Meeresrauschen von bells-mannequin ([bitte bei NEWS nachschauen] - es ist alles einfacher, als ihr denkt. -) ================================================================================ Kapitel 7: Flickenteppich ------------------------- Neunter Monat - April Willst du nicht doch mitkommen?“ Kakashi lehnte am Türrahmen, beobachtete seinen störrischen Schützling – oder was auch immer sonst Uchiha Sasuke darstellen sollte – mit aufmerksamen Augen. „Ich mein, wenn man schon mal die Chance hat, aus unserem Kuhdorf rauszukommen, dann sollte man sie doch ergreifen, oder?“ „Tut mir leid, Kakashi, wenn das jetzt überraschend kommt, aber ich wohne in Tokio. 19 Jahre Nicht-Kuhdorf reichen mir, dankeschön.“ „Seit wann das denn, Uchiha? Ich dachte, wir kotzen dich alle an, sind Hinterwälder, blabla. Können sich Hochwohlgeboren daran erinnern?“ Sasuke rollte mit den Augen: „Du mich auch, Hatake.“ Kakashi grinste unter der Maske, dann flötete er: „Ich werte das als Zustimmung dafür, dich zu kidnappen, ja?“ Ein scharfer Pfiff ertönte, dann stürmten plötzlich Jiraiya, Naruto und Tsunade ins Wohnzimmer. Hinata, rot um die Nase und verlegen, stand hinter den Vollpfosten. Es war sicherlich nur eine Einbildung, dass sie ein Kichern unterdrücken musste. Genau. Sie hatte Schluckauf, mehr nicht. „Bringt ihn ins Auto“, ordnete Kakashi an, konnte sich allerdings ein kindisches Grinsen nicht unterdrücken. Sasuke dachte einen Moment daran, wegzurennen, aber erstens gehörte sich das für einen Uchiha nicht und zweitens war Tsunade dabei. Welcher Kerl hatte keine Angst vor dieser Monsterbraut? „NARUTO, HÖR VERDAMMT NOCH MAL AUF, DIESEN BESCHISSENEN RADIOSENDER ZU WECHSELN!!“ Sasuke zuckte minimal zusammen, Hinata war der Schrecken von der Nasenspitze abzulesen, Jiraiya grinste und Kakashi summte weiter vor sich hin. „Ach, Tsunade, auf deine alten Tage wirst du noch sentimental“, sagte Jiraiya, dem das Lachen in der Nase zu jucken schien, während er Tsunade beobachtete, die aus dem Fenster starrte. Ihr Gesicht glitt einer dieser Masken, von denen große Brüder gerne Gebrauch machen, um ihre kleinen Schwestern zu verängstigen. „Fresse, Perverser, oder du wirst ein neues Gebiss brauchen.“ Sasuke verdrehte entnervt die Augen. Womit hatte er das verdient? „Werte es als Rache dafür, dass du mich an den Zaun gekettet hast.“ Jiraiyas breites Grinsen könnte einen toten Frosch zum Steppen bringen, verdammte Sch-…laftablette. „Es war Sakuras Idee.“ „Ach, und das soll ich dir jetzt glauben, du böser, mieser Wicht, der nur Sakuras Unschuld haben will?“ „Außerdem eine Rache dafür, dass du Sakura und mich mit Handschellen aneinandergeschlossen hast.“ „Hey – ich brauchte Stoff für das neueste Flirtparadies und wenn man so was mal im eigenen Haus hat… da hätte ich doch nicht widerstehen können.“ „Stimmt, Ero-sennin. Außerdem war das voll lustig, echt jetzt!“ „Nicht wahr, Naruto? Als ich da, nachts, allein, nur ich und der Wolf-“ „Der Wolf und ich, Idiot.“ „-mit Handschellen und wunden Handgelenken herumsaß, ist mir echt ’ne heiße Szene eingefallen. Es ist nämlich so, dass…“ Sasuke hatte den Wunsch, sehr schnell und schmerzlos zu sterben. Jetzt. Sofort. „Wo ist Sakura eigentlich?“, fragte Sasuke beiläufig, während Naruto, Hinata und er in einem Buchladen standen. Um genau zu sein war Hinata auf der Suche nach neuen Schmökern und Naruto wollte bei Hinata sein und Sasuke stand daneben. Narutos Blick wurde anziehend, auf eine süffisante Art, und sein Grinsen ließ nichts Gutes verheißen. Es war einer dieser Jetzt-gucken-wir-mal-warum-alle-denken-dass-ich-dumm-bin-Blicke, gepaart mit etwas Schließlich-war-ich-es-der-euch-zusammengebracht-hat und etwas, das verdächtig nach Ich-wusste-doch-dass-du-in-sie-verschossen-bist-und-zwar-schon-von-Anfang-an aussah. Sasuke beugte sich zu Naruto rüber, als wolle er ihm etwas Oberwichtiges und Supergeheimnisvolles anvertrauen, und schlug ihm dann gegen den Hinterkopf: „Dobe, wie kommst du auf die Idee, huh? Könnte es denn nicht sein, dass ich sie einfach ausnutze, weil ich kein Bock auf 365 Tage ohne Sex habe und kein Geld für ’ne Hure ausgeben will?“ „Ich bin ihr bester Freund“, erwiderte Naruto bockig, während er seinen Kopf befühlte. „Ich bin dein bester Freund – wenn es nicht zu hart ist, dich so etwas zu beschuldigen. Außerdem wissen wir doch alle, dass du dir ’nen ganzen Puff leisten könntest.“ Sasuke rollte mit den Augen. „Sasuke-kun… sie mag dich wirklich, wirklich sehr.“ Hinata lächelte, Nachdruck in ihren blassen Augen, Freundschaft um ihren Mund, und ging zum Regal mit den historischen Romanen. „Sie mag dich nicht“, korrigierte Naruto, ein ernster Ausdruck in seinen blauen Augen. „Sie hat sich in dich verliebt.“ Er seufzte. „Und weißt du was? Ich bin auch mit ihren Exfreunden klargekommen, aber wenn ich schon nicht denken kann, kann ich zumindest sehen – und das, was ich sehe, ist, dass sie in dich verliebt ist. Sehr. Sie ist so fröhlich. So, wie man es sein sollte, wenn man verliebt ist. Wag es nicht, sie zu verletzten, Sasuke.“ Den restlichen Tag blieb Sasuke noch ruhiger als gewöhnlich, während er sich Gedanken über das Gespräch mit Naruto machte. Für ihn war es auch Neuland. Woher sollte er denn wissen, wie es normalerweise war? Wenn er Sakura ansah, war da dieses Sehnen, dieses Gefühl, dass ihn alles zu ihr hinzog. Wenn er sie nicht sah, ging in seinem Kopf plötzlich alles – gerade. Er hatte gedacht, dass es ihn verwundbar machen würde, sich in sie zu verlieben, aber seit sie da war, wusste er, dass es weiterging. Nicht schneller, aber beständig. Verletz sie nicht. °°° Neji und Sasuke konnten sich noch immer nicht leiden, ganz offiziell. Keiner der beiden hielt mit seiner Meinung hinterm Berg – und das war eigentlich ganz gut so. Es entkeimten keine Rivalitäten und es stand ganz einfach im Raum, dass die beiden eine Aversion gegen den jeweils anderen hatten. Und es war okay. Eigentlich. Sakura hatte das akzeptiert. Man konnte nicht jeden mögen, es war in Ordnung, so wie es war. Eigentlich. Das Wetter wurde immer schöner und so blühte auch die Beziehung zwischen Sakura und Sasuke. Es war absolut unbegreiflich, was zwischen den beiden passierte, aber es war dennoch so bodenständig, wie die wenigsten Menschen glauben könnten und würden. Es war der Fakt, dass Sasuke ein arrogantes Arschloch aus der Hauptstadt war und Sakura das süßte, liebste, beste Mädchen, das dieses Dörflein zu bieten hatte. Es war wunderbar irritierend mit anzusehen, wie auch die Bewohner Wakkanais, die das Mädchen bisweilen missbilligend ansahen – sei es wegen ihrer schnellen Zunge, ihrer Freundschaft zu Naruto oder auch den Gerüchten um die halbainuischen Wurzeln Sakuras – plötzlich alle Haruno Sakura beschützen wollten. Sakura war plötzlich das unschuldige, kleine Mädchen, das nicht auf sich aufpassen konnte und Naruto natürlich nicht regelmäßig verkloppte und auch niemandem die Meinung geigte. Und Sasuke wurde zu einem fotzigen Playboy karikiert, der sie nur dazu bringen wollte, die Beine breit zu machen – um sie danach wie eine heiße Schüssel Ramen fallen zu lassen. Das war nicht gerade fair und zeugte auch nicht unbedingt von der großen Menschenkenntnis der meisten Wakkanai-Bewohner, aber sie waren zumindest schlau genug, sich nicht öffentlich mit Sasuke anzulegen, ganz einfach, weil niemand mit den Fäusten von Tsunade zutun haben wollte. Es war irgendwie ironisch, dass gerade sie leitende Oberärztin des hiesigen Krankenhauses war. Manchmal fragte Sakura sich, warum sie so viel Glück verdient hatte, denn obwohl ihre Vergangenheit und ihre Wurzeln nicht besonders großartig waren, hatte sie doch bisher immer fröhlich gelebt, sie hatte ihre Freunde gehabt und sie hatte ihre Familie. Vielleicht nicht durch Blut verbunden, aber immerhin eine Familie. Es war nicht ganz fair, dass sie nun auch noch die tollste Beziehung mit dem tollsten Kerl überhaupt hatte, befand Sakura. Impulsiv umarmte sie Sasuke, der neben ihr im Sand saß und zusah, wie Naruto sich von irgendwelchen Wassertierchen ärgern ließ. Für einen Moment war er erstarrt, dann entspannte er sich in ihrer Umarmung. „Du bist komisch, Sasuke-kun“, machte sie lakonisch. Dann und wann war sie so. Sagte ‚Sasuke-kun’, hatte diesen merkwürdigen Blick drauf, war kryptisch, war liebevoll, war so un-sakura. Sie mochte es, ihn zu verwirren. „Und du umso hübscher, Sakura-chan“, erwiderte Sasuke nonchalant . Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, notdürftig zumindest, machte sarkastische Komplimente, die trotz allem ernst gemeint waren. Sakura wusste dessen ungeachtet, dass er verunsichert war, wenn sie so offen ihre Gefühle zeigte. Es war so einfach. Im Sand zu liegen, Hinata beim Zeichnen zusehen, über Naruto zu lachen, den Wind wehen zu lassen, das Meer rauschen zu hören. „Stell dir mal vor, das Meer würde keine Gezeiten mehr haben.“ „Dann hätten wir keinen Mond, Sakura. Und das mit der Gravitation…“ „Mann, Sasuke! Sei doch nicht immer so… dumm nüchtern und bieder und blöd!“ „Realismus, Sakura. Nur Realismus.“ „Gut. Dann back deinen Kuchen auf dem Kack-Realismus, ich meinen auf Fantasie!“ Merkwürdig, dass sie so was kein bisschen unernst meinte. „Sakura, du willst doch jetzt nicht wirklich, dass wir… das da… essen, oder?“ Sakura, die Arme ineinander verschränkt, blickte mit drohendem Blick auf Naruto, der sich mit einem Quieken hinter Hinata versteckte. „Sa-sakura-chan“, bemühte sich Hinata erblassend um Diplomatie, „das hier i-ist ein Kuchen aus… Sand. Den-… können wir nicht essen.“ Für einen Moment wurde Sakura etwas bleich um die Nase, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stampfte mit langen Schritten davon: „Ich hasse Realismus.“ Sasuke lachte, dann stand er auf und folgte ihr gemächlich. „Es gibt zwei Dinge“, erläuterte Sakura, „die ich absolut nicht ausstehen kann.“ Ein kurzer Blick Richtung Sasuke. „Einmal Schokolade – und dann noch fette, hässliche, pädophil aussehende alte Männer mit Fetisch. Außerdem ist es Sommer! Du kannst mir nicht einfach einen Schokoweihnachtsmann schenken! Und woher hast du den überhaupt?“ Sasuke zuckte die Schultern: „Connections?“ „Könntest du bitte aufhören mit schlechtem Englisch um dich zu werfen?“ „Ich habe für dich Schokolade gekauft – und du sagst, du magst keine Weihnachtsmänner?“ Sasuke schien sich das Lachen zu verkneifen. „Jahh??“ Es war ein bedrohliches ‚Jahh’. Sehr bedrohlich. Er beugte sich zu ihr herunter, küsste sie auf den zu einem Schmollen verzogenen Mund. „Das nächste Mal bekommst du einen Osterhasen. Oder ’ne Klapperschlange“, murmelte er auf ihre Lippen. Sakura sah in seine dunklen Augen, dann schüttelte sie den Kopf, ganz leicht, so sanft und zerbrechlich, wie sie in diesem Moment wirkte, so zierlich und schwach, so intensiv und hilflos, wie sie wirklich war. Dann verschlang sie ihre Hände um seine Mitte und drückte ihn fest an sich. Schweigend erwiderte er die Umarmung. „Ich benehme mich unmöglich. „Tschuldigung“, murmelte sie. In Sakuras Augen schwamm etwas, das er nicht verstand. Oder doch verstand. Aber es tat weh. „Ich weiß auch nicht, was los ist. Und ich hab noch nicht mal die Ausrede, dass ich meine Tage hab!“ Sie stieß ein hilfloses Lachen aus. Er fuhr ihr schweigend über die Wange. „Warum bist du mit mir zusammen, Sasuke?“ Schon während ihr Mund die Worte herausließ, wollte Sakura sie wieder einfangen, sie biss sich hart auf die Zunge und versuchte, nicht vor Schmerz und Scham aufzuschreien. Stumm fuhren Sasukes Augen ihre Gesichtskonturen nach. „Ich vermisse dich sogar, wenn du in der Drogerie bist und dir diese ekelhaften Aloe-Vera-Gesichtsmasken für Ino und dich kaufst“, sagte er nur. Sie schüttelte lächelnd den Kopf: „Das ist das beste Geständnis, das ich jemals gehört habe, Sasuke.“ Er erwiderte: „Warum bist du mit mir zusammen?“ „Erinnerst du dich nicht mehr an dieses hervorragende Plädoyer, das ich seinerzeit raugehauen hab?“ Sakura lachte. Sasuke hob eine Augenbraue: „Kann schon sein.“ „Das hat dich echt fertig gemacht, huh?“ Er erwiderte ihren spitzbübischen Blick mit dieser arroganten Kälte, die sagen sollte: Ich bin ein Uchiha, mich macht nichts fertig. „Zumindest – na ja, ich mein, ich glaub, wenn ich es mir heute so angucke, würde ich sagen, dass das meiste, was ich davon gefaselt habe, echter Mist war.“ Er sah sie nur stumm an, was Grund genug war, um weiterzureden: „Weißt du, du bist schon irgendwie ganz nett.“ Sie kicherte. „Und ich war verknallt in dich. Und es war schön, zu hören, dass du mich auch mochtest.“ Plötzlich war jeder Schalk aus ihrem Gesicht gewichen. „Aber ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war“, flüsterte sie. Sasuke schüttelte stumm den Kopf, nahm sie in die Arme, hielt sie. Das mit uns war eine dumme Idee, ein Kleinmädchentraum, Sasuke… Er wusste es. Aber es änderte nichts. °°° Obwohl er es sich wünschte. Sich so weit wie möglich weg wünschte, in die Dominikanische Republik, nach Norwegen, überall hin, nur nicht bei einem abermals besoffenen Naruto und einer Hinata, die, ohne ganz bei Bewusstsein zu sein, mit Inos Haaren zitternde Türme voll blonden Haares erbaute. „Scheißdreck.“ Es hatte keinen Anlass gegeben, sich so die Kante zu geben, das war das schlimmste daran. Oder auch nicht. Das schlimmste daran war, dass Sasuke das wusste. Der Alkohol lag schwer auf seiner Stirn, ließ sie pochen und laute Wellen über ihm zusammenschlagen. Er versuchte, seine Hand zu heben, damit er sehen konnte, wie viel Uhr es war, aber irgendwie hatte er letztendlich doch keine Lust dazu. Er fühlte sich schlaff und fertig, und das einzige, was sein Ego nicht vollkommen zerstört sein ließ, war der Fakt, dass die gesamte Menge an Leuten in diesem Raum noch voller waren als er. Irgendwo aus der Küche hörte er ein Geräusch, das stark nach schwerem auf den Boden gefallenen Menschen klang. Und nach zersplittertem Glas. Tsunades Haus war der perfekte Platz für eine nette Sommerparty mit viel Alkohol und feuchtfröhlichen Spielen. Ihr Garten war groß genug für einen Grill, ihr Einfamilienhaus für um die fünfzig Leute. Tsunade war auf einer Fortbildung für irgendwelche komischen chirurgischen Neuheiten und Sakura war mit nach Sapporo gefahren, weil sie gehört hatte, dass TenTen sich momentan zumindest wieder auf derselben Insel aufhielt wie Hyuga. Wie merkwürdig, dass TenTen Sakura, die ja ganz offensichtlich auch einen Teil zu dieser schrecklichen Liebestragödie beigetragen hatte, verzieh. Wahrscheinlich war das so ein Mädchending. Und wenn er ehrlich war – so lange es darum ging, dass Hyuga sich weiter abschottete und wie das nackte Elend aussah, nun, dann würde er nichts dagegen haben. Uchiha grinste träge. Inos Kopf fiel schwer zur Seite und stieß hart gegen die Wand, während Hinata, die auch langsam einschlummerte, immer noch die Finger in Inos langen blonden Haaren hatte. Zwei so gegensätzliche Mädchen. Manchmal fragte Sasuke sich, warum sie mit Sakura befreundet waren. Natürlich, da gab es die gemeinsame Vergangenheit, aber es wäre ein leichtes für jemanden wie Ino eine andere Freundin zu finden. Und ein leichtes für Hinata, eine solch nervige Person wie Sakura zu vergessen. Aber irgendwo hielt es sie doch zusammen, diese komische Freundschaft, die manchmal aus nichts anderem bestand als aus hysterischen Wutanfällen und kleinen Kosmos-Blüten. Verdammt. Sein Kopf war schwer und er wollte schlafen, aber das einzige, zu dem sein Kopf in der Lage war, war Sakura. Gut, er gab es zu. Haruno Sakura, dieses komische Ding, war der Grund, warum er sich besoffen hatte. Ein Teil seines Verstandes wusste, dass es besser wäre, es so schnell wie möglich zu beenden, am besten sofort, weil er wusste, dass es nicht halten würde. Natürlich nicht. Sie waren so unterschiedlich, auf eine Art und Weise, von der er wusste, dass es zusammenpasste, für immer zusammenpassen würde, von der er wusste, dass sie vergänglich sein würde. Aber es gab andere Dinge, die ihn daran hinderten, es zu beenden. Banales wie ihre Augen. Der Ausdruck darin, wenn sie belustigt war, das Funkeln, bevor er sie küsste, die irrationale Logik, wenn sie wütend war, und versuchte, es zu bleiben. Sakura gehörte zu den Menschen, die mit dem nächsten Atemhauch vergessen hatten, dass sie wütend waren, und nicht vergessen wollten, dass sie vergessen hatten. Oberflächliche Dinge wie ihren süßen Mund, ihre langen Beine, ihre grünen Augen. Das weiche Atmen, wenn sie schlief, die Wärme in seinem Körper, wenn sie ihn umarmte, die Gelassenheit in ihrer Nähe. Natürlich. Er stand auf dieses Mädchen, er war geil auf sie, aber Sakura war nur eine von Abermillionen auf der Welt, und er kannte auch ihre Schwachstellen. Sie konnte gemein sein, bis in die Knochen hinterhältig, und sie war stur, sie war eine Lügnerin, sie war schwächer als viele andere Mädchen, auf eine komische Weise. Alles zusammenfassend musste Sasuke sagen, dass er in sie verliebt war. Und ein bisschen mehr. Letztendlich war es doch nur ein Traum. Nichts weiteres, nur ein Schließen seiner Augen, nur das Wissen, dass es gut war, obwohl es nicht vorstellbar war. „VERDAMMTE SCHNECKENSCHEISSE!“ Es war Tsunades donnernde Stimme, tief und grollend, wie ein elektrisiertes Gewitter, das jederzeit ausbrechen konnte. „Wer ist Schuld daran, dass in meinem armen, unschuldigen Haus eine verfluchte Säuferfeier geschmissen wurde??“ Die meisten waren entweder eingepennt oder schon weg. „NARUTOOOOOOOOOOO!!!“, polterte Tsunade. „War’s nich’“, nuschelte Naruto, den Teppich vollsabbernd, „Teme…“ Verräter. Sasuke rappelte sich halbwegs auf, um zumindest den Hauch von Würde beibehalten zu können, aber an dem spöttischen Blick, den Sakura, mit nach ihrem Shampoo duftendem Haar, ihm zuwarf und der gerümpften Nase des Ainumädchens-ich-hau-mal-schnell-ab, konnte er erkennen, dass er es nicht hinbekam. TenTen war wieder da. „Ich kann’s nicht fassen, dass ihr echt so dumm wart, eine Party bei Tsunade zu schmeißen!“ Ein belustigter Unterton perlte von ihrer Stimme ab. Sasuke stöhnte: „Halt die Klappe, Sakura.“ „Na, zumindest bist du wieder halbwegs nüchtern, Mr. Obercool.“ Nun, kalt war es tatsächlich. Zumindest um halb acht morgens unter der Dusche. Während das heiße Wasser nickt funktionierte. Und die eigene Freundin einen fertig machte. Sasuke hörte, wie Sakura in den Badezimmerschränken herumwühlte, als er das Wasser abstellte. Er griff nach einem Handtuch und schlang es sich um die Hüfte, während seine Freundin irgendein fröhliches, sirupsüßes Kinderlied summte. „Aber jetzt ehrlich mal“, setzte Sakura erneut an, „was sollte das? Habt ihr gefeiert, dass ich weg bin?“ Sie warf einen spöttischen Blick über ihre Schulter und lächelte dann kurz amüsiert. „Wir wollten uns betrinken.“ Sasuke zuckte mit den Schultern. Sakura klatschte in die Hände: „Der perfekte Grund, das hatte ich glatt vergessen.“ Was sollte er sagen? Ich wollte mich vollaufen lassen, um zu ignorieren, dass ich dich liebe, und nach dem Besäufnis ist mir klar geworden, dass ich nichts daran ändern kann? Klar, sie würde ihn abknutschen. Sie drehte sich zu ihm um, in einer Hand triumphierend eine Flasche durchsichtigen Nagellacks, und sagte mit einem Lachen in der Stimme: „Wenn du dich umgezogen und ’ne Tablette genommen hast, können wir zu Tsunade und aufräumen helfen.“ Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss. Nun, zumindest hatten die paar Tage Ruhe ein bisschen ihre Dynamik zurückgebracht. Während sie davor dauernd einem Nervenzusammenbruch nahe gestanden hatte, strotzte sie heute nur so vor Sarkasmus und Lachen. Sasuke versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Aber der Fakt, dass er es nicht schaffte, erklärte, warum er in sie verliebt war. Naruto machte ihnen die Tür auf und ließ sie, immer noch halbschlafend, in Tsunades Haus herein. „O-baa-chan ist im Krankenhaus. Sie sagt, dass, wenn sie wiederkommt und es nicht sauber aussieht, sie uns beiden die ‚Häute langsam und qualvoll’ abziehen wird.“ Dann seufzte er genervt, als wäre diese Drohung nicht ernst zu nehmen. „Ich geh unter die Dusche, danach können wir’s mit Kommunikation versuchen.“ Mit diesen Worten schlurfte der blonde Junge davon. Sakura und Sasuke warfen sich einen Blick zu. Dann ging Sakura an die Musikanlage, drehte irgendeine Gute-Laune-Musik auf und öffnete die Fenster. Das Wetter zumindest war fantastisch. TenTen kam aus der Küche, eine dampfende Tasse in der Hand haltend: „Sakura, Sasuke.“ Sie nickte zum Gruß. „Wollt ihr auch ’n Kaffee?“ Sie bejahten und setzten sich gemeinsam an den Küchentisch. TenTen schien abwesend, nicht anders als sonst, eigentlich, und doch mit anderen Gesten, in ihrer Art, die Augen direkt auf den Gegenüber zu richten, nicht anders in ihrer stachligen Art, zu reden – aber trotz dessen wirkte sie verändert in den paar Monaten, die sie an verstreuten Orten verbracht hatte. Die Gespräche gingen stockend, tastend, als wüssten weder Sakura noch TenTen, was zu sagen war. Sakuras Augen flirrten in der Gegend umher, fassten ein Thema nach dem anderen auf, die Bankfilialen in Tokio, Polizeibeamte aus Osaka, neue Küchengarnituren in Wakkanai; ihre Finger verflochten sich automatisch unter dem Tisch mit Sasukes. Es war eine zittrige Erleichterung, als Naruto mit einem etwas helleren Gesichtsausdruck in die Küche kam und polternd begann, schmutzige Teller in die Geschirrspülmaschine zu tun, während er fröhlich vom gestrigen Saufgelage berichtete. „Ich geh in den Garten und sammle den ganzen Müll ein“, stellte TenTen fest, als sie aufstand, ihre Tasse in die Geschirrspülmaschine legend. Sakura erklärte sich bereit, das ganze Badezimmer zu wischen und somit blieb es Sasukes Aufgabe, das Wohnzimmer zu säubern, bis sich die vier unter der Hilfe ihrer entkaterten Freunde ins Obergeschoss wagen würden. Es war brennend heiß an diesem Tag, seit Jahren das erste Mal wieder. Das Thermometer zeigte über dreißig Grad und die Sonne schien prall auf den Garten und auf TenTen, Ino und Choji, die mit Begeisterung die Wiese besprengten. Und sich selbst gleich mit dazu: „Ieeeeeeeeeh, Choji!!“, kreischte Ino, „Du bist so eeeeeklig!“ Sie wrang ihre blonden Haare aus, schwang sie mit Wucht über ihre Schulter und bemühte sich, ihr Gesicht mit ihren nassen Händen zu trocknen. „Du bist Schuld, wenn mein Make-up ruiniert ist!“ Aber ein Lachen tropfte in ihrer Stimme mit und keine Sekunde später warf Ino sich mit der Wucht ihres schmalen Körpers auf den großen Choji. Sein Lachen klang wie das eines Bären. „TenTen, wie wär’s, wenn du diese Verrückte dazu bringst, etwas anderes zu misshandeln als mich?“ TenTen lachte laut, öffnete ihre nassen Zöpfe und bemühte sich, ihre Haare in einen Pferdeschwanz zu zerren. „Wir sind fertig unten!“, rief Sakura, die auf der Terrasse stand und ihre Augen mit einer Hand abschirmte. „Lasst uns Mittag essen, und dann oben weitermachen.“ Die Mahlzeit verlief halbwegs zivilisiert, obwohl sie im Freien essen mussten, weil das Gartentrio zu nass und dreckig für das frisch geputzte Erdgeschoss war. Naruto verschüttete die Limonade auf Sakuras Shorts, Sakura schlug Naruto, Shikamaru, der mit Sasuke das Wohnzimmer aufgeräumt hatte, brannte mit einer Zigarette ein – kleines – Loch in seine Hose, was zur Folge hatte, dass sie in Flammen aufging und das genässte Quartett entstand. Es war ein Sommertag wie jeder andere auch. „Was ist denn hier los?“, fragte Neji, plötzlich in der Tür stehend, während seine Augen vom dösenden Naruto über Shikamaru wanderten und bei TenTen verharrten. „Gewisse Personen“, Sakura knuffte den auf dem Boden liegenden Naruto und gab Sasuke einen innigen Kuss, „mussten unbedingt eine Sauforgie veranstalten, während Tsunade und ich in Sapporo waren, wo wir nebenbei auch noch TenTen aufgepickt haben.“ Sakuras Lächeln war eine Spur zu strahlend, als dass Leute wie Sasuke es ernst nehmen konnten. Niemandem in dieser Runde war nicht klar, dass zwischen TenTen und Sakura, trotz dass TenTen wieder heim gekommen war, eine gewisse Distanz herrschte. Nun, es musste schließlich Gründe geben, die erklären konnten, warum TenTen überhaupt glauben konnte, dass eine Freundin ihr den Jungen wegschnappen würde. Irgendwo war da eine gewisse Spannung, und nun, da Neji auch noch da war, schien einer netten Vorstellung mit Popcorn und Tamtam nichts im Wege zu stehen. Sasuke zog eine Augenbraue hoch und warf einen abwartenden Blick zu TenTen, die sich auf die Lippe biss und nicht wusste, wohin sie schauen sollte. Hinata bemühte sich, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, aber alles wirkte fahrig und aufgesetzt. Hyuga stand immer noch an derselben Stelle wie zuvor, angespannt und nervös. Plötzlich sprang TenTen auf, sagte hastig „Ich muss gehen! Tschüss!“ und rannte wie von Furien gejagt aus dem Haus. „Das lief scheiße“, bemerkte Sasuke lapidar, während Sakura ihr Zimmer lüftete und Sasuke sich gegen die – nicht mehr mit Bier bespritze – Wand lehnte. Die anderen waren schon größtenteils gegangen, nur Hinata tummelte sich noch bei Naruto. „Das musst du nicht mir sagen“, erwiderte Sakura, ihre Stimme nahm einen skurrilen Ton an. „Meine Güte, das war einer der schlimmsten Momente meines Lebens. Ich fühl mich scheiße, Sasuke. Tu was dagegen!“ Sie klang weinerlich, stampfte mit einem Fuß auf, und zerrte an ihren Haaren. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Als Sasuke versuchte, ihren Arm zu fassen, schlug sie ihn weg. Hart. Ihr angespannter Gesichtsausdruck, der irgendwie an eine schrullige Psychotante mit Ambitionen auf Selbstmord erinnerte, glättete sich, als sie begann, Dinge zu tun, wie alte Schulsachen zu zerreißen, ganze dicke Hefter auf einmal, sie danach feinsäuberlich in die Mülltüte packte, und dann begann, ihn selbst zu schlagen. „Sakura… Hölle, Sakura, hör auf! Ich bin keine Stressbewältigungspuppe.“ Sasuke hielt ihre Handgelenke eisern fest und der gehetzte Zug um ihre Augen verblasste langsam. „Ich hab’s total verbockt“, sagte sie plötzlich nüchtern. Er lachte kurz: „Ja, genau, Sakura. Und mehr als das kannst du auch nicht machen. Lass Hyuga und TenTen in Ruhe ihren eigenen Kram erledigen und bürde dir nicht noch mehr auf. Das ist albern.“ „Aber ich fühl mich dreckig. Wenn sie nie wieder ein Wort miteinander reden, bin ich Schuld daran, verstehst du das nicht? Es würde–“ „Küss mich mal bitte, Sakura.“ „Hä?“, machte sie geistreich. Er verdrehte die Augen: „Du weißt schon, so von wegen Lippen auf Lippen, rumschlabbern, fummeln.“ „Oh. Ach so. Und warum?“ „Weil du dich sonst um Kopf und Kragen laberst und dich aus dem Fenster stürzt. Weil ich genervt war, als du weg warst, und all die Mädchen, die ich in der Zwischenzeit gevögelt habe, es nicht so gebracht haben wie du.“ „Ah, verstehe.“ Als der Kuss endete, schlug Sakura Sasuke in den Bauch. Ihre Augen funkelten ernst, während sie ihn ansah. „Wenn ich dich einmal gehen lassen wollen sollte, kannst du mich zurückhauen, ja?“ Und sie berührte erneut seine Lippen in einem Aufschwung von merkwürdigen Gefühlen und verschlungenen Händen und pochenden Herzen und lebendigen Seelen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)