Stille Tränen von MajinMina (Die Entscheidung eines großes Bruders) ================================================================================ Kapitel 1: Stille Tränen ------------------------ Ich habe meine alte Daten-CD wiedergefunden und beschlossen, diese FF aus dem Jahre 2002 zu entstauben...Für alle, die sich in einer ähnlichen Situation befinden / befunden haben... -- Stille Tränen Erinnerungen eines großen Bruders Geschrieben: 15-03-2002 -- Licht, flimmerndes Licht... wie damals.. die ersten Erinnerungen.. Gefühle, vermischt mit Sinneseindrücken... der Geruch... die Stimmen... die Leuchtenden Kugeln... ich fühle etwas weiches unter meinen Fingern ... einen weißen Stoffhasen... Ich höre Gelächter... Ich höre mich auch lachen. Ich sehe meine Eltern. Sie lachen. Sie sind glücklich. Wir sind alle glücklich zusammen. Ich sehe neben meine Mutter. Mein Bruder. Er ist erst 4 Monate alt. Er schläft. Aber er ist bestimmt auch Glücklich. Das Licht geht aus... Vater schaltet die Elektrischen Kerzen am Weihnachtsbaum an. Ein sanftes, gelbliches Licht erhellt das Wohnzimmer. Die Kugeln strahlen es wieder wie kleine, silberne Sternchen. Wärme.. Geborgenheit.. Ich drücke meinen Stoffhasen ganz fest an mich, und kuschle mich zwischen Mutter und Vater. Plötzlich ein kleiner Schrei... Takeru... mein Bruder ist aufgewacht. Hat er Hunger? Hat er Bauchweh? Er schreit, weint, zappelt und will nicht aufhören. Mutter versucht ihn zu beruhigen, aber er will nicht. Vater schaltet das Licht an... Die Wärme, die Geborgenheit verschwindet. Ich höre nur T.Ks Schreie... ...Schreie... Damit wachte ich auf. Ein Traum? Ein Traum... Stille... keine Schreie mehr.. nur eine schöne Erinnerung. Ich öffne meine Augen, reibe mir den Schlaf daraus, meine Lieder sind schwer. Im Zimmer ist es dunkel. Neben mir leuchtet etwas weißes. Mein Stoffhase. Im Zimmer ist es dunkel, dunkel, dunkel. Da höre ich Mutter. Den Stoffhasen hat mir Mutter geschenkt. Ich höre sie reden... ruhig, aber dann wird ihre Stimme immer energischer und lauter. „Nicht schon wieder...“ Mein Kopf, der sich noch ziemlich verschlafen anfühlt, durchzuckt es mit Bildern aus den Letzten Tagen, Wochen, Monaten. Immer wieder Schreie... Träge öffne ich die Augen und sehe auf die Digitaluhr. 01.36 Uhr. „Na toll...“ Ich will wieder einschlafen, in meinen schönen Traum zurückkehren... aber ich kann nicht... unter mir im Stockbett höre ich T.K ruhig atmen. Er hat einen festen schlaf. Er hat bis jetzt noch nie was von den abendlichen Streitereien unserer Eltern mitbekommen. Er kann noch ruhig schlafen. Ich hörte meine Eltern immer diskutieren... Ich drücke mir mein Kissen um die Ohren, ich will nur Stille! Aber ich kann nicht einschlafen. Ich höre das Blut in meinem Kopf pochen, es macht mich verrückt. Unruhig wälze ich mich von einer Seite auf die Andere. Mir ist heiß. Ich trampele die dünne Decke ans untere Ende des Bettes. Blöder Sommer. Eine Hitze... Doch irgendwie wird es mir wieder kalt, also richte ich mich auf , um die Decke wieder über mich zu ziehen. Ich schaue auf die Uhr. 01.53 Uhr. Ich höre keine Stimmen mehr aus der Küche. Grummelnd taste ich nach meiner Decke, die schon wieder verschwunden ist... doch sie ist nicht da. „Mist,“ murmle ich leise, ich hatte die Decke aus dem Bett getreten, nun lag sie wahrscheinlich unten am Fußboden. Vorsichtig, um ja nicht T.K zu wecken, klettere ich langsam die Holzleiter des Stockbettes hinab. Stufe für Stufe schleiche ich mich aus meinem Bett, ein Brett knarrzt, und ich halte kurz inne, zu T.K schauend, mein Herz klopft. Er hörte nichts. Endlich unten angekommen, hebe ich meine Decke auf und will mich wieder hinlegen. Doch wie ich da unten stehe, barfuss, den rauen Teppich zwischen meinen Füßen spürend, die Decke über meinen Arm gelegt, in die Stille lauschend, wird mir klar, dass ich heute Nacht nicht mehr schlafen kann. Ich hab auch keine Lust mehr, es krampfhaft zu versuchen. Also schmeiße ich die Decke zurück in mein Bett, und pirsche mich in Richtung Zimmertür... Normalerweise stand sie immer einen Spalt offen. Ich hasse es genauso wie mein Bruder in völliger Dunkelheit zu schlafen. Doch meine Eltern hatten sie wohl geschlossen, damit wir ihren Streit nicht mitbekamen. Wie sinnlos... Den Streit würde jeder Mitbekommen, bei der Lautstärke. Außerdem stritten sie sich inzwischen nicht nur Nachts, wenn wir schon schliefen. Ich umfasse die Kühle Türklinke. Ob T.K eigentlich auch schon mitbekommen hatte, wie unsere Eltern sich stritten? Er war noch so klein... Lautlos öffne ich die Tür, ich hatte ja Übung darin... denn mindestens drei Mal die Woche passierte das Gleiche wie heute. Im Flur ist das Licht aus, aber unter der Küchentür schimmert ein schwacher Schein auf den Boden. Ich lasse die Zimmertür angelehnt, im Flur ist es trotz des Sommers kühl. Mich fröstelt es ein wenig. Ein Glas Milch, ein Glas Milch... Dass mir das beim Einschlafen auch nicht helfen würde, ist mir jetzt egal... ich will einfach irgendwas machen, bloß nicht wie ein kleines Kind im Bett herumliegen. Am Liebsten hätte ich jetzt mit meinen Freunden Fußball gespielt. Mit dem Fuß auf den Ball geschmettert. Gerannt, bis ich keine Luft mehr in den Lungen hätte... das hätte mich mehr abgelenkt als ein dämliches Glass Milch. -- 02.11 Uhr. Wie oft bin ich schon Nachts aufgestanden und habe mir ein Glas Milch geholt, nachdem meine Eltern sich gestritten hatten? Ich weiß es nicht. Doch diese Nacht war besonders schlimm. Es war das erste Mal gewesen, dass ich meine Eltern nicht nur wütend und streitend erlebt habe... Ich trat vor die Küchentür und lauschte... Waren meine Eltern noch auf? Mein Herz stockte, wie ein Messerstich tat es mir in der Seele weh.. ich hörte Mutter schluchzen. Sie saß noch da! Ich wusste nicht was ich machen sollte... ich konnte nicht zurück ins Bett gehen, und so tun, als würde ich nichts mitbekommen. Es ärgerte mich, dass unsere Eltern ihre Streitereien vor uns zu verbergen suchten. Ich wollte, das es gar keine Streite mehr gab, das alles so war wie an dem letzten glücklichen Weihnachtsfest, an das ich mich erinnern konnte. Warum konnten sie sich nicht vertragen? Warum mussten sie sich andauern gegenseitig verletzen? Ich spürte Angst, tief in meinem Herzen, als ich da so stand und meine Mutter weinen hörte - ich hatte Angst, das sie sich trennen würden. Diese Angst wuchs von Tag zu Tag. Ich versuchte sie zwar zu verdrängen, aber diese Tatsache konnte man nicht einfach übergehen. Meine Mutter weinte... wegen Vater. Sie war nicht mehr glücklich... Wir waren keine glückliche Familie... wir waren Leute, die einfach vor sich hinlebten, und nur heimlich ihre wahren Gefühle zeigten. So wie Mutter und Vater ihre Gefühle vor uns verbargen, so verbarg ich alle meine Gefühle vor ihnen. Ich war der große Bruder. Ich hatte Verantwortung.. Wenn unsere Eltern sich nur Streiten konnten, dann musste ich eben für Takeru sorgen! T.K... Ich stand noch 15 Minuten vor der Tür, bis ich hörte, wie meine Mutter aufstand. Dann rannte ich schnell zurück ins Zimmer, wartete, bis ich hörte, wie sie die Schlafzimmertür schloss. Ich ging wieder zur Küchentür, nun war es im ganzen Haus dunkel. In der Küche war alles ganz normal, keine Anzeichen, dass hier eben ein Streit stattgefunden hatte. Es war dunkel und leer, wie in meiner Seele. Mutters Parfum lag noch in der Luft. Ich setzte mich auf den Stuhl, auf dem sie gerade eben noch gesessen hatte und legte den Kopf auf den Tisch. Ich versuchte zu weinen, wie sie. Tränen tropften auf die Holztischplatte. Ich wischte sie ab. Ich durfte meine Eltern nicht auch noch unglücklich machen. Ich war doch der große Bruder. Meine Eltern hatten es mir Gezeigt. Und was einem die Eltern beibrachten, das musste doch stimmen! Die Eltern sind erwachsen, und wenn man erwachsen ist, macht man doch alles richtig! Meine Eltern zeigten ihre wahren Gefühle nicht. Ich war der große Bruder. Ich war der große Bruder, verdammt!. Ich durfte meine Gefühle auch nicht zeigen. Denn sonst ... wäre es vielleicht meine schuld, wenn mein kleiner Bruder auch noch unglücklich würde. In meinem Bett wartete der weiße Stoffhase. Unter mir schlief T.K, ruhig atmend, glücklich träumend. Er war noch ein Kind. Und er würde beschützt werden von seinem großen Bruder. Die Küchenuhr tickte. 02.27 Uhr. Seit dieser Nacht habe ich nie wieder in Gegenwart irgendeines Menschen geweint. -- Wie gesagt, eine alte Geschichte. Mein Schreibstil war damals noch ziemlich anders. Aber als ich die CD mit den Geschichten neulich gefunden habe, fand ich es schade, dass ich sie niemals veröffentlicht hab. Ich glaube, damals war sie einfach zu persönlich für mich... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)