elphaba hatte das Bedürfnis, sich diesem Kuss hinzugeben, doch reflexartig drückte sie Glinda nach ein paar Sekunden unsanft von sich und starrte sie entgeistert an. Die Hexe ließ Glindas Hände erschrocken los und ging einen Schritt zurück. Sie wollte das gar nicht, aber sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper. „Warum hast du das gemacht?“, fragte Elphaba ärgerlicher, als sie es wollte. „Der Verstand bringt den Körper nicht immer dazu das zu tun, was er gern hätte“, antwortete Glinda ganz ruhig und sah Elphaba fragend an. Die Hexe merkte, dass sie zu heftig reagiert hatte und versuchte, sich zu beruhigen „Ge-Geliebt? Du hast dich geliebt gefühlt?“, stotterte Elphaba und starrte Glinda an, die seufzend lächelte. „Ja…“ „Von… von mir?“ „Ja, Elphaba…“, hauchte Glinda und die Tränen stiegen ihr erneut in die Augen. Ihre Entscheidung, sich solche Gedanken über Elphaba zu verbieten, war nutzlos gewesen, denn nun spürte die brünette Schönheit, wie die Liebe zu ihrer Freundin ihr das Herz und die Kehle zuschnürte. ‚Noch ein letzter Versuch…’, dachte Glinda und wischte sich mit ihrer linken Hand die Träne weg. „Elphie?“, fragte sie mit heiserer Stimme und blickte auf den Boden. „Ja?“, fragte Elphaba und starrte Glinda an, ohne wirklich hinzusehen. Ihr Herz raste, ihre Hände schwitzten und sie hatte das Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein. „Elphaba… stell dir vor, es gibt keine Zukunft, keine Vergangenheit… Nur diesen Augenblick. Was würdest du tun, wenn der Vorhang fallen würde? Es gibt hier nur uns. Es gibt hier nur das, nur diesen Augenblick….“ Glinda hielt kurz inne und sah wieder zu der grünen Frau auf. „Vergiss die Reue, vergiss alles. Sonst wirst du es sein, der etwas im Leben fehlen wird… Es gibt keinen anderen Weg, keine andere Möglichkeit, keinen anderen Augenblick als diesen. Elphie, lebe den Augenblick… Es gibt nur das Jetzt und Hier… Gib dich der Liebe hin oder lebe in Angst… Ich kann mein Schicksal nicht bestimmen, aber ich vertraue meinen Gefühlen, die mich leiten. Und sie leiten mich jetzt und hier … zu dir. Lebe den Augenblick…“ Die letzten Worte hatte Glinda nur mit Müh und Not herausbringen können und die Tränen flossen ihr wieder über die Wangen. Elphaba hatte jedes einzelnes Wort gehört und verstanden. Ihre innere Stimme befahl ihr, die wunderschöne Frau vor ihren Augen zu küssen, doch die Bilder aus ihrer Kindheit, alle Erfahrungen ihres bisherigen Lebens schossen ihr durch den Kopf und ihr Körper wollten dieser Stimme nicht gehorche. „Ich… ich kann nicht…“, flüsterte Elphaba verzweifelt. Sie fühlte so viel, doch sie hatte keine Ahnung, was genau das war oder wie sie es hätte ausdrücken können. Bei diesen Worten brach Glindas Herz. Sie fühlte sich elend, als würde ihr jemand die Luft abdrücken. Erschöpft drehte sie sich wieder zum Fenster um, stützte sich mit beiden Händen auf der Fensterbank ab und ließ ihren Kopf hängen. Elphaba hörte, wie ihre Freundin weinte und endlich wollte ihr Körper wieder gehorchen. Leise ging sie auf Glinda zu und legte ihr tröstend eine Hand auf den Rücken. „Lass mich, bitte.“, flüsterte Glinda unter Tränen mit zusammengebissenen Zähnen. Geschockt nahm Elphaba ihre Hand wieder weg und nun war auch sie den Tränen nahe. Sie wollte das alles nicht. Nicht noch einmal wollte sie Glinda so verletzen. Aber sie wusste auch nicht, was sie noch sagen sollte, also schwieg sie und blickte traurig auf Glindas braunen Zopf. Nach ein paar Minuten hatte Glinda sich wieder etwas beruhigt, auch wenn sie sich innerlich noch immer zerrissen fühlte. Sie wusste nun, was sie zu tun hatte. Als Glinda sich zu Elphaba umdrehte, sah sie die rötlichen Spuren auf Elphabas Gesicht. „Glinda, ich…“, setzte Elphaba an, doch Glinda gebot der Freundin mit ihrer Hand Einhalt. „Bitte, lass mich zuerst etwas sagen…“ „Ist gut…“, nickte Elphie und machte ein verzweifeltes Gesicht. „Es war falsch von mir, das alles zu sagen und mich so zu verhalten, wie ich es getan habe. Ich hätte wissen müssen, dass du… nicht… so für mich empfindest, wie ich für dich. Aber nach all den Jahren musste ich es dir sagen, auch, wenn mein Verstand das gar nicht wollte. Es… Es tut mir leid, Elphaba. Das musste raus und jetzt… geht es mir besser. Es tut weh, aber ich werde darüber hinwegkommen… irgendwann…“ Beide Frauen wussten, dass das eine Lüge war. „Glinda, das ist doch in Ordnung. Wir können doch…“, murmelte Elphaba und wollte nach Glindas Hand greifen, doch diese wich einen Schritt zurück, sodass ihr Rücken an die Fensterbank stieß. „Nein, Elphie, es ist nicht in Ordnung und nein, WIR können gar nichts.“ „Was… Was soll das bedeuten…?“, sprach Elphaba stockend. Plötzlich fühlte sie Angst in sich aufsteigen und wusste nicht, warum. Glinda schossen abermals die Tränen in die Augen. Sie ging langsam auf Elphaba zu, nahm die grüne Hand in ihre und fing mit heiserer Stimme an zu singen: „Come into my heart….“ Bei diesen Worten führte sie Elphabas Hand zu ihrer Brust. Die Hexe konnte Glindas Herzpochen unter ihren grünen Fingern spüren, doch sie konnte ihren Blick nicht von den tränenerfüllten Augen abwenden. „Can you feel my desperation deep inside? Come into my soul… Can you see me? Here I am - far away from you. See you – be sensible and let me go… See you – you will stay my soulmate although… I should say good bye… for now say good bye!” Unter Tränen sah Glinda ihre Freundin an, der nun auch die Salzperlen über die grünen Wangen liefen. „Nein…“, flüsterte Elphaba erschüttert. Ihre Stimme versagte, da der Kloß in ihrem Hals ihr jedes andere Wort unmöglich machte. Glinda ignorierte das Flehen der Freundin und sang unter Tränen mit gebrochener Stimme weiter: „You know these rainy days of our life… You can make it if you try. You know I will be right by your side. One day we will meet in another life… Come into my heart! I am searching you so desperately - forever more… Come into my soul! So must I put up with this cruel infinity…” Bei diesen Worten drückte Glinda die grüne Hand und nahm sie von ihrem Burstkorb. Die Frauen standen sich weinend gegenüber und Elphaba hatte das Gefühl, als könnte sie kein weiteres gesungenes Wort mehr ertragen. Sie fühlte den Herzschlag des eigenen Organs, welches den Anschein erweckte, als würde es aus ihrer Brust springen wollen. Glindas Worte fühlten sich an wie Messerstiche in das Zentrum ihres Herzens. “See you – be sensible and let me go… See you – you will stay my soulmate although… You should say good bye… for now say good bye! One day we will meet in another life…” Den letzten Satz hatte Glinda flüstern müssen, da ihre Stimme gebrochen war. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie Elphaba Elea Thropp so weinen gesehen und ihr Herz schmolz bei diesem Anblick, aber Glinda wusste, sie hatte diese Entscheidung treffen müssen. Die Hexe konnte nicht fassen, was Glinda da gerade beschlossen hatte. „Heißt das… Du willst… wir werden uns…“, hauchte Elphaba und wischte sich mit ihrer freien Hand die Tränen aus dem brennenden Gesicht. „Ja, ich werde gehen. Ich werde jetzt die sein, die geht.“ „Warum?“, fragte Elphaba verwirrt und ihre Verzweiflung war offensichtlich. Die Hexe fühlte sich schutzlos wie ein kleines Kind und genau das konnte sie nicht begreifen. Sonst war sie doch immer die Starke. „Weil ich nicht so leben kann. Wir wissen so oder so nicht, was kommt, aber… Es schmerzt so sehr, Elphie…“, flüsterte Glinda wieder unter Tränen, „Ich halte das nicht aus. Ich muss dich loslassen… Mir bleibt keine Wahl. Vielleicht werde ich das auch nie schaffen, aber ich weiß, dass du es schaffen wirst. Ich kann nicht mehr einfach nur an deiner Seite sein… Ich wollte immer mehr sein für dich, doch immer und immer wieder wurde mir die Chance genommen, dir das zu sagen. Und nach deinem Tod war es sowieso für mich vorbei… Ich hatte ja dann keine Perspektive mehr. Aber auch jetzt, wo du lebendig vor mir stehst, habe ich keine Perspektive. Ein Teil von mir wird sterben, das weiß ich. Aber ich will nicht, dass du mir dabei zusehen musst. Ich würde das nicht ertragen. Bitte, Elphie, versteh das und lass mich los…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)