Schnappschüsse von bells-mannequin ================================================================================ Kapitel 1: Frühling - Erblühende Gefühle ---------------------------------------- H e u t e „Bevor du da warst, Bella, war mein Leben eine mondlose Nacht. Sehr dunkel, aber mit Sternen – Punkte aus Licht uns Weisheit. Und dann bist du über meinen Himmel gesaust wie ein Meteor. Plötzlich stand alles in Flammen, da war Glanz und da war Schönheit. Als du weg warst, als der Meteor hinter dem Horizont verschwunden war, wurde alles schwarz. Nichts hatte sich verändert, aber meine Augen waren vom Licht geblendet. Ich konnte die Sterne nicht mehr sehen. Und es gab für nichts einen Grund mehr.“ – Bis(s) zur Mittagsstunde Frühling – Erblühende Gefühle Es war ein ganz normaler Tag, als er sie, ganz normale Personen das erste Mal sah. Sie waren nicht anders als andere, zumindest auf den ersten Blick und auf den zweiten auch. Sie liefen nebeneinander her, sie redeten, sie lachten, sie waren glücklich – scheiße, sie waren so glücklich, dass es ihm die Galle den Hals hochschießen ließ, sie waren so süß und prächtig nebeneinander, so verdammt wollenswert, dass er wünschte, er wäre auf der Stelle tot. Es war… noch nicht mal das Gefühl der Liebes-Liebe, die er sich wünschte, es war das Gefühl, jemanden zu haben, der für ihn da war, wenn er ihn brauchte, es war das Gefühl der Geborgenheit, das er sich wünschte und nicht erhielt. Die Psychopathen – pardon, die Psychologen, meinten, er hätte keinen Lebenswillen mehr seit „dieser Nacht“ (und sie schafften es noch nicht einmal, über ihren Scheißschatten zu springen und den Tod seines Vaters, seiner Familie, seines Freundes, seines Vertrauten durch dieses verschissene Feuer beim Namen zu nennen) – und es war das erste Mal, dass er diesen Quacksalbern Recht gab. Wenn er nicht wüsste, dass sein Vater ihn dafür bis in sein 33. Leben treten würde, würde er dieser erbärmlichen Farce ein Ende bereiten. °°° Sie waren deutsche Urlauber, munkelte man. Sie waren zusammen. Sie waren verliebt. Sie waren einfach nur ätzend. Es kotzte ihn an, und er wusste nicht, welche Vorstellung schlimmer war: Dass dieses ihn kotzen lassende Liebespaar wirklich so glücklich und verliebt war, wie es aussah oder dass es nur eine dieser Scheinbeziehungen à la Total-happy-forever-aber-hinter-dn-Türen-ist-er-ein-Vergewaltiger-und-sie-illegal-eingereiste-Putze-aus-Kroatien. °°° Es war zu seinem Hobby geworden, sie zu beobachten. Es war… wie ein besseres Leben zu leben und obwohl er die beiden sich zu Tode küssenden, gutaussehenden, sich liebenden, ätzenden Menschen immer noch kein Stück weit leiden konnte, sah er ihnen weiterhin durch das von weißen Spitzengardinen verschleierte Fenster zu, wie sie lebten – er fühlte sich lebendig und er fühlte sich gut, wenn er den Aspekt ignorierte, dass er zu einem Stalker mutierte. Es war, als hätte er plötzlich ein Leben, ein schönes Leben und solange er sich das vormachte, hatte er die Chance, dieses beschissene Jahr zu überstehen, damit er sich, wieder daheim in Berlin, endlich sein zum Teufel beschissenes Leben nehmen konnte. Und hier ging das nicht. Schließlich wusste jeder in diesem Scheißdorf, was dieses Scheißhaus zu bedeuten hatte und jedes Geschäft und vermutlich jede Klatschtante dazu war informiert worden, ihm keinerlei spitze Gegenstände auszuhändigen, von Rauschmitteln, Schmerzmitteln oder Seilen ganz zu schweigen. Suizid ade. °°° Das erste Mal, dass sie miteinander sprachen, war es ein Donnerstag im März. Sie waren jetzt schon seit drei Wochen hier und sie waren noch genauso kariesverursachend wie zu Beginn. Und jetzt stand diese beschissen schöne Frau in seiner Tür – sie war rothaarig und hatte dunkelblaue, fast schwarz schimmernde Augen – und bat ihn, rüberzukommen und mitzuessen: „Bitte…?“ „Jack.“ „Bitte, Jack. Es ist doch nur ein Essen. Ganz unkonventionell. Schauen Sie, wir wohnen jetzt schon fast einen Monat nebeneinander… finden sie nicht, dass es nötig wäre, mal auf so was wie gute Nachbarschaft zu trinken?“ Ihr Lächeln war bezaubernd, ließ Gletscher schmelzen und berührenswünschende Grübchen entstehen. Sie warf ihre flammende Feuerpracht über ihre Schulter gleiten und schenkte ihm den besten Hundewelpenblick, den er jemals in seinem 19-jährigen Leben gesehen hatte. Heiß und gefährlich, süß und verführerisch. Flüssiges Karamell. „Bitte“, hauchte sie und Jack wunderte sich für einen kurzen Moment, warum sie so hemmungslos mit ihm flirtete, obwohl da gegenüber ihr toller, perfekter Freund wartete und er fragte sich auch, was sie an ihm selbst fand. Er wusste, er war gutaussehend, aber… Jack versuchte den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken. Sein Vater war gutaussehend gewesen. Der Lover war gutaussehender gewesen. Und seine Mutter am schönsten auf der ganzen Welt. Jetzt war sein Vater tot. Und seine Mutter auch. Die Frau schien sein Schweigen als Ja zu interpretieren, denn sie strahlte und ging, nachdem sie ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte, davon. „Gut, wir sehen uns dann heute Abend um neunzehn Uhr bei mir und meinem Freund.“ Jack hatte nicht mehr die Chance und auch nicht die Lust, Einspruch zu erheben, und schüttelte bloß den Kopf. Dann setzte er sich vor den Fernseher in seinem kleinen Wohnzimmer und hämmerte sich mit Soaps zu. Die sprangen zumindest nicht aus dem Fernseher und wollten mit ihm Abendessen. °°° Der Grund, warum Jack nicht hatte zu ihnen gehen wollen, war der, dass er Angst hatte, plötzlich zu sehen, dass sie doch unperfekt und menschlich waren. Es war klar, dass sie Menschen waren, aber doch schienen sie so vollkommen, dass er sie ansehen konnte und von einem schönen Leben halluzinieren konnte, stellte Jack fest, als er vor deren Türstand und auf die Klingel drückte. Sie war wieder ein Traum, wie die Schönheit, wie das Licht in seiner reinsten Form. Luc. „Danke… für die Einladung“, sagte er der Höflichkeit halber und versuchte sich an einem Lächeln. Es fühlte sich eingerostet an. Luc strahlte zurück, manövrierte ihn in Richtung Wohnzimmer und platzierte Jack, munter über ein Rezept mit irgendeinem Portwein und Löffelbiskuit plappernd, auf einen der mit braunem Leder überzogenen Stühle. Jack fragte sich, wo Lucs perfekter Freund abblieb und verspürte merkwürdigerweise in keiner Weise den Wunsch, ihm die Freundin auszuspannen. Luc war schön und lustig und nett und charmant und die perfekte Schwiegertochter – obwohl das nun wirklich nicht bei ihm das Maß aller Dinge war – aber er fühlte nichts Sexuelles, wenn er sie ansah. Nicht, dass er wirklich schon oft verliebt gewesen war, aber er… es war… als gäbe es diese Seite in seinem Leben nicht mehr. Jack grinste zynisch über die Unlogik – vor ein paar Monaten erst hätte er sie schon längst flachgelegt. Der perfekte Freund stand plötzlich in der Tür, lässig und elegant zugleich, so, wie es die Hollywoodstars selbst noch nicht mal nach 20 Jahren Showgeschäft konnten, und hatte ein wunderbares Lächeln auf den Lippen, und es ließ Jacks Blut zu Feuer werden und zu einer äußerst unangenehmen Stelle fließen. Unangenehm, wenn man da gerade eine Erektion wegen des Freundes der wunderbarsten Frau bekam, die man kannte. Sehr unangenehm. „Jack, das ist mein Freund Bastian.“ °°° Jack hätte nicht gedacht, dass es so wunderbar sein würde. So wunderbar schön – so wunderbar verliebt. Liebe auf den ersten Blick, so sehr, dass er sterben wollte vor Glück… Ein merkwürdiges, aber wunderbar fantastisches Gefühl. Freier Fall. Freie Gefühle. Frei sein. Frei. Frei. Frei. Endlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)