Siebzehn von Porzellan_Puppe ================================================================================ Kapitel 8: Achter Tag - Wut --------------------------- Der Regen hat seit gestern nicht nachgelassen. Sakuras Laune war im Keller, als sie angekommen ist, trotz Regenschirm völlig durchnässt, und sie hat geflucht und getrieft. Aber sie hat sich erstaunlich schnell wieder beruhigt, sogar gelächelt, als ich zu ihr aufgesehen habe. Das war der Grund für mich, wegzuschauen und an ihr vorbei zu gehen, dorthin, wo sie mir sicher nicht folgen würde; raus in den Regen. Denn obwohl sie sich um mich bemüht, hindert mich etwas daran, zu lange mit ihr im selben Raum zu sein. Vielleicht ist es einfach nur, dass sie ja eigentlich für all das steht, was ich zutiefst verachte. Sie ist eine Kunoichi aus Konoha und liebt ihr Heimatdorf, sie hat eine intakte Familie und schätzt das nicht einmal, sie ist lästig, macht sich ständig Sorgen und, was mich vielleicht am meisten stört, sie ist immer so unpassend fröhlich. Anlass dazu hat sie ja auch, schließlich ist ihr Leben bisher relativ normal und schmerzfrei verlaufen. Kein Bruder, der ihre Familie abgeschlachtet hat. Keine Ältesten, die Schuld daran sind und ihr nach dem Leben trachten. Kein verdammter Fluch, der auf ihr lastet, weil irgendwann einmal ein Bruder neidisch auf den anderen war. Gar nichts. Sie ist all das, was ich nicht bin. Es ist so ungerecht. Und macht mich furchtbar wütend. Nicht so, dass ich mich nur schwer kontrollieren könnte, um nicht auf sie loszugehen. Meine Wut liegt tiefer und brodelt vor sich hin. Vielleicht ist es beginnender Hass. Irgendwo weiß ich zwar, dass sie nichts dafür kann, aber das ist mir jetzt egal. Ich will wütend sein. Der Regen tropft erbarmungslos auf mich nieder; kalt und nass rinnt er meine Schläfen herunter, meinen Rücken hinab. Es fühlt sich unangenehm an. Aber irgendwie betäubt er mich auch, bis zu einem Grad, an dem ich mich von allen intensiven Denkprozessen verabschiede. Stattdessen schaue ich einfach nur geradeaus. Der Himmel ist ganz düster, obwohl es erst Vormittag ist und die dichten Wolken scheinen sich nur noch mehr aufzutürmen, anstatt langsam aufzuklaren. Mir ist schwindlig. Vielleicht, weil ich seit gestern Morgen nichts mehr gegessen habe. Ich sollte besser auf mich achten, aber es ist mir einfach nur noch gleichgültig. Fast schon instinktiv wende ich mich zum Haus. Die Tür ist offen und an den Türrahmen gelehnt steht Sakura. Ich kann ihr Gesicht von hier nicht sehen, aber stelle mir vor, dass es besorgt und prüfend ist. Ihre ständige Präsenz macht mich nur noch aggressiver und ich bemerke am Rande, dass sich weiße Punkte vor meinen Augen ausbreiten. Ohne wirklich darüber nachzudenken, gehe ich zurück zum Haus und beschleunige meine Schritte stetig. Sakura weicht zur Seite, aus den Augenwinkeln sehe ich, dass sie mich ganz verwundert anschaut. Ich ignoriere ihre besorgten Rufe, während ich an ihr vorbeilaufe. Sie wagt es sogar, ihre Hand auf meine Schulter zu legen, und ich schüttle sie fast schon gewaltsam ab. Ihre Nähe ist gerade das letzte, was ich ertragen kann. Mein Weg ins Bad ist verschwommen. Keuchend stütze ich mich am Waschbecken ab, starre die ganze Zeit geradeaus, aber ohne wirklich etwas zu fixieren. Mein Verstand ist wie ausgeschaltet. Als das komische Gefühl langsam verebbt und ich glaube, mich gefangen zu haben, richte ich mich wieder auf und streife eine Hand durch mein Haar. Ich bin ganz zittrig. Und dann schaue ich auf, in den Spiegel. Tote Augen starren mich daraus an. Dieser Blick macht mich krank. Aber ich kann mich dennoch nicht davon losreißen. Es fasziniert mich und stößt mich ab zur gleichen Zeit. Irgendwann wird es mir jedoch zu viel; Wut baut sich wieder in mir auf, die ich nicht einmal zuordnen kann, und ich weiß nicht, worauf ich sie richten soll. Im Spiegel sehe ich, wie sich meine Augenbrauen zusammenziehen und meine Mundwinkel zucken. Dann schlage ich zu. Es klirrt; verwirrt beobachte ich den Scherbenregen und schaue dann zu den tausend kleinen Splittern, in denen ich mich verzerrt reflektiere. Verständnislos sehe ich auf, es hängen bloß ein paar vereinzelte Bruchstücke im Rahmen. Erst jetzt begreife ich richtig, was ich gerade getan habe. Und als ich das nächste Mal hinunterblicke, ist das Waschbecken rot gesprenkelt. Panisch taumle ich zwei Schritte zurück und erschrecke mich, als nur noch mehr Blut auf die Fliesen tropft. Mein Kopf fühlt sich so leicht an. Ich merke kaum noch, wie ich auf die Knie falle und wenig später auch mein Kopf aufschlägt. „Sasuke? Saaasuke?“ Ich höre eine Stimme am Rande meines Bewusstseins. Nur langsam realisiere ich, dass es Sakuras ist. Was ist denn los? „Sasuke!“ Mein Körper schmerzt. Es tut richtig weh; mein Nacken ist verspannt, die Glieder kraftlos und mein Kopf pocht wie verrückt. Ich will aufstehen, aber es geht einfach nicht. Verdammt… schon wieder so ein Black-Out. Wo bin ich hier überhaupt? „Bist du endlich wach?“ Das erste, was ich sehe, als ich meine Augen öffne, ist Sakura, die mir Luft zufächelt. Über ihr die kahle Decke und im Hintergrund ein Stück Waschtisch. Ah, Badezimmer. Jetzt spüre ich auch die kalten Fliesen im Rücken und etwas Flüssiges, das an meinen Schläfen hinabrinnt. …Blut?! Alarmiert reiße ich die Augen auf, aber sie bleibt ganz ruhig und lächelt mich an. In ihrem Blick kann ich sehen, dass alles in Ordnung ist. Dann werde ich ihr einfach mal vertrauen. „Du warst ohnmächtig, Sasuke, als ich dich gefunden habe. Während ich hier draußen gesessen hab, hat es plötzlich einen Knall gegeben und du hast mir nicht mehr geantwortet, als ich dich gerufen habe. Deshalb habe ich nachgesehen, ob es dir gut geht. Du hast schon so gelegen. Und der Spiegel war kaputt.“ Sie nimmt etwas von meiner Stirn, ein Tuch, und drückt es über dem Waschbecken aus. Deshalb ist mein Gesicht also so nass. Und, ja, ich erinnere mich. Mir ist furchtbar schlecht und schwindlig gewesen. Den Spiegel habe ich dann zerschlagen, weil ich das Bild darin nicht mehr ertragen konnte. Vielleicht ist das alles ein bisschen viel gewesen. Mein zweiter Aussetzer in den letzten paar Tagen. Sogar der dritte, wenn man den bei Madara in der Höhle mit zählt. Aber das tue ich nicht. Zweimal ist noch okay, rede ich mir ein. Und sich selbst belügen eine schöne Sache. „Sag mal, Sasuke… wieso hast du vorhin eigentlich den Spiegel zerschlagen?“ Wir sitzen beide wieder im Wohnzimmer, ich in die Decke gewickelt auf dem Sofa und sie auf einem Stuhl, den sie zu mir hingeschoben hat. Mir ist kalt. Vielleicht weil das Fenster offen steht. Ich bräuchte frische Luft, hat sie gemeint und sich auch nicht nehmen lassen, mir eine Tasse Tee zu kochen. Meine rechte Hand ist schon verbunden. Sie hat ein bisschen geblutet. „Das ist nicht wichtig.“ „Doch, das ist sogar sehr wichtig!“ Sie ist von ihrem Stuhl aufgestanden und baut sich vor mir auf. Respekteinflößender sieht sie so auch nicht aus. „Du bist einfach umgekippt, nachdem du den Spiegel zerschlagen hast. Ich möchte wissen, was da passiert ist. Bist du irgendwie wütend oder… geht es dir einfach nicht gut?“ Das ist so ziemlich die sinnloseste Frage, die sie mir stellen kann. Sehe ich denn so aus, als würde es mir gut gehen? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe zumindest ganz und gar nicht. Sie seufzt leise und setzt sich langsam wieder hin. „Erzählst du mir, warum es dir nicht gut geht? Und wieso du dann den armen Spiegel zerschlagen musstest?“ Ah, sie hat es begriffen. Das ist gut. So muss ich ihr ja gar nicht antworten. Auf den Rest kommt sie vielleicht auch noch von allein. „Ach, Sasuke. Es ist so schwer mit dir. Rede doch einfach mal. So kommst du nicht weiter, siehst du das nicht?“ Natürlich sehe ich das. Aber ich habe gar keine Lust, mich in irgendeiner Weise fortzubewegen. Denn ich habe auch gesehen, dass je weiter ich gehe, ich sowieso nur auf Grund trete, den ich gar nicht kennen will. Als sie sich sicher ist, dass sie keine Antwort mehr bekommen wird, steht sie wortlos auf und geht in die Küche. Es ist irgendwie final, als hätte sie genug von mir, weshalb ich mich ein bisschen wundere, dass sie sofort wiederkommt. Mit einem scheuen Lächeln setzt sie sich zu mir, mein Blick wandert auf ihre Hände und ich sehe ihr zu, wie sie mit einem Messer geschickt einen Apfel schält und ihn dann in Spalten schneidet. Die Situation wirkt gespannt und zäh, aber das hindert sie wohl nicht daran, mir beiläufig Fragen zu stellen. „Was hast du vor, als nächstes zu tun?“ Sie legt die Apfelstücke auf einen Teller und hält ihn mir hin. Ich schüttele den Kopf. „Iss. Du brauchst Vitamine. Bitte, tu es für mich.“ Seufzend nehme ich ihr den Teller ab. Eigentlich habe ich keinen Appetit, und schon gar nicht auf Obst, aber sie würde mich sowieso nur weiterdrängen und nicht locker lassen. Und wieder damit anfangen, dass ich zu dünn bin oder meine Haut zu blass. „Also… was hast du so vor?“ Ich will gerade dazu ansetzen, ihr eine kryptische Antwort zu geben, halte aber kurz inne. Sakura ist nicht naiv, wie Naruto. Wenn ihr etwas komisch vorkommt, wird sie es sofort Tsunade melden. Und noch mehr Misstrauen kann ich mir nicht leisten. „Weiß ich nicht.“ Wahrscheinlich reicht ihr das als Antwort nicht, so fordernd, wie sie mich ansieht. „Komm schon, du musst dir doch was überlegt haben, als du nach Konoha gegangen bist!“ „Nein.“ Der Apfel ist sauer. Und es genügt ihr noch immer nicht. „Aber… aus welchem Grund bist du dann überhaupt zurückgekehrt?“ „Das geht dich nichts an.“ Jetzt seufzt sie. Das ist wieder so ein Punkt. Ich verweigere jede vernünftige Konversation, gebe ihr keine Antworten und habe auch überhaupt keine Lust, mit ihr zu sprechen. Genau das fällt ihr jetzt auf. „Du bist wirklich schwierig, Sasuke-kun. Aber gut, wenigstens isst du den Apfel.“ Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu, weil es mich stört, wie sehr sie mich bevormundet. Sie soll sich aus meinem Leben heraushalten. Ich habe sie vor einer langen Zeit mal zu einem Teil davon gemacht, ja, aber das ist vergangen. Es ist auch das beste für sie, wenn sie endlich einsieht, dass sie keinen Platz mehr darin hat. Aber sie sieht gar nichts. Überhaupt nichts. Nein, sie schaut mich bloß mitleidig an. „Ich möchte dir doch nur helfen.“ Es macht mich aggressiv, wenn sie das so sagt. Ist es das, was sie von mir denkt? Dass ich nichts weiter als ein kleiner, bemitleidenswerter Junge bin, der sein Leben nicht mehr richtig in den Griff kriegt? Aber ich weiß gar nicht, warum ich mich so aufrege. Mir war es doch immer egal, was die Leute von mir hielten. Und außerdem, habe ich jemals um Hilfe gerufen? Nein. Sie kann sagen, was sie will, sie wird mich sowieso nicht retten. Mit Naruto ist es dasselbe. Er mag Menschen die Augen öffnen können, die in einen Abgrund gefallen sind, aber niemandem, der sich diesen Weg selbst ausgesucht hat. Meine Augen habe ich fest verschlossen, ich will gar kein Licht sehen. Es würde mich nur blenden und vom Wesentlichen ablenken. Von meiner Rache. Sie ist übergeordnet. Wir verbringen eine Weile im Schweigen, was mir eigentlich nichts ausmacht. Ihr aber schon, wenn ich ihre angespannte Körperhaltung richtig deute. Und wie sollte es anders sein, irgendwie hält sie es nicht mehr aus und versucht schon wieder, ein Gespräch zu beginnen. „Wie geht es dir jetzt, Sasuke-kun? Besser?“ Unfokussiert schiele ich zu ihr herüber und nicke dann langsam. Besser, ja, aber dafür fühle ich mich unendlich müde. „Das ist schön. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“ Ich schnaube abfällig. Wieso sorgt sie sich denn ständig? Und muss mir das auch wirklich jedes Mal mitteilen? Es interessiert mich nicht, nervt mich sogar vielmehr. Ihr Gesichtsausdruck bleibt eine Weile lang unverändert, aber dann sinken ihre Mundwinkel immer weiter herab bis sie auf einmal überhaupt nicht mehr lächelt. Auch versucht sie nicht mehr vergeblich, meinen Blick einzufangen, sondern schaut mir von sich aus nicht in die Augen. Etwas betreten fokussiert sie stattdessen den Fußboden. „Es… es tut mir übrigens leid, dass ich zu Tsunade gegangen bin, als du…“ Sie spricht den Satz nicht zu Ende, aber das ist auch gar nicht nötig. Ich weiß ja, warum sie es getan hat. Das ändert zwar nichts daran, wie ich darüber denke, aber ich kann ihr auch kein rationales Argument vorhalten. Es ist abgeschlossen, geschehen, und ihre kleine Entschuldigung nützt mir jetzt auch nichts mehr. Ich winke ab. Erleichtert atmet sie auf. „Ich hatte schon Angst, du würdest mich deswegen jetzt hassen.“ Ihr Lächeln ist so furchtbar strahlend und offen. Aber sie bekommt schon noch, was sie verdient, sie muss sich nur noch ein bisschen gedulden. ~~~ Es tut mir so leid. Aber ich hab eine Begründung: mein PC. Im Mai oder so hat er sich einen Trojaner eingefangen und dann hab ich bei einer Systemwiederherstellung versehentlich alle Dateien gelöscht. Inklusive bereits halbfertiger Kapitel. Danach war ich erstmal frustriert und konnte mich nicht dazu aufraffen, die unschöne Realität zu konfrontieren und alles neu zu schreiben. :( Jetzt hab ich es aber geschafft, die FF ist bis auf zwei Kapitel fertig geschrieben und doppelt abgesichert, das heißt, ich werde absofort im zweiwöchentlichen Rhythmus posten und es wird vorerst keine Verzögerungen mehr geben. Definitiv. Und übrigens, die Hälfte ist jetzt quasi erreicht. Nicht ganz, aber fast. Freut euch (oder auch nicht) auf die zweite Hälfte, in der auch mehr Handlung vorkommt. Und es gibt jetzt auch ein Cover für die FF, falls es irgendjemandem aufgefallen ist. :DD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)