Schnappschüsse von bells-mannequin ================================================================================ Kapitel 4: Winter – Klirrender Abschied --------------------------------------- „Und wollen Sie, Lucinda Marie Hoffmann, den hier anwesenden…“ Jack hatte schon vor einer halben Stunde aufgehört, zuzuhören. Nun stand er hier am Altar und sah zu, wie Bastian und Luc getraut wurden. Kirchlich, mit vollem Trara, genau so, wie Luc es sich schon immer in ihren pinksten Barbieträumen ausgemalt hatte. Sie war so süß gewesen, in all ihrer Nervosität und Hektik, so liebenswürdig wie eh und je, und er lässig wie immer, aber doch liebevoll und bereit, in die ewige Verdammnis mit seiner wunderschönen Braut zu schreiten. Plötzlich, der Ringtausch war an ihm vorbeigeweht wie der kalte Windhauch, der seine Wange gestreift hatte, ruckte die Gegenwart, die Realität wieder und er verließ seine schützende Gefühllosigkeit. Er nahm den tosenden Applaus wahr, der in der kleinen Kirche hallte. °°° Sie strömten aus dem Gebäude wie eine Flut, lachend und sich unterhaltend, die Kälte vergessend und das wunderschöne Brautpaar betrachtend. Jack bemerkte sie. Die Kälte, die Fehler. Da waren die Idioten, die, die Bastian und Luc beneideten, die, die Luc um Bastian beneideten. Da war die Mutter von Luc, unzufrieden und allein in ihrer Wut, die abseits von all den anderen stand und sich tapfer bemühte, die Tränen zu unterdrücken. Wenn es etwas Grauenvolles für eine Mutter gab, dann war das wohl der Fakt, zu wissen, unerwünscht zu sein. Und da war er. Er, der größte Fehler. Er, Jack. Die Leute hatten geredet, natürlich hatten sie über ihn geredet, aber vermutlich nur, um Luc in einem noch helleren Licht erstrahlen zu lassen. Jack würde irgendwann erblinden. Luc, die perfekte Frau. Luc, die liebevolle Braut. Luc, die wunderschöne Künstlerin. Luc, die gütige Sozusagen-Schwester für ihn, den Sozusagen-Wohlfahrtsfall. Jack, der bemitleidenswerte Junge ohne Familie. Jack, der gutaussehende Trauzeuge. Jack, der beste Freund der Braut. Jack, die Ex-Affäre des Bräutigams. Immer und immer wieder. Der pfeifende Wind stand im Gegensatz zu der strahlenden Wintersonne, die Hochzeit im Gegensatz zu der Wahrheit. Aber er würde mitspielen, um Lucs willen, um Bastians willen, um seiner selbst willen. Er hatte nicht vor, sich selbst Schmerzen zuzufügen. Er wollte hier nur noch weg. °°° „Lass uns tanzen, Jack!“ Luc kam strahlend und mit geröteten Wangen auf ihn zu, die Arme ausgestreckt. Es hatte vor einigen Stunden gedämmert, nur noch einige lümmelten am fabelhaften Büfett, die Tanzfläche war nur von noch den hartgesottenen Tänzern befüllt. Das Hotel, das für die Hochzeitsfeier gemietet worden war – zufälligerweise war Bastian häufiger im Testament seines Großonkels genannt worden – schimmerte im warmen Kerzenlicht. Jack ließ sich widerstandslos mitziehen und während sie schweigend tanzten, fiel sein Blick wie automatisch zu Bastian, der sich gerade mit Lucs Mutter unterhielt. Luc seufzte. „Ach, Jack – manchmal kann ich gar nicht glauben, dass alles so passiert ist. Weißt du was?“ Er lächelte schwach. „Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen.“ „Nur dank dir haben Bastian und ich geheiratet.“ Er starrte sie geschockt an, hielt mitten auf der Tanzfläche. Alles verschwamm, es schien, als würde sich alles um Luc und ihn herum auflösen, bis nur noch sie gestochen scharf war. In Szene setzen. „Na ja, ich glaub, er war öfters echt eifersüchtig auf dich und überhaupt – Schweden hat unserer Beziehung gut getan. Ich war bei uns zuhause wirklich öfter am Überlegen, ob ich nicht Schluss machen sollte-… aber mittlerweile bin ich so glücklich mit Bastian… als… als hätte ich mich neu in ihn verliebt.“ Sie lächelte, dachte, dass er sich nun – irgendwie – geschmeichelt fühlte, dass seine Erstarrung eine ‚Oh-wow-so-ist-das-also’-Überraschung und keine ‚Alles-ist-scheiße-weil-das-meine-Welt-auf-den-Kopf-stellt-und-das-auf-eine-Weisedie-mich-kotzen-lässt'-Überraschung. °°° „Die Flitterwochen gehen nach Hawaii?“ „Yeah.“ „Ich wünsch euch… alles Gute.“ „Danke.“ Der Abschied zwischen Bastian und Jack war unterkühlt und ließ ihn mehr frösteln als der kalte Schneeregen, der langsam herunterrieselte und weiß und unberührt im kalten Mondlicht leuchtete. Das ‚Auf Wiedersehen’ von Luc war tränenreicher und um einiges glatter verlaufen, auch wenn sie nicht wusste, dass zwei Wochen auch für immer sein konnten. Zwischen Luc und ihm selbst standen immerhin nicht dieselben Dinge wie zwischen Bastian und ihm. Aber er hatte sich verharkt. Und er konnte nicht vor und nicht zurück, während sie vor dem Hotel standen, in dem alle Hochzeitsgäste nächtigten. Die Frischvermählten würden am nächsten Morgen in aller Früh zum Flughafen fahren – aber Jack hatte keineswegs vor, so lange zu bleiben, bei all diesen gemalten Masken, nur, um seinen-… Lebensinhalt wegfahren zu sehen. Nicht nur Bastian, auch Luc und immer und immer wieder die Wärme, die ihn das ganze vorherige Jahr begleitet hatte, hervorgerufen durch Zuneigung, Liebe… zerstört durch den Wunsch, gut zu sein. Gott, wie er es hasste. °°° Es wunderte Jack nicht, dass er noch spät nachts auf Bastian traf. Mit ihrer ganzen Beziehung könnte man ein Buch voller Klischees aufbauen, also musste er natürlich noch auf seine Ex-Affäre treffen, etwas anderes kam überhaupt nicht in Frage. „Es tut mir leid, Jack. Es tut mir wirklich leid“, begann Bastian irgendwann, sie standen im riesigen Garten, der direkt hinter dem Hotel stand, unter einer alten, gewaltigen Buche. Oder Eiche. Was auch immer. „Das ändert nichts, Bastian“, erwiderte er. „Nur, weil du dein bis zum Himmel stinkendes Gewissen bereinigen will, heißt das nicht, dass ich mitziehe.“ „Ich will nicht, dass du mitziehst. Ich will, dass wir irgendwann wieder normal miteinander reden können. Luc würde nie und nimmer den Kontakt zu dir abbrechen und du sollst der Patenonkel werden, das wünschen wir uns beide. Ich mag dich, Jack.“ Jack lachte bitter auf. „Falsch, Bastian. Du magst mich nicht. Du liebst mich. Du weißt das, genauso wie ich. Das Problem ist nur, dass du mich nicht genug liebst.“ „Es ist nicht nur meine Schuld, Jack“, sagte Bastian irgendwann in die Dunkelheit. Jack rieb sich die Arme. „Oh, natürlich ist es nicht deine Schuld. Aber scheiße, weißt du, wie verdammt egal mir ist, ob es deine, meine oder die Schuld von irgendeinem anderen Fick-Wichser ist?! Ich liebe dich immer noch, Bastian. Und es tut weh, zu wissen, dass es nichts bringt. Auch wenn ich genau weiß, dass es richtig ist.Du wirst ein großartiger Vater, Bastian, und ein noch viel großartigerer Ehemann. Luc wird das beste Leben führen, das es gibt – das einzige, was fair ist… für sie.“ Er stockte. „Ich liebe Luc so sehr. Und dafür hasse ich sie.“ „Jack, wir sind doch immer noch Freunde, du bist wie Lucs kleiner Bruder für sie, ich werde die Zeit in Schweden für immer in Gedanken halten, ich…“ „Wir werden uns nicht wiedersehen, Bastian.“ Bastian hörte auf, an seinem Pullover zu zupfen, sein Atem stockte. „W-was…?“ „Bastian, ich will nicht melodramatisch werden. Es war eine wunderschöne Zeit mit dir und Luc, aber jetzt will ich das alles nur vergessen. Ich möchte dieses Jahr wegstecken und irgendwann in zwanzig Jahren aus meinem verstaubten Gedanken heraussuchen, um darin schwelgen zu können. Ich will dich vergessen. Lass mich dich vergessen, Bastian. Das ist das einzige, was ich von dir verlange.“ „Jack…! Bitte – bitte, überleg… i-ich meine… warum…“ Jacks Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Das soll keine Rache sein. Ich möchte nur vergessen. Lässt du mich?“ Bastians Schultern zuckten, sein Gesicht war dem Boden zugewandt. Als er aufblickte, war da nur die pure Liebe, pure Liebe zu ihm - und Entschlossenheit. „Ich lass dich. Leb wohl, Jack.“ Es war das erste Mal, dass sie sich so küssten, so ohne Angst, ohne Fehler, ohne Luc, ohne Lügen. Nur Bastian und Jack. Nur reine Gefühle, es war einer dieser Küsse, die Wahrheit bedeuteten, der Kuss, von dem jeder träumte – die, die ihn bekommen hatten, als Albtraum, die, die ihn sehnsüchtig erwarteten, als Wundertraum. Der Ausbund aller Gefühle. Ehrlichkeit war niemals gut, nicht so. Ehrlichkeit trennte. Deswegen waren Luc und Bastian zusammen. Und Jack fort. Jack war fort. _______ Noch ein Fitzel-Epilog, dann ists fertig. Hab ich schon erwähnt, dass ich den Wettbewerb gewonnen hab? Danke für 0 Kommentare! *ironisch grinst* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)