Darkside von Taetholeth (Mit der Dunkelheit kommt die Angst) ================================================================================ Kapitel 2: Der erste Schultag ----------------------------- Eine Hand auf meiner Schulter holte mich in die Wirklichkeit zurück. Erschrocken wirbelte ich herum und blickte in das besorgte Gesicht meines Bruders. „Was ist passiert? Bist du okay?“ Fürsorglich drückte er mich an sich. Ich zitterte am ganzen Körper. „ Na komm. Gehen wir erst mal rein.“ Schützend zog mein Bruder mich in die Halle. Der Mann von vorhin trat auf uns zu. „Wo waren sie, Fräulein?“ Ich schluckte meine Angst hinunter und erwiderte: „Ich war draußen im Garten am Brunnen.“ „Ist irgendetwas vorgefallen?“ „Naja“, druckste ich herum. „Schwesterchen.“ Ich seufzte. „Da war so ein Typ, der mir Angst gemacht hat.“ „Wie sah der Mann aus?“, fragte mich mein Bruder. „Er hatte orangefarbene Haare, eine weiße Uniform und sah fast übermenschlich hübsch aus.“ „Das war ein Schüler aus der Nightclass“, seufzte der Direktor. „Aus der Nightclass?“ Verwirrt wollte ich schon nachfragen, aber da kam der Direktor, wie ich nun wusste, zuvor. „Es gibt zwei Stufenarten bei uns. Die Day- und die Nightclass. Wie schon der Name sagt, lernen die Klassen am Tage und in der Nacht.“ Ich nickte, stutzte aber. „Ist es normal, dass die Schüler aus der Nightclass so wirres Zeug reden, über Blut und so?“ „Mach dir darüber keine Gedanken“, riet mir mein Bruder. „Aber“, wollte ich widersprechen. Mit einer harschen Handbewegung brachte er mich zum Schweigen. „Nichts aber. Du gehst jetzt auf dein Zimmer und ruhst dich aus. Morgen wird ein anstrengender Tag“, wies mein Bruder mich an. „Und wo soll das sein?“, gab ich mürrisch von mir. „Im Hause Sonne, erster Stock Mädchentrakt, letzte Tür auf der rechten Seite, Zimmer 18“, antwortete stattdessen der Direktor. Somit wandte ich mich um und verließ die Halle. Ich guckte mich nach allen Seiten um, während ich zu dem Haus ging. Wütend stampfte ich die Treppen zur Eingangstür hoch und riss diese auf. Mit einer kräftigen Windböe schlug sie wieder zu. Suchend schritt ich die nächste Treppe rauf und fand schließlich mein Zimmer. Erschöpft, von den Strapazen des Tages, machte ich mich bettfertig, legte mich hin und schlief kurz darauf tief und fest. Am nächsten Morgen weckten mich die warmen Sonnenstrahlen, die in mein Zimmer fielen. Müde legte ich mich auf die andere Seite. Vor Schreck fiel ich fast vom Bett. Mist! Die Uhr zeigte bereits 7.30 Uhr. In einer halben Stunde würde mein Unterricht beginnen. Im Schnelldurchgang duschte ich, machte mir die Haare und zwängte mich in meine neue Uniform. Prüfend beschaute ich mich im Spiegel. Das Resultat konnte sich sehen lassen. Ich schnappte mir die Schultasche, verließ mein Zimmer und machte mich auf den Weg in meine Klasse. Dort angekommen trat ich vorsichtig in das Klassenzimmer. Sofort lag die ganze Aufmerksamkeit auf mir. Nervös blickte ich mich um und entdeckte einen freien Platz am Fenster. Mit etwas mehr Mut schritt ich auf ihn zu und setzte mich. Hinter mir wurde leise geflüstert. Still seufzte ich. Das konnte ja lustig werden. Auf einmal verstummten die Gespräche. Prüfend sah ich zur Tür. In jener stand unser Lehrer und musterte mich eindringlich. Schnell wandte ich den Blick ab. Ich hörte Schritte näher kommen, die schlussendlich vor meinem Tisch stehen blieben. „Du musst unsere neue Schülerin sein“, sprach mich der Lehrer an. Ich schaute nach oben in sein Gesicht und nickte. „Gut, wenn du Schwierigkeiten hast mitzukommen, dann sag bitte Bescheid.“ Wieder ein Nicken meinerseits. Mit dieser Art der Antwort schien er anscheint zufrieden zu sein, weil der Lehrer sich dem Rest der Klasse zuwandte. „Heute muss ich euch leider mitteilen, dass ich euch nicht unterrichten werde.“ Sofort brüllten alle durcheinander. Beschwichtigend hob er die Arme. „Beruhigt euch. Der Unterricht fällt für den restlichen Tag aus, aber dafür habt ihr heute Abend Schwimmen. Also erscheint um 20 Uhr beim Schwimmbecken, mit euren Sachen“, wies der Lehrer uns an. Jubelnd rannten alle aus der Klasse. Entgeistert sah ich meinen zukünftigen Klassenkameraden hinterher. So benahm sich die Dayclass? Die hatten garantiert noch nie was von Disziplin gehört. „Du scheinst überrascht zu sein“, richtete mein Lehrer das Wort an mich. „Ja. Ich dachte, dass soll das beste Internat sein, wo Disziplin am Höchsten angerechnet wird. Aber diese Klasse hier“, zeigte ich zur Tür, „hat auf jeden Fall noch nie etwas davon gehört“, gab ich säuerlich zurück. „Das stimmt. Die Dayclass ist das komplette Gegenteil von der Nightclass. Sie geben die ganze Eleganz der Schule wider. Du solltest eher in diese Klasse und nicht in unsere.“ Nachdenklich beobachtete er mich. Ich zuckte mit den Schultern, erhob mich von meinem Stuhl, nahm meine Sachen und ging aus der Klasse, ohne dem Lehrer weiter zu beachten. Aus dem Gebäude raus blieb ich stehen. Wie sollte ich meinen Tag jetzt gestalten? Es sollte hier eine Bibliothek geben. Da würde ich den Rest des Tages verbringen. Leicht lächelnd machte ich mich auf den Weg. Das blöde an der ganzen Sache war nur: Ich wusste gar nicht, wo die lag. Tja, dann musste ich wohl jemanden fragen. Vor mir bog ein Mädchen auf den Pfad. Die Gelegenheit! Schnell lief ich zu ihr und tippte dem Mädchen auf die Schulter. „Verzeihung?“, fragte ich schüchtern. Verwundert drehte sie sich um. „Ja?“ „Könnten sie mir sagen, wie ich zur Bibliothek komme?“ Ein Lächeln zierte ihr Gesicht. „Natürlich. Du musst in die Richtung weitergehen. Dann kommst du zu einem großen Gebäude. Dort gehst du hinein, die Treppe hoch und öffnest die zweite Tür auf der rechten Seite.“ Dankbar sah ich das Mädchen an. „Du bist neu hier, oder?“ Fragend schaute sie in mein Gesicht. „Stimmt. Mein Name ist Miharu. Wie heißt du?“, fragte ich. „Ich heiße Yuki.“ Ich nickte. „Okay. Ich gehe dann mal. Auf jeden Fall danke für die Hilfe“, verabschiedete ich mich. „Nichts zu danken. Gern geschehen.“ Somit folgte ich Yukis Wegbeschreibung. Nach kurzer Zeit hatte ich bereits die Bibliothek gefunden. Staunend besah ich sie mir. Die Größe konnte sich durchaus sehen lassen. Bei dem Regal Fantasy und Geschichte blieb ich stehen. Neugierig griff ich nach irgendeinem Buch und schlug es auf. Die ersten Zeilen, die ich aus diesem Buch las, sollten anscheint eine Art Gedicht oder Lied sein. Ich sang von Laub, von goldnem Laub und schon hat sich’s gekräuselt, Ich sang vom Wind, und sieh, er kam, der in den Zweigen säuselt. Eh noch die Sonn‘, eh noch der Mond zum ersten Male schien, Schon wuchs der Baum des goldnen Lichts am Strand on Ilmarin. Als nur die Sterne Eldamars die ewge Nacht verscheuchten, Das sah man ihn die Elbenstadt von Tirion beleuchtet; Lang wuchs dort goldenes Laub am Jahreszweig der Zeit, Doch jetzt klagt hinterm Scheidemeer das Elbenvolk sein Lied: O Lorien! Der Winter naht, die leeren, toten Tage, Die Blätter treibt der Fluss davon, wohin er sich auch trage. O Lorien! Zu lange säum‘ ich hier im Lande schon Und flecht mir goldne Elanor in die verblichne Kron. Doch sänge ich von Schiffen nun, wüsst ich nicht, welches wäre Zur Fahrt bereit und trüge mich über die weiten Meere. Von dem Text förmlich gefesselt suchte ich mir einen Sessel aus und machte es mir bequem. Seite für Seite schlang ich in mich hinein. Ohne, dass ich es bemerkte, verlief die Zeit wie im Fluge. Erst die Bibliothekarin holte mich wieder in die Realität. „Entschuldigung, Miss?“ Erschrocken sah ich auf. „Ja?“ „Müssen sie nicht zum Unterricht?“ „Oh nein! Ich hab total die Zeit vergessen! Wie spät ist es?“, fragte ich, während ich hektisch aufsprang und meine Sachen zusammen suchte. „19.30 Uhr. Sie kommen also noch rechtzeitig zum Unterricht.“ „Danke. Darf ich mir dieses Buch erst mal ausleihen?“ „Natürlich, wenn sie es heil zurückbringen.“ „Okay, ich muss los. Vielen Dank.“ Schnell machte ich mich auf den Weg zum Haus Sonne. Schließlich musste ich mich noch umziehen. Wenige Minuten später stand ich bereits in meinem Zimmer vor dem Kleiderschrank. Da wir noch Spätsommer hatten, müsste es noch warm genug für einen Bikini sein. Seufzend entschied ich mich für den Dunkelblauen. Zusätzlich zog ich mir noch einen seidenen Bademantel über, um den Leuten nicht zu viel Einblick zu geben. Mit Ballerina an den Füßen und einen Handtuch bewaffnet, ging ich aus meinen Zimmer, die Treppe hinunter und aus dem Haus. Einige andere Mädchen konnte ich schon vom Weiten am Pool stehen sehen. Ohne die anderen zu beachten, schritt ich auf den Beckenrand zu und setzte mich. Vorsichtig ließ ich meine Beine, nachdem ich die Schuhe ausgezogen hatte, im Wasser baumeln. Sie fühlten sich so leicht und schwerelos an, während das Wasser meine Beine sanft umschmeichelte. Auf einmal wurde Getuschel hinter mir laut. Genervt verdrehte ich die Augen. Das war doch nicht mehr normal. Selbst die Mädchen auf meiner alten Schule verhielten sich nicht dermaßen kindisch. Und ich weiß wovon ich rede. Ich hörte zwischen dem Gekreische nur ab und zu ein „Oh Aido-Senpai“, oder „Kaname-Senpai“. Seufzend hörte ich ein Mädchen plötzlich sagen: „Kaname-Senpai! Wir haben eine neue Schülerin bekommen, aber bis jetzt hat sie noch mit niemanden gesprochen, außer dem Lehrer.“ -Oh nein!-, stöhnte ich innerlich. Vielleicht wollte ich mich auch mit niemandem unterhalten. Hatte die Tussi daran eventuell auch schon mal gedacht? Anscheint nicht. „Ist das so“, antwortete der Angesprochene. Ich unterdrückte den Drang über meine Schulter zu gucken. Hoffentlich würde der Typ mich in Ruhe lassen. „Hey, Miharu!“, rief mir, wie sollte es anders sein, eine Mädchenstimme zu. Desinteressiert blickte ich aufs Wasser und versuchte sie zu ignorieren. „Miharu!“, erklang es nun nachdrücklicher. „Du brauchst dich nicht zu wiederholen. Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden.“ „Und warum reagierst du dann nicht?“m empörte sich das Mädchen gleich. „Weil ich keine Lust habe“, und wandte mich ihr zu. Funkelnd sah ich dem Mädchen in die Augen. Leicht schluckte sie sichtbar. Mein Blick schweifte weiter und blieb an einem jungen Mann hängen, der in nicht allzu weiter Entfernung stand. Er erwiderte ihn ungerührt. Kurz besah ich mir den Mann, dunkelbraune, schulterlange Haare und braune Augen, ehr ich dann wieder aufs Wasser blickte. Schritte ertönten hinter mir. Unbewusst versteifte ich mich, spannte meine Muskeln an. „Bitte nicht“, flehte ich flüsternd. Der junge Mann hielt in seinen Schritten nicht inne, sondern ging weiter. Ich wusste nun, dass er sein Vorhaben nicht unterbrechen würde. Ärgerlich hob ich den Kopf, streifte, mit einer eleganten Bewegung, den Bademantel von meinen Schultern und ließ mich ins Wasser gleiten. Sofort tauchte ich unter und schwamm auf die andere Seite des Beckens. Ohne großen Kraftaufwand glitt mein Körper durchs Wasser. Auf der gegenüberliegenden Seite tauchte ich sanft aus dem Wasser heraus. Mit leicht zitterndem Atem hielt ich mich am Beckenrand fest. Um mich zu beruhigen, holte ich mehrmals tief Luft. Nachdem ich meine Fassade wider erlangt hatte, drehte ich mich um und begegnete den Blick des jungen Mannes kühl und distanziert. Er zeigte keine Regung, betrachtete mich aber ausgiebig. „Ah! Die Erste ist also schon im Wasser“, wandte sich eine Stimme an alle Schüler. Dem Ausruf folgend, entdeckte ich unseren Lehrer ganz in der Nähe von mir stehen. Lächelnd sah er mir in die Augen. „Nun dann. Hopp, hopp, meine Damen! Auf ins Vergnügen!“ Kopfschüttelnd musste ich mir im nächsten Moment das Lachen verkneifen. „Das Wasser ist viel zu kalt!“, quengelte auch schon die Erste los. Kurz darauf war ein wirres Stimmengewirr ausgebrochen. Ich hielt mir meine Ohren zu, da die Lautstärke um einiges zunahm. „Je kälter desto besser! Dadurch werden die Lebensgeister geweckt.“ „Sie sind doch verrückt! Mich kriegen da keine zehn Pferde rein“, schrien einige Mädchen. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben. Schnell hielt ich mir eine Hand vor dem Mund, aber es brachte nichts. Lautstark fing ich an zu lachen. Verwundert drehten sich alle Köpfe in meine Richtung. „Warum lachst du so?“, richtete sich ein blondes Mädchen an mich. Abrupt hörte mein Lachen auf und ich seufzte theatralisch. „Warum wohl?“ „Wenn ich es wüsste, würde ich nicht fragen“, giftete mich das Mädchen an. „Das liegt ja wohl auf der Hand. Ihr stellt euch alle an. Ein bisschen Abhärtung schadet euch nicht“, gab ich schnippisch zurück. Vor Zorn und Wut lief die andere rot an und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Meine Damen, ich bitte sie!“, funkte unser Lehrer dazwischen. Sofort hörte das Gezanke auf. „Bevor wir anfangen, möchte ich von ihnen gerne noch wissen, welches Schwimmabzeichen ihr habt.“ Fragend sah er die Klasse an. Da keiner eine Antwort gab, nahm er uns die Entscheidung ab. „Wer hat das Seepferdchenabzeichen? Einmal bitte melden.“ Forschend blickte ich zu meiner Klasse. Überall hoben sich die Arme. Fast ¾ der Schüler meldeten sich. Überrascht schaute ich zu meinem Lehrer und der wider rum zu mir. „Okay. Was ist mit Bronze?“ Der Rest der Klasse hob die Arme. Na das konnte ja lustig werden, dachte ich mir im Stillen. „Miharu?“ „Ja?“ „Du bist die Einzige, die sich bis jetzt nicht gemeldet hat. Was für ein Abzeichen hast du?“ Sofort waren wieder alle Blicke auf mich gerichtet. „Ähm..naja..Gold“, stotterte ich etwas schüchtern. Anerkennend sah er mich an. „Haben sie auch einen DLAG-Schein?“, fragte mich der junge Mann von vorhin. Vorsichtig nickte ich. Dies erwiderte er lächelnd. „Herr Lehrer? Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns ihre Schülerin kurz ausleihen?“, stellte der Dunkelbraunhaarige diese Frage. Aufmuntert nickte mein Lehrer. „Wenn du sie mir heil wieder zurück bringst, habe ich nichts dagegen einzuwenden.“ Völlig entgeistert lauschte ich dem Wortwechsel. „Und ich werde gar nicht erst gefragt?!“, wütend stieg ich aus dem Becken, wickelte mir mein Handtuch um und schritt auf den Bademantel zu. Ich bückte mich und hob ihn auf. „Ich gehe mit niemandem mit.“ Schützend vor dem immer kälter werdenden Wind, legte ich mir den Bademantel über die Schultern. Währenddessen ignorierte ich den jungen Mann und meinen Lehrer. Zügig drehte ich mich m und ging in Richtung des Hauses der Dayclass. Ein schmerzhafter Griff an meinem rechten Arm ließ mich innehalten. „Nicht so schnell, Kleine! Unser Hausvorstand möchte noch mit dir reden“, ertönte die klare Stimme eines Mannes. Meine blauen Augen weiteten sich. Diese..Stimme.. Das konnte doch nicht wahr sein! Hart schlug mein Herz gegen den Brustkorp, der Blutdruck erhöhte sich und unweigerlich hielt ich den Atem an. Stirnrunzelnd starrte der Typ mich an und wechselte dann den Blick zu Kaname Kuran. Schulterzuckend sprach der junge Schüler mich wieder an. „Hey, Kleine?! Was hast du denn?“ Mechanisch wandte ich den Kopf herum. Fast schon panisch riss ich mich los, wich ein paar Schritte zurück und presste die Hand auf meine rechte Hauptschlagader am Hals. Rasselnd ging meine Atem und die Gedanken überschlugen sich nur. Immer wieder schüttelte ich den Kopf, ohne es zu registrieren. „Miharu, was hast du denn?“, fragte mich der Lehrer. Mein Körper bewegte sich nicht, schien aus Eis zu sein. Das einzige woran ich denken konnte, war dieser junge Mann vor mir. „Der Unterricht ist für heute beendet. Geht bitte jetzt alle zurück zu eurem Haus“, wandte der Lehrer sich an die Klasse. Freudestrahlend begaben sich die Schüler auf den Rückweg. Als nur noch die Nightclass, mein Lehrer und ich da waren, herrschte absolute Stille. Mit Bedacht langsamen Schritten trat er auf mich zu. „Kommen sie ja nicht näher!“, fuhr ich ihn an. „Miharu, jetzt beruhige dich.“ Vorsichtig streckte der Lehrer seinen Arm aus um zuzupacken. „Fassen sie mich nicht an!“, schreckte ich, immer noch mit der Hand am Hals, zurück. Plötzlich schlang sich ein Arm um meine Taille und zog mich an einen fremden Körper. Sofort versuchte ich mich loszureißen und zappelte herum. „Loslassen! Lassen sie mich los!“ Mittlerweile konnte man mich schon als hysterisch bezeichnen. Mit den Armen schlug ich immer wieder auf den anderen sein. Ruckartig packte mein Lehrer meine beiden Hände und hielt sie fest. Überrascht schaute ich auf und hörte für einen Moment mit der Gegenwehr auf. „Shhh, Miharu.“ „Ganz ruhig, Kleine“, flüsterte der Mann mir ins Ohr. „Ich bin ganz ruhig! So ruhig, wie ich derzeitig sein kann!“ „Was ist passiert, dass sie derartig ihre Beherrschung verlieren?“, sprach mich nun Hausvorstand Kuran an. Leicht zuckte ich zusammen. „Das kann ich nicht sagen“, seufzte ich. „Warum nicht?“ „Weil ich mir selbst nicht sicher bin, was ich gesehen habe.“ Verunsichert blickte ich nach unten. „Ich glaube das Beste ist, wenn wir irgendwo ungestört reden. Kaname sei bitte so nett und bring Miharu zum Haus Mond. Und du Aido sagst bitte dem Direktor Bescheid.“ Einstimmig nickten alle und somit wurde ich losgelassen. Dieser Kaname, zu meinem Leidwesen der Dunkelbraunhaarige, näherte sich und streckte mir seine linke Hand entgegen. Zögerlich legte ich meine Rechte hinein. Sanft lächelnd führte er mich an seiner Seite am Schwimmbecken vorbei auf dem Weg zum Haus Mond. Unkontrolliert zitterte ich am ganzen Körper, konnte es nicht verhindern. Der junge Mann bemerkte es durchaus, sprach mich aber nicht darauf an. Nach wenigen Minuten kam das Haus Mond bereits in unser Blickfeld. In rötlichen Farben leuchtend ragte es in der Abenddämmerung auf. Leicht langsamer werdend schaute ich mir das Wohnheim von unserem jetzigen Standpunkt aus an. Es schien auf jeden Fall größer und luxuriöser zu sein und es strahlte eine dunkle Aura aus, die mich noch mehr beunruhigte. „Kann ich mir das nochmal überlegen?“, fragte ich mich selbst murmelnd. „Ich fürchte nicht“, antwortete Kaname. Erschrocken riss ich mich los „Wie..“, stammelte ich. Langsam drehte sich der Hausvorstand zu mir. „Verzeiht, aber ich habe gute Ohren. Wenn sie mir nun bitte weiter folgen würden.“ Tief atmete ich durch und ging weiter, Kuran voran. Etliche Meter später standen wir vor der großen Doppeltür, groß und dunkel. Zügig öffnete Kaname die Tür und bat mich, mit dem ausgestreckten Arm, voraus zu gehen. Den Bademantel richtig angezogen, die Schnur fest um meinen Körper gebunden, kam ich der Aufforderung nach. Vor mir erstreckte sich eine riesige Eingangshalle samt Wohnzimmer. „Kaname-sama.“ Mehrere Männer und Frauen blickten mir aus dem Wohnzimmer entgegen. „Wer ist das denn?“, wurde ich sofort misstrauisch beäugt. Das wurde ja immer besser. Sarkasmus ist schon was Schönes. „Ruka, halt ich zurück“, erwiderte der Hausvorstand mit einem drohenden Unterton. „Ist es für sie in Ordnung, wenn ich sie mit Vornamen anspreche?“, wandte sich Kaname an mich. Zustimmend nickte ich. „Gut. Dann setz dich doch bitte schon mal ins Wohnzimmer. Ich komme gleich nach.“ Mit einem mulmigen Gefühl betrat ich das Wohnzimmer, setzte mich aber nicht, stellte mich stattdessen ans Fenster. Gedankenverloren rieb ich mir immer wieder über die Arme, die kalt geworden waren. Erst das Klicken der Tür holte mich aus meinen Gedanken. Die anderen Personen im Raum hatten bis zu diesen Zeitpunkt nichts gesagt. Schweigend schaute ich über meine Schulter und beobachtete wie ein dunkelblonder Mann mittleren Alters in Begleitung ins Wohnzimmer trat. Prüfend ließ der Direktor seinen Blick schweifen. Für einen kurzen Moment blieb dieser auf mir liegen, keine Regung im Gesicht zeigend. „Außer Kaname, Ichijo und Aido verlassen alle den Raum“, befahl der Direktor. Sofort kamen die Nightclass-Schüler dem Befehl nach. Langsam flammte Angst in mir auf. Um dies vor den Männern zu verbergen, starrte ich wieder nach draußen aus dem Fenster. „Setzen sie sich bitte, junges Fräulein“, wies mich der Direktor an. „Danke, aber ich stehe bequem.“ Hinter mir ertönte ein Seufzen. Schritte wurden laut, mehrere auf einmal. Zwei Hände legten sich behutsam auf meine Schultern. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, zuckte kaum merklich zusammen. „Soll ich deinen Bruder benachrichtigen?“, fragte der Direktor ernst. „Nein. Das ist nicht nötig“, sagte ich schnell und drehte mich um. Ich linste an ihm vorbei zu dem orangehaarigen, jungen Mann mit den grünen Augen. Meinen Mut zusammennehmend ging ich an dem Direktor vorbei und blieb vor diesem Aido stehen. Der junge Mann sah mich mit gerunzelter Stirn an. Zitternd hob ich meine rechte Hand und führte sie zu seinem Gesicht. Kurz davor stoppte ich allerdings, traute mich nicht ihn zu berühren. „Erinnern sie sich an mich?“, fragte ich und nahm die Hand runter. „Sollte ich?“ Verständnislos schüttelte er den Kopf. „Dann hat es keinen Sinn hier weiter zu reden“, gab ich enttäuscht zurück.„Warum nicht?“, mischte sich nun Kaname in das Gespräch ein. „Letzte Nacht..naja..ich..da..ach egal“, versuchte ich einen vernünftigen Satz zustande zu bringen und gab es schließlich auf. „Hat es mit dem Nightclass-Schüler zu tun?“ Erwartungsvoll sah der Direktor mich an. Dessen Blick konnte ich doch nicht sehen, da ich mit dem Rücken zu ihm stand. So nickte ich einfach. Ein junger Mann ca. 17 Jahre alt mit orangefarbenen Haar und grünen Augen wie sie hat versucht mich in den Hals zu beißen hinten im Garten am Brunnen“, erzählte ich das Geschehene. „Bitte?!“ Völlig geschockt erwiderte Aido meinen Blick. „Er kann es nicht gewesen sein. Aido saß besagte Nacht die ganze Zeit im Unterricht“, bestätigte Hausvorstand Kuran. Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Aber..ich weiß doch was ich gesehen habe. Der Kerl sah genauso aus wie er.“ „Tut mir leid, Kleine, aber dich hab ich bis vor ein paar Minuten gar nicht gekannt“, äußerte sich Aido. „Vielleicht haben sie sich getäuscht?“, warf der Direktor dazwischen. Das ließ mich nun doch langsam wütend werden und einerseits verletzte es mich auch. Ich log doch nicht, sagte die Wahrheit. Gut, dann halt nicht! Ich schluckte meine Gefühle hinunter und wandte mich von Aido ab. Ausdruckslos ging ich aus dem Wohnzimmer zur Haustür und legte die Hand auf den Türgriff. „Miharu, jetzt warte doch mal“, rief mir der Direktor hinterher. Ohne auf den Ausruf zu achten, öffnete ich die Tür und wollte den ersten Schritt machen. Bei wollte blieb es dann auch. Vor mir stand nämlich ein Mann des älteren Jahrgangs mit grauen Haaren. Er war anscheint gerade dabei gewesen die Tür von außen zu öffnen. „Verzeihung“, entschuldigte ich mich und ging an ihm vorbei. Schnellen Schrittes lief ich in Richtung des Schulgebäudes um von dort aus zum Haus Sonne zu kommen. Kurz schaute ich über meine Schulter nach hinten, ob mir jemand folgte. Dem war aber nicht so. etwas beruhigter, verlangsamte ich das Tempo. Mal wieder entfuhr mir ein Seufzen. Ich fühlte mich miserabel, einsam und nicht verstanden. Nach ca. zehn Minuten öffnete ich leise meine Zimmertür, machte mich bettfertig und schlief erschöpft ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)